Unternehmens-Umfrage Digitalisierung: „Wer als Chef ein straffes Pensum vorgibt, will keine Kreativität“

Die Digitalisierung wird ein Job-Motor prophezeit Commerzbank-Vorstand Markus Beumer im Interview. 43 Prozent der Unternehmen wollen dafür eigens neue Leute einstellen. Doch neue Mitarbeiter sind alleine keine Lösung, wenn sich nicht endlich die Führungskultur der Manager ändert, kritisiert der Experte für den Mittelstand.

 

 

Commerzbank-Vorstand Markus Beumer

Commerzbank-Vorstand Markus Beumer

Herr Beumer, in Ihrer jährlich erscheinenden Mittelstandsstudie www.unternehmerperspektiven.de  mit 4.000 befragten Unternehmen haben Sie ermittelt, dass die Digitalisierung ein Jobmotor ist und 43 Prozent der Unternehmen Mitarbeiter einstellen wollen. Und zwar solche mit einem neuem Anforderungsprofil. Geht das zu Lasten der bisherigen Mitarbeiter – oder kommen die Neuen obendrauf?
Es ist zunächst eine fabelhafte Nachricht, dass die Unternehmen Personal aufbauen wollen. 43 Prozent der Befragten gehen tatsächlich davon aus, dass sie in Summe durch die Digitalisierung einen höheren Personalbestand haben werden, obwohl sie auch die Einsparmöglichkeiten durch zunehmende Automatisierung sehen. Nur acht Prozent der befragten Mittelständler gehen demgegenüber davon aus, dass die Digitalisierung in Summe zu einem niedrigeren Personalbestand in ihrem Unternehmen führen wird.

 

…welche Art Mitarbeiter brauchen die Unternehmen für die Digitalisierung konkret? Immerhin sagen 65 Prozent der Befragten, dass für sie Unterstützung durch externe Spezialisten wichtiger wird.

Nehmen Sie zum Beispiel die Unternehmen aus dem Maschinenbau, die zwar sehr gut vernetzt sind mit den Fachhochschulen ihrer Region, aber darüber bisher nur Techniker rekrutieren. Diese Firmen brauchen künftig mehr IT-Spezialisten oder auch Kreative aus anderen Bereichen – etwa Leute, die mit sozialen Medien umgehen können. Diese haben sie heute vielfach noch nicht an Bord. Denn die Produkte der Unternehmen werden sich ändern. Wer heute Maschinen verkauft und einen Servicevertrag mit einem Kunden abschließt, wird morgen den Output seiner Maschinen verkaufen. Dafür braucht er die digitale WLAN-Vernetzung aller Maschinen – und der ganze Service ändert sich. Oder sehen Sie sich einen Stahlhändler wie Klöckner an, der bislang einen großen Lagerbestand hat. Um diesen zu reduzieren, kann er dank Digitalisierung just-in-time immer zum besten Preis direkt an seinen Kunden durchliefern.

 

Wenn Unternehmen nur neue Mitarbeiter für eine Lösung halten, unterschätzen die nicht ihre eigenen Mitarbeiter?

Richtig, das ist geradezu ein Reflex in den Unternehmen. Wer nur sagt, ich brauche neue Leute und diese sollen alles lösen können, unterschätzt die eigene Belegschaft. Nur gut ein Drittel der befragten Mittelständler sieht den hohen Qualifizierungsbedarf älterer Mitarbeiter als zentrale Aufgabe der Personalentwicklung an. So vergeben sie möglicherweise die Chance, die eigenen Leute zu befähigen. Sie unterstellen zudem, dass alle neuen Mitarbeiter von außen automatisch besser sind – was nicht stimmt. Dabei leisten sie sich auch Führungsfehler. Einerseits wollen Unternehmen Leute mit Fantasie, die nicht nur nach Vorgaben fertigen. Andererseits lassen sie diese nur nach harten Zielen und Vorgaben arbeiten, so dass sie gar nicht kreativ sein können. Wer als Vorgesetzter das Pensum straff durchdekliniert, kann gar nicht das Ausprobieren haben wollen.

 

Es sind also Kapazitätsfragen, weil in den vergangenen Jahren alle Personalreserven abgeschafft wurden und zu viele Leute entlassen?

Auch. Und es geht um den Kulturwandel und einen neuen Führungsstil den Unternehmen. Einen, der Freiräume gibt. Kommt dann ein Geschäftsführer dazu, welcher sagt, er selbst sei der beste Experte im Unternehmen, wird jeder Kreative eingeengt und wir über kurz oder lang weggehen. Aber das erkennen die Unternehmen langsam. Auch, dass sie zu straffe Vorgaben machen: Denn wenn eine Führungskraft die Rahmenbedingungen nie loslässt und jeden Tag beispielsweise Rapport einfordert, der vertraut seinen Mitarbeitern nicht. Das ist ein Fehler. Denn selbst wenn mal etwas daneben geht, muss dies möglich sein. So wie in der amerikanischen Unternehmenskultur: wer dort keine Insolvenz hingelegt hat, gilt als unerfahren. Wer dagegen hierzulande eine Pleite hinter sich hat, dessen Karriere ist oft beendet.

 


Was raten Sie den Unternehmern?

Die Manager müssen lernen, auch mal ein neues Projekt zu beerdigen, wenn klar wird, dass es ein Irrweg ist. Stattdessen halten einige bis zuletzt an solchen Fehlprojekten fest und treiben sie mit Nachdruck weiter – auch wenn es viel Geld kostet. Dahinter steckt oft nur eins: Sie wollen auf keinen Fall ihr Gesicht verlieren oder ihre eigene Karriere gefährden. Viele Fragen von morgen sind Führungsfragen – auch diese gehören zur Digitalisierung.

 

https://www.unternehmerperspektiven.de/

 

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