„Wer nicht mitredet, über den wird alleine geredet“ – ein Appell von Thomas Klindt

Thomas Klindt, Partner und Produkthaftungsexperte bei Noerr

Thomas Klindt, Partner und Produkthaftungsexperte bei Noerr

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Der Fall Gurlitt – Der Wachstumsmarkt Litigation-PR
 
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Die Herausforderung wird immer größer: In komplexen rechtlichen Gemengelagen den eigenen Standpunkt seriös, umfassend und auch ein wenig smart zu kommunizieren.
In jüngster Zeit zeigt der Fall des Kunstsammlers Gurlitt erneut, warum Litigation-PR (Wikipedia: „Öffentlichkeitsarbeit im Rechtsstreit“, auch strategische Rechtskommunikation oder prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit ) längst einer  – vermeintlichen –  Schmuddelecke entwachsen ist und zu einem sinnvollen, oft notwendigen Begleiter von rechtlichen Auseinandersetzungen geworden ist.
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Gurlitt als Vorbild
Wie die Homepage www.gurlitt.info zeigt, müssen Betroffene heute oft mit professioneller Hilfe an die Öffentlichkeit gehen, um – erstmals – ein vollständiges Bild der eigenen Rechtsposition zu zeigen. Im Fall Gurlitt etwa spielen schon in sich anspruchsvolle Fragen des Völkerrechts, des Restitutions- und des Eigentumsrechts in einer zudem komplexen Verknotung eine Rolle. Verlässt sich ein Betroffener – und juristischer Laie – allein darauf, dass nur aus den rudimentären Informationen von Staatsanwaltschaften, Ministerien, NGO’s (nichtstaatliche Organisationen) oder anderen Interessengruppen ein wirklich umfassendes Bild der Sach- und Rechtslage entsteht, riskiert er viel.
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Gefragt ist transparente Kommunikation
Dagegen selbst den Weg in die Öffentlichkeit zu suchen und anhand von Informationen aufzudecken, worum es gehen mag, hat also nichts mehr mit Klischees wie einer subkutanen Beeinflussung der Justiz oder anderen Vorwürfen zu tun, die oft – übrigens just von der Justiz – gegenüber Litigation-PR erhoben werden. Gefragt ist vielmehr eine transparente Kommunikation des eigenen Standpunkts, der ansonsten droht, unter die Räder zu geraten.
Litigation-PR kann damit auch für die Medien, für Journalisten und die Fachöffentlichkeit eine neue Basis bieten, einen 360°-Blick auf ein Thema zu ermöglichen, das ansonsten nur fragmentiert dargestellt wird.
Immer dann, wenn auch der eigene Standpunkt sichtbar werden soll
Litigation-PR ist längst in vielen anderen Bereichen im Einsatz. Denn das Interesse an einer Kommunikation der eigenen rechtlichen Ausgangssituation ist legitim und besteht letztlich überall da, wo sich die Rechtslage nicht von selbst kommuniziert. Dies kann bei komplizierten Produktrückrufen, bei Standort-Schließungen, bei aufsehenerregenden Prozessen, bei staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungen, bei kartellrechtlichen Ermittlungen, bei Korruptionsvorwürfen, bei Verstößen gegen sensible Embargo-Vorschriften, bei Patentverletzungsklagen oder beliebig vielen anderen Beispielen der Fall sein: Immer geht es darum, Meinungsbildung auch zum eigenen Standpunkt zu ermöglichen.
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Nicht kommunizieren, ist keine Option mehr
 
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Wir alle wissen, dass es kommunikationssoziologisch unmöglich ist, nicht zu kommunizieren. Nicht an einer bereits laufenden Kommunikation teilzunehmen, ist damit keine Option mehr. Wer nicht mitredet, über den wird alleine geredet.
Und es ist kein Klischee, wenn ich hier das Bonmot wiederholen möchte, dass man im Gerichtssaal gewinnen, in den Augen der Öffentlichkeit aber verlieren kann. Litigation-PR hat insofern eben auch die Aufgabe, am Verfahren Interessierte außerhalb des Gerichts (also gerade nicht die entscheidenden Berufsrichter) abzuholen und mit einer eigenen Rechtsposition vertraut zu machen. Dies können Aktionäre und sonstige Shareholder, interessierte Investoren, aber auch die Belegschaft und – gerade in der vertriebsorientierten Wirtschaft – die verunsicherten Kunden selbst sein.
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Solche eigenen aktiven Formen der Rechtskommunikation werden insbesondere da notwendig, wo überlange staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, voreilige behördliche Stellungnahmen oder interessensgesteuerte Aussagen des Wettbewerbs nicht unwidersprochen bleiben dürfen, wenn man dem Entstehen und Verfestigen eines Zerrbildes entgegenwirken will.
 
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Insbesondere für Rechtsabteilungen und externe Rechtsanwälte wird deshalb eine umfassende Einsicht in die Notwendigkeit kommunikativer Begleitung immer wichtiger: Sich allein auf die zutreffende tatbestandliche, spröde Subsumtion in einem mehrzügigen Gerichtsverfahren zu verlassen, springt eben für entscheidende Faktoren außerhalb der forensischen Frage – Sieg oder Niederlage – zu kurz.
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Jahrelange Verfahren schaden Unternehmensreputation und Arbeitgeber-Image
Weiche Faktoren wie Markenwirkung, Unternehmensreputation oder Arbeitgeber-Image dürfen nicht jahrelang unter den Beschuss schwebender Verfahren geraten, wenn sich doch solide Argumente finden lassen, einem falschen Eindruck in der Öffentlichkeit entgegenzuwirken.
 
All dies heißt nicht, dass Juristen nun neuerdings kommunikative Aufgaben übernehmen sollen. Hierfür gibt es professionelle Berater; und auf die sollte man auch zugreifen.
Stutenbissigkeit unter den Beratern ist unnötig
Juristen müssen aber verstehen, dass eine Verzahnung zwischen rechtlichen und kommunikativen Strategien notwendig ist, nicht aber Stutenbissigkeit zwischen den Beratern. All dies gilt natürlich erst recht in einer schnelllebigen Welt von Twitter, XING, Chatrooms und Blogs…
 
Thomas Klindt ist Partner bei Noerr LLP und Co-Head des Legal Crisis Management-Teams: http://www.noerr.com/desktopdefault.aspx/tabid-29/20_read-118/
Litigation bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Litigation-PR

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