Familienunternehmen: „Kleinigkeiten lösen oft Streit aus“ – Interview mit Brun-Hagen Hennerkes, dem Berater der Familienunternehmen

Zoff in Familienunternehmen

„Frieden ist nie mehr eingekehrt“ –  zuerst erschienen auf wiwo.de am 10. Juli 2019

Brund-Hagen Hennerkes Quelle: PR

Herr Hennerkes, die Geschwister Petra und Paul Fassbender – er ist Chef der Rechtsschutzversicherung Arag – stritten bis vor Kurzem ganze 34 Jahre lang vor Gerichten um Unternehmensanteile. Die Tochter des verstorbenen Milliarden-Unternehmers Peter Dussmann und ihre Mutter Catherine von Fürstenberg streiten sich seit sechs Jahren vor Gericht ums Firmenerbe – ein Ende des Streits ist nicht in Sicht. Sind solche Fälle typisch?

Nein, die große Mehrzahl der Streitigkeiten wird familienintern geklärt. Dabei spielt der Unternehmensbeirat oft die entscheidende streitschlichtende Rolle. Oft wird das Unternehmen auch unter den Streithähnen aufgeteilt. Bisweilen entschließen sich die Eigentümer, das Unternehmen zu verkaufen und teilen dann den Kaufpreis untereinander auf. Ein langanhaltender Streit schwächt jedes Unternehmen. Dass dies jedoch zur Insolvenz führt, ist äußerst selten.

Bei Familienstreitigkeiten geht es oft um Eifersucht, Neid oder verletzte Gefühle. Was passierte in Ihrem emotionalsten Fall?

Zwei Brüder, die sich sogar siezten. Auslöser des Knatschs war die zweite, jüngere Ehefrau des einen, die ihren Mann dann gegen seinen Bruder aufhetzte. Kam der abends spät nach Hause, stichelte sie, nur er würde so schuften. Der Bruder hingegen mache sich ein schönes Leben mit langen Urlauben und wenig Arbeit in der Firma. Deshalb stünden ihm, der den höchsten Einsatz erbringe, auch höhere Bezüge zu.

…was der Bruder anders sah?

Sie stritten erbittert, jeder versuchte im Unternehmen seine eigene Mannschaft aufzubauen und jeweils eine Mehrheit der Mitarbeiter hinter sich zu bringen. Am Ende blieb nur noch dieser Weg: Die Firma wurde geteilt, ich führte eine Betriebsaufspaltung durch. Das funktionierte auch, weil es verschiedene, voneinander unabhängige Produktionsstätten und verschiedene Produktgruppen gab. Familienfrieden ist jedoch nie mehr eingekehrt, bis heute gehen die Brüder auch als Unternehmer getrennte Wege.

 

Und wann noch?

Bei Ehescheidungen ist die erste Ehefrau oft die Dumme. Meist hat sie in den Aufbaujahren des Unternehmens sparsam gelebt und sich nicht viel gönnen können. Zu Recht ist sie gekränkt, wenn der Neuen alles zufliegt, was sie selbst jahrelang vermissen musste.

 

Es muss Auseinandersetzungen geben – das ist normal. Tut es das nicht, so taugt der Sohn oder die Tochter nicht zum Nachfolger. Ist ein Junior gegenüber einem dominierenden Vater nur willfährig und tut er nur, was dieser sagt, so fehlt ihm das nötige Format, das ein Unternehmer braucht.

 

Was raten Sie dann?
Im Zuge der Unternehmensnachfolge muss im Detail festgelegt werden, in welchen Bereichen der Sohn tätig ist und in welchem Umfang der Vater noch eingreifen kann. Überrollt der Vater ständig seinen Sohn, so riskiert er, dass der Sohn auf Selbstständigkeit pocht und seinen Weg außerhalb des Familienunternehmens sucht.

„Streitigkeiten über die Strategie sind selten“

 

Wiederholen sich die Fehler der Junior-Chefs?

