Management-Klassiker für Eilige (2) – Die Top-Ten der Managementliteratur auf den Punkt gebracht: Reinhard Sprenger „Mythos Motivation“

Serie: Die Top-Ten der Modernen Klassiker der Management-Literatur als Zusammenfassung in zehn Minuten von getAbstract, einem Online-Anbieter von komprimiertem Wissen. Hier kommt Folge 2.

 

Reinhard Sprenger: „Mythos Motivation“

 

Reinhard Sprenger (Foto: Sprenger)

 

Reinhard Sprenger gilt als einer der gefragtesten Berater für Personalentwicklung und Managementtraining. Zu seinen Kunden zählen nahezu alle Dax-100-Unternehmen. Seine weiteren Bücher „Das Prinzip Selbstverantwortung“ und „Aufstand des Individuums“ sind ebenso wie „Mythos Motivation“ Bestseller.

 

 

Rezension

Reinhard Sprengers Streitschrift gegen die alltäglichen Motivationsfallen wurde sofort nach Erscheinen zum Bestseller. Sprenger spricht offen das aus, was viele Führungskräfte und Mitarbeiter schon lange wussten: Mit den falschen Stellhebeln der Motivierung werden Mitarbeiter langfristig eher demotiviert und immer unzufriedener.

Mit scharfsinnigen Beobachtungen und feiner Ironie geht es in diesem Buch populären Irrtümern an den Kragen. Allerdings schiesst der Autor zuweilen etwas über das Ziel heraus, wenn das süffisante Wortspiel über die harten Fakten triumphiert. Das typische „Sprenger-Syndrom“ trübt die Lesefreude ein wenig: Mit seinem reichhaltigen, essayistischen Schreibstil neigt er dazu, den immer gleichen Aspekt aus allen möglichen Blickwinkeln neu aufzurollen – inklusive zahlreicher Wiederholungen.

Trotzdem: Für jeden, der führen will, ist dieser Klassiker ein Muss! Darum empfiehlt getAbstract dieses Buch nachdrücklich allen Führungskräften, die ihre Mitarbeiter sinnvoll motivieren wollen und auch den Mut haben, sich über traditionelle Motivationsprogramme hinwegzusetzen.

 

 

 

Reinhard Sprenger: „Mythos Motivation“, Campus Verlag, 311 Seiten, 27,– Euro http://getab.li/10fr

 

Nach der Lektüre dieser Zusammenfassung wissen Sie:

• warum Motivationsprogramme zumeist im Sande verlaufen,

• auf welche Weise Incentives und Bonusprogramme demotivieren und

• wie Sie Ihre Mitarbeiter dazu bringen, sich selbst zu motivieren.

 

Take-aways

• Paradox, aber wahr: Alle Motivierung ist zwangsläufig Demotivierung.

• Belohnen, Belobigen, Bestechen, Bedrohen, Bestrafen sind die Sünden der Mitarbeiterführung.

• Der direkte Vorgesetzte übt oft den grössten demotivierenden Einfluss auf Mitarbeiter aus.

• Incentives (Anreize) bewirken nicht höher motivierte Mitarbeiter, sondern im Gegenteil immer unzufriedenere.

• Steht eine Belohnung in Aussicht, wird zumeist das gemacht, was erfahrungsgemäss am einfachsten und schnellsten Erfolg verspricht.

• Bonusprogramme sind immer Ausdruck eines tiefen Misstrauens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

• Der Bonus ist eine „negative Verdachtsstrafe für Nichterfüllung“.

• Allein intrinsische, selbstgesteuerte Motivationsschübe führen zu mehr Freude und Leistung bei der Arbeit.

• Ihre oberste Aufgabe als Führungskraft ist es, Demotivation zu vermeiden.

• Wenn Unternehmen von ihren Mitarbeitern Leistung auch nach Feierabend verlangen, sollten sie die ganze Persönlichkeit fordern und fördern.

 

Zusammenfassung „Mythos Motivation“

Jedes Jahr veranstalten zwei rivalisierende Mineralölfirmen einen Ruderwettkampf. Doch schon seit etlichen Jahren unterliegt immer das gleiche Unternehmen. Der neue Chef möchte sich damit nicht länger abfinden und analysiert diesmal die Videoaufzeichnung des Rennens gemeinsam mit seinem Beraterstab.

