BBC-Moderatorin Mishal Husain: „Wie kriegt Sheryl Sandberg das alles hin?“ (Gastbeitrag)

 

 

BBC-Moderatorin Mishal Husain

BBC-Moderatorin Mishal Husain*

 

Exklusiv für den Management-Blog auf WiWo.de:

Mishal Husain, Moderatorin der Nachrichtensendung „Impact“ auf BBC World News,  über ihre Begegnung mit Sheryl Sandberg von Facebook und die Herausforderungen ihres Jobs für sie ganz persönlich:  

 

Es war eins der Interviews der letzten Wochen, das die meisten Fragen aufgeworfen hat. Eine Kollegin nach der anderen kam im Newsroom auf mich zu und fragte, wie es war, Sheryl Sandberg von Facebook zu treffen. Sie sind fasziniert von ihrem Profil und ihrem Erfolg, wollen aber vor allem wissen, was alle berufstätigen Mütter brennend interessiert:“Wie kriegt sie das alles hin?“

 

Natürlich ist Sheryl Sandberg mit einem Jahresverdienst von mehreren Millionen Dollar keine typische berufstätige Mutter, dennoch stellt sie durchaus gültige Überlegungen an und leistet mit ihrer Berühmtheit und ihrer Position ihren persönlichen Beitrag, indem sie Debatten sowohl unter Frauen als auch unter Männern anstößt.

 

Diese Debatte interessiert mich. Ich arbeite seit 15 Jahren für die BBC im Bereich Internationale Nachrichten und moderiere derzeit eine der wichtigsten Sendungen auf BBC World News – ‘Impact’. Ich bin Mutter von drei Söhnen im Alter von acht, sechs und sechs Jahren, mein Mann ist Anwalt.

 

Zur Not über Skype die Kiddies auf Windpocken untersuchen 

Mein persönlicher Balanceakt zwischen Arbeit und Familie hat mir schon einige unvergessliche Momente beschert: Einmal habe ich während der Liveübertragung der Olympischen Spiele in Peking den WiFi-Hotspot dazu verwendet, um zu überprüfen, ob bei der Supermarktbestellung, die zu uns nach Hause in London geschickt werden sollte, auch genug Windeln dabei waren. Einmal musste ich einen Besuch des Naturkundemuseums mit meinem ältesten Sohn abbrechen, um schnell nach Pakistan zu fliegen, weil Benazir Bhutto ermordet worden war. Und einmal untersuchte ich meinen Sohn über Skype auf Windpocken, während ich in Indien für BBC World News einen Dokumentarfilm drehte.

 

Eine gute Organisation ist die halbe Miete – ein aufgeklärter Chef die andere Hälfte 

Für mich ist das Alltag. Ich sehe es als Teil eines erfüllten Lebens, das ich glücklicherweise führen darf. Ohne die Hilfe meines Mannes, meiner Mutter, meiner Schwiegermutter, unseres Kindermädchens und der Müttern der Klassenkameraden meiner Kinder könnte ich das natürlich niemals alles bewältigen. Noch wichtiger als das Organisatorische ist allerdings eine ausgeglichene Einstellung zur Arbeit. Ein aufgeklärter Vorgesetzter oder Arbeitgeber macht mitunter einen sehr großen Unterschied aus. Sie müssen wissen, dass berufstätige Mütter auch nach der Arbeit viele Verpflichtungen haben, darauf aber nicht reduziert oder als solche definiert werden sollen. Gleich wie gut gemeint es auch sein mag – die Frage „Wie geht‘s dir?“ und dem anschließenden „Wie geht’s den Kindern?“ ist leider sehr ermüdend.

 

Kleine Mädchen kommandieren nicht einfach herum – sie haben Führungsqualitäten

Bei unserem Gespräch sagte Sheryl Sandberg etwas sehr Wichtiges: Da sich schon bei Kindern eine geschlechterbasierte Wahrnehmung entwickelt, sollte man zum Beispiel kleine Mädchen nicht als „herumkommandierend“ bezeichnen, sondern sie eher als Mädchen mit Führungsqualitäten umschreiben. Ob ich das mit ernster Miene tun könnte, wage ich zu bezweifeln, doch sie hat Recht: Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, wie unterschiedlich über Jungen und Mädchen gesprochen wird. Vor Jahren sagte die Tochter eines Bekannten, dass sie später einmal Ärztin werden wolle. Ihre Mutter antwortete: ‚Ich finde, du solltest einen Beruf wählen, der sich besser mit Familie vereinbaren lässt.’ Für Kinder ist es schon schwer genug, in dieser heutigen wettbewerbsintensiven Welt aufzuwachsen, da müssen wir ihnen ihre Träume und Wünsche nicht auch noch ausreden.

