Buchauszug aus „Kanzleimanagement in der Praxis“ von Herausgeberin Claudia Schieblon
Stefan Rizor von der Kanzlei Osborne Clarke:
Der Managing Partner: Eine Aufgabe und zwölf Rollen
In „Adel verpflichtet“, einer klassischen englischen Kriminalkomödie, spielt Alec Guinness sieben Rollen. Das wären beste Voraussetzungen, um die Rolle des Managing Partners anzunehmen. Der Managing Partner ist Kämpfer an vielen Fronten. Kein Mehrkämpfer ist in allen Disziplinen gleich gut. Der gute Managing Partner wird sich professionelle Unterstützung in seinen schwächeren Disziplinen holen. Gleichwohl muss er auch in diesen Bereichen den Überblick behalten.
Nachfolgend sollen die Rollen eines Managing Partners beschrieben werden. Da in der Wirklichkeit niemand in allen Facetten diesen Idealen nahe kommen dürfte, steht der Managing Partner zwangsläufig immer in der Kritik. Mindestens zwölf Rollen – und damit sind noch längst nicht alle Aufgaben beschrieben,für die ein Managing Partner kraft Amtes zuständig ist (siehe vorangegangenes Kapitel) – werden im Folgenden beschrieben. Sie sollen insbesondere die Fähigkeiten beleuchten, die ein Managing Partner für die Aufgabe mitbringen oder entwickeln sollte.
1. Der Erfolgsgarant
„Allein der Erfolg rettet mich, nicht mein Fleiß, mein psychologisches Geschick und meine taktische Raffinesse. Ich habe nur Argumente, wenn ich gewinne.“ So extrem wie Ottmar Hitzfeld, der langjährige Schweizer Nationaltrainer, dies formuliert hat, werden Managing Partner nicht bewertet. Aber es ist kaum vorstellbar, dass ein Managing Partner mehr als eine gewählte Amtszeit erhält, wenn die Kanzlei in diesem Zeitraum nicht wirtschaftlich erfolgreich agiert. Letztlich verkauft auch er Erfolg als Gegenleistung für das Geld, das er verdient.
Der Managing Partner muss akzeptieren, dass er diesen Erfolg nur indirekt beeinflussen kann. Er muss an der Formulierung der ehrgeizigen wirtschaftlichen Ziele mitwirken, dann hat auch niemand bessere Möglichkeiten als er, Maßnahmen vorzuschlagen und Veränderungen vorzunehmen: Er ist in einer privilegierten Position, um Strukturen zu durchleuchten und Abläufe zu verbessern. Der Managing Partner kann am besten beurteilen, wo Verbesserungspotential existiert, ob und welcher Spielraum auf der Kostenseite besteht. Deshalb besteht eine wichtige Aufgabe des Managing Partners, dafür zu sorgen, dass seine Partner sich auf die Mandatsanbahnung, die Mandatsarbeit und die Ausbildung des Nachwuchses und der Mitarbeiter konzentrieren können.
Partner sind Diven
Hier sind analytische und psychologische Fähigkeiten unverzichtbar. Viele Beobachter halten erfolgreiche Partner für Diven, mit denen der Umgang schwierig ist. Natürlich sorgt der anwaltliche Erfolg für ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Aber genau dies ist auch ein Erfolgsfaktor, mit dessen Hilfe große Mandate bewältigt werden. Zu den Aufgaben des Managing Partners zählt es, diese Leistungsbereitschaft mit viel Gespür zu erhalten oder wieder zu erwecken. Stets wird der Managing Partner versucht sein, das bestehende Wachstum oder gerade fehlendes eigenes organisches Wachstum durch Quereinsteiger mit eigenem Geschäft zu kompensieren.
Quereinsteiger brauchen besondere Fürsorge
Wichtiger als das sogenannte „book of business“, also die dem Anwalt folgenden Mandanten, wird jedoch sein, ob es gelingt, den Quereinsteiger mit anderer Geschichte in die eigene Kanzlei(kultur) zu integrieren. Nicht übersehen werden darf, dass die Quereinsteiger besonderer Fürsorge bedürfen, denn sie gehen zunächst das größere Risiko ein im Vergleich zu den Partnern der Kanzlei, der sie beitreten. Diese mag der Grundsatz trösten: Wenn sie sich als unverträglich erweisen sollten, werden sie von der Gemeinschaft wieder abgestoßen werden. „Hired by ability, fired by personality“ heißt es hierzu in englischen Unternehmen.
„Kanzleimanagement in der Praxis“, Hrsg. Claudia Schieblon, 3.Auflage, SpringerGabler, 221 Seiten, 54,99 Euro: http://www.springer.com/de/book/9783658080105
Für den Managing Partner bedeutet aber jeder Quereinstieg eine Integrationsaufgabe. Denn die mit dem Quereinsteiger gewonnene Erfahrung und Mandantenkontakte sind nur dann nutzbar, und das damit angestrebte Wachstum („aus eins und eins drei zu machen“) wird nur dann erreicht, wenn die Zusammenarbeit zwischen dem Neuzugang und den etablierten Bereichen der Kanzlei funktioniert. Deshalb muss der Managing Partner die Strukturen auf den gemeinsamen Erfolg umbauen. Wer Einzelleistungen belohnt, wird Einzelleistungen bekommen. Wer Mannschaftsleistung will, muss Mannschaftsleistung betonen – und hier schlägt dann die von den Partnern gewählte Gewinnverteilung auf die Zusammenarbeit in der Kanzlei durch.