Das Ergebnis: Die Champions verfügen offenbar über einen Steuermann und sieben Ruderer. Das eigene Boot hingegen besitzt nur einen Ruderer und sieben Steuermänner! Verblüfft fragt der Unternehmensleiter seine Berater: „Was können wir bloss machen?“ Die Antwort kommt blitzschnell: „Motivieren! Wir müssen den Mann besser motivieren.“

Diese Geschichte zeigt deutlich den Irrweg, auf dem sich viele Unternehmen seit etlichen Jahren befinden. Sie huldigen dem Mythos Motivation und glauben ernsthaft, dass sie ihre Mitarbeiter mit Boni, Incentives und teuren Geschenken ködern können.

 

„Alles Motivieren ist Demotivieren.“

Doch ist Motivierung zwangsläufig Demotivierung, weil die Mitarbeiter zwar auf die Belohnung aus sind, die eigentliche Arbeit dabei jedoch ins Hintertreffen gerät. Wie der Pawlow’sche Hund betätigen sie brav die Glocke, um ihr „Leckerchen“ zu erhalten. Vor allem Aussendienstmitarbeiter sind von jeher das beliebteste Versuchsobjekt für die Motivationsklempner.

 

„Das System der Motivierung ist methodisiertes Misstrauen.“

Doch anders als der Hund im berühmten Psycho-Experiment durchschauen sie die Methode und haben sich daran angepasst. Das Spiel lautet: Bonuspläne so verhandeln, dass man keinen Handschlag zu viel machen muss. So degeneriert das vermeintliche Anreizsystem zum Leistungskiller.

 

„Mit Lob bringt man die Freiheit um.“

Die Grammatik der Verführung

Wenn Unternehmen von ihren Mitarbeitern Leistung auch nach Feierabend verlangen, sollten sie den Arbeitsplatz auch freizeittauglich machen. Wer sich voll einbringt, will auch in seiner ganzen Persönlichkeit wahrgenommen werden – und nicht nur mit seiner schieren Arbeitskraft.

 

„Motivierung ist wie Doping im Sport: Man spürt den Schmerz nicht mehr.“

Doch statt entsprechende Freiräume zu schaffen, wird der kurze Stellhebel der Motivierungstechniken angelegt. Das Wort sagt alles: Wie eine Maschine soll der Mitarbeiter mit kurzen Anreizen wieder „auf Kurs“ gebracht werden, wenn er einen Durchhänger hat.

 

„Belohnung zerstört Kreativität.“

Was sich kaum einer bewusst macht: Bonusprogramme sind immer Ausdruck eines tiefen Misstrauens. Sie wurzeln in der Befürchtung des Arbeitgebers: Wenn ich meine Mitarbeiter nicht ködere, verweigern sie mir einen Teil ihrer Arbeitsleistung. Die Grammatik der „Ver-Führung“ schreibt sich durchgängig mit „B“: Belohnen, Belobigen, Bestechen, Bedrohen, Bestrafen.

 

Diese Strategien werden angewendet:

• Strategie Zwang: Dabei arbeitet der Vorgesetze mit den mehr oder weniger subtilen Mitteln „Bedrohen“ und „Bestrafen“. Sein Credo lautet: Mach es so, wie ich es sage – dann bleibst Du ungeschoren. Die Belohnung erschöpft sich also in der Vermeidung von Strafe.

• Strategie Ködern: Auftritt der Bonus-Systeme. Sie sind der Köder, die realen Einkommenszuwachs versprechen, und zwar ohne Einwirken des Vorgesetzten. Wird das Leistungsziel vom Mitarbeiter nicht erreicht, gibt es eben keine Zulagen. Dieses System funktioniert natürlich nur so lange, wie das Bonus-System nicht umgangen werden kann und die Arbeitsleistung überhaupt messbar und quantifizierbar ist.

• Strategie Verführung: Wenn das Bonus-System versagt, greifen einige Unternehmen zu der Strategie der Verführung durch Identifizierung. Motto: Wir sind klasse – und wenn du zu uns gehörst, du auch. Der Haken: Wer sich mit dem Unternehmen – aus welchem Grund auch immer – nicht identifizieren kann und sich weigert, die Corporate Identity in den eigenen Arm tätowieren zu lassen, gerät schnell ins Abseits.

• Strategie Vision: Ganz ähnlich funktioniert auch die „Vision“, das „Licht am Ende des Tunnels“, die „grosse Idee“: Mit manchmal hanebüchenen Zielvorstellungen soll der Glaube an das Unternehmen eingeimpft werden.

 

„Der Rückgriff auf selbstregelnde Anreizsysteme ist der Offenbarungseid der Führungskraft.“

Incentives – die Folterinstrumente der Motivierung

Bei diesem vermeintlichen Motivationsinstrument ist der Einsatz nach oben offen: Genügte vor drei Jahren noch ein Rennrad als Belobigung, muss es heute schon eine Reise zur Tour de France sein.

