Global, flexibel, erfahren – Chinas Managerinnen haben weltweit die Nase vorn wenn es um Top Führungspositionen geht, meint Bettina Al-Sadik-Lowinski, die mehrere Jahre in China als Coach Erfahrungen gesammelt, chinesische Frauenkarrieren analysiert und zu einem Buch verarbeitet hat, nachdem sie zuvor bei Konzernen wie Canon und Bayer im Marketing war.
In Ihrer Zeit als Coach in China ist Ihnen aufgefallen, dass besonders viele Frauen im Top-Management sitzen – anders als als in Deutschland. Sie haben 35 Frauenkarrieren untersucht, daraus wurde am Ende ein ganzes Buch. Was ist in China anders, was ermöglicht ihnen diese Karrieren – die Deutschen bislang verwehrt sind?
Gerade in Shanghai , wo ich mit vielen weiblichen Führungskräften fiel mir auf, dass Frauen sehr viel selbstverständlicher und mit großem, sehr gelassenem Selbstbewusstsein hohen Führungspositionen ausfüllen. China hat mit 38 Prozent einen der höchsten Anteile von Frauen in Top-Management. Dahinter können sich Deutschland mit 16 Prozent oder die USA mit 20 Prozent verstecken. Dabei gibt´s in China keine Frauenquote. Vor allem wichtige Schlüsselfunktionen in den internationalen Konzernen Chinas wie Finanz- und Personalleitung sind mit 81 beziehungsweise 61 Prozent Frauenanteil fest in weiblicher Hand. Das hat mich neugierig gemacht.
...und wie erklären Sie sich das?
Meine Studie, an der 35 chinesische Top-Managerinnen teilnahmen, zeigt, dass das Erfolgsrezept der Chinesinnen aus einer Mischung von positiven Umweltfaktoren und individuellen Faktoren besteht. Die Zustimmung in der Gesellschaft für berufstätige Frauen, die auch Kinder haben, ist in China extrem hoch. Frauen mit erfolgreichen Managementkarrieren sind gesellschaftlich hoch angesehen, ihr Image als Führungskräfte ist extrem positiv. „Das Geschlecht ist kein Thema“ lautete die häufigste Antwort der weiblichen Führungskräfte, wenn ich sie nach Unterschieden zu männlichen Kollegen befragte.
Und warum nicht?
Die meisten Frauen, 71 Prozent, sind in China voll berufstätig und haben auch ein Kind – sie sind der Normalfall. Zum Vergleich: In Deutschland sind 77 Prozent der Managerinnen kinderlos.
Dann brauchen wir doch eher eine Mütterquote? Denn der ewige Verweis auf die Probleme der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – der ja reflexartig kommt, wenn´s um Frauenförderung geht – zieht bei den kinderlosen Managerinnen dann ja ohnehin nicht. Also wie bewerkstelligen Chinesinnen beides, Kind plus Karriere?
Sie bekommen volle Unterstützung von ihren Familien und vor allem den Großeltern, die für Haushalt und Kindererziehung quasi im zweiten Beruf zuständig sind. Die 35 Managerinnen in meinem Buch bekommen den Rücken freigehalten – sie können sich ihrer Karriere genauso widmen wie hier in Deutschland nur die Männer, die zuhause von ihrer Ehefrau alles abgenommen bekommen wie Kinderaufzucht und Haushalt.
Die Bedingungen im Umfeld sind das eine, was macht die chinesischen Managerinnen ansonsten aus?
Chinesinnen verfolgen ihre Karrieren von Anfang an sehr zielstrebig. Sie haben exzellente Ausbildungen an einer oder mehreren Top-Universitäten, haben fließende Fremdsprachenkenntnisse und sind extrem flexibel was Arbeitsort und Inhalte angeht. Sie sind einfach sehr karriereorientiert und stellen meistens berufliche Interessen über ihre privaten Interessen. Sie tun, was nötig ist, um im System der globalen Unternehmen die nächste Karrierestufe zu erreichen und legen eine hohe Anpassungsfähigkeit Situationen und Menschen gegenüber an den Tag. So wie Ming Ming Liu, Vorstandsmitglied der deutschen Handelskammer Shanghai und Ex-Präsidentin von Voith Asia Paper, die wie viele Chinesinnen immer ein klares Karriereziel vor Augen hatte.
Was raten Sie demnach anderen Frauen?
