Wie kann es sein? Da sitzt man auf den hohen Hockern im kleinen Pezzo auf der Hohe Straße in Düsseldorf, dem Ableger vom Casa Luigi weniger Meter weiter, beim Fläschchen Mineralwasser in der Mittagspause und tauscht sich unversehens über seine Lieblings-Cremants aus. Mit Andre´ Szesny, Wirtschaftsstraftrechtler bei Heuking Kühn Lüer Wojtek passiert das so. Seiner ist der Arthur Metz aus dem Elsass – kann ich nachvollziehen. Oder dass wir eigentlich Freunde unserer Blackberrys sind, aber fürchten, dass wir irgendwann bald doch überlaufen müssen, ob wir wollen oder nicht. Und vollends auf Touch umsteigen müssen, wo man mit der kleinen Tastatur doch so viel besser arbeiten kann.
Denn obwohl Szesny kein gebürtiger Rheinländer ist – er kommt aus dem Hannoveranischen, aus Schaumburg-Lippe – sprudelt das Gespräch sofort und ohne Unterlass. Peinliche Gesprächspausen? Nicht mit Szesny. Er kommt gerade noch dazu, mit der Kellnerin kurz seine Bestellung zu diskutieren und dann Ravioli mit Steinpilz-Füllung zu ordern.
Anders, als es ihm bei seinen Mandaten oft ergeht. Managern, Politiker und sonstigen Wirtschaftsgrößen. 50 Prozent der Zeit mit denen verbringt er mit Zuhören, Trösten und Gut-Zureden. Denn die sind regelmäßig in einer absoluten Ausnahmesituation, wenn ihnen die Staatsanwaltschaft auf den Fersen ist. Einer, der nach Bayern in die U-Haft – weit weg von seiner Familie in Norddeutschland – gebracht wurde, schrieb ihm von dort aus laufend 30- bis 40-seitige Briefe. Ein Banker einer renommierten Privatbank, bei dessen Vergehen lange unklar war, ob es wirklich rechtlich als strafbar einzuordnen war. Mit zwei Jahren auf Bewährung kam der Mann glimpflich davon. Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre Gefängnis gefordert.
Feuer frei auf Manager
„Man kann heute nicht mehr in der Wirtschaft arbeiten, ohne nicht mindestens einmal im Leben einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren ausgesetzt zu sein“, sagt Szesny. Denn früher war die Devise der Staatsanwälte, „Finger weg von der Wirtschaft“. Das hat sich grundlegend geändert. Spätestens seit den legendären Korruptions-Prozessen mit Siemens oder Ferrostaal sind alle Manager landauf landab alarmiert. Beim Ferrostaal-Verfahren war Heuking-Partner Szesny auch als Berater des Aufsichtsrats mit von der Partie.

Ravioli mit Steinpilz-Füllung im Pezzo in Düsseldorf
Unter seinen Mandanten gibt´s zum einen die ganz Selbstsicheren, die nach dem Motto reagieren, „der Staatsanwalt soll nur mal kommen“. Die anderen sind bestürzt, dass etwas strafbar ist, können es aber nicht nachvollziehen. Und wenn es denn schon so ist, wissen sie nicht, wie sie es künftig anders machen können. Zur dritten Kategorie gehören diejenigen, die unschuldig sind und sich mit Unterstellungen konfrontiert sehen. So mal ganz grob.
Uralte oder gelöschte E-Mails als interessante Quelle
Ganz baff sind sie dann, wenn Sie erkennen, welch ungeahnte Möglichkeiten die Staatsanwälte dank der heutigen Technik haben. Gnadenlos gehen sie ans Werk und stellen alte oder gelöschte E-Mails wieder her. „Die gehören heute zu den wichtigsten Quellen“, so Szesny. Vor allem: „Die Menschen schreiben E-Mails so wie sie sprechen.“ Ratzfatz und in viel, viel höherem Tempo als sie früher einen Geschäftsbrief der Sekretärin diktiert, sorgsam gegengelesen und korrigiert hätten.
In dem Moment versteht diese E-Mail auch jeder richtig, auch der Empfänger. Liest man dieselbe E-Mail aber Jahre später isoliert, kann sie fatale Wirkung entfachen. Sie kann in einen anderen Zusammenhang gebracht werden und der Kriminalkomissar sagt „Jetzt haben wir ihn“, schildert Anwalt Szesny.
Sein Rat geht so: „Man soll nie eine E-Mail schreiben, die man so nicht am nächsten Tag in der Zeitung lesen will.“ Rein hypothetisch.
Wenn die D&O-Versicherung nicht zahlen will
Viele seiner Manager-Mandanten haben nie daran gedacht, eine Strafrechtsschutzversicherung abzuschließen – und bereuen es später, wenn´s zum Schwur kommt. Wenn ihre Firma sie verfolgt, so wie es rund 20 000 Managern in Deutschland derzeit ergeht. Kostenpunkt: Plus minus 3000 Euro im Jahr – aber eben aus der Privatschatulle. Sie vertrauen auf die D&O-Versicherung ihrer Firma und sind erstaunt, wenn diese sich als allererstes weigert, die Kosten für seine Strafverteidigung zu übernehmen. Oder allenfalls die Hälfte. Selbst ganz große, internationale Versicherer reagieren auf jede Deckungsanfrage direkt mit dem Schreiben von einen Anwalt – der „erst einmal rundheraus `nein´ sagt“.
Zum Wirtschaftsstrafrecht kam Szesny übrigens an seiner Universität in Osnabrück. Einer seiner Lehrmeister, Professor Hans Achenbach, infizierte ihn, den Hobby-Trompeter, der früher gerne Jazz mit seiner Band spielte. Damals, als er mit einem Erasmus-Stipendium auch in Leiden in den Niederlanden studierte und sich den Kopf zerbrach über kollidierende europäische Rechtsvorschriften. Damals wohnte er in einer WG in einem alten großen Haus an derselben großen Gracht, an der gleich gegenüber traditionell auch die Kinder aus dem niederländischen Königshaus wohnen, wenn sie ihre akademischen Weihen erarbeiten. Aber Willem-Alexander, Prins Pilsje, oder Maxima, die zwei hat er nie zu Gesicht bekommen in der Zeit. Schade eigentlich.
Hans Achenbach, Strafrechtsprofessor in Osnabrück: http://www.achenbach.jura.uni-osnabrueck.de/
Andre´Szesny bei Heuking Kühn Lüer Wojtek: http://www.heuking.de/anwaelte/profil/szesny-llm.html