Urlaub für Mitarbeiter: Bleiben Personalabteilungen passiv, kann´s für das Unternehmen teuer werden, warnt Arbeitsrechtler Thomas Ubber

Personalabteilungen haben eine neue Aufgabe bekommen: Sie müssen sich aktiv darum kümmern, dass  die Mitarbeiter ihre Urlaubstage auch tatsächlich nehmen. Still halten und die Mitarbeiter mit ihren Urlaubsansprüchen sich selbst überlassen, ist für Personaler nun keine Option mehr. Denn das könnte ihr Unternehmen teuer zu stehen kommen.

Die sieben wichtigsten Punkte für Unternehmen beim Urlaubsrecht und eine To-do-Liste von Top-Arbeitsrechtler Thomas Ubber von der Kanzlei  Allen & Overy (Gastbeitrag).

 

 

 

Die wichtigsten neuen Entwicklungen für Unternehmen in sieben Punkten

 

Mythos eins: Der Urlaubsanspruch verfällt immer Silvester.

Thomas Ubber (Foto: Allen & Overy)

Richtig. Nimmt der Arbeitnehmer den ihm Urlaub, der ihm zusteht nicht, verfällt sein Anspruch auf Erholungsurlaub zum Jahresende. Nur in Ausnahmefällen ist es möglich, das Urlaubsjahr bis zum 31. März des Folgejahres zu verlängern.

 

Mythos zwei: Langzeiterkrankte Arbeitnehmer können unbegrenzt Urlaub ansammeln.
Falsch. Zwar hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass bei Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers ein Verfall  unvereinbar ist, weil der Arbeitnehmer nicht in der Lage war seinen Jahresurlaub zu nehmen. Allerdings hat der EuGH selbst in diesen Fällen entschieden, dass Urlaubsansprüche nach 15 Monaten verfallen können. Denn: Nach Ablauf einer so langen Zeit könne nämlich der Zweck des Erholungsurlaubs – Entspannung und Freizeit – gar nicht mehr erreicht werden.

 

Mythos drei: Dem Arbeitnehmer muss es ermöglicht werden, Urlaub zu nehmen.
Richtig. Nach dem EuGH ist maßgeblicher Sinn und Zweck des Urlaubs die Erholung von der Arbeit. Macht es der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer tatsächlich oder organisatorisch unmöglich, den Urlaub zu nehmen, kann dies dazu führen: Der Arbeitnehmer sammelt sämtlichen nicht genommenen Urlaubstage an, die dann nicht verfallen. Den Verfallszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH hierauf ausdrücklich nicht übertragen.

 

Mythos vier: Der Urlaub verfällt, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag stellt.
Falsch. Diese Ansicht hielt der EuGH in seiner Entscheidung vom 6. November 2018 für unvereinbar mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie. Die Europa-Richter verlangen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jeweils in die Lage versetzen muss, den Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitnehmer tatsächlich zur Wahrnehmung ihrer Urlaubsansprüche aufzufordern und ihnen rechtzeitig mitzuteilen, dass anderenfalls der Verfall des Urlaubs droht.

Die praktische Folge: Unternehmen müssen also ihre Arbeitnehmer förmlich und transparent über die bestehenden Urlaubsansprüche informieren.

Ich empfehle, diese Information mehrmals im Jahr vorzunehmen, beispielsweise vor den typischen Urlaubszeiten im Sommer und zum Ende des Jahres. Versäumt es ein Arbeitnehmer schließlich, den ihm zustehenden Urlaub zu beantragen, so sollte der Arbeitgeber ihn für den Arbeitnehmer festlegen. Der Grund: Ein Verfall kann nach dem EuGH nämlich nur dann eintreten, wenn der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Konsequenzen auf seinen Urlaub verzichtet.

 

Lehnt der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber vorgegebenen Zeitraum für seinen Urlaub ab, kann dem Arbeitgeber zumindest nicht mehr vorgeworfen werden, er habe nicht die organisatorischen Umstände geschaffen, welche es dem Arbeitnehmer tatsächlich ermöglichen, seinen Urlaub zu nehmen.

 

Mythos fünf: Vertraglicher Mehrurlaub unterliegt den gleichen Grundsätzen wie gesetzlicher Mindesturlaub.
Falsch. Die bereits dargestellten Grundsätze gelten nur für den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz. Dieses bedarf einer richtlinienkonformen Auslegung nach den Maßgaben des EuGH.
Gewährt ein Unternehmen seinen Arbeitnehmern darüber hinaus auf Grundlage der Arbeitsverträge jährlichen Mehrurlaub, so können für diesen zusätzlichen Urlaub im Arbeitsvertrag Grundsätze zum Verfall oder zur Übertragbarkeit festgelegt werden. Dies bedeutet, dass Mehrurlaub auch im Falle von Langzeiterkrankungen verfallen kann und es auf das Stellen eines Urlaubsantrages nicht anzukommen braucht. Beim Verwenden von Formulararbeitsverträgen sollte die Personalabteiung dabei besonderes Augenmerk auf deren Formulierung legen, um eine Unwirksamkeit nach den Regeln des AGB-Rechts zu vermeiden.

 

Mythos sechs: Finanzielle Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nur nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich.
Richtig. Laut Bundesurlaubsgesetz muss das Arbeitsverhältnis erst beendet sein, damit  die Abgeltung nicht genommenen Urlaubs erfolgen kann. Die finanzielle Abgeltung nicht genommenen Urlaubs im laufenden Arbeitsverhältnis ist auch nach europäischem Recht verboten.
Zahlt ein Unternehmen – unzulässigerweise – dennoch den Urlaub aus, so führt das dazu, dass der Arbeitnehmer seinen eigentlichen Urlaubsanspruch weiterhin geltend machen kann. Der Arbeitgeber kann die – rechtsgrundlos, da unzulässige – gezahlte Abgeltung jedoch nicht zurückfordern.

 

Mythos sieben: Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung geht beim Tod des Mitarbeiters auf Erben über.
Richtig. Dies hat der EuGH nach Vorlage des Bundesarbeitsgericht entschieden. Nach der Rechtsprechung des EuGH verfolgt der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht nur den Zweck der Erholung, sondern eben auch der Bezahlung. Aus diesem Grund behandelt der EuGH den Urlaubsabgeltungsanspruch wie jeden anderen Zahlungsanspruch und stellt diesen vererblich.

Endet ein Arbeitsverhältnis durch den Tod eines Arbeitnehmers und stand diesem im Zeitpunkt des Todes noch Urlaub zu, so können die Erben den Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

Um also hohe Abgeltungszahlungen an Erben zu vermeiden, sollten Unternehmen die bereits erwähnten Informationspflichten gegenüber ihren Arbeitnehmern einhalten und so sicherstellen, dass sie keine Urlaubsansprüche ansammeln.

Diese Rechtsprechung hat freilich keinen Einfluss auf die Vererbbarkeit von Abgeltungsansprüchen, die beim Todeszeitpunkt bereits entstanden waren. Deren Übergang auf die Erben ergibt sich bereits aus dem Erbrecht.

 

Hier die Checkliste für Personaler:

• Feststellung der individuellen Urlaubsansprüche
• Welche Arbeitnehmer haben bereits Urlaubsansprüche angesammelt?
• Ist es diesen Arbeitnehmern tatsächlich möglich, Urlaub zu nehmen?
• Ist ein individuelles Informationsschreiben an alle Arbeitnehmer vorbereitet, um sie rechtzeitig vor dem Verfall ihrer Urlaubstage über den Umfang des noch bestehenden Urlaubsanspruchs zu informieren?

 

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