„Frauen stehen selbst in der Verantwortung“
Gleichstellung? Natürlich. Als Ziel lässt sich das schnell auf die Agenda schreiben. Aber was bremst die Umsetzung im Unternehmensalltag tatsächlich? Und was beschleunigt? Warum Männer das Top-Management dominieren und wie Frauen das ändern können, schildert Organisations- und Veränderungsexpertin Dorothea Derakhchan, Geschäftsführerin von Almadera Consulting und spezialisiert auf Coaching und Training. Zu ihren Referenzkunden gehören Accenture, Telefonica, Allianz und Roland Berger (Gastbeitrag)

Dorothea Derakhchan (Foto: Almadera Consultiing)
Unbewusst, aber umso mächtiger
Das Ergebnis ist frappant: 52 von 160 DAX-Aufsichtsräten wollen überhaupt gar keine Frauen in ihr Top-Management hineinlassen, wie die Liste der Allbright Stiftung zeigt. Warum die Männer die Chefetagen nach wir vor so stark beherrschen? Das hat mehrere Gründe. Zunächst existieren in Organisationen, Teams und einzelnen Personen Veränderungsresistenzen und Beharrungskräfte. Sie ähneln einem Immunsystem, das alles, was die etablierte Struktur bedrohen könnte, bekämpft. Die herrschenden Rituale, Machtbalancen, Kulturelemente und Werte verleihen Sicherheit. Das führt zur fortwährenden Reproduktion der bestehenden Ordnung. Diese Muster sind fast immer unsichtbar, sie werden fast immer unbewusst reproduziert. Und sie sind unglaublich mächtig.
Das führt auch dazu, dass Manager, die übrigens besonders häufig Thomas oder Michael heißen, fast immer den nächsten Thomas oder Michael als Nachfolger aufbauen – und eben bisher nur in Ausnahmefällen eine Elisabeth oder Barbara.
Doppelt so viele Akademikerinnen – aber nicht in Führungspositionen
Unternehmenskontrolleure tun sich sehr schwer damit, diese Reproduktionsmechanik zu brechen. Der Anteil der Frauen, die einen Hochschulabschluss machen, hat sich in nur einer Generation verdoppelt. Aber in zehn Jahren ist der Anteil der weiblichen Führungskräfte in Deutschland um nur ein Prozent gestiegen. Neun von zehn Vorständen und sieben von zehn Führungskräften sind nach wie vor männlich. Zum Vergleich: Solche Werte liefern zum Beispiel auch Indien oder die Türkei.
Was muss geschehen, damit sich diese Muster wandeln und mehr Frauen in Führung gehen, Freude an Erfolg und Einfluss entwickeln? Wenn man tradiierte, mit kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen verwobene Muster durchbrechen will, stößt man schnell an Grenzen. Erfolgsversprechender ist es dagegen, die Muster durch mehr Bewusstheit bei den Beteiligten von innen her zu wandeln. Und das geht nicht im Handstreich. Und es geht auch nicht dadurch, dass man einseitige Verantwortlichkeiten definiert.
Selbst ist die Frau
Zunächst mal stehen die Frauen selbst in der Verantwortung, mutige und auch riskante Entscheidungen zu treffen. Wer etwas verändern will, muss erst mal seine eigenen Stereotypen, Glaubenssätze und Ängste hinterfragen und sich souverän mit sich selbst auseinandersetzen – wissen, was man kann, und was nicht. Wissen, was man will – und was nicht. Das erfordert auch eine ehrliche Selbstbefragung: Welchen Unterschied will ich machen? Was sind meine Werte, wie kann mein ganz authentischer Weg aussehen? Auf dieser Basis sollte dann eine genussvolle Vision des eigenen beruflichen Erfolgs entwickelt werden, ein Karriereziel: Denn Bewegung braucht ein klares Ziel und eine Richtung.
Hilfreich: Weibliche Vorbilder, an denen man sich orientieren kann. Helfen können auch effektiv genutzte Netzwerke und Mentoring-Programme. Was definitiv nicht hilft, sind die folgenden Punkte, die allzu viele Frauen verinnerlicht haben und mit denen sie sich selbst im Weg stehen.
Die zehn irrigen Glaubenssätze, die Frauen-Karrieren bremsen
1. Das ist nicht perfekt, das geht besser.
2. Man drängt sich nicht in den Vordergrund.
3. Fachliche Leistung wird fair belohnt.
4. Macht und Kontrolle sind negativ und kränkend.
5. Entscheidend ist das Gesagte – nicht der Subtext.
6. Besonders wichtig ist, dass man mich mag.
7. Arbeitsergebnisse sprechen für sich.
8. Karriereerfolg oder Weiblichkeit.
9. Netzwerke sind nicht erfolgsentscheidend.
10. Männliche Codes verstehen nur Männer.
… und zehn Strategien, um Frauenkarriere zu beschleunigen:
1. Erfolg und Karriere für sich definieren und planen.
2. Eigenes Potenzial kennen und nicht unter Wert verkaufen.
3. Persönlichkeit, Ausstrahlung und Präsenz ausbauen.
4. Personal Branding: USP (unique selling proposition = Alleinstellungsmerkmal) auf den Punkt bringen.
5. Kontakte knüpfen und Netzwerke pflegen.
6. Männliche Codes kennen …
7. … und smart damit umgehen.
8. Erfolge sichtbar machen.
9. Passende Bühnen für Selbstpräsentation finden.
10. Unternehmerisches Selbstvertrauen entwickeln.
Die Liste der Allbright Stiftung mit den 52 Dax-Unternehmen, die keine Frau im Vorstand haben wollen, steht hier: https://blog.wiwo.de/management/2019/04/09/welche-dax-unternehmen-nicht-mal-das-ziel-haben-frauen-ins-top-management-zu-lassen/

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