Daimler und Benz Stiftung: Wissenschaftler Johannes Vogel über bedrohte Biodiversität

Gastbeitrag von Johannes Schnurr von der Daimler und Benz Stiftung über den Vortrag von Johannes Vogel, Professor für Biodiversität, Generaldirektor des Museums für Naturkunde in Berlin: „Bedrohte Biodiversität? Was passieren muss, damit uns die Vielfalt des Lebens nicht verloren geht“, zu hören.

 

 

Johannes Vogel (Foto: Daimler und Benz Stiftung / privat)

 

Biodiversität: Die Vielfalt des Lebens erhalten

Während der letzten 3,8 Milliarden Jahre sei eine ungeheure Anzahl von Arten entstanden, die sich in gegenseitiger Abhängigkeit entwickelt hätten. „Das Leben funktionierte bisher in Kreisläufen und kommt selbst mit tiefgreifenden Umweltveränderungen zurecht“, so Professor Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (Berlin). Als Professor für Biodiversität und Wissenschaftsdialog an der Humboldt-Universität zu Berlin berät Vogel unter anderem die EU-Kommission und die Bundesregierung in Umweltfragen.

 

Bedrohte Biodiversität? Was passieren muss, damit uns die Vielfalt des Lebens nicht verloren geht.

Sinkende Artenvielfalt, steigende Weltbevölkerung

Als Teil der Natur und der natürlichen Stoffkreisläufe stehe der Mensch in Abhängigkeit von dieser ihn umgebenden biologischen Vielfalt. Mittlerweile jedoch gehe die Artenvielfalt dramatisch zurück, was insbesondere einer expandierenden Land- und Forstwirtschaft, einer immer weiter ansteigenden Weltbevölkerung und dem Klimawandel geschuldet sei, stellte Vogel fest. Dazu trage auch bei, dass der Mensch rund die Hälfte seines Kalorienbedarfs mit durchschnittlich nur vier Arten von Lebewesen decke und sich zunehmend einseitig ernähre.

 

Keine Blumenwiesen, weniger Insekten, überfischte Meere

Eine Agrarlandschaft, die nur noch aus Wäldern und Grünflächen bestehe, befördere den aktuellen Rückgang der Artenvielfalt. Wo nichts blühe, gebe es keine Bestäuber, wo keine Blumenwiesen gedeihen, fehle es auch an der Nahrungsgrundlage für zahlreiche Insekten und damit für Vögel. Zu Zeiten Luthers habe es noch rund 95 Prozent natürliche Vegetation und allenfalls 500 Millionen Menschen weltweit gegeben, heute gebe es weniger als 50 Prozent natürliche Vegetation und es leben etwa 7,5 Milliarden Menschen auf der Erde – einhergehend mit einem weiter stark ansteigenden Ressourcenverbrauch. Insbesondere in den Meeren sei die Situation mittlerweile kritisch: Rund 90 Prozent der Bestände seien überfischt.

 

Erste Priorität: Forschung

Eine vordringliche Aufgabe sei es deshalb, möglichst viele Arten wissenschaftlich zu bestimmen und zu erforschen, denn gegenwärtig bestehe die Gefahr, dass wir die bestehende Biodiversität unseres Planeten schneller verlören, als sie zu entdecken. Es gelte derzeit eine mehrfache Krise zu bewältigen, da der starke Rückgang natürlicher Lebensräume, das damit zusammenhängende Verschwinden vieler Tier- und Pflanzenarten, die mit intensiver und großräumiger Landwirtschaft einhergehende Land- und Bodenzerstörung sowie die globale Klimaerwärmung sich in ihren Effekten verstärkten.

 

Bürger müssen begeistert werden für Natur und Biodiversität

„Die Welt muss deshalb vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen zusammenarbeiten. Das können wir beispielsweise durch Einrichtungen, die die Biodiversität erforschen, erreichen“, so Vogel. „Auch eine nachhaltige ökologische Wirtschaft ist möglich, die finanziellen Ressourcen dazu sind vorhanden.“ Dabei genüge es ausdrücklich nicht, auf die Verantwortung vermeintlicher Entscheidungsträger zu verwesen: „Es kommt nicht nur auf die Politik und die Unternehmen an, sondern besonders auf das Handeln jedes Einzelnen von uns.“ Wichtig sei es deshalb, das Thema Naturschutz in die Öffentlichkeit zu bringen. „Das ist eine wichtige Aufgabe von uns Forschern: Wir müssen die Motivation bei den Bürgern wecken und sie für die Bedeutung der Natur und der Biodiversität begeistern.“ Der Umgang mit Natur sei immer auch emotional, hier liege ein wichtiger Hebel zur gesellschaftlichen Veränderung.

 

Herr Professor Vogel – drei kurze Fragen zur aktuellen Situation an Sie:

Welche Entwicklung macht Ihnen am meisten Angst?

Ungleichheit und Naturzerstörung scheinen sich irgendwie parallel zu entwickeln – beide zerstören unsere natürlichen Lebensgrundlagen und die demokratische Wissensgesellschaft. Aber auf diesen beiden Grundbedingungen beruht unser gutes Leben.

 

Welche Entwicklung macht Ihnen am meisten Hoffnung?

Dass so viele Menschen (rund 700.000 bis 800.000 pro Jahr) zu uns ins Museum für Naturkunde Berlin kommen und in all die anderen tollen Naturkundemuseen in Deutschland. Und natürlich: Wie viele verschiedene Menschen an konstruktiver Veränderung im Persönlichen, Gemeinschaftlichen, Wirtschaftlichen oder Politischen arbeiten, um die notwendigen und dringenden Veränderungen zu bewirken oder anzumahnen!

 

Was kann ich konkret tun, um Natur zu schützen?

Weg vom Fleisch und leider auch vom (Meeres-)Fisch, weg vom Fliegen, hin zur Bahn (mit der ich gekommen und wieder abgereist bin!) und bloß nicht vergessen: ‚Streamen ist das neue Fliegen‘. Die Daimler AG beschäftigt so viele kluge Köpfe: Alle mögen beim Umbau zur Nachhaltigkeit des Wirtschaftens in der demokratischen Wissensgesellschaft mitmachen – es macht Spaß!

Audio-Video-Podcast: www.youtube.com/watch?v=PBCiPmERSbA

 

 

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