Viele Söhne machen zunächst Fehler im Umgang mit den Mitarbeitern, indem sie mit ihnen nur mangelhaft kooperieren. Andere holen sich sofort nach der Übernahme eine große, teure Unternehmensberatung in die Firma oder tätigen hohe Investitionen, statt über die ersten Jahre die vom Senior eingeschlagene Strategie fortzuführen. Solche Umbrüche im Unternehmen – angeführt vom Nachfolger – gehen nie gut.

Und wenn der Junior tatsächlich unfähig ist? 

Dann müssen die Senioren sofort eingreifen und entweder einen neuen Geschäftsführer finden oder das Unternehmen rasch verkaufen, solange es noch etwas zu verkaufen gibt. Bei der Brauerei Dortmunder Kronen – einst die größte deutsche Privatbrauerei – lief das zum Beispiel so. Der hochqualifizierte Onkel übergab seinem Neffen die Unternehmensleitung, der dafür nicht geeignet war. Der Onkel war völlig ratlos, machte sich große Sorgen um sein Lebenswerk, die Firma. Ich konnte ihm nur noch raten, dem Neffen seine Unternehmensanteile zum Kauf anzubieten. Das hat er getan, um wenigstens sein Vermögen zu retten, und einige Jahre später war die „Dortmunder Kronen“ pleite. Unnötigerweise? Ja, aber so kann es zwischen Onkel und Neffe laufen.

Das klingt ja so, als wären es immer persönliche Konflikte, an denen Familienunternehmen zerbrechen. Spielen Streitigkeiten über die Strategie des Unternehmens selbst denn gar keine Rolle?

Streitigkeiten über die Strategie sind selten, dafür aber umso schwerwiegender. Sie lähmen das Unternehmen nachhaltig. Das habe ich als Beiratsvorsitzender der Firma Krups in Solingen erlebt. Einer der Gesellschafter wollte die Produktion auf Elektrorasierer umstellen, statt weiterhin Haushaltsgeräte herzustellen.

 

Was ist nach Ihrer Lebenserfahrung das größte Risiko für den Frieden in Familienunternehmen?

Für mich ist das größte Risiko im Familienunternehmen das, was ich als Veränderungsrisiko bezeichne. Wenn sich die personelle Situation ändert, wenn das gemeinsame Verständnis unter den Eigentümern in die Brüche geht, wenn das tradiierte Werteverständnis angezweifelt wird, dann ist der Fortbestand des Unternehmens in Gefahr.

Die Ursachen können vielfältig sein. Wenn von zwei Söhnen innerhalb der Geschäftsführung der eine plötzlich verunglückt, dann stellen sich naturgemäß für die Familie grundlegende neue Fragen. Oft sind es auch Kleinigkeiten, die Streit auslösen. So, wenn einer der Gesellschafter höhere Bezüge erhält als sein Partner, wenn einer der Gesellschafter überteuerte Geschäftsreisen antritt, wenn einer Vorzüge genießt, die der andere ihm neidet. Es kann der Gärtner sein, der nur einen der beiden Geschäftsführer bedient, es kann der Chauffeur sein oder es können überhöhte Restaurantrechnungen sein.

Was ist mit fragwürdigen Fällen wie bei Konzernchef Dussmann, wo Gutachter aufgefahren werden, um zu klären, ob der Vater überhaupt noch geschäftstüchtig war, als er das Erbteil seiner Tochter auf 25 Prozent herabsetzte. Das Motiv, das Insider vermuten, auch hier: Nachvollziehbare Emotionen, der Schwiegersohn gefällt nicht. Schätzen Sie bitte mal, wie oft Nacht- und Nebel-Aktionen womöglich mit Enterbungen passieren und wie oft so eine Testamentsanfechtung Erfolg hat.

Testamentsanfechtungen haben nur selten Erfolg. In meiner Praxis habe ich das nur selten gesehen.

 

Können Sie auch Beispiele aus der eigenen Familie beisteuern?

Bei meinen Kinder herrscht absolute Harmonie, zwei Söhne, eine Tochter und fünf Enkel. Aber wir haben ja auch kein Familienunternehmen und selbst mein jüngerer Sohn hat es als promovierter Volljurist abgelehnt, sich unter die Fittiche des Vaters zu begeben. Er führt heute als CEO ein Unternehmen in der Schweiz.

 

 

 

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