Ein Teller Ente mit Top-Anwalt Dieter Leuering, der seinen Schreibtisch in Online – und Offline-Zonen aufteilt

In Ruhe arbeiten können, das ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Seit Architekten Schulter an Schulter mit kostensparwütigen Unternehmenslenkern das ganze Land mit ihren unheilvollen Arbeitsbedingungen für die Angestellten in Großraumbüros zwangsbeglücken. Alles soll gleich aussehen, selbst wenn´s keinen Publikumsverkehr gibt. Die Tische sollen nach der ulkigen clean-desk-philosophie abends blitzblank sein und schon gar nicht von Arbeit, Grübeln und Individualität zeugen. Mehr wie beim Militär und in einer Kaserne soll keine Spur auf einen einzelnen Menschen, ein Individuum hinweisen. Soweit der Main stream, der Zeitgeist.

 

Wenn Überlegen zum Job gehört, weil Aufraggeber keine Textbausteine wollen

Ganz anders Dieter Leuering, der von seinen ganz individuellen Arbeitsbedingungen schwärmt: Er habe einen 2,20 Meter langen Schreibtisch mit seinen zwei Bereichen, an dem er mit seinem Stuhl entlang rollern kann: Vom Arbeitsplatz mit PC und aller nötigen Technik – und zur anderen Seite, wo er auf den anderen 1,10 Metern ohne jedwede Technik ganz in Ruhe nachdenken kann. Da liege ein Block, Stifte und Bücher, aber eben kein PC, erzählte der Gesellschaftsrechtler bei seinem Besuch in Düsseldorf kurz vor der Corona-Krise. Das braucht er. Um in Ruhe überlegen zu können. Schließlich wollen seine Klienten von ihm kreative Leistungen und keine Textbausteine, schildert der Partner der Bonner Traditionskanzlei Flick Gocke Schaumburg.

 

Erst mal durchdenken, dann Rat geben

Und er berichtet, wie wichtig es ist, sich nicht von jetzt auf gleich unter Zeitdruck setzen zu lassen: Öfter erwidere er nämlich seinen Managerklienten erst einmal, dass er sich bei ihnen in einer halbe Stunde zurück melde. Dann werde er ihnen sagen, was Sache ist. Dass er den Fall, das Problem oder die Situation überhaupt erst einmal durchdenken müsse, bevor er sich auf einen Rechtsrat festlege.

 

Er ist klug genug, auf etwas zu bestehen, was eben kein Luxus, sondern schiere Notwendigkeit ist. Zeit zum Nachdenken, die auch den Angestellten in Unternehmen heute im Durchkalkulieren der Prozesse und Workflows gar nicht eingeräumt wird. Da  kommt Denk-Zeit nie vor. Ebenso wenig wie der Punkt „Training“ nach Fortbildungen. Einmal vorgebetet und am besten sofort fehlerfrei anzuwenden, so stellen es sich die Manager vor. Und übersehen, dass einmal Angehörtes immer erst mal trainiert werden muss, es es wirklich erlernt ist.

 

Dieter Leuering (Foto: Tödtmann)

 

Und noch etwas erzählt Leuering, was manch anderem Top-Anwalt nie über die Lippen käme: Dass er Wert darauf lege, dass ihm sein Team Gedankenanstösse liefert.  Und mehr. „Ich will nur junge Leute, die sich auch trauen, mir zu widersprechen. So sollten seine Ergebnisse, Gutachten, Schriftsätze oder sonstigen Statements erst von einem Zweiten kritisch beäugt werden, bevor es nach draußen an Mandanten, Gegner oder ein Gericht geht. Wobei mancher Jungjurist erst mal lernen müsse, kritisch zu sein.

 

Bestellt hat sich Leuering hier im „Zen“ in Düsseldorf Ente auf Gemüse mit Süßkartoffelfritten und der Kellner findet es ziemlich doof, dass wir für seinen Geschmack zu viel reden statt, uns dem Essen hinzugeben. Dabei war´s tatsächlich lecker, doch dass ein Schreibblock neben dem Teller liegt, störte den Kellner irgendwie. Und das sagt er auch – eigentlich qualifiziert er sich damit für Leuerings Team. Zumindest in puncto Widerspruchsgeist.

 

 

Großraumbüros behindern die Kreativität

Als dieses Gespräch stattfand, hatten wir noch keine Ahnung, dass Großraumbüros nicht nur das Denken stören und Kreativität einschränken, sondern wie gefährlich sie auch für die Gesundheit sind. Im Großraumbüro hat sich wohl der Patient 0 in Berlin den Coronavirus eingehandelt.  Ein 22-jähriger Student aus NRW, der bei einem Startup ein Praktikum absolvierte. Der junge Mann wurde von seinen Mitbewohnerinnen ohnmächtig aufgefunden und war vier Wochen später noch in der Charite´. Ohne jede Vorerkrankung übrigens. Und ihm verdankte auch die Nummer sechs in Berlin den Virus, er war im selben Großraumbüro tätig.

 

Dabei sei gerade die das Wichtige in ganz vielen Dienstleisterjobs.  Als Partner muss er sich da sicher weniger freikämpfen. Im Optimierungswahn der meisten Boni-getriebenen Manager wünschen sich sicher viele Angestellte die Zeiten zurück, in denen sie nicht nur noch wie im Hamsterrad etwas weniger rennen müssen, sondern auch mal wieder Luft holen dürfen zwischendurch – und auch mal kreativ werden dürfen.

 

 

 

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