2. Der Diplomat und Schlichter
Die größte Unterscheidung zwischen dem Unternehmensführer, etwa dem Vorstandsvorsitzenden oder dem Geschäftsführer in der Industrie, und dem Kanzleiführer ist das Fehlen einer entsprechenden Hierarchie. In Unternehmen nehmen die Gesellschafter ihre Rechte meist über von ihnen ausgewählte Aufsichtsräte wahr. Dagegen sind die Partner einer gemanagten Anwaltssozietät sowohl Kontrolleure als auch Betroffene des Managements.
Der Managing Partner befindet sich daher stets im Zwiespalt zwischen den Partnern. In der Regel werden dem Managing Partner Konflikte zwischen Partnern zur Lösung übertragen. Dies ist eine für die Gemeinschaft sinnvolle Maßnahme, da hiermit die vom Konflikt nicht betroffenen Partner eine neutrale Haltung einnehmen können. Die Friktionen zwischen den streitenden Partnern können damit isoliert werden und lösen keinen Flächenbrand aus.
Typische Streitpunkte zwischen Partnern sind beispielsweise kaufmännische Interessenkonflikte. Partner A möchte gern ein Mandat für ein Unternehmen annehmen, das in Konkurrenz zu dem Traditionsmandanten des Partners B steht. Während der Umsatz des Partners B mit diesem Mandanten seit vielen Jahren konstant ist, verspricht das angebotene Initialmandat für den Partner A erhebliches Wachstumspotential. Solche Konflikte wird der Managing Partner ad hoc lösen müssen. Ein klares Prinzip wird sich im wirtschaftlichen Interesse der Kanzlei kaum aufstellen lassen. In der Regel wird er Kompromisslinien auszuloten versuchen – eine Schulung als Mediator ist hier sicher nützlich.
Werden Entscheidungen in der Sozietät per Mehrheit getroffen, obliegt es dem Managing Partner nicht nur, die getroffene Entscheidung umzusetzen, sondern auch die Partner einzubinden, die in der Einzelfrage unterlegen waren. Dies gelingt leichter, wenn die Kanzlei über eine entsprechende Firmenkultur verfügt, die eine sachliche, auch kontroverse Diskussion verträgt. Die britische Diskussionskultur setzt darin auch im politischen Umfeld Maßstäbe, die deutschen Politikern und Anwälten als Leitlinie dienen können.
Der Managing Partner bildet auch nach innen, gegenüber den angestellten Anwälten und dem nicht anwaltlichen Personal, den Orientierungspunkt. Ähnlich wie ein Politiker mit Regierungsverantwortung muss der Managing Partner stets diesen Erwartungen gerecht werden. Er ist immer Managing Partner und kann diese Rolle auch bei internen Feiern oder außerhalb des Büros nicht ablegen. Daher ist eine abgewogene Wortwahl unverzichtbar.
3. Der Visionär
Die zweifellos wichtigste Aufgabe des Managing Partners ist die Entwicklung von Zukunftsperspektiven für die Sozietät. Angesichts der großen Veränderungen, die die Anwaltslandschaft in den letzten zwanzig Jahren geprägt haben, fällt die Voraussage nicht schwer, dass die Welt der Wirtschaftsanwälte sich in fünf Jahren bereits wieder fundamental verändert haben wird. Welche Auswirkungen wird die veränderte Weltwirtschaft, wird das Entstehen neuer Märkte auf den Anwaltsmarkt haben?
Managing Partner ohne Mandanten
Vom Managing Partner wird erwartet, dass er die Trends im Anwaltsmarkt beobachtet, bewertet und Schlüsse für die strategische Fortentwicklung der eigenen Sozietät zieht. Dazu muss er verfolgen, in welcher Weise sich die Anforderungen und Erwartungen der Mandanten an die Leistungen der Anwälte verändern. Gibt der Managing Partner die Mandatsbeschäftigung selbst auf, muss er den Mandantenkontakt auf andere Weise bewahren.
Besonders sinnvoll erscheint der Einsatz bei Mandanten-Feedbackgesprächen. Viele Kanzleien setzen den Managing Partner bei den Interviews mit Schlüsselmandanten ein, um festzustellen, wie zufrieden Mandanten mit dem Service der Kanzlei waren und wo noch Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Zugleich signalisiert die Teilnahme des Managing Partners die Bedeutung des Mandanten für die Anwaltskanzlei und hilft damit bereits symbolisch, das Band zwischen Kanzlei und Mandant zu festigen.
Da das originäre Wachstum der Partner nach eigener Einschätzung häufig ausgereizt ist, soll der Managing Partner die Abläufe so organisieren, dass sich Zuwächse bei allen Unternehmensfaktoren einstellen. Die Partner wollen steigende Gewinne, die Associates wollen eine Karriere als Anwalt und drängen in die Partnerschaft, die Mitarbeiter wollen attraktive Gehälter. Zudem wollen alle in einer repräsentativen und damit kostspieligen Umgebung arbeiten. Und schließlich soll die Arbeit so ausgestaltet sein, dass die privaten Belange nicht völlig zu kurz kommen.
