Buchauszug Diana Roth: „Zu jung! Zu alt! Zu schwanger! Zu qualifiziert! So tickt die Arbeitswelt“

Buchauszug Diana Roth: „Zu jung! Zu alt! Zu schwanger! Zu qualifiziert!
So tickt die Arbeitswelt“

Bei Twitter @dianarothcoach1

Diana Roth (Foto: PR)


Mitarbeitergespräche nach Gutsherrenmanier oder Edelmenschtum

»Ich behaupte, je höher die Position, desto weniger zählt die Fach-/Methodenkompetenz. Es ist die Persönlichkeits-/Sozialkompetenz, die den Ausschlag gibt, ob man ein guter Mitarbeiter ist.«

Erste Unternehmen schaffen Mitarbeitergespräche bereits wieder ab, während sie gleichzeitig in allen Fachausbildungen noch als das alleinseligmachende Personalführungsinstrument deklariert werden.

»Mitarbeitergespräche sind doof!«, sagte Hans M., angehender Technischer Kaufmann aus Basel, im Fach Personalbeurteilungen zu mir als Dozentin. Und er fuhr fort: »In unserem Unternehmen sind diese Gespräche optional und dauern allerhöchstens zehn Minuten. Vorher müssen wir jedoch ausstempeln.«

Autsch! Das kann doch nicht wahr sein! Werfen wir einen Blick in die schöne Theorie der Lehrbücher: Mitarbeitergespräche sollen Beurteilungs- und Qualifikationsgespräche sein. Mitarbeiter erfahren von ihren Vorgesetzten, wie sie die qualitativen und quantitativen Leistungs- und Verhaltensziele beurteilen.

Damit soll die Beziehung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern vertieft, verbessert, geklärt und idealerweise sollen zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten besprochen werden. Das Sahnehäubchen in den Beschreibungen zu diesem wichtigen Thema lautet sinngemäß: Eine etwaige Lohnrelevanz in einem Beurteilungsgespräch ist umstritten. Priorität hat immer die Beurteilung der Ziele, die ja durch den Lohn bereits monatlich »honoriert« werden.

Also doch eine Einbahnstraße? Nein! Ein Mitarbeitergespräch ist der Abgleich von zwei Seiten. Ein Führungsinstrument, welches auf Augenhöhe zu erfolgen hat. Dabei kann es wirklich ein lebendiges, tolles Führungsinstrument sein. Es kann aber auch eine unbeliebte, administrative Routine sein. Führungskräfte nennen es gerne: »Der jährliche Papiertigerwahnsinn«. Ein Beurteilungssystem, welches nicht überlegt und sinnhaft in einem gesamten Führungsprozess integriert ist, kann nicht nachhaltig erfolgreich sein. Es bleibt zwangsläufig eine Alibiübung und allgemein verhasst.

Führungskräfte, die nach Gutsherrenart führen, tragen sie noch, diese alten Zöpfe, und es ist kein leeres Versprechen, wenn ich sage: »Sobald ich sie erwische, schneide ich sie ihnen ab!«

 

Mitarbeitergespräche – Praxisbeispiele von »bösen« und »guten« Vorgesetzten

Da ist der Leiter Bauhof. Ein alter Haudegen, der in wenigen Jahren pensioniert wird. Er führt zwanzig Werkhofmitarbeitende mit strenger, autoritärer Hand. Sein Lieblingsspruch, und den können alle Mitarbeiter auswendig, lautet: »Du wirst nicht fürs Denken bezahlt, sondern fürs Arbeiten. Denken tu ich hier!«

In bester Gutsherrenart lässt er einen Mitarbeiter nach dem anderen zum Gespräch antreten. Seine eigene Redezeit beträgt achtzig Prozent. Er stellt geschlossene Fragen und redet viel über Arbeitskollegen. Er beurteilt, spricht in Ich-Sätzen, schaut ständig auf die Uhr, wärmt alte Geschichten auf. Das Beste: Er hat zu jedem seiner Mitarbeiter eine Art Rabattmarkenheft angelegt. Klammheimlich eine »hidden agenda«. Jeder Fehler wird fein säuberlich gesammelt und am Tag des Mitarbeitergesprächs eingelöst. Denn hier erfolgt der Rundumschlag.

