Behave im Flieger: Wer hat Vorfahrt? Der Liegende oder der Bedrängte?

Wie die Sardinen in der Dose kommen sich Otto-Normalo-Fluggäste oft vor. Nicht genug, dass es nur eine Seitenlehne für zwei Unterarme gibt. Nein, die Bedrohung rückt körperlich sogar richtig nah: Indem der Vordermann seine Rückenlehne herunterschraubt und dem Fluggast hinter sich ziemlich nah auf die Pelle rückt.

http://www.handelsblatt.com/karriere/nachrichten/business-behaviour-der-kampf-um-die-armlehne/2438640.html

 

Ein Gerät, dass Sitze in der Senkrechten hält: Knee Defender für 21,95 US-Dollar

Weil die unangenehme Situation bekannt ist, kreierte die US-Industrie flugs eine Gegenwehr: Einen Knee Defender für 21,95 US-Dollar. Ein kleines Gerät, das man an den Scharnieren des Vordersitzes befestigt und das mittels zwei Klammern verhindert, dass der Vordermann sich selbst die bequeme Rückenlage gönnt – auf Kosten des Menschen hinter ihm, der so bedrängt wird.

 

Handgreiflichkeiten wegen der Rückenlehne

In einer Maschine der United Airlines – die übrigens den Einsatz der Knee Defender an Bord verboten hat – eskalierte vor kurzem solch eine Situation. Der Mann auf dem hinteren Sitz hatte diesen Defender dennoch angebracht und die Frau vor ihm wollte sich durchsetzen. Mit wütenden Bemerkungen war es irgendwann nicht mehr getan, dem Flugpersonal gelang auch keine Streitschlichtung, die Frau kippte ihrem Hintermann ihr Wasserglas über den Kopf. Die Folge: Das Flugzeug machte eine Zwischenlandung und die Crew ließ die beiden Streithähne festnehmen. http://bigstory.ap.org/article/cops-called-after-fliers-fight-over-seat-recline

Das Flugzeug landete erst mit 98 Minuten Verspätung in Denver.

 

Wessen Belange gehen vor?

Doch ungelöst ist die Frage, wie sollte es sein? Ganz abgesehen davon, dass Knee Defender hierzulande unbekannt sind – bisher – und vermutlich auch keine verbindliche Bord-Regel besteht, wer sozusagen die Vorfahrt hat. Der Mensch mit dem Bedürfnis nach Lang-Machen in Liegestellung oder der Beengte hinter ihm, der – mit dem Stuhl unmittelbar über seinem Bauch – meist nicht mal mehr aus seinem Sitz herauskommt. Oder nicht so schnell, wie man´s gerne hätte im Notfall.

Gabriele Schlegel, Expertin für Business Behave aus Bonn, ist anderer Meinung als es Verfasser der Bord-Vorschrift der United Airlines sind: „Ich kann mit einem Auto 200 Stundenkilometer schnell fahren, die technische Möglichkeit gibt´s, sicher. Aber wenn die Autobahn voll ist, geht´s eben nicht.“

Gabriele Schlegel, Business-Behaviour-Expertin

Gabriele Schlegel, Business-Behaviour-Expertin

Man habe „soziale Verantwortung für die aktuelle Situation, in der man mit seiner Gesellschaft lebt, so wie ein soziales Kapital“, führt die Benimm-Expertin aus. Jeder kultivierte Mensch hat die Verpflichtung, sich so zu benehmen, dass sich auch andere mit ihm wohl fühlen. Nicht auf Kuscheln, aber angemessen darf´s schon sein – und zumindest braucht man sich nicht bedrängen lassen. Beim Herunterschrauben der Rückenlehne aber nehme man im engen Flugzeug dem Hintermann Raum weg.

 

Egozentriker, die nichts wahrnehmen

Dass es so kommt „ist eine Folge der Egozentrik, der Nicht-Wahrnehmung einer sozialen Verpflichtung“. Kurz: Man ist verpflichtet, nachzugucken, wer hinter einem sitzt und muss um Erlaubnis fragen, ob man runterkurbeln darf. Und wenn der nicht will, geht´s eben nicht und basta. Ende der Diskussion.

„Da kann schließlich eine Schwangere sitzen, ein Asthmatiker oder jemand mit Platzangst – Klaustrophobie“, meint Gabriele Schlegel. Und denen macht man dann  richtig Angst, wenn man es sich selbst ohne Rücksicht auf Verluste kurzerhand gemütlich macht.

 

 

United Airlines und der Knee Defender: http://bigstory.ap.org/article/cops-called-after-fliers-fight-over-seat-recline

Der Kampf um die Armlehne im Flugzeug: Gabriele Schlegel mit Claudia Tödtmann im Handelsblatt in der Kolumne „Business Behave“:  http://www.handelsblatt.com/karriere/nachrichten/business-behaviour-der-kampf-um-die-armlehne/2438640.html

"Wie kommen Sie mir denn", Gabriele Schlegel mit Claudia Tödtmann, Linde Verlag

„Wie kommen Sie mir denn“, Gabriele Schlegel mit Claudia Tödtmann, Linde Verlag

 

Business Behaviour: Gabriele Schlegel mit Claudia Tödtmann

Business Behaviour – Souverän auftreten im Job: Gabriele Schlegel mit Claudia Tödtmann

 

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