Managing Partner unter Druck
Vom Managing Partner wird erwartet, dass er den gedanklichen Rahmen schafft, mit dem diese diffusen Ziele möglichst kurzfristig und gleichzeitig erreicht werden. Der Druck auf den Managing Partner ist enorm. Gewichtet er nämlich eines der Elemente einer erfolgreichen Kanzlei zu gering, wird die Kanzlei bereits mittelfristig scheitern. Partnergewinne können zwar kurzfristig durch einen Verzicht auf interne Partnerernennungen bei geringem Wachstum gesteigert werden, aber der drohende Verlust an Know-how und Mandantenbeziehungen ist nur schwer auszugleichen.
Wer Wachstum will, muss Grenzen überschreiten. Um außergewöhnliches Wachstum realisieren zu können, darf der Managing Partner nicht nur die Erfolgsformeln der Konkurrenz nachahmen. Vielmehr müssen provokante Ideen für Partner, Märkte und Mitarbeiter in der Praxis ausprobiert werden, um im Wettbewerb außergewöhnlich erfolgreich sein zu können. Nicht jede dieser Ideen wird wirken – also muss der Managing Partner auch dafür sorgen, dass das Scheitern bestimmter Ideen nicht sanktioniert, sondern als Teil des unternehmerischen Engagements akzeptiert wird. Das ist in einer extrem erfolgsorientierten Umgebung nicht einfach. Wenn Managing Partner aber erfolgreich sein wollen, müssen sie den Raum für Experimente eröffnen.
Konzepte für übermorgen
Geldverdienen allein reicht nach allen Untersuchungen in der Wirtschaft nicht aus, um ein wirklich gutes Team auf die Beine zu stellen. Vielmehr braucht jeder Mensch etwas, woran er sich orientieren und worauf er stolz sein kann. Der Managing Partner muss diesen übergeordneten Zweck entdecken, vermitteln und vorleben.Die Partner erwarten vom Managing Partner ein Vordenken in strategischen Angelegenheiten. Die Entscheidung wird die Partnerversammlung treffen, aber die Optionen, etwa die Fusion oder Übernahme einer anderen Kanzlei, die Erweiterung um einen weiteren Standort, die Hinzunahme weiterer Spezialitäten, wird zunächst der Managing Partner bedenken müssen. Schließlich darf der Managing Partner sich nicht auf dem Erfolg des Vorjahres ausruhen. Arroganz und Selbstzufriedenheit sind die Krankheit jedes Großunternehmens. Daher muss der Managing Partner stets nicht nur die Gegenwart managen, sondern bereits die Ziele für morgen formulieren und die Konzepte für übermorgen bedenken. Zur Ruhe kommt er nie.
4. Der Stratege
Mit Hilfe von Visionen werden langfristige Ziele formuliert, die dann mit einer klugen Strategie in die Praxis umgesetzt werden müssen. Die entsprechenden Zielvereinbarungen müssen dokumentiert werden, um eine Zielerreichung überprüfen zu können. Den Partnern zu helfen, sich im Rahmen der Visionen ambitionierte (Zwischen-) Ziele zu stecken, die aber kurzfristig realisiert werden können, ist eine Schlüsselaufgabe für den Managing Partner. Der Managing Partner muss vor allem die Partner unterstützen, zunächst die Projekte zu verwirklichen, die den größten Nutzen für die Sozietät versprechen. Dementsprechend müssen dem Partner die Mittel aus dem Budget zur Verfügung gestellt werden.
Die Partner gehen selbstverständlich und zu Recht davon aus, dass das Management eine Ergebniskontrolle vornehmen wird, ob und inwieweit die eingesetzten Mittel den gewünschten Effekt erzielt haben. Die Erfahrungen aus dem jeweiligen Projekt müssen ausgewertet werden. Zugleich sollte geprüft werden, inwieweit diese Erfahrungen auf andere Projekte übertragen werden können. Sind die Projekte erfolgreich gewesen, sollte der Managing Partner auch für die notwendige interne Öffentlichkeit sorgen. Hat ein Projekt keinen Erfolg gehabt, sollten die erforderlichen Lehren hieraus gezogen werden.
Keinesfalls darf der Misserfolg verschwiegen werden, aber der Managing Partner sollte darauf achten, dass mit dem Misserfolg keine schnellen Schuldzuweisungen begründet werden. Nur die Kanzlei wird sich zu den Siegern zählen dürfen, die mit Rückschlägen souverän umgeht. Wer Angst vor dem Scheitern hat, wird Risiken scheuen und innovative Ideen nicht ausprobieren. Im Umgang mit dem Scheitern eines Projekts erweist sich die Zukunftsfähigkeit einer Partnerschaft.
5. Der Motivator
Innerhalb kurzer Zeit wird der Managing Partner verstehen lernen, welche Gestaltungsmöglichkeiten und damit auch welche Verantwortung mit seiner herausgehobenen Position einhergehen. Unabhängig von seinen tatsächlichen satzungsmäßigen Rechten, verbinden die Mitarbeiter mit der Stellung als Managing Partner besondere Einflussmöglichkeiten. Sein Wort hat ein besonderes Gewicht. Diese Position kann er nutzen, um Mitarbeiter und junge Kollegen auf die Pläne und Visionen der Partnerschaft einzuschwören. Dabei sollte er gemeinsam mit seinen Partnern realistische kurz- und mittelfristige Ziele verfolgen. Anwaltskanzleien leben von ihrem Know-how und der Persönlichkeit ihrer Anwälte. Die jungen Anwälte in die Partnerschaft zu führen, ist eine der größten Kanzleileistungen.
