Gastkommentar VW-Skandal – Peter Fissenewert: Wer so die Compliance-Regeln verdrängt, muss zurück treten

Management-Fehler als Ursache der  VW-Abgasaffäre: Für die Täter wird es bitter werden 

Gastkommentar von Peter Fissenewert, Anwalt und Compliance-Experte bei der Kanzlei HWW Hermann Wienberg Wilhelm

 

Mit dem Abgas-Skandal bei Volkswagen scheint Pandoras Büchse geöffnet worden zu sein. Neben der Strafzahlung von bis zu 18 Milliarden Dollar, einem eingestürzten Aktienkurs, Rückrufkosten und mögliche Regressansprüchen wird VW der Abgas-Skandal nachhaltig beeinflussen. Blickt man in die Reihen, sieht man vor allem eines: ratlose Gesichter, Unsicherheit gegenüber Konsequenzen im Management sowie eine Einigkeit darüber, dass das Management entschiedene Mitverantwortung im Abgas-Skandal trägt.

 

Viele Fragen bleiben derzeit offen, auch die Fragen nach den Konsequenzen.

 

Wie reagiert die Konzernspitze? Auch wer nichts weiß, muss Verantwortung tragen

 

Winterkorn will weitermachen. Dies hat er klar erklärt und er will sich zum Führer der Aufklärungsbewegung machen. Das ist aber falsch. Winterkorn muss zurücktreten. Die Konsequenzen hat er ohnehin zu tragen. Was ist hier denn passiert? Hier ist in einem Konzern massiv unter Verdrängung an sich guter Compliance-Vorschriften manipuliert und betrogen worden und dies im großen Stil. Mag Winterkorn auch von den Machenschaften nichts gewusst haben, muss er doch die Verantwortung dafür tragen.

Peter Fissenewert, Professor

Peter Fissenewert, Professor für Wirtschaftsrecht und Partner der Kanzlei HWW Hermann Wienberg Wilhelm

 

Auf die Managerhaftpflichtversicherung können Winterkorn & Co. nicht zählen 

Für die Täter wird es bitter und dies zu Recht. Sie können sich nicht auf ihre D&O-Versicherung, also ihre Managerversicherung, verlassen. Hier liegt vorsätzliches Handeln vor. Und keine Versicherung auf dieser Welt deckt vorsätzliches Handeln ab. Die Verantwortlichen werden nicht nur ihre Jobs verlieren, sie werden auch zu Schadensersatz herangezogen werden, der existentiell sein wird.

 

Winterkorns Nachfolger muss die Schäden beim heutigen Top-Management geltend machen

Die Nachfolger von Winterkorn sind verpflichtet, die Schäden bei denen geltend zu machen, die sie verantwortet haben, gegebenenfalls auch bei Martin Winterkorn.

 

Wir Deutschen sind betrogen worden

 

Aber wer ist noch alles betrogen werden? Die US-Behörden fordern, dass das amerikanische Volk die Wahrheit verdient hat. Stimmt. Aber nicht nur das amerikanische Volk, auch wir Deutschen sind betrogen worden, und zwar jeder Einzelne. Das fängt beim Aktionär an und hört beim Käufer, der im Vertrauen auf ein sparsames Auto – wenn es denn so etwas gibt – einen VW-Diesel gekauft hat, auf. Aber gab es nicht auch Steuererleichterungen für Dieselfahrer? Sind damit nicht alle Steuerzahler betrogen worden?

 

Der VW-Skandal als Argument für ein Unternehmensstrafrecht

VW hat der Diskussion um ein Unternehmensstrafrecht einen Bärendienst erwiesen. Das Unternehmensstrafrecht besagt, dass auch ein Unternehmen bestraft werden kann. Bislang war dies in Deutschland nicht möglich und viele haben sich dagegen gewehrt. Warum eigentlich nach diesem Skandal? Natürlich muss VW bestraft werden. Und warum sollen nur die Amerikaner VW bestrafen können?

 

Verbot zur Teilnahme an Ausschreibungen öffentlicher Aufträge 

Aber es werden nicht nur empfindliche Strafen folgen. Der amerikanische Protektionismus wird schon dafür sorgen, dass VW auf Dauer Schwierigkeiten haben wird im amerikanischen Markt. Wir kennen so etwas von Korruptionsregistern. Und damit dürften auch deutsche Behörden eigentlich keine Fahrzeuge von VW in Zukunft mehr fahren, weil VW sich an Ausschreibungen nicht wird beteiligen dürfen.

 

Wie kann so etwas passieren trotz guter Compliance?

Im Ergebnis hat VW auch der Diskussion um Compliance einen Bärendienst erwiesen. Und auch hier muss man noch einmal ansetzen. Compliance wird nie Straftaten völlig verhindern können. In jeder noch so guten Stadt mit einer noch so gut ausgestatteten Polizeibehörde kommt es eben immer wieder zu Vergehen. Aber dass ein derart großes Verbrechen trotz guter Compliance möglich ist, lässt eben auch noch Fragen offen.

 

Gerade bei den börsennotierten AG´s  bleibt Unternehmenskultur auf der Strecke

Hier muss man die komplette Compliance-Struktur noch einmal hinterfragen. Und es sind ja leider oft genug die börsennotierten Aktiengesellschaften, die zwar Vorreiter von Compliance sind, wo aber die Unternehmenskultur leider etwas auf der Strecke bleibt. Nur eine gut gelebte Unternehmenskultur wird dazu führen, dass Mitarbeiter ihre Marke, ihr Unternehmen schützen. Und auch da gibt es einige gute unter den börsennotierten Aktiengesellschaften.

 

Peter Fissenewert ist Partner der Kanzlei HWW Hermann Wienberg Wilhelm und Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule SRH in Berlin. Seine Schwerpunkte sind das Gesellschaftsrecht, Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz sowie Compliance-Beratung und Managerhaftung. http://www.hww.eu/de/rechtsanwaelte/team/prof-dr-peter-fissenewert

 

 

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