Die letzten Tage der Privilegierung der Unternehmenserben brechen an – Gastbeitrag aus dem Gerichtssaal

Die Uhr tickt: die letzten Tage des Erbschaftsteuergesetzes mit seiner Privilegierung der Unternehmenserben sind angebrochen

Christopher Riedel, Anwalt und Steuerexperte aus Düsseldorf, sass fast sechs Stunden im Bundesverfasungsgericht in Karlsruhe und beobachtete die Szenerie.

Christopher Riedel, Erbschaftssteuerexperte und Anwalt

Christopher Riedel, Erbschaftsteuerexperte und Anwalt

Beinahe sechs Stunden gaben die Verfassungsrichter der Bundesregierung, verschiedenen Experten und Verbänden Gelegenheit, sich zur Erforderlichkeit der bisherigen Privilegierungen für unternehmerisches Vermögen zu äußern. Neben dem Kläger des Ausgangsverfahrens und der Bundesregierung waren die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen vertreten, ebenso verschiedene Landesregierungen, Industrie-, Berufs- und sonstige Interessenverbände. Alles in allem laut Präsenzliste rund 60 Personen.

Doch alle Argumente, so scheint´s, werden das Bundesverfassungsgericht nicht davon überzeugen, dass die heutigen Privilegierungen für Unternehmensvermögen – manchmal völlige Steuerbefreiung – mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Verlässliche Zahlen fehlen

Großes Gewicht legte der Senat auf die Ermittlung der „Tatsächlichen Grundlagen“, also der Bedeutung der Erbschaftsteuer für die Unternehmensnachfolge aus der Sicht der Wirtschaft. Klar wurde dabei: Es gibt keine exakten empirischen Daten zur möglichen Existenzgefährdung vererbter oder verschenkter Unternehmen durch eine Erbschaftsteuerbelastung.

Umfragen belegen jedoch: Eine drastische Reduzierung der momentanen Vergünstigungen dürfte die Eigenkapitalbasis und die Investitionsbereitschaft oder –fähigkeit in eigentümergeführten Unternehmen beeinträchtigen.

Selbst die Pauschale würde doppelt so teuer

Angesprochen wurden in diesem Zusammenhang auch Simulationen, wie sich eine Flat-Tax auswirken könnte. Dabei wurde deutlich, dass eine pauschale Besteuerung ohne besondere Begünstigungen für unternehmerisches Vermögen – je nach konkreter Ausgestaltung – eine Vervielfachung der Steuerbelastung für Familienunternehmen zur Folge hätte. Denn aktuell beträgt die Steuerbelastung für Produktivvermögen nur 4,5 Prozent. Selbst ein pauschaler Steuersatz von 10 Prozent wäre also mehr als eine Verdoppelung.

Sehr dezidiert fragten die Richter, was der Gesetzgeber mit den Paragrafen 13 a und b Erbschaftsteuergesetz eigentlich begünstigen wollte. Dies konnten sie aber nicht erschöpfend klären. Vielmehr blieb es bei der allgemeinen Aussage, man wolle die Struktur der deutschen Wirtschaft mit ihren mittelständisch beziehungsweise eigentümergeführten Unternehmen erhalten. Denn immerhin sind 96 Prozent der Unternehmen eigentümergeführt.

Die Arbeitsplätzenicht zu gefährden, liegt im gesellschaftlichen Interesse

Diese Unternehmen stellten aber den wesentlichen Teil der Arbeitsplätze, so dass an ihrer Erhaltung  wirtschaftspolitisches wie gesellschaftliches Interesse bestehe. Außerdem befinde sich der Gesetzgeber bei der Regelung von steuerlichen Vergünstigungen stets in dem Dilemma, dass sehr exakt gefasste Tatbestände zu entsprechenden Steuergestaltungen einlüden – was im Ergebnis auch nicht gewollt sein könne.

Dies schien dem Gericht als Zieldefinition nicht zu genügen. Insoweit scheint das Gericht an der verfassungsrechtlich zu fordernden Zielgenauigkeit der bestehenden Regelungen starke Zweifel zu haben. Auch die angestrebte Prüfung der Vereinbarkeit der Begünstigungsregeln mit Artikel 3 Grundgesetz – Gleicheitsgrundsatz – , anhand der Fragen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelungen setzt voraus, dass zuerst das Regelungsziel des Gesetzes feststeht. Bereits hier scheinen die Richter Probleme zu sehen.

Im Herbst soll das Urteil kommen

Ein Urteil stellte das Gericht für den Herbst in Aussicht. Es ist damit zu rechnen, dass es über Vorlage des Bundesfinanzhofs – trotz berechtigter und von der Bundesregierung herausgestellter Zweifel an ihrer Zulässigkeit – in der Sache entscheiden wird.

Man muss kein Prophet sein, um damit zu rechnen, dass das Gesetz zu Fall gebracht wird. Fraglich ist aber: in welchem Umfang und vor allem ab welchem Zeitpunkt.

Früher hat das Bundesverfassungsgericht in ähnlichen Fällen zwar stets Verstösse gegen das Grundgesetz festgestellt, aber angeordnet, dass das Gesetz gilt – bis zu einer Neuregelung.

Hohe Rückzahlungen

Es kann aber auch passieren, dass das Gericht das Gesetz mit Rückwirkung auf den 1.1.2009 aufhebt. Dann wäre die Erbschaft- und Schenkungsteuer in den vergangenen Jahren ohne gesetzliche Grundlage erhoben worden. In allen Fällen, die noch nicht bestandskräftig sind, müsste der Fiskus diese Steuern daher zurückzahlen.

Seit dem 14.11.2012 ergehen ohnehin alle Steuerbescheide vorläufig – für den Fall eines solchen Verfassungsgerichtsurteils. Bei einem Brutto-Aufkommen von jährlich  4,5 Milliarden Euro würde dies für die Länder-Haushalte eine Belastung mit wenigstens zehn Milliarden Euro bedeuten.

Deutlich höhere Steuern drohen

Unternehmer sollten sich darauf einstellen, dass in einem neuen Gesetz  keine Steuerprivilegien mehr stehen – und dass sie sich künftig auf eine deutlich höhere Steuerlast im Erb- oder Schenkungsfall einstellen müssen.

 

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