Wem dies regelmäßig gelingt, wird wiederum besonders attraktiv für junge Anwaltstalente. Eine Erfolgsbilanz bei der Gewinnung von Partnern aus den eigenen Reihen ist die beste Werbung für den juristischen Nachwuchs. Denn diese Perspektive wird aus der Sicht der jungen Anwälte mit unternehmerischen Fähigkeiten andere Faktoren wie eine höhere Bezahlung oder mehr Urlaub rasch verdrängen. Der Freiraum für unternehmerischen Tatendrang und die damit verbundenen Perspektiven werden den Ausschlag geben. Sorgfältig abgewogen, sollten die Partner für die Übertragung ihrer Kontakte und Mandate auf Jüngere gewonnen werden, nicht nur dann, wenn der Ruhestand naht.
Vielmehr sollte im Unternehmensinteresse stets neu bedacht werden, wer bestimmte Mandate am besten und effizientesten betreuen kann. Da mag es sinnvoll sein, einen jüngeren Kollegen an größere Mandate heranzuführen und dem erfahrenen Partner zuzumuten, andere große Mandanten zu gewinnen statt routiniert seine Stammmandanten weiter zu betreuen.
Das Vertrauen ineinander ist der Schlüssel dafür, dass die Übertragung von Mandanten und Netzwerken funktioniert und auch dadurch Partner und Associates in gleicher Weise motiviert. Die besten Führungskräfte haben auch die besten Mitarbeiter. Deshalb ist es wichtig, dass der Managing Partner diese Associates ermuntert, gute und innovative Ideen zu produzieren. Widerspruch zum Partner, natürlich auch zum Managing Partner einzufordern, ist eine wichtige Basis für neue Ideen, die das Spektrum der Kanzlei erweitert. Schließlich soll der Associate ja schnellstmöglich aus dem Schatten seines Partners treten und einen nennenswerten eigenen Beitrag zum Erfolg der Sozietät schaffen.
Es ist unverzichtbar, dass der Managing Partner aktiv an den regelmäßig stattfindenden Feedbackgespräche zumindest mit den Senior Associates teilnimmt. Nirgendwo wird er mehr Informationen über den jeweiligen Tätigkeitsbereich, über Chancen und noch brachliegende Potentiale erfahren als in diesen Gesprächen. Schließlich liegt die größte Wachstumsressource in den eigenen Mitarbeitern. In Bildungsunternehmen wie Anwaltskanzleien sollte stets gefragt werden, welches Potential an Fähigkeiten und Stärken der Einzelne mitbringt, wie sich dieses Potential nutzbringend entwickeln und dann vermarktet werden kann.
Erstaunlicherweise lassen die meisten Anwaltskanzleien die Intelligenz, die Auffassungsgabe und die Managementfähigkeiten ihrer Anwaltsgehilfinnen und Fremdsprachensekretärinnen sträflich ungenutzt. Nur wenige Kanzleien investieren ausreichend in die Fortbildung ihrer nichtanwaltlichen Mitarbeiter.
6. Der Wahrer der Unternehmenskultur
Die großen Anwaltskanzleien unterscheiden sich in ihrem Beratungsansatz für Mandanten kaum. Alle Kanzleien haben mindestens einen Wettbewerber, der qualitativ gleichwertig die Beratung von Mandanten übernehmen kann. Das Branchenmagazin JUVE bewertet die Qualität der einzelnen Praxisgruppen. Unter den 59 Kategorien identifiziert JUVE im Handbuch 2014/2015 nur drei Rechtsbereiche, in denen die Redaktion einer Kanzlei einen qualitativen Vorsprung einräumt. Im Übrigen schätzt JUVE die Beratungsqualität von mindestens zwei Kanzleien als gleichwertig ein. Stellen juristische Aufgaben nicht besondere Herausforderungen an die Kapazitäten einer Anwaltskanzlei, wächst die Zahl der geeigneten Anbieter exponentiell.
Riesige Konkurrenz um Mandate
Die Konkurrenz um diese Mandate ist auch wegen der in den letzten Jahren noch einmal stark gestiegenen Zahl an Anwälten riesig. Die Zahl der Anwälte hat sich in den letzten zwanzig Jahren fast vervierfacht. Eine zentrale Herausforderung für Kanzleien ist die Gewinnung eines klar abgrenzbaren Profils für (potentielle) Mandanten. Denn: Die zentralen Versprechen der Kanzleien werden sich nicht unterscheiden. Alle setzen auf qualitativ hohe Beratung, die sich am längerfristigen wirtschaftlichen Wohl des Mandanten orientiert. Rechtsstreitigkeiten sollen möglichst gewonnen werden oder frühzeitig mit einem für den Mandanten verträglichen wirtschaftlichen Resultat beendet werden.
