Umfrage Managergesundheit; „Für Hokuspokus-Medizin ist die Tür weit geöffnet“

Eine repräsentative Umfrage zeigt, dass selbst unter rational handelnden Managern viele fest an medizinische Methoden ohne jede wissenschaftliche Erklärung glauben. Die Folgen können fatal sein.

(zuerst erschienen auf wiwo.de)

 

Der Fall lässt Curt Diehm nicht los: Sein Nachbar, ein ehemaliger Manager aus der Elektronikindustrie, hatte sich vorzeitig pensionieren lassen – und absolvierte einen einjährigen Kursus in Homöopathie, eröffnete schließlich eine eigene Praxis. Plötzlich wurde die Frau schwer krank. Sie verlor massiv an Gewicht – und verstarb innerhalb von sechs Wochen. Dass sie kurz vor ihrem Tod wegen akuter Atemnot noch ins Krankenhaus kam, half ihr nicht mehr. Es stellte sich heraus, dass die Patientin einen bösartigen Nierentumor hatte. Der ganze Körper war schon voll Metastasen. In Behandlung war die Frau aber ausschließlich bei ihrem Mann gewesen, der sie mit Globuli-Kügelchen behandelt hatte und ihr den Besuch bei einem Schulmediziner verweigert hatte.

 

Curt Diehm, Ärztlicher Direktor der Max Grundig Klinik (Foto: PR)

 

Curt Diehm hat immer wieder mit Spitzenmanagern zu tun. Er ist ärztlicher Direktor der Max Grundig Klinik auf der Bühlerhöhe, einem Haus, in dem sich vor allem betuchtere Patienten behandeln lassen. Dass ausgerechnet Führungskräfte, denen landläufig eher Rationalität und vor allem rationales Handeln im Beruf unterstellt wird, „an Hokuspokus-Medizin glauben“, kann Diehm nicht nachvollziehen. Eine neue Befragung unter 1000 Führungskräften, die die R und K Marktforschung im Auftrag der Max Grundig Klinik in Bühl durchgeführt hat und die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt, zeigt jedoch: Diehms Nachbar, über den er noch immer den Kopf schüttelt, ist offenbar gar keine Ausnahme.

 

Jeder vierte Manager misstraut der Schulmedizin

Fast jeder vierte Manager hat zur Schulmedizin kein oder nur geringes Vertrauen, zeigt die repräsentative Umfrage. Mehr noch: 36 Prozent glauben an die Wirksamkeit von Homöopathie, 46 Prozent haben bereits persönlich Globuli – die umstrittenen kleinen Kügelchen – ausprobiert. 69 Prozent der befragten Manager glauben, es gäbe Heilungsmethoden jenseits der Schulmedizin, die „grundsätzlich und nachhaltig erfolgreich sind“. Dazu gehören zum Beispiel Akupunktur, traditionelle chinesische Medizin, Osteopathie, Ayurveda und Pflanzenheilkunde.

 

 

„Ich verstehe, dass Menschen mit chronischen Beschwerden nach dem Strohhalm greifen“, sagt Diehm. „So lässt sich auch erklären, dass viele Führungskräfte schon Globuli genommen haben sowie an deren Wirksamkeit glauben.“ Auch Neugierde auf alternative Behandlungen kann er nachvollziehen. Doch dieser weit verbreitete feste Glaube an medizinische Methoden, für die es keine wissenschaftlichen Erklärungen gibt, sei bedenklich.

 

Das große Missverständnis – und zu viele unnötige Operationen

Warum ausgerechnet viele Führungskräfte so irrlichtern? Zum einen, so erklärt Diehm: „Bei vielen Menschen gibt es ein Grundmissverständnis. Sie gehen zum Arzt und glauben, das wird sie heilen. Wenn das dann nicht auf Anhieb funktioniert, taugt in ihren Augen auch die Schulmedizin nichts.“ Zum anderen sorgen die Ärzte selbst für ein Misstrauen in die klassische Medizin. Es gebe zu viele unnötige Eingriffe wie Herzkatheder oder Schulteroperationen. Und die Ärzte erläuterten zu wenig, warum sie wie vorgehen und redeten Fachchinesisch, so Diehms Kritik.

 

Besorgniserregend hohe Akzeptanz von Nahrungsergänzungsmitteln

Der allzu kritische Abstand zur Schulmedizin ist für Diehm auch bei der Bewertung von Nahrungsergänzungsmitteln erkennbar. 25 Prozent der Manager halten deren Konsum für sinnvoll, weitere 30 Prozent finden ihn von Fall zu Fall sinnvoll. Diehm: „Diese hohe Akzeptanz ist beunruhigend. Kein Mensch, der sich vielfältig und gesund ernährt, braucht im Normalfall Nahrungsergänzungsmittel, deren Wirksamkeit wissenschaftlich so gut wie nicht nachgewiesen ist.“ Trotzdem schmissen sich inzwischen viele Manager vermeintliche Wunderpräparate ein, die allenfalls einen Placeboeffekt erzielte.

 

 

 

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