Der Fall Kirch: Das seltsame Verhalten der Hengelers und ihrem Mandanten Deutsche Bank

“Wir waren zwölf Jahre lang Seite an Seite für die Deutsche Bank im Kirch-Mandat tätig. Wir wollen und können uns zu Gerüchten in dem Mandat nicht äußern.”

Diesen mageren Satz teilt die Top-Kanzlei Hengeler – manche nennen das kleine Trio Hengeler, Freshfields und Linklaters auch die Premium-Kanzleien – heute dazu der Fachredaktion „Juve“ mit, dass ihnen die Staatsanwälte auf den Fersen sind. Immerhin als mögliche Mittäter eines versuchten Prozessbetrugs. Und dass ihr eigener Mandant sich gegen sie stellt – zumindest offiziell. http://www.juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/2014/04/beraterhaftung-deutsche-bank-pruft-offenbar-regress-gegen-hengeler

So, als passiere das täglich irgendwo. Tut es aber nicht.

Anwälte als Mittäter beim versuchten Prozessbetrug – das klingt gerade für Nicht-Anwälte – wie starker Tobak.

 

Kollegen reden hinter vorgehaltener Hand

Die Anwaltschaft reagiert – hinter vorgehaltener Hand und ganz ganz leise – im wesentlichen so: Die einen sind erschüttert, dass dieser alteingesessenen Traditionskanzlei mit ihrem guten Image so etwas passieren kann.

Die anderen überlegen schon, welche Leichen sie selbst so im Keller haben. Und ob die Staatsanwälte bald auch an ihre Kanzlei-Tür klopfen. Laut, sagt keiner etwas, alle sind irgendwie erstarrt und gucken wie das Kaninchen auf die Schlange.

Ach, und dann noch die laut angestellten Regress-Überlegungen aus dem Lager der Deutschen Bank. Dass sie prüfe, Schadenersatzforderungen gegen Hengeler zu stellen. Vielleicht müssen die Frankfurter aus aktienrechtlichen Gründen das tun. Nicht nett jedenfalls gegenüber Vertragspartnern, die einem über so viele Jahre lang treue Dienste geleistet haben. So lange und so treu, dass Staatsanwälte an deren Mittäterschaft glauben. Oder für möglich halten.

 

Und welche PR-Strategie hat Hengeler? Die Auster-Geben reicht nicht

Es aber öffentlich zu verkünden, ist sicher wohlüberlegte PR-Strategie der Deutschen Bank.

Und das ist das Stichwort: Welche PR-Strategie verfolgt Hengeler eigentlich gerade? Verfolgt sie eine? Eine eigene, frühzeitige Presseerklärung ist leider ausgeblieben.

Hengeler fällt damit nur zurück in – man dachte überwundenes – Anwälte-Gehabe, uncharmant und nicht um die öffentliche Meinung buhlend. Statt endlich auf Krisen-PR umzuschalten – ehe sie nicht mehr gar nicht mehr selbst schalten kann.

 

Wulff machte den zweiten Schritt zuerst: Juristen vor PR-Strategen

An was man sich spontan erinnert fühlt? An damals, als Christian Wulff es verpennte, PR-Profis einzuspannen und stattdessen den Schauplatz allein seinen Anwälten überließ, ausgerechnet Anwälten. Und damit in den Augen der Öffentlichkeit erst irgendwie konkludent seine Schuld einräumte – warum sonst Anwälte? Statt PR-Profis?

Statt jemanden vorzuschicken, der erklärt, grade rückt, eine Charme-Offensive startet. Als die Kanzlei sich dann noch unhöflich und wenig galant verhielt, irgendwie die Presse vorführte – was auch nicht gerade PR-erprobt rüberkam – war die Sache schon irgendwie gelaufen.

 

Auch der ADAC schwieg zu lange

Oder der ADAC, der erst mal aggressiv auf die „Süddeutschen Zeitung“ als Enthüller reagierte und dann auf viel zu lange Tauchstation ging, statt endlich auf Krisen-PR-Modus zu gehen – und viel zu spät erst auf Vertrauensaufbau setzte.

Oder endlich mal Transparenz zu schaffen und offen zu legen, was tatsächlich gelaufen war. Warum um Himmels willen diese Rankings wirklich gefälscht wurden? Und welche? Und von wem tatsächlich? Die wahren Motive und wer alles beteiligt war, hätte – früh genug offenbart – den Imageschaden verringert.

Aussitzen ist als PR-Strategie meist die schlechteste Optionen.

Und wer wie Hengeler in den Renommee-Rankings seit eh und je ganz ganz oben steht, der hat eine Menge zu verlieren. Da sollte man vielleicht doch mal überlegen, in erfahrene Krisen-PR-Strategen investieren. Oder wenigstens andere PR-Maßnahmen: Beförderungen zu Partnern verkünden, Frauenfördermaßnahmen erklären, Positivnachrichten über gerettete Arbeitsplätze verkünden, was auch immer. Jedenfalls viel davon. Flächendeckend – und nicht als Pressemitteilung Freitagsnachmittags um 17 Uhr.

http://www.juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/2014/04/beraterhaftung-deutsche-bank-pruft-offenbar-regress-gegen-hengeler

 

PS: Es gibt ein Musterbeispiel für gelungene, frühzeitige PR – und zwar als Peer Steinbrück in fast nur einem Tag die Pressevorwürfe möglicher Schwarzarbeit vom Tisch bekam. Ein Meisterstück der PR.

…mit der denkwürdigen Erklärung, den Steinbrücks als Doppelverdiener-Ehepaar hätte eine Verstorbene – die man nun leider gar nicht mehr dazu befragen kann – Schwarzarbeits-Stunden geschenkt.

http://www.tagesspiegel.de/meinung/peer-steinbrueck-und-die-glaubwuerdigkeit-was-ist-nun-mit-der-putzfrau/8764332.html

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Alle Kommentare [2]

  1. Zur Erinnerung:

    In einer Kabinettsorder vom 15. Dezember 1726 verfügte König Friedrich Wilhelm I. in Preußen jedoch mit der ihm eigenen Ironie die Einführung einer einheitlichen Juristentracht in den Gerichten seines Territoriums:

    „Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man diese Spitzbuben schon von weitem erkennen und sich vor ihnen hüten kann.“

  2. Es gibt einen Mittelweg zwischen Verschwiegenheit und vollkommener Offenheit. Reputationsrisiken entstehen durch enttäuschte Erwartungshaltungen des Publikums; bei der Causa Hengeler Müller-Deutsche Bank erwartet das Publikum, dass sich gerade eine Rechtsanwaltskanzlei um Rechtschaffenheit bemüht. Nun ist bekannt geworden, dass Hengeler Müller Besuch von der Staatsanwaltschaft hatte. Also kann man das durchaus in einem Statement schon mal erwähnen. Dann noch die Zusicherung, dass Hengeler Müller die Arbeit der Staatsanwaltschaft nach Kräften unterstützt. Aus Gründen des Mandatsgeheimnisses könne Hengeler Müller vorerst nicht mehr sagen.
    Ist wenig, aber mehr als Nichts. Es ist aber allemal besser als von „Gerüchten“ zu sprechen. Das ist ein Versuch, die Anfrage des Journalisten in den Bereich der Spekulation abzuschieben – was schief gehen muss.