Buchauszug Sabine Hübner: „Serviceglück. Mit magischen Momenten mitten ins Kundenherz“

 

Buchauszug aus Sabine Hübners „Serviceglück. Mit magischen Momenten mitten ins Kundenherz“:

 

Sabine Hübner, Marketingexpertin und Autorin

 

Reden und Zuhören

Ein gelingender Dialog mit Ihrem Kunden umfasst einen klaren Anfang, eine gelungene Wahl der Formulierung und der Dezibelstärke. Es kommt auf Klarheit und den feinfühligen Einsatz von Humor und »Widerwort« an. Besondere Herausforderungen entstehen immer dann, wenn sich zwei im Gespräch nicht direkt in die Augen schauen können: am Telefon. Unsere Stimme ist dann entscheidend, denn wir hören, ob jemand wirklich bei uns ist.

 

Schöne Grüsse!

Ich erinnere mich gerne an ein großes Handelsunternehmen im Raum Wien, das mich für eine Managementberatung engagiert hatte. Im Rahmen des Change-Prozesses brachten wir die Mitarbeiter mit großem Engagement und gezielten Maßnahmen dazu, alle Kundenfreundlich zu begrüßen und aktiv auf sie zugehen. Die Bilanz eines Teamleiters nach einigen Wochen: »Seit Sie da sind, haben sich die Kunden total verändert und sind richtig freundlich geworden.«

Was steckt dahinter? Da kann ich nur sagen: messerscharf analysiert! Dahinter steckt ein ganz altes Sprichwort, das auch in Österreich bekannt sein dürfte: »Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus!« Als Frohnatur in einer progressiven Branche wundert man sich vielleicht darüber, dass ein Change-Prozess mit dem Ziel »Kunden herzlich grüßen« überhaupt notwendig werden kann. In alteingesessenen Branchen aber, im manchmal recht granteligen Raum Wien zumal, kann so etwas notwendig werden. Und nicht nur da.

 

Wie ein guter Espresso: Konzentriert, energiegeladen

So geht’s. Überall treffen Sie Menschen, die davon immer noch nichts gehört haben und die Sie auch noch verständnislos niederstarren, wenn Sie offensiv „Einen guten Morgen! “ wünschen. Tja: Wer anderen etwas Gutes wünscht, der muss einen Augenblick von sich selbst absehen, sich auf einen anderen konzentrieren und diesem zudem noch etwas schenken – auch wenn es nur ein guter Wunsch ist. Dieses von sich-selbst-Absehen fällt vielen schwer. Dabei kommt es genau darauf an. Ich sage: Servicekommunikation muss sein wie ein guter Espresso: konzentriert und energiegeladen. Gute Servicekommunikation beginnt immer mit einem zugewandten Gruß.Immer.

 

Serviceglück per Telefon: Sabotierte Telefonkonferenzen  

Neulich war ich zu einer Telefonkonferenz verabredet – kurz: Telko. Pünktlich melde ich mich an und warte auf die anderen Gesprächspartner. Als sich der eine Gesprächspartner fünf Minuten und der andere sieben Minuten zu spät einfindet und dann noch naiv fragt, was eigentlich das Telko-Thema sei, ist für mich klar, dass wir nicht zusammenarbeiten werden, zumal die Inhalte exzellent vorbereitet und kommuniziert waren. Wertschätzung geht anders.

Was steckt dahinter? Das Unternehmen Intercall veröffentlichte eine spannende Studie, nach der sich 65 Prozent der Teilnehmer von Telefonkonferenzen während der Gespräche auf eine andere Arbeit konzentrieren. 63 Prozent schreiben E-Mails, 55 Prozent machen sich gerade etwas zu essen oder kauen schon, und 47 Prozent suchen gar die Toilette auf. Manche telefonieren in der Umkleidekabine und einige sogar im Pool. Ja, oft genug ist das auch nicht zu überhören.

