BGH verhagelt VW die Taktik: Ungefragt, aber umso deutlicher haben die obersten Richter Stellung für die Verbraucher bezogen

Dieselaffäre

 „Beschluss mit Sprengkraft“

Der Bundesgerichtshof lässt eine Bombe platzen, die VW so gerne verhindert hätte: Dieselautos mit Schummelsoftware haben einen Sachmangel, äußerten sich die Karlsruher plötzlich per Beschluss und ungefragt. Damit springen sie den Verbrauchern bei. Das hat Signalwirkung für alle weiteren Urteile anderer Gerichte. Ein umfangreicher Hinweisbeschluss wurde angekündigt.

 

Weil sein Urteil plötzlich nicht mehr gefragt war, überraschte der Bundesgerichtshof (BGH) heute alle mit einem Beschluss: Die Öffentlichkeit, VW und einen Tiguan-Käufer, aber vor allem auch die Untergerichte landauf landab. Darin erläuterten die Richter nun eben ungefragt, dass die VW-Diesel-Modelle mit der illegalen Abschalteinrichtung einen Sachmangel haben. Denn: Es bestehe die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die Straßenverkehrsbehörden und damit seien die Autos nicht geeignet für die gewöhnliche Verwendung, so ihr Argument.

 

Schluss mit der Verhinderungstaktik

Die Ausführungen lieferten die Karlsruher Richter zusammen mit der Verkündung, dass der Verhandlungstermin für den 27. Februar aufgehoben ist. Denn eigentlich stand für die BGH-Richter deswegen auch heute noch eine Verhandlung mit VW und dem Dieselkäufer auf dem Programm. Doch dazu kam es nicht, weil VW dem Kläger schnell dann doch lieber im letzten Moment einen Vergleich anbot. Dasselbe Spiel, das die VW-Anwälte von Freshfields wohl schon sehr oft durchexerziert haben, um unbedingt verbraucherfreundliche Urteile zu verhindern. Denn auf die könnten sich dann ja auch alle anderen Geschädigten des Dieselskandals berufen. Insoweit ist diese Taktik dieses Mal nicht aufgegangen. Zumal so ein Hinweisbeschluss nahezu ebenso wertvoll ist wie ein Urteil, ordnet Jan-Eike Andresen, Jurist und Geschäftsführer des Rechtsdienstleisters MyRight ein.

 

„Offenbar wurde es den BGH-Richtern einfach zu bunt“

Jan-Eike Andresen, Gründer von MyRight (Foto: Presse)

„Dieser Beschluss hat Sprengkraft, offenbar wurde es den Richtern am Bundesgerichtshof (BGH) einfach zu bunt“, meint Andresen, der nach eigenen Angaben mit je sechs Sammel- und Musterklagen für 45.000 VW-Diesel-Kunden gegen den VW-Konzern kämpft.

Auch er ist erstaunt über den Schachzug des BGH. Andresens Einschätzung: Der BGH will damit die planmäßigen Vergleiche von VW zwecks Verhinderung der Klärung der Rechtslage stoppen und als oberstes Gericht auch für eine Einheitlichkeit der Rechtsprechung sorgen. Schließlich müssen sich die Untergerichte nun nach diesem Beschluss richten. „Wenn von unten immer mehr Klagen kommen, aber oben nichts geklärt wird, sind die Grenzen eben irgendwann erreicht“, sagt Andresen.

 

BGH stärkt den Verbraucherschutz

Andresen ist überzeugt: Die Richter hatten das Urteil schon fertig in der Schublade und sie haben daraus einfach kurzerhand einen Beschluss gemacht.

Wie hoch die praktische Relevanz dieses Beschlusses ist? Für die Händler selbst nicht mehr so hoch, weil die meisten Klagen von den VW-Händlern verjährt sind. Sie haben nur zwei Jahre Standardgewährleistung laut Andresen. Und weil der letzte Tiguan mit Schummelsoftware 2015 verkauft wurde, betrifft der Beschluss nur Klagen, die bereits anhängig sind. Jedoch: Der BGH hat jetzt deutlich gemacht, dass er auf der Seite der VW-Kunden steht und hat damit den Verbraucherschutz gestärkt, so Andresens Fazit.

 

Tiguan ist Tiguan ist Tiguan – auch wenn´s das Nachfolgemodell ist

Im konkreten Fall ging es zudem um die Frage, ob Dieselkäufer von ihrem Händler auch dann ein neues Auto verlangen können, wenn das alte Tiguan-Modell inzwischen nicht mehr produziert wird – sondern nur ein Nachfolgemodell, das teurer ist. Auch da war der BGH verbraucherfreundlich – und stellte sich gegen die Händler: Auch der neue Tiguan ist ein Tiguan und der müsse dann eben umgetauscht werden. Wenn es nicht gerade eine besondere Härte für den Händler bedeute, aber das sind dann wieder Einzelfragen für die Untergerichte.

 

 

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