Serie Krisen-PR (2) : Alleskönner – die Selbstüberschätzung der Top-Manager

Serie Krisen-PR (II)

Die Selbstüberschätzung der Top-Manager – Vier Chef-Typen in der Krise. Gastautor Jörg Forthmann, Chef der Kommunikationsagentur Faktenkontor und Blogger unter Mediengau  http://www.faktenkontor.de/mediengau/   über Alleskönner in der Chefetage, die aus Selbstüberschätzung ihren Job riskieren.

 

Jörg Forthmann, Chef der Kommunikationsagentur Faktenkontor

Jörg Forthmann, Chef der Kommunikationsagentur Faktenkontor

 

Man stelle sich vor, eine Reihe hochkarätiger Top-Manager sitzt abends in einem urigen Weinlokal. Weinselig lässt die Runde die jüngsten Fauxpas aus deutschen Vorstandsetagen Revue passieren:

Burger King? Hat erst nach mehreren Tagen Konsequenzen aus den Ekelvorwürfen im Fernsehen Konsequenzen gezogen, doch da war die Krise bereits voll ausgebrochen. Eklatante Umsatzverluste inklusive.

Lufthansa? Änderte ihre Flugroute über die Ukraine erst, nachdem Journalisten berichteten, wer neben Malaysia Airlines noch über das Bürgerkriegsgebiet fliegt.

Oder gar der ADAC? Musterbeispiel für völlig verfehlte Krisenkommunikation. Denn statt Einsicht zu zeigen, wurden sogar noch die Journalisten beschimpft.

Unsere Top-Manager klopfen sich angesichts derartiger Inkompetenz in der Krise freudig auf die Schenkel, stoßen mit ihren Gläsern an und stellen selbstbewusst die Frage in den Raum: „Wie kann das nur einem Vorstand passieren?! Das weiß man doch vorher, dass das schief geht!“

Ja, dass dieses Vorgehen nicht gut geht, hätte man auch schon vorher sagen können. Aber: nein, das ist keine Ausnahme. Es ist die Regel.

 

Die zwei Brandbeschleuniger in der Image-Krise: Fehlreaktion und Wegducken

Die meisten Unternehmenskrisen laufen nach ähnlichem Muster schief und dabei gibt es zwei gefährliche Brandbeschleuniger:

1.    Die erste Reaktion des Unternehmens ist falsch und sie befeuert die kritische Berichterstattung, anstatt sie zu bremsen. Siehe Burger King.

2.    Der Vorstand. Entweder er ist uneinsichtig und beschließt, sich so lange wegzuducken bis das Unheil vorüber ist. Doch die Krise baut sich weiter auf und wird unbeherrschbar. Oder der Vorstand schlägt vor Wut und Empörung um sich und versteigt sich zu Aussagen, die die Krise unnötig verschärfen. Siehe ADAC.

 

Selbstüberschätzung und Emotionen

Beides hängt oft genug miteinander zusammen: Der Vorstand ist beratungsresistent und beschließt, – leider falsch – auf die Krise zu reagieren. Die Ursachen für dieses Verhalten sind allzu menschlich: Selbstüberschätzung und emotionale Erregung. Das ist eine ganz große Sauerei!“, ist oft zu hören. „Ich sage Ihnen, was wir jetzt machen!“ Die Reaktion auf die Krise ist von Impulsivität geleitet.

Dabei: Gerade vor der ersten Reaktion auf kritische Medienberichterstattung sollten Top-Manager die Situation erst einmal kühl analysieren:

– Was ist die Erwartung der Konsumenten, der Öffentlichkeit an das Unternehmen?

– Sollte man das Risiko eingehen, diese Erwartungshaltung zu enttäuschen?

– Gibt es Verbündete, die dem Unternehmen beistehen?

– Ist das Ganze erst der Anfang der Krise, oder sind weitere Enthüllungen oder Attacken  zu erwarten?

 

Im Management sitzen die Weichensteller

Manager sind in der Krise Generäle, die früh festlegen, wie das Unternehmen in eine Schlacht zieht. Sie sind es, die die Weichen stellen.