 

Dass man sich beim Telefonieren nicht direkt in die Augen schaut, ist Vorteil und Verführung zugleich. Vorteil ist, dass man sich auf die zu besprechenden Inhalte konzentrieren kann und dabei nicht noch zusätzlich besonders kompetent aussehen muss. Dabei gleich die Contenance komplett über den Haufen zu werfen, ist ein verführerischer Gedanke – dem Sie aber nicht erliegen sollte, wenn Ihnen Ihr Serviceglück ein Anliegen ist. Unkonzentriertheit kommt beim Gegenüber an. Und Whirlpool-Geplätscher ist nicht gerade der Sound, der Fachkompetenz positiv unterstreicht. Businesscodes sind eben nicht nur sichtbare Zeichen. Man kann auch mit deutlich hörbaren Fauxpas das Vertrauen der Kunden verspielen.

 

Sabine Hübner: „Serviceglück. Mit magischen Momenten mitten ins Kundenherz“, Campus Verlag, 282 Seiten, 34,95 Euro, : http://www.campus.de/buecher-campus-verlag/business/marketing-verkauf/serviceglueck-10899.html

 

 

Aus dem Bett geschrien – oder fast nicht gehört

Vor einiger Zeit hielten mein Partner Carsten und ich unseren Doppelvortrag in Frankfurt. Schon um 8.30 Uhr stehen wir auf der Bühne. Wie immer bestelle ich mir meinen Cappuccino aufs Zimmer, an diesem Morgen für 7 Uhr. Noch bevor mein Wecker klingelt, vernehme ich schlaftrunken ein zartes Geräusch an der Tür. Erst nach einem kurzen Moment realisiere ich: »Roomservice!« und springe aus dem Bett, damit der Kellner ja nicht wieder mit meinem Morgenlebenselixier Cappuccino wegläuft. Ich sage zu dem jungen Mann: »Vielen Dank und noch ein kleiner Tipp: Seien Sie nicht so zaghaft beim Klopfen, ich hätte Sie beinahe nicht gehört.« Nach dem Vortrag sagt Carsten so nebenbei zu mir: »Der Roomservicekellner heute Morgen hat so an meine Tür gepoltert, dass ich beinahe aus dem Bett gefallen wäre vor Schreck. Das habe ich ihm auch direkt gesagt.«

 

Was steckt dahinter? Prekäre Situationen als Herausforderung für Mitarbeiter

Die Begegnung mit einem Kunden in einer prekären Situation – und ein aus dem Tiefschlaf gerade erwachender Kunde befindet sich definitiv in einer prekären Situation – ist für einen Mitarbeiter eine große Herausforderung, die verunsichernd wirken kann. Es ist daher erst einmal richtig, dass der Mitarbeiter größte Vorsicht walten lässt, um dem Gast so viel Würde, Freiheit und Privatsphäre zu lassen wie eben möglich.

 

Servicekommunikation – Diskretion

Wenn Servicekommunikation auch in prekären Situationen zum Job gehört, hilft nur Aufklärung über eine alte Konvention: Diskretion. Diese besteht in der Kunst, exzellenten Service im Backstage-Bereich des Kundenlebens zu erbringen und auf der offiziellen Bühne seines Lebens darüber absolutes Stillschweigen zu bewahren.

Im Hotel heißt das: dem Gast selbstbewusst und freundlich einen Cappuccino servieren, dabei großzügig über seinen verschlafenen Zustand hinwegsehen und später niemals und nirgendwo darauf zu sprechen kommen. Weder über das out-ofbed-hair noch über alles weitere, das ihm im Zimmer offiziell nicht hätte zu Augen oder zu Ohren kommen sollen.

 

Das gleiche Prinzip gilt im Gesundheitswesen: Ein guter Arzt lästert nicht im Bekanntenkreis darüber, wie Frau Müller auf dem OP-Tisch ausgesehen hat. Ein guter Finanzberater behält seine intimen Kenntnisse der Vermögenslage seiner Kunden selbstverständlich für sich. Und ein Business-Coach spricht nirgendwo über das, was ihm seine Klienten anvertraut haben. Diskretion ist das wichtigste Zauberwort, wenn Service persönlich wird.