Da Mandanten in der Regel darauf vertrauen können, dass die juristische Aufgabe von den in Frage kommenden Kanzleien fachlich gelöst werden kann, bekommen andere Faktoren besondere Bedeutung. Neben dem Preis bekommt das Wie der Zusammenarbeit entscheidendes Gewicht. Der Mandant muss sich verstanden und angenommen fühlen. Die Glaubwürdigkeit des Angebots einer Anwaltskanzlei hängt heute entscheidend davon ab, dass jeder ihrer Partner in gleicher Weise operiert und das Versprechen der Kanzleiwerbung erfüllt.
Der Mandant differenziert ungern. Die meisten Unternehmen haben die Zahl ihrer externen juristischen Berater in den letzten Jahren drastisch reduziert. Die Kanzleien, die ihre Dienste nicht glaubhaft in allen Bereichen, in denen diese Unternehmen beraten werden möchten, anbieten können, haben den Wettbewerb verloren.
Leitbild zur Identitätsstiftung
Daher geben sich immer mehr Kanzleien ein Leitbild, das sie von anderen Kanzleien unterscheidet. Das Leitbild wirkt nach innen und außen. Das Leitbild soll die Vorstellungen aller Mitarbeiter einer Kanzlei bündeln. Wird dieser Prozess einer Leitbildentwicklung konsequent durchgeführt, wirkt das Ergebnis in hohem Maße identitätsstiftend nach innen und gewinnend nach außen. Anspruch und Alltag miteinander zu versöhnen, wird dann eine der zentralen Aufgaben des Managing Partners. Das Leitbild muss zunächst zum Managing Partner passen. Sein Verhalten muss stets dem Anspruch des Leitbilds genügen, aber er muss auch darauf achten, dass das Leitbild alle Verhaltensweisen der Kanzlei innen und außen durchzieht.
7. Der Vollstrecker der Partnerbeschlüsse
Vom Managing Partner wird erwartet, dass er die möglichst reibungslose und umfassende Umsetzung der Partnerbeschlüsse garantiert. Anwälte sind aber freiheitsliebend, und die Pflichten, die aus unternehmerischer Sicht erforderlich sind, um die Kanzlei wirtschaftlich steuern zu können, werden immer wieder durch Partner vernachlässigt. Die Umsetzungsprobleme sollte der Managing Partner schon bei der Ansetzung der Themen in der Partnerversammlung berücksichtigen.
Für international tätige Anwälte: Visitenkarten mit Mobilnummer
Manchmal ist Vielfalt besser als eine nur unzureichend gelebte Regel. Ein typisches Beispiel aus der Praxis, bei dem deutsche Gewohnheiten mit angelsächsischen Usancen kollidieren, mag dies illustrieren. Wer international tätig ist, wird seinen Gesprächspartnern seine Durchwahltelefonnummer und seine Mobilfunknummer auf der Visitenkarte überlassen. Wer hingegen für deutsche Mandanten umfassende Schriftsätze diktieren möchte, wird zögern, dem Mandanten diese Kontaktdaten zu überlassen. Zwar kann der Effekt der Störung durch automatische Telefonweiterleitung und Anrufbeantworter vermieden werden, aber damit wird man natürlich auch für die Auserwählten unerreichbar, denen man einen verantwortungsvollen Umgang mit den Kontaktdaten zutraut.
Praktischer Ausweg: Keine Regel für alle! Jeder Partner entscheidet autonom, wem er welche Daten überlässt. Das Management lässt entsprechend unterschiedliche Visitenkarten drucken. Ein anderes Beispiel zeigt, dass der laisser-faire Stil nicht immer angebracht ist: Aus Kanzleisicht ist beispielsweise das zeitnahe Notieren der auf Mandaten gearbeiteten Zeit ein erster wichtiger Indikator, wie es um die Auslastung in der Kanzlei steht und mit welchen Einnahmen die Kanzlei in den Folgemonaten rechnen kann. Nun sind Versäumnisse junger Associates, deren Zeit wegen der mit der Mandatsarbeit verbundenen Ausbildung ohnehin nicht in vollem Umfang abgerechnet werden kann, zunächst eher unbeachtlich. Die Erfahrung als Managing Partner lehrt aber, dass gerade die Partner, die maßgeblich zum Umsatz beitragen, ihre Pflichten vernachlässigen. Diese Partner betreiben meist einen enormen zeitlichen Aufwand, um die Kanzlei voranzubringen.
Controlling contra Toleranz
Der Managing Partner darf die Lust an der Arbeit nicht durch kleinliches Bestehen auf bürokratische Pflichten nehmen, aber er muss auch darauf Acht geben, dass das Controlling in der Kanzlei funktioniert. Immer wieder versuchen die Rainmaker kleine Privilegien durch den Verzicht auf unangenehme Pflichten zu erreichen. Das rechte Maß zwischen Toleranz bei kleinen Verstößen und rigoroser Umsetzung bei groben Verletzungen zu finden, ist eine der Künste, die der Managing Partner im Umgang mit seinen Partnern entwickeln muss.
Wem es gelingt, Betriebsabläufe zu etablieren, mit denen der Partner größtmögliche individuelle Freiheiten genießt und trotzdem gleichzeitig die Pflichten der Partnerschaft erfüllt, hat als Managing Partner die Rezeptur für eine erfolgreiche Kanzlei entdeckt.