 

„Auf die Dauer hat jeder Chef die Mitarbeiter, die er verdient.“

Die Einzigen, die durch solche Incentives wirklich motiviert werden, sind die Anbieter solcher massgeschneiderter Belohnungsprogramme. Auf Messen lockt das bunte Leben für brave Verkäufer und strebsame Spartenleiter: Vom Strassenbahn-Führerschein bis zum Strohhüttenbau auf den Bahamas reicht die Palette. Fehlt nur noch das Dinner mit Kannibalen auf den Fidschi-Inseln.

 

„Leistungsbereitschaft kann man nur behindern.“

Auch negative Incentives gibt es längst: So versprach ein bekannter süddeutscher Metallfabrikant seinen umsatzschwachen Mitarbeitern eine kräftezehrende Fahrradtour durch den verregneten Hunsrück. Bei Sonnenschein fällt die Reise natürlich aus.

 

Schneller, höher, grotesker.

„Führen ist vor allem das Vermeiden von Demotivation.“

Intrinsische vs. extrinsische Motivation

Die Folgen derartiger Incentives sind meist nicht höher motivierte Mitarbeiter, sondern Mitarbeiter, die immer unzufriedener werden. Grund ist das Sisyphos-Dilemma der Motivation: Von aussen auferlegte Motivierungsversuche verlaufen im Sande. Allein intrinsische, selbstgesteuerte Motivationsschübe erreichen ihr Ziel.

 

„Wenn Sie Mitarbeiter für unselbstständig halten, werden sie es sein.“

Der amerikanische Verhaltensforscher Alfie Kohn stützt diese Behauptung auf zahlreiche Untersuchungen. So wählten Studenten, denen man schwierige und leichte Prüfungsaufgaben stellte, mehrheitlich die schwierigeren. Der Anreiz bestand darin, sich selbst zu beweisen, dass man die „harte Nuss“ knacken kann. Bot man ihnen jedoch Geld als Belohnung, war diese Motivation wie weggeblasen: Sie wählten mehrheitlich die leichteren Aufgaben.

 

„Die Bonus-Praxis in den Unternehmen ist die Krankheit, für deren Heilung sie sich hält.“

Fazit: Wird eine Belohnung in Aussicht gestellt, so machen die meisten das, was am einfachsten und schnellsten Erfolg verspricht. Die Motivation wird zur Demotivation und die Belohnung zerstört die eigene Kreativität.

 

„Als wir den Sinn unserer Arbeit nicht mehr sahen, begannen wir über Motivation zu reden.“

Das Bonus-System als Nullsummenspiel

Der Weg des geringsten Widerstandes ist es auch, der Bonus-Systeme im Unternehmen ad absurdum führt. Dazu ein Beispiel: Zumeist werden bei Aussendienstmitarbeitern an den Abverkauf verschiedener Produkte unterschiedlich hohe Bonuszahlungen gekoppelt. Und danach kommt es zum Lamento der Marketing-Experten, der Verkaufsleiter solle doch bitteschön dafür sorgen, dass auch die niedrig oder nicht bonifizierten Produkte verkauft werden. Verquere Logik. Der Mitarbeiter tut schliesslich nur das, was man ihm anheim stellt: Er maximiert sein Einkommen, indem er die Produkte forciert verkauft, die ihm besonders viel einbringen.

 

„Motivation ist unwidersprechlich Sache des Einzelnen. Ihr Freiraum zu geben ist Sache der Führung.“

Die Schizophrenie dieser Vorgehensweise wird dann besonders deutlich, wenn man sich moderne Verkaufstrainings genauer anschaut. Da heisst es unisono: Der Kunde steht im Zentrum, der Kunde muss beraten werden, eine langfristige Kundenbeziehung gilt es aufzubauen. Wenn dann jedoch der Aussendienstler mit seiner Liste ins Feld geschickt wird, auf der steht, welche Produkte „in den Markt gedrückt“ werden sollen, erscheinen solche Verkaufstrainings als blanker Zynismus.

 

Dies sind die Hauptprobleme:

• Der Bonus bei solchen Gehaltssystemen ist eigentlich ein Malus, d. h. dem Mitarbeiter wird von seinem Sollgehalt ein ordentlicher Teil vorenthalten. Dieser wird einfach als Bonus ausgegeben und nur bei entsprechender Leistung ausgezahlt. Man könnte daher den Bonus eine „negative Verdachtsstrafe für Nichterfüllung“ nennen. Wenn das der Mitarbeiter erst einmal durchschaut hat – und er wird es durchschauen! –, wird ihn dieser Bonus kaum mehr motivieren.