 

Die Kunst der richtigen Wortwahl

Ein Freitagabend in Graz, ein schönes, funkelnagelneu umgebautes Restaurant, eine erlesene, sehr spezielle Speisekarte mit vielen delikaten Fleischgerichten. Meine Freundin Monika, die nicht gerne Fleisch isst, fragt den Kellner, ob sie als Hauptgang den Spezialsalat mit Riesengarnelen haben könnte, den sie vor dem Umbau einmal dort gegessen hatte. Seine weniger erlesene Antwort: »Seeeeeeeeeehr ungern. Finden Sie nichts anderes?« Sie: »Nein«. Er: »Naja, dann machen wir es halt.« Wie charmant hätte seine Antwort klingen können: »Das machen wir gerne« oder »Was essen Sie denn gerne? Dann zaubert unser Koch Ihnen etwas ganz Spezielles«. Gut: Er hat uns mit einer exzellenten Weinempfehlung und einer wundervollen Dessertvariation wieder versöhnt. Aber bis dahin war unser geflügeltes Wort des Abends »Seeeeeeeeeeehr ungern …!«

 

Was steckt dahinter? Die Haltung stimmt nicht

»Ja« – das ist »das menschlichste Wort«, sagt der Philosoph Jürgen Werner. Deshalb sagen wir so leicht »Ja«, auch wenn wir lieber »Nein« gesagt hätten. Ein klares »Nein« setzt eine klare Grenze. Grenzen reizen den, dem die Grenze vor die Nase gesetzt wird, zum Widerstand. Und auf widerspenstige Kunden haben Mitarbeiter keine Lust. Deshalb kommt vordergründig so schnell ein »Ja!«, schlimmer noch ein »Ja, ja!« – das eigentlich »Nein« heißen müsste, in diesem Fall aber doppelt ungeschickt in ein »Seeeeehr ungern« umgemünzt wurde. Doppelt ungeschickt wegen der fehlenden Klarheit einerseits und der divenhaften Serviceunlust-Äußerung andererseits. Ein Mitarbeiter kann keine unlustgesteuerte Diva sein. Da stimmt die Haltung nicht. Das funktioniert nicht.

 

So geht’s: Klartext ist wichtig

Serviceglück blüht nicht im Nebel auf, sondern im Licht. Deshalb ist Klartext so wichtig. Ein Kundenwunsch lässt sich entweder realisieren – und dann richtig und mit vollem Engagement – oder er lässt sich nicht realisieren. Und dann konsequent nicht. An diesem Punkt muss eine empathische und kluge Beratung einsetzen, die die Kompetenzen des Hauses ganz klar auf den Punkt bringt. So kann auch ein »Nein« ein wunderbarer Aufhänger für eine persönliche und intensive Kommunikation mit dem Kunden sein.

 

Nein sagen

Beim Oktoberfest in München haben wir nach dem Weißwurstfrühstück Lust auf gebrannte Mandeln und gehen kurz aus dem Zelt zu einem Stand. Wir bitten darum, eine Tüte von den ganz frischen, warmen Mandeln zu bekommen. Die Dame hinter der Theke: »Die schmecken aber net. Die bicken ja alle zsam« Wir: »Wir hätten sie aber trotzdem gern.« Nach ein wenig hin und her sagt schließlich ihr Mann zu ihr »Dann gibi eanes hoit, wenn sie´s woin.« Die Mandeln schmecken köstlich.

 

Was steckt dahinter?

Eigentlich schade, dass die Beschaffung so mühsam war. Qualität ist schließlich, was der Kunde will … Oans, zwoa … Sie wissen schon.

 

So geht’s: Argumente, keine privaten Geschmacksurteile

Mitarbeiter sollten erstens ihren guten Willen zeigen und zweitens gegenüber ihren Kunden gut begründen können, warum welches Produkt welche Qualität hat oder nicht hat. Private Geschmacksurteile oder der Verweis auf alte Konventionen reichen an dieser Stelle nicht aus. Da müssen Argumente kommen. »Ich gebe Ihnen die Mandeln gerne. Ich habe nur ein bisschen Sorge, dass der heiße, flüssige Zucker Ihnen die Zahnfüllungen herauszieht« zum Beispiel wäre ein Argument gewesen, das ich vielleicht ernst genommen hätte.