Der Leiter Bauhof ist der festen Meinung, fehlende Anerkennung führe zu mehr Leistung und jedes Lob müsse mit einer Kritik verknüpft sein. Zum Schluss sagt er fast immer gönnerhaft, er werde sich für den Mitarbeiter beim Big Boss einsetzen und wenigstens eine kleine Gehaltserhöhung rausboxen. Die Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik hat sich für ihn bewährt.

Demgegenüber sind allerdings auch Mitarbeitergespräche, in denen die Führungskraft in die Rolle des Edelmenschen schlüpft, nicht im Sinne eines solchen Gesprächs.

 

Buchauszug Diana Roth: „Zu jung! Zu alt! Zu schwanger! Zu qualifiziert!
So tickt die Arbeitswelt“, 216 Seiten, 14,95 Euro, BusinessVillage 2020
216 Seiten https://www.businessvillage.de/Shop/
ISBN 978-3-86980-520-7

 

Natürlich ist es für Mitarbeitende schön zu hören, dass sie wertgeschätzt werden. Beginnt der Chef jedoch mit: »Lieber Mitarbeiter, du bist für mich das Wichtigste hier. Ich respektiere dich. Ich gebe dir gerne Wertschätzung. Ich begegne dir stets auf Augenhöhe. Ich will dir bei deiner Weiterentwicklung helfen. Ich bin so froh, dass du in meiner Abteilung bist!«, dann fühlt der Mitarbeiter sich grausam veräppelt. Wenn er dann noch weiß, dass der Chef gerade letzte Woche einen entsprechenden Kurs für Führungskräfte besucht hat …

Dieser gute Vorgesetzte hat einige Wochen zuvor den Mitarbeiter mit einem Formular ordnungsgemäß eingeladen, einen Raum reserviert und sich mindestens zwei Stunden Zeit genommen. Er hörte aktiv zu, lobte jede einzelne Selbstverständlichkeit über den Klee – übrigens eine bewährte Methode, um Mitarbeiter, die gehen wollen, zu halten –, hörte die Selbstbeurteilung des Mitarbeiters und gab überall einen Punkt mehr als in dessen Selbsteinschätzung. Er versprach das Blaue vom Himmel und die meiste Gesprächszeit wurde den Wünschen des Mitarbeiters und der Vorgesetztenbeurteilung gewidmet. Er beendete das Gespräch so, wie er es begonnen hatte, beweihräucherte den Mitarbeiter und die gemeinsame Zukunft im Unternehmen. Nach dem Gespräch sank er selbstverliebt in den Bürosessel und klopfte sich selbst auf die Schulter. Gut gemacht, Hans! Du bist ein toller Chef.

Die Absicht mag gut sein – aber wo die Echtheit der Worte nicht spürbar ist, da sind sie klar umsonst. Was übrigens nicht nur für Mitarbeitergespräche gilt.

»Gute Führungskräfte führen viele Feedbackgespräche mit ihren Mitarbeitenden … ohne dass dies eines Formulars und eines vorgegebenen Intervalls bedarf.« Dieses Argument begegnet mir immer wieder. Ja, das ist richtig. Ich brauche kein Formular, um dieses Gespräch zu führen. Es dient nur als Hilfsmittel, damit an alles gedacht wird. Nicht mehr und nicht weniger. Und: Schriftlichkeit schafft Verbindlichkeit.

Diese Verbindlichkeit ist wichtig, denn ich denke, es ist wertvoll für beide Seiten, einmal im Jahr eine ungestörte Stunde zu haben und eine gegenseitige Standortbestimmung zu erfahren. Ziele des Unternehmens auf die eigene Funktion heruntergebrochen klar und deutlich zu sehen. Ein standardisiertes Gespräch ist ein hilfreicher Leitfaden und bietet Zeit für Zwischenmenschliches. Denn Hand aufs Herz, die wenigsten Führungskräfte haben genügend Führungszeit zur Verfügung. Sie müssen lavieren zwischen Mitarbeitern, die Gesprächszeit einfordern, und denen, die immer wieder deutlich zu verstehen geben, dass sie einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen.

