Manager im Hamsterrad – das dann plötzlich still steht. Von Kienbaum-Headhunter Stefan Fischhuber (Gastbeitrag)

Stefan Fischhuber, Headhunter und Geschäftsführer bei Kienbaum Executive Consultants

Stefan Fischhuber, Personalberater und Geschäftsführer bei Kienbaum Executive Consultants

Young CxO´s mit 60 – 80- Stunden-Woche als Standard – Manager im Hamsterrad

.

An der Spitze deutscher Unternehmen ist Work-Life-Balance ein Projekt, das noch in den Kinderschuhen steckt. Wie ich immer wieder in Gesprächen mit jungen Vorständen, Geschäftsführern und Eigentümern höre, ist eine 60-80 Stunden-Woche die Regel – nicht die Ausnahme. Immer erreichbar, auch am Wochenende und im Urlaub. Das ist der Standard. Die modernen Kommunikations-Gadgets sorgen dafür, dass der Arbeitstag auch nach Feierabend für die sogenannten Young CxOs noch nicht zu Ende ist. Zwei und mehr Abende die Woche sind verplant. Dabei bleibt noch nicht einmal mehr Zeit für Clubs wie Rotary oder Lions. Sondern andere Berufsnetzwerke, wo sich gleichgesinnte Vorstände oder Geschäftspartner treffen, um politische Kontakte zu pflegen und über die jeweiligen Verbände Einfluss auszuüben. Inspiration und Networking-Punkte holen sich Manager obendrein bei Kultur- und Sportereignissen.

.

Ehrgeizig und fit, Kurz-Tripps statt richtigem Urlaub

.

In diese Sphären der jungen Topmanager stößt nur vor, wer fähig und ehrgeizig ist, dazu körperlich super fit, wer den richtigen Mentoren und Multiplikatoren positiv auffällt – und auch das Glück des Tüchtigen hat. Für die erforderliche kontinuierliche Höchstleistung muss alles andere im Lot sein: Gesundheit, Familie, Freizeit undsoweiter. Sie achten auf die Ernährung, Alkohol gibt es nur in Maßen, Rauchen ist out, Sport treiben sie regelmäßig und alle ein bis zwei Jahre steht ein Gesundheits-Check auf dem Programm der Wirtschaftselite. Urlaub heißt meist Kurztripps, gerne in ein zweites Domizil, wo man sofort abschalten kann — aber auch das zweite Home-office schon eingerichtet ist.

.

Die Ehefrau hält den Rücken frei

.

Stabile Familienverhältnisse sind die Regel und Basis dieses komplexen Erfolgsfundaments. Denn wer kann sich schon eine weitere, emotionale Baustelle neben dem anstrengenden Berufsleben leisten. Rückhalt und Rückendeckung sind zwingende Erfolgsfaktoren an der Spitze, gleichzeitig zementieren sie ein klassisches Rollenbild. Nur ganz selten schaffen beide Partner bei gleicher Belastung auch noch eine Familie aufzubauen.

.

Entzugserscheinungen ohne Macht-Cocktail

.

Emotionales Futter und neue Energie liefern Meilensteine, die sich Manager selbst setzen. Diese setzen sich zusammen aus Erfolgskomponenten wie Verantwortung, Macht, positives Feedback, ein tolles Team, Entscheidungsbefugnis, Geld, Bedeutung, Eitelkeit, Status, undsoweiter. Das alles ist leistungsfördernd, so wie der Adrenalin-Ausstoß beim Hochleistungssportler kurz vor dem Start. Dieser euphorisierende Cocktail kann aber auch zu einer Belastung werden. Insbesondere dann, wenn er auf einmal nicht mehr da ist: Das kann zu Entzugserscheinungen führen und den (Ex)-Manager so belasten wie den ehemaligen Leistungssportler das hoch trainierte Herz, das vorsichtig an einen viel langsameren Rhythmus gewöhnt werden muss. Aber auch kurze Entlastungsphasen können schon zu ersten Unpässlichkeiten führen. Nicht umsonst bekommen viele Führungskräfte erst mal eine Grippe, wenn sie in Urlaub gehen.

.

Jeder Tag an der Spitze kann der letzte sein

.

Führungskräfte, die bereits sehr jung in die höchste Verantwortungsebene vorstossen – und nicht Eigentümer des Unternehmens sind -, müssen jederzeit damit rechnen, abgelöst zu werden. Täglich. Warum auch immer. Und dann stehen sie vor der Frage: Was kommt nach der Top-Rolle? Was mache ich nach der Vollbremsung von 100 auf beinahe Null? Auch wenn sie dann meist nicht ins materielle Nichts fallen. Aber den täglichen Adrenalin-Cocktail, der die Höchstleistungen erst ermöglicht und umgekehrt, den bekommen sie plötzlich nicht mehr. Fast nie kann ein Manager langsam herunterfahren und so Körper und Geist an die veränderte Situation gewöhnen.

.

Alternative: Beirat oder Aufsichtsrat

.

Je nach Alter suchen sie sich eine neue operative Management-Rolle oder verschiedene Aufsichts- und Beiratspositionen. Mit 55 aufzuhören, ist nicht sexy. Wir werden alle älter und sind auch noch – wenn alles gut geht – mit 65 Jahren fit. Attraktiv sind zusätzlich Private Equity Firmen, die immer auf der Suche nach exzellenten Deal-Zugängen und Management-Expertise sind. Auch Business Angels werden gebraucht. Die Rolle als Freelancer im Beratungsmarkt oder als Interim Manager sind ebenfalls Alternativen. Auch den Erfahrungsschatz als Dozent an Studenten weiterzugeben oder die Rolle des sozialen Unternehmers sind populär.

.

Schwieriger Absprung

.

Jedoch: Nicht allen gelingt dieser elegante Absprung. Sie müssen sich in relativ kurzer Zeit beinahe komplett neu erfinden. Dann zeigt sich, wer rechtzeitig belastbare Netzwerke aufgebaut hat und über weitere Interessen und Talente verfügt. Wer das nicht hat, fällt schnell in ein tiefes Loch.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*