8. Der Entscheider im Alltag
Der Managing Partner wird eine Vielzahl von Alltagsentscheidungen treffen müssen. Viele Kanzleien errichten für diese Zwecke ein immer umfassender werdendes Handbuch („Manual“ oder „Kanzleipedia“), in dem die Betriebsabläufe minutiös beschrieben werden. Dies ermöglicht Neuzugängen die rasche Orientierung, wie Reisen gebucht werden, wer für die Beschaffung von Büromaterial zuständig ist, wer den Besuch von Fortbildungsmaßnahmen oder Urlaub genehmigt und ähnliches mehr. Ein solches Handbuch ist per definitionem unvollständig, Es wächst beständig.
Der Managing Partner muss im Lichte der Regeln des Handbuchs, die als Leitlinien der Kanzleikultur verstanden werden sollten, eine Entscheidung im Einzelfall treffen. Aber er sollte beachten, dass jede seiner Einzelfallentscheidungen einen Präzedenzfall für die Zukunft schafft. Gleichbehandlung wird von all denen eingefordert werden, die später mit einem ähnlichen Anliegen kommen werden.
Kanzleien als begehrteste Kunden der Immobilienmakler
Die häufigste Antwort des Managing Partners im Alltag wird „nein, danke“ sein. Beständig breiten Dienstleister aller Art ihre Angebote aus. Anwaltskanzleien sind inzwischen zu den begehrtesten Kunden für Immobilienmakler geworden. Das schnelle Wachstum der Kanzleien und die moderne Ausstattung der Büroräume haben dazu geführt, dass die Kanzleien neue Flächen brauchten. Die Verweildauer der Kanzleien an ihren Standorten ist erheblich gesunken. Dazu kommen die Veränderungen in Kanzleien. Immer wieder lösen sich Anwaltsgruppen (sog. Spin-offs) aus großen Kanzleien und bilden kleinere, meist hoch spezialisierte Einheiten, die dann wieder neue Mietflächen in Top-Lagen benötigen. Ein solcher Umzug braucht eine lange Vorlaufzeit, so dass der Managing Partner beständig mit Immobilienfragen beschäftigt sein wird. Bei den heute für Anwaltskanzleien üblichen Fünf-Jahres-Verträgen wird durchgängig über Umzüge oder die Verlängerung der bestehenden Mietverträge verhandelt.
Als Arbeitgeber attraktiv durch Technik
Einen noch schnelleren Zyklus an Entwicklungen durchläuft die Technik. Blackberries und iPhones haben die klassischen Handies verdrängt. Der technische Wandel erfordert immer wieder erhebliche Investitionen. In der Regel wird man vom Managing Partner nicht erwarten können, dass er die technische Entwicklung im Detail verfolgt. Aber seine Partner werden erwarten, dass er den Prozess zur Entscheidungsfindung ggf. mit externer Hilfe strukturiert und der Partnerschaft die Vorschläge unterbreitet, mit der die Anforderungen der Mandanten an Erreichbarkeit und Kommunikation erfüllt werden können. Für jüngere Kollegen spielen Faktoren wie die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit eine große Rolle. Der Verzicht auf technisch mögliche Hilfen wird bereits kurzfristig zu einem Verlust der Attraktivität als Arbeitgeber führen.
Die Website muss permanent angepasst werden. Interaktive Websites mit bewegten Bildern werden sich durchsetzen. Mehrwert für Mandanten und potentielle Mandanten sind selbstverständlich geworden. Die traditionellen Informationen für Mandanten wie fachspezifische Newsletter entfallen deshalb aber nicht. Auch sie wollen gepflegt sein, denn mit ihnen erreichen die meisten Kanzleien die Mandanten, die immer die Basis des Erfolgs der Kanzleien bilden: Die Stammkundschaft.
9. Der Administrator
Die meisten Partner lassen sich von der Notwendigkeit überzeugen, die Position eines Managing Partners einzuführen, wenn die administrativen Aufgaben der Mandate das Maß übersteigen, das ein einzelner Partner für die Betreuung seiner Mandanten aufbringen möchte. Um mehr Zeit für die Arbeit am Mandat und mit dem Mandanten zu gewinnen, wird er Aufgaben wie die Sammlung von Know-how, die Auswahl und Einstellung von Studenten und Referendaren, persönlichen Assistenten und jungen Anwälten gern anderen überlassen. Im Gegenteil: Er wird zunehmend darauf drängen, dass diese Aufgaben professionell von anderen übernommen werden.
Zu den Aufgaben des Managing Partners zählt es, im Einklang mit den Bedürfnissen der Partnerschaft eine Struktur für Personal, Geschäftsentwicklung (Business Development), Marketing und PR, Informationstechnologie und Finanzen zu schaffen. Der damit verbundene Kostenapparat zwingt die Anwälte, ihre Umsatzziele und damit einhergehend auch die Qualität der Mandanten und Mandate entsprechend zu erhöhen. Der Managing Partner wird am Erfolg der Sozietät gemessen. Gelingt den Partnern der angestrebte Erfolg nicht, liegt es nahe, die Ursache in nicht ausreichender Unterstützung durch das Management zu suchen.