Stell dir vor diesem Hintergrund vor, dass eine Kündigungswelle anrollt: Was denkst du, welcher Name fällt zuerst? Der des Mitarbeiters, mit dem man im engen Kontakt stand, oder der, der wie ein Fisch durchs Netz schlüpfte?

Zugegeben: Die Art und Weise steht und fällt mit der menschlichen Reife und Professionalität des Gesprächsführenden – daran kann man arbeiten und Mängel dürfen kein Grund sein, das System als Ganzes infrage zu stellen. Obwohl ich mehr schlechte als gute Gespräche erlebt habe, bin ich ein Verfechter dieses Führungsinstruments. Erst ein transparentes, gelebtes, passendes und einheitliches Beurteilungssystem macht ein Unternehmen und seine schönen Worte in Leitbildern glaubwürdig. Und die Wenn-ich-nix-sage-ist-schon-gut-Liga erhält damit einen deutlichen Dämpfer.

Was so in Großkonzernen bereits gut gelebt wird, wird im Mittelstand immer noch belächelt oder nicht selten nur halbherzig durchgeführt. Trotzdem sind Mitarbeitergespräche sinnvoll: Personalabteilungen sammeln die Ergebnisse und werten sie zentral aus. Zukünftige Personalentscheide können in jedem einzelnen Personalprozess dadurch gestützt werden.

Zum besseren Verständnis: Das Mitarbeitergespräch kann zur Laufbahnplanung und Personalentwicklung hinzugezogen werden. Und es spielt auch beispielsweise bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen eine wesentliche Rolle. Zu viele Beurteilungskriterien überfordern jedoch die meisten Mitarbeitenden und Vorgesetzten. Das mag vielleicht auch den immer noch enormen Widerstand diesem Führungsinstrument gegenüber erklären, den Personaler täglich erleben. Es gelingt nur selten, den beiderseitigen Nutzen eines Beurteilungssystems schmackhaft zu machen.

 

Mitarbeitergespräche erfolgreich meistern

Hier einige Erkenntnisse der Teilnehmer des Kurses »Mitarbeitergespräche erfolgreich meistern«:

•             Vorgesetzte wie Mitarbeiter bereiten diese Gespräche vor.

•             Die Einladung zum Gespräch erfolgt mindestens zwei Wochen vor Termin.

•             Im Gespräch gilt der Chancen- und nicht der Rotstiftblick.

•             Zu jeder Kritik/jedem Lob gehört ein Beispiel.

•             Nicht der Mensch wird beurteilt, sondern nur das gezeigte respektive erlebte Verhalten.

•             Faires Klartextreden ist besser als ein Kumpelgequatsche.

•             Mitarbeitergespräche werden immer in einem neutralen Raum geführt – Störungen werden bereits im Vorfeld ausgeschlossen.

•             Es wird nie über andere getratscht.

•             Eine Unterschrift unter dem Mitarbeitergespräch kann nicht erzwungen werden. Wenn der Mitarbeiter nicht einverstanden ist, dann soll er dies so vermerken und diesen Vermerk unterschreiben.

 

Fazit

Nutze das Mitarbeitergespräch für dein Selbstmarketing und für eine Standortbestimmung. Bereite dich gut darauf vor. Egal, wie dein Vorgesetzter dieses Gespräch führt, du holst das Beste für dich raus, denn du weißt, Ergebnisse aus diesem Gespräch können zur Zeugniserstellung herangezogen werden. Auch der etwaige Nachfolger deines jetzigen Chefs erhält die Unterlagen und orientiert sich in der Regel an dem, was war.

Leider gilt: Du kannst deinen Vorgesetzten nicht ändern. Wenn er dieses Gespräch als unnötig ansieht und es daher im Schweinsgalopp durchzieht, sagt das mehr über ihn aus als über dich.

 

 

 

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