• Mitarbeiter werden bestraft für Dinge, auf die sie gar keinen Einfluss haben. Gerade wenn Bonuszahlungen an bestimmte Umsatzziele gekoppelt werden, ist das eine nicht zulässige Beschränkung auf nur eine Zielgrösse. Ähnlich der Ceteris-Paribus-Klausel der Volkswirtschaft werden Turbulenzen und Veränderungen im Marktumfeld einfach ausgeblendet. Die Zurechenbarkeit des Bonus zur Leistung schwindet und so werden auch die kleinsten Spuren von Motivation beizeiten abgewürgt. Das Resultat: Unzufriedenheit und das Gefühl des Mitarbeiters, ungerecht behandelt zu werden.

• Das wiederum führt dazu – und hier bestätigt sich die „Misstrauensorganisation“ von Bonusplänen –, dass gewiefte Mitarbeiter Einfluss auf die Vorgaben nehmen, nach denen ihre Boni gezahlt werden. Ungefähr das Folgende geht ihnen dabei durch den Kopf: „Wir könnten 10 % Marktanteil erreichen. Gebe ich das jedoch bei der Jahresplanung an, bekomme ich erst ab 11 % einen Bonus. Darum gehen wir mal lieber von 7 % aus.“ Solche Bonussysteme führen also vor allem zur Tiefstapelei und Verdrehung der Tatsachen.

 

Fordern statt Verführen

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Motivation ist gut. Denn Motivation ist eine natürliche Sache des Individuums. Das Problem ist nur die Motivierung, also der von aussen unternommene Versuch, jemandem Motivation zu verschaffen. Menschen – und Tiere übrigens auch – haben ein natürliches Aktionspotenzial, das sie ausschöpfen wollen.

Vergessen Sie also die Mär vom faulen Mitarbeiter, der nichts aus eigenem Antrieb macht.

Sabotieren Sie die Motivierungsmaschinerie und schaffen Sie einen Rahmen, der Mitarbeitern den nötigen Freiraum verschafft, intrinsische Motivation aufzubauen:

• Fordern Sie die Erfüllung vereinbarter Leistungen! Dazu gehört aber eben, dass Sie Leistungen auch wirklich vereinbaren. 100 % Leistung können Sie nur erwarten, wenn Sie vorher definieren, wovon. Das ist direkt und fair. Sie benötigen keine Taschenspielertricks wie Incentives und Bonussysteme.

• Führen Sie über Zielvereinbarungen! Management by Objectives ist gar nicht so ein alter Hut, wie Sie vielleicht denken. Nur leider werden die Zielvereinbarungen meist zu kurzfristigen Zielvorgaben verunstaltet. Auf diese Weise wird der „Vorgesetzte“ schlichtweg zum „Vorsetzer“ und tötet jede Herausforderung und Kreativität.

• Üben Sie den offenen Dialog mit Ihren Mitarbeitern! Die Kommunikationswissenschaft hat bewiesen, dass Wahrnehmung nur das ist, was wir für „wahr“ nehmen. Die Wirklichkeit hängt also stark von der beobachteten Wirklichkeit des Individuums ab. Halten Sie Ihre subjektiven Einschätzungen der Wirklichkeit nicht für Objektivität. Nur so können Sie sich für den Dialog öffnen. Die Unterschiedlichkeit der Gesprächspartner ist sozusagen die gewollte Chance, neue Sichtweisen kennen zu lernen. Wenn Sie aus einem Dialog genauso herauskommen, wie Sie hineingegangen sind, war es kein Dialog.

Führen Sie mit Ihren Mitarbeitern Demotivationsgespräche! Sie haben richtig gelesen. Statt immer nur zu unterstellen, was Ihre Mitarbeiter demotiviert, sollten Sie tatsächlich einmal danach fragen. Ihre oberste Aufgabe als Führungskraft ist es, Demotivation zu vermeiden! Den grössten demotivierenden Einfluss auf Mitarbeiter übt der direkte Vorgesetzte aus! Vermeiden Sie unnötige Pedanterie und spielen Sie niemals „Big Boss“. Das wirkt ohnehin unglaubwürdig. Trauen Sie Ihren Mitarbeitern etwas zu! Gestalten Sie Aufgaben als spannende Herausforderungen. Ein guter Mitarbeiter, der sich beweisen kann, wird das ohne Zögern gern tun.

 

 

 

Die nächste Folge:

• Peter Senge: Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation. Schäffer-Pöschel, 2011.

 

Der neue Blogger-Relevanz-Index 2018

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