Daher entspricht es dem ureigensten Interesse des Managing Partners, eine möglichst reibungslose Infrastruktur zu schaffen. Die zur Unterstützung der Partner erforderlichen Stabstellen, die sich mit den verschiedenen Aspekten der Organisation einer Anwaltskanzlei ausschließlich oder schwerpunktmäßig beschäftigen, müssen vom Managing Partner geleitet werden. Die Priorität, mit der die Aufgaben angegangen werden sollen, müssen vom Managing Partner vorgegeben werden. Fortlaufend wird er diese Strukturen den sich beständig verändernden Anforderungen anpassen müssen. Hier das richtige Maß zu finden, ist eine weitere große Herausforderung für jeden Managing Partner.
10. Der Kommunikator
Eine der am meisten unterschätzten Aufgaben des Managing Partners besteht in der Kommunikation seines Tuns. Die Erwartung seiner Partner wird regelmäßig die geräuschlose Erledigung von – aus rein anwaltlicher Sicht – unproduktiven Aufgaben sein. In Kenntnis dieser Erwartung wird der Managing Partner zurückhaltend über seinen Alltag berichten. Aber er muss auch der Befürchtung entgegenwirken, dass er seine Zeit wenig effizient nutzt, und steht damit unter dauerndem Rechtfertigungsdruck. Je größer die Sozietät ist und je geringer der Managing Partner in täglichem Gespräch mit seinen Partnern steht, desto größer ist die Gefahr, dass die Partner die Aufgabenvielfalt und die Verantwortung des Managing Partners unterschätzen.
Die Kommunikation wird immer kritisiert
Dem Managing Partner sollte bewusst sein, dass seine Kommunikation immer kritisiert werden wird. Das Bedürfnis der Partner, unterrichtet zu werden, wird sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Einige werden sich über die vielen Details ärgern, mit denen der Managing Partner sie behelligt. Andere werden beklagen, dass sie viel zu spät und viel zu oberflächlich über Entwicklungen unterrichtet werden, von denen sie als Gesellschafter gern frühzeitig gewusst hätten. Im Zentrum der Kritik wird nicht nur das rechte Maß, sondern auch die Art der Kommunikation stehen. Gerade delikate Informationen sollten am besten im persönlichen Gespräch überbracht werden.
Angesichts der vollen Terminkalender aller Partner stellt dies fast immer ein aussichtsloses Unterfangen dar. Um eine Gleichbehandlung aller Partner zu erreichen, nutzen fast alle Managing Partner heute die Rundmail als primäres Instrument der Kommunikation. Die Rundmail hat sich selbst bei den Kanzleien durchgesetzt, die nur über einen Standort verfügen.
Rundmails als Unruhestifter
Dem Managing Partner muss bewusst sein, dass jede seiner Rundmails Startschuss zu schriftlichen Nachfragen – in der Regel mit großem Verteiler – sein kann. Die Unsitte, per Mail die gebotene Höflichkeit im Umgang fallen zu lassen, birgt die Gefahr, dass der Stil, in dem eine per Email geführte Diskussion begonnen wird, entgleitet. Das Unruhepotential, das jeder Rundmail an alle (Partner, Mitarbeiter) innewohnt, sollte den Managing Partner veranlassen, das Instrument der Rundmail sehr sorgfältig und geplant einzusetzen. Die Kommunikation sollte so gestaltet sein, dass Nachfragen möglichst unterbleiben. Die von den Partnern gewünschte Art der Mitwirkung muss sich zweifelsfrei aus der Rundmail ergeben. Bei kontroversen oder delikaten Themen wird es sinnvoll sein, ggf. kurzfristig Partnersitzungen anzuberaumen, um den Partnern die Gelegenheit zur Nachfrage und/oder Diskussion der Themen/Maßnahmen einzuräumen. Der Managing Partner ist hier der Steuermann.
Die hundert größten deutschen Anwaltskanzleien operieren überwiegend an zwei oder mehr Standorten. Die Einbindung der Partner an den Standorten, an denen der Managing Partner nicht sein Büro hat, stellt meist eine besondere Herausforderung dar. Anfang der 90er Jahre versuchten die Wirtschaftskanzleien, möglichst an allen deutschen Wirtschaftsstandorten mit eigenen Büros präsent zu sein. Die Unterhaltung in der Regel kleiner Büros in Leipzig und Dresden gehörte zum Standard. Diese Büros haben sich heute verselbständigt.
Die großen Kanzleien konzentrieren sich heute auf wenige Büros in den Ballungszentren. Die lokale Anbindung hat an Bedeutung verloren. Viele Managing Partner setzen daher auf vierteljährliche Partnerschaftstreffen sowie Rundmails. Viel zu selten investieren Kanzleien in Videokonferenzen. Diese Investition wird sich aber gerade im Wachstum lohnen, weil die Partner ihren Einfluss und ihre Mitspracherechte nicht über Nacht verlieren. Vielmehr können sie sich einen vergleichsweise großen Katalog an Entscheidungen sichern, über den sie in der Partnerversammlung beraten und entscheiden wollen.
Videokonferenzen für die Partner
Durch die Videokonferenz können Partner an allen Standorten an der Diskussion und Entscheidung über Partnerschaftsangelegenheiten teilnehmen, ohne hierfür reisen zu müssen. Partner, die unterwegs sind, müssen auf diese Weise nicht zurück an ihren Heimatort, sondern können sich an der Diskussion am nächst gelegenen Kanzleistandort beteiligen. Dies spart Zeit und Kosten für die Partner, die gleichwohl in vollem Umfang in die Entscheidungsfindung der Kanzlei eingebunden bleiben. Auch in größeren Sozietäten kann auf diese Weise das Empfinden der Partner, Gesellschafter ohne faktischen Einfluss auf die Geschäftsleitung zu sein, vermindert werden. Ihre Bedenken finden Gehör. Die so gefundenen Entscheidungen werden wegen der demokratischen und transparenten Entscheidungsfindung auch zu einer höheren Akzeptanz in der Sozietät führen.
