„Wie die Reise mich verändert – über Toleranz, Freiheit und Selbstbestimmung“
Tijen Onaran ist Gründerin von Women in Digital und berät Unternehmen bei Digitalisierung, Kommunikation und Netzwerkbildung. Und sie ist Kolumnistin auf wiwo.de, Beirat in der Initiative Startup Teens und XING Brancheninsider. Als Teil einer Delegation fliegt Tijen Onaran gerade auf Einladung des State Departements im Rahmen des „International Leadership Programs“ unter dem Motto „Woman in Entrepreneurship“ in die USA. Zusammen mit anderen Multiplikatoren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verbringt sie dort drei Wochen und schreibt für den Management-Blog ein Reisetagebuch: „Einmal USA und zurück“.

Tijen Onaran in Montana
„Hurry up, German Girl. Think you are not a real German, you are always late!“ ruft Dina und lacht dabei. Dina Attila ist bei unserer Delegationsreise die Vertreterin für Ägypten und Gründerin des Fun Castle Activity Center. Mit ihrer Organisation unterstützt sie kulturelle Aktivitäten wie Sport, Kunst und Musik für Eltern und Kinder in Alexandria. Als wir beide uns zum ersten Mal im Frühstücksraum unseres Washingtoner Hotels treffen, haben wir direkt eine Verbindung.
Dina trägt ein Kopftuch und lebt ihren Glauben, indem sie betet und keinen Alkohol trinkt. Sie hat erst mit knapp 30 Jahren beschlossen ein Kopftuch zu tragen und ihren Glauben so zu leben, wie sie es möchte. Wir sitzen abends zusammen bei einem Dinner, als wir das Thema streifen: Wer wie welchen Glauben lebt. Dina sagt, sie hatte sich fest vorgenommen, nicht darüber zu sprechen. Zu oft hat sie die Erfahrung gemacht, dass solche Gespräche nicht gut enden.
An diesem Abend aber ist es anders. Ich selbst komme aus einem sehr liberalen Elternhaus. Meine Eltern sind vor vielen Jahren aus der Türkei nach Deutschland eingewandert. Mein Vater hat in Deutschland studiert, meine Mutter arbeitete als Visagistin und Verkäuferin. Religion oder Glaube spielte bei unserer Erziehung eine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr ging es um selbstbestimmtes Leben, um Freiheit, um Toleranz. Ich habe ein katholisches Mädchengymnasium besucht, vergesse regelmäßig die türkischen Feiertage und habe auch ansonsten kaum Berührung mit Religion.
Dina erzählt, dass sie immer mit denselben Stereotypen zu kämpfen hat. Meist ist sie es, die am Flughafen aus der Schlange herausgezogen wird. Und meist wird sie gefragt, ob sie das Kopftuch freiwillig trägt. Ich komme mir doof vor, denn auch ich habe Stereotype im Kopf, die ich mit Dina teile.
Uns beiden wird klar: wir haben unterschiedliche Ansichten über Religion und Glauben, doch uns eint eines: die Akzeptanz, Offenheit und Neugier auf die jeweils andere. Es geht nicht darum was wer wie trägt, es geht um Ansichten und um den Menschen mit seiner ganzen Geschichte.
Und so verändert mich diese Reise. Wir sind über 50 Frauen aus über 50 verschiedenen Ländern – jede von uns ist anders sozialisiert, bringt unterschiedliche Erfahrungen mit was Unternehmertum betrifft.
Diversität heißt auch, in den Diskurs zu gehen und unterschiedliche Ansichten zu teilen – und dann auch auszuhalten.
Dabei eint uns alle eins: die Neugier auf die jeweils andere, das Bewusstsein, Teil einer „once-in-a-lifetime-experience“ zu sein und jeder einzelnen den Raum zu geben, den sie braucht.
P.S. Auf die Frage ob ich meine Erfahrung im Blog-Beitrag verarbeiten darf, ruft Dina: „Of course!! You have to, German Girl!“
Danke für diesen tollen und ehrlichen Blog-Beitrag. Fand ich sehr interessant zu lesen.
Thanks Tijen for your lovely words which proves that we can only accept ourselves when we accept each other differences. Will always cherish our friendship my German/Turkish girl