 

Gekonnt aus der Rolle fallen

Es ist 20:55 Uhr, ich sitze im ICE. Der Zugchef meldet sich mit sonorer Stimme über den Lautsprecher: »Einen schönen guten Abend, sehr verehrte Fahrgäste. Wir laden Sie ganz herzlich ein in unser Bordrestaurant. Heute gibt es als besondere Empfehlung ein leckeres, rotes Currymit zartem Schweinefleisch und Shiitake-Pilzen für nur XY €, außerdem frische Tomaten mit Mozzarella an einem würzigen Pesto. Wir freuen uns auf Ihren Besuch. Ab 20 Uhr ist Happy Hour. Da bekommen Sie alle 0,3-Liter-Getränke für schlappe zwei Euro vierzich. Sie finden uns in dem Wagen mit der Startnummer elf. Ich wünsche Ihnen noch eine schöne Weltreise. So, jetzt wissen Sie Bescheid.« Es dauerte eine Weile, bis sich die Reisenden von ihren Lachanfällen erholt hatten.

 

Was steckt dahinter? Charmanter Schalk im Nacken

Alfred Brendel, einer der bedeutendsten Pianisten unserer Zeit, hat sich ausführlich über den »Humor in der Musik« Gedanken gemacht. Er kommt zu dem Schluss, dass wir klassische Musikstücke dann als komisch empfinden, wenn sie mit »sprunghaft übermütigen«, mit »unerlaubten« oder »unerwarteten« Klängen daherkommen. Ob nun ein H-Dur-Akkord in einer C-Dur-Sonate von Haydn komisch wirkt oder nicht, das erschließt sich dem modernen, ungeübten Hörer nicht mehr unbedingt. Was wir aber alle auswendig kennen, sind die vorgefertigten Durchsagen der Deutschen Bahn. Umso mehr amüsieren wir uns bei spontan-verrückten Durchbrüchen der vertrauten Textbaustein-Ansagen durch Mitarbeiter, denen ein charmanter Schalk im Nacken sitzt.

 

Merkmale der Komik

Alfred Brendel hat eine Reihe von Merkmalen gesammelt, die »zum gebräuchlichen Vorrat des allgemein Komischen gehören«, vor allem in den angelsächsischen Ländern. Er nennt fünf Punkte:

»1. Verstöße gegen das Übliche;

2. der Anschein von Mehrdeutigkeit;

3. die Maskierung von Vorgängen oder Umständen als etwas, das sie nicht sind, zum Beispiel naiv und stümperhaft;

4. verschleierte Beleidigungen;

5. und schließlich: Nonsens.«

Da kann ich nur sagen: Alles richtig gemacht, lieber Zugchef!

 

So geht’s: Unternehmen sollten Lachen zulassen

Weil sich das Lachen an den menschlichen Witz richtet, also an Geist und Verstand, und weil Lachen auch noch hochgradig ansteckend ist, erweisen sich Unternehmen selbst einen guten Dienst, wenn sie solche Ausreißer zulassen. Im richtigen Moment, in richtiger Dosis und im richtigen Format ist das hohe Marketingkunst, für die sich Agenturen wie Jung von Matt sehr gut bezahlen lassen.

 

Denken Sie nur an die Kampagne für Edeka mit dem Schauspieler Friedrich Liechtenstein und dem Lied Supergeil von »Der Tourist«. In einem Video werden zahlreiche Artikel vorgestellt und als »supergeil« bezeichnet, während Liechtenstein in Edeka-Milch badet, durch einen Edeka-Laden tanzt und sich schließlich selbst an die Kasse setzt. Das Video wurde 2014 in knapp einer Woche über vier Millionen Mal (!) aufgerufen. Noch bemerkenswerter ist es, wenn dieser Effekt den Mitarbeitern gelingt. Sie wirken viel öfter und länger als jede Kampagne.

 

 

 

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