Dem Managing Partner ermöglicht die Videokonferenz die Erläuterung seiner Pläne im Gespräch. Gerade bei delikateren Partnerschaftsangelegenheiten oder bei weitreichenden Entscheidungen ist die persönliche und unmittelbare Information der Partner unersetzlich.
11. Der Kümmerer
Der Managing Partner wird unweigerlich auch zum Kummerkasten der Kanzlei. Seine Partner, die Mitarbeiter und angestellten Anwälte, die Mandanten und gegnerischen Kollegen werden Beschwerden bei ihm adressieren. Der Managing Partner ist immer zuständig. Wie er mit diesen Beschwerden und den dahinter stehenden Konflikten umgeht, wird sein Bild prägen und das interne Ansehen maßgeblich beeinflussen. Kontinuität und eine klare Linie sind das hohe Gut, das der Managing Partner erreichen kann. Scheut er den Konflikt mit seinen Partnern, wenn diese gegen Regeln verstoßen? Welche Sanktionen werden verhängt? Wie löst er zwischenmenschliche Konflikte? Wie geht die Kanzlei mit Wünschen nach Teilzeit oder Auszeit um? Welche Rolle spielen überhaupt private Belange?
In modernen Anwaltskanzleien spielen Work-Life-Balance-Aspekte eine zunehmend wichtige Rolle. Beide privaten Partner erwarten eine faire Verteilung auch der häuslichen Pflichten. Wer als Arbeitgeber flexible Lösungen, etwa unter Berücksichtigung von Home-Office-Tagen anbieten kann, wird im Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte gewinnen. Verlässlichkeit für den Nachwuchs zu schaffen und Zusagen einzuhalten, zählt zu den Trümpfen im Wettbewerb. Der Managing Partner muss hier manchmal auch gegen die kurzfristigen Interessen des Partners die Grundsätze der Partnerschaft bewahren.
Zu den schwierigsten Aufgaben zählt es, sich mit der Bewältigung der Alltagsprobleme, die immer eilig sind und in der Regel auch mit überschaubarem Zeitaufwand erledigt werden können, nicht so vereinnahmen zu lassen, dass die strategischen Aufgaben hinausgeschoben werden. Der Spagat ist deshalb so schwierig, weil der innere Zusammenhalt der Kanzlei auch von der schnellen Lösung dieser Probleme abhängt. Der Eindruck, dass sich der Managing Partner vom Alltag und seinen Problemen gelöst hat, ist rasch entstanden und nur schwer zu beseitigen.
12. Der Repräsentant und Akquisiteur
Der Managing Partner sollte der bestinformierte Partner der Sozietät sein. Er wird derjenige sein, der die Entwicklung der Sozietät nach außen präsentiert. Ein Medientraining wird sicherlich helfen, den Managing Partner im Umgang mit der Presse zu schulen, ihm insbesondere die Aufgaben der deutschen und englischen Fachpresse zu verdeutlichen. Deren Berichterstattung hat einen immensen Einfluss auf die Chancen der Kanzleien, zu Bewerbungsrunden (Pitches) eingeladen zu werden. Auch der Nachwuchs orientiert sich sehr an der Berichterstattung der Presse. Der Managing Partner muss auch akzeptieren, dass die Presse ihn nicht nur zu den Erfolgen befragt, sondern auch kritische Fragen zu der Entwicklung der Kanzlei in schwierigeren Zeiten stellt. Der Managing Partner sollte die Chancen eines offenen und gelegentlich offensiven Umgangs mit der Branchenpresse erkennen und nutzen.
Rainmaker als Managing Partner
Sein Titel verleiht dem Managing Partner eine herausgehobene Position innerhalb der Sozietät, die seine Partner gern für Marketingaktivitäten nutzen. Gäste der Kanzlei zu begrüßen, zählt zu den angenehmen Pflichten des Managing Partners. In den meisten Fällen wählen die Kanzleien einen ihrer Rainmaker zum Managing Partner, also einen jener Partner, der in besonderer Weise Mandanten gewinnen und binden kann. Aus Sicht der Sozietät liegt es nahe, diese Fähigkeit des Managing Partner weiter zu nutzen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil niemand einen besseren Überblick über die fachlichen Möglichkeiten der Kanzlei haben dürfte. Daher werden Managing Partner gern im Rahmen von Präsentationen bei Schlüsselmandanten eingesetzt. Die Aufgaben als Repräsentant der Kanzlei lassen sich meist unproblematisch mit den Chancen zur Akquisition neuer Mandanten und Mandate kombinieren.
Der Titel versetzt den Managing Partner in eine herausgehobene Position, die es leichter macht, ihn in Netzwerken einzusetzen, die für die Kanzlei extrem wichtig sein können. Besondere Bedeutung erlangen die Verbindungen zu den Organisationen, in denen Mitglied nur werden kann, wer „Chef“ seines Unternehmens ist.