Die Managerinnen überschreiben ihre Karrierestrategie so: „Dahin gehen, wo die Chancen warten“. Sie sind flexibel und risikobereit, sie mögen Veränderungen und suchen sie ganz bewusst. Chinesische Managerinnen verfolgen ihre Karrieren sehr selbstbewusst und mit großer Selbstverständlichkeit. Und alle 35 waren extrem mobil und nehmen in Kauf, dass sie zwischen Arbeit und Familie zu pendeln oder für die Karriere umziehen müssen – innerhalb Chinas oder besser noch ins Ausland.
Und die eigenen Eltern und den Gatten offenbar im Gepäck, denn sonst würde es ja auch für sie schwierig?
Tatsächlich ziehen manchmal Ehemann und Großeltern mit um. Aber auch andere Modelle gibt es und oft je nach Karrierephase ein anderes: Ja, chinesische Mamis delegieren ihre Kinder – aber eben oft an ihre eigenen Mütter. Das ist Delegieren im positivsten Sinne. Die Omas verbringen oft mehr Zeit mit ihren Enkeln als die Mami. Wenn die Baby-Phase vorbei ist, pendeln manche Karrierefrauen nur am Wochenende nach Hause. Oder sie engagieren eine Nanny, die sich – wenn nötig – rund um die Uhr um das Kind kümmert. Chinesische Karrieristinnen werden meistens schon sehr jung Mutter und haben nur ein einziges Kind, um das sich das Familiensystem drum herum organisiert. Besonders in der Kleinkindphase.
Was treibt Chinesinnen an, ist es die Erziehung?
Sie sind Teamplayer und wollen gleichzeitig die erste im Team sein. Fairer Wettbewerb spornt Chinesinnen an und hat seine Wurzeln in ihrer frühen Erziehung. Ihr Führungsstil dann ist situativ demokratisch, aber auch autoritär, was in China heute immer noch durchaus gewünscht wird.
Und trotzdem – so sagen sie – arbeiten chinesische Managerinnen erfolgreich mit westlichen Unternehmen zusammen?
Die größte herausragende Fähigkeit der chinesischen Frauen im globalen Unternehmenskontext ist ihre Fähigkeit, zwischen den Kulturen zu wandeln und agieren. Die Chinesinnen sprechen nicht nur die Sprache der Headquarter der ausländischen Unternehmen fließend, sondern sind ehrlich neugierig auf fremden Kulturen. Sie saugen praktisch alles neue Wissen in sich hinein samt kulturellen Besonderheiten und Traditionen. Es gelingt ihnen, sich je nach Situation und Gegenüber anderen kulturellen Gegebenheiten anzupassen und das, ohne Angst zu haben, die eigenen Integrität zu verlieren. Die Frauen führen diese Fähigkeit auch auf ihre konfuzianischen Traditionen zurück, wonach lebenslanges Lernen der Garant ist für ein besseres Leben. So führen sie auch: Teamarbeit und Wettbewerb ist für sie kein Widerspruch. Angel Li ist so ein Beispiel. Sie war Personalchefin für Pernod-Ricard und ging danach ins Ausland ins globale Management, erst Hongkong, dann Großbritannien und bald Kanada.,
Was können Frauen in Deutschland und ohne Großeltern, die ihnen den Rücken freihalten, von Chinesinnen lernen? Imitieren können sie sie nicht so ohne weiteres und viele kommen auch ohne Kinder nicht bis ganz oben.
Richtig, in Deutschland stehen einige Umfeldfaktoren im Weg.Was deutsche Karrierefrauen tun können: Sich etwas abgucken von der strategischen Karriereplanung und -verfolgung der Chinesinnen. Sie sollten sich zuerst klar machen, ob sie wirklich ins Top-Management aufrücken wollen und was die Entscheidung mit sich bringt. Dann sollten sie die nötigen karriererelevanten Fähigkeiten und Eigenschaften schon früh ausbauen. Schließlich ist es unerlässlich, sich längerfristig einen guten Coach zur Karrierebegleitung zu suchen. So wie man ja auch in Gesundheit und gutes Aussehen investiert, muss man auch in die eigene Karriere investieren.
Das Buch zur Untersuchung: “How Chinese Women Rise –Chinese women with successful careers in top management” von Bettina Al-Sadik-Lowinski, Cucillier Verlag, 336 Seiten, 29,90 Euro