Wer sich unüberlegt in eine Auseinandersetzung begibt, verliert. Der chinesische General Sun Tsu hat seine Erfolgsregeln für die Kriegsführung in der Abhandlung „Die Kunst des Krieges“ zusammengefasst. Darin steht:

„Wenn Du den Feind und Dich selbst kennst, brauchst Du den Ausgang von 100 Schlachten nicht zu fürchten. Wenn Du Dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst Du für jeden Sieg, den Du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn Du weder den Feind noch Dich selbst kennst, wirst Du in jeder Schlacht erliegen.“

 

Die eherne Reihenfolge: Research, Analyse, danach Vorgehen und Botschaften

Krisenkommunikation beginnt mit Research und Lage-Analyse. Erst dann kommen Vorgehen und Botschaften.

Dumm nur, dass die Realität sieht den allermeisten Fällen anders aus. Die durchaus vorhandenen Möglichkeiten, Informationen über die aktuelle Lage zu verschaffen, werden nicht ausgeschöpft. Die üble – aber vermeidbare – Folge: Die Analyse der Lage ist löchrig und kaum brauchbar. Denkbare Szenarien, wie sich die Krise entwickeln könnte, werden nicht mitgedacht.

Und dann passiert es, dass das Unternehmen in der öffentlichen Diskussion eine Position bezieht, die nicht haltbar ist – und klugerweise nie hätte bezogen werden dürfen.

Ein Beispiel: In einer Klinik erkranken Patienten wegen Legionellen. Der Klinikchef beschließt, das Thema runterzukochen. Den Patienten ginge es schon besser. Legionellen hätten erstmalig Probleme verursacht. Und die Klinik würde unverzüglich das Thema aufarbeiten.

 

… wenn nur nach und nach die Wahrheit herauskommt

Doch kurze Zeit später wird bekannt, dass der Klinikleitung die kritische Legionellenkonzentration in den Wasserleitungen schon vor Monaten bekannt war, aber Investitionen für die Sanierung nicht freigegeben wurden – die Krise verschärft sich. Ein Mitarbeiter berichtet, dass die Chefetage jüngst mit neuen, teuren Möbeln ausgestattet wurde, statt das Geld für die Sanierung des Leitungsnetzes auszugeben – große Empörung in der Öffentlichkeit. Patienten reichen Klage ein, die Staatsanwaltschaft ermittelt – der Klinikchef muss gehen.

 

Krisen und vorhersehbare Eskalationsstufen

Diese Eskalation der Krise wäre vorhersehbar gewesen. Und man hätte sie abwenden können, indem die Klinik frühzeitig offengelegt hätte, dass sie seit Monaten gegen das Legionellenproblem – in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsamt – ankämpft. Und dass kurzfristig ein detaillierter Maßnahmenkatalog umgesetzt wird, um weitere Erkrankungen durch Legionellen auszuschließen.

 

Dabei sind Vorstände in der Theorie durchaus einsichtig:

– 81 Prozent halten die Reputation für den wichtigsten Wert des Unternehmens, ergab eine internationale Umfrage des Versicherers ACE unter 650 Führungskräften.

– Für 92 Prozent der Manager ist das Reputationsrisiko das am schwersten zu händelnde Risiko.

Nur 25 Prozent der Führungskräfte ist zufrieden, wie potenzielle Krisenherde in den Zielgruppen beobachtet werden. Doch schon diese Studie zeigt, dass die Schlussfolgerungen auf diese Erkenntnisse fehlen. Weder Budget noch Personal für die Krisenkommunikation werden aufgestockt. Wenn die Krise kommt, wird sie hemdsärmelig gelöst – und im Zweifel unter tatkräftiger Beteiligung des Vorstands.

 

Wenige Tage später folgt das böse Erwachen. Die Krise ist eskaliert. Der Chef hat den Karren tief in den Dreck gezogen, und die Lage ist hoffnungslos. Dann erst kommen die Entscheider regelmässig darauf, Krisen-PR-Berater dazu zu rufen – viel zu spät.

 

Die ACE-Studie: http://www.acegroup.com/de-de/news-room/ace-studie-reputationsrisiko-am-schwierigsten-zu-managen.aspx

 

 

 

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