 

Auch erfolgreiche Männer ziert Bescheidenheit

Interessant fand ich auch, als Sheryl Sandberg darüber sprach, wie Frauen und Männer ihren eigenen Erfolg im späteren Berufsleben wahrnehmen – genauer gesagt, den Eindruck, den sie anderen vermitteln. Sandbergs Ansicht nach akzeptieren erfolgreiche Männer Komplimente über ihre Leistungen, während Frauen ihren Erfolg oft auf glückliche Umstände schieben oder besonders betonen, dass ihnen geholfen wurde. Sie hat sicher nicht unrecht, aber ich schätze es auch, wenn erfolgreiche Menschen bescheiden bleiben. Die Wahrheit liegt sicher irgendwo dazwischen.

 

Der Spagat der Frauen 

Frauen in der Öffentlichkeit haben heute vielleicht das größte Wahrnehmungsproblem. Um möglichst ansprechend zu wirken, müssen sie entscheidungsfreudige, inspirierende Führungspersönlichkeiten sein, gleichzeitig sollen sie sich aber ihre Weiblichkeit bewahren. Christine Lagarde hat diesen Spagat perfekt gemeistert; Hillary Clinton hat sich während des Präsidentschaftswahlkampfes 2008 etwas schwer getan, gewann jedoch nach ihrer Amtszeit als US-Außenministerin neuen Respekt und Bewunderung. In Asien haben es weibliche Führungskräfte, die aus politischen Familien stammen, etwas einfacher, weil sie ihren Status und ihr Image ihrem bereits bekannten Familiennamen verdanken.

 

Frauen in anderen Berufen haben es oft genauso schwer – darunter auch Frauen, die vor der Kamera arbeiten. Interviewer müssen ihren eigenen Stil finden und ihm treu bleiben. Wenn Frauen kritische Fragen stellen, gelten sie oft als aggressiv, während ein gemilderter Ansatz gleich als zu weich interpretiert wird.

 

Sheryl Sandberg als Feministin 

Sheryl Sandberg erzählte mir, dass sie den Begriff „Feministin“ erst seit kurzem annehmen kann. Dass sie so lange brauchte, kann ich nachvollziehen. Ich wuchs in den 80er-Jahren auf und begann meine berufliche Karriere in den 90er-Jahren. Ich dachte immer, ich würde ein leichteres Leben haben, weil frühere Frauengenerationen so viel gekämpft haben.

 

Ich bin diesen Frauen immer noch zu großem Dank verpflichtet, weiß aber jetzt auch, dass diese Mission noch nicht beendet ist. Wir brauchen auch weiterhin Vorbilder, Beistand für Frauen, und wirksame Unterstützung innerhalb von Berufssparten. Ich möchte Sheryl Sandberg danken, dass sie dieses wichtige Thema wieder neu ins Gespräch gebracht hat. Für mich hat sie definitiv Führungsqualitäten.

 

Mishal Husain moderiert die Nachrichtensendung Impact auf BBC World News.

*Copyright der Bilder BBC World News.

 

 

 

 

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Alle Kommentare [2]

  1. Gute Vorbilder sind keine Einzelfälle. Sie beschränken sich nicht auf das Top Management. Erfolgreiche Mütter gibt es überall. Sie jonglieren jeden Tag mit Kindern und Karriere und sind mindestens ebenso starke Feministinnen wie die, die eine Frauenquote fordern.

    Wir sollten uns an diesen Vorbildern eher orientieren als an den Schwierigkeiten. Sonst verpassen wir die besten Chancen und, schlimmer, verlieren den Spaß daran, in zwei Welten zu leben. Wenn man genau hinsieht, sind Kinder und Karriere ein Geschenk, das wir dank der Technik erleben können, wie es keine Generation vor uns konnte und wie kaum ein Mann es sich traut.

    Oder welcher Mann hätte den Mut, in einer Position wie Sheryl Sandberg jeden Abend um sechs den Griffel oder den Laptop wegzulegen und zu seinen Kindern zu gehen?

    Also Ladies, Mut! Kreativität! Und Selbstbewusstsein! Dann brauchen wir keine Quote.

  2. Ich kann Ute nur zustimmen: Wo wir auch hinschauen, haben wir Vorbilder, die uns Frauen den Weg nach oben zeigen können. Außerdem sollten wir alle unsere individuelle Situation nicht vergessen: Sandberg hat den finanziellen Background, viel für ihre Kids ermöglichen zu können, sodass ihr hier schon eine riesige Last genommen wird. Auch die Yahoo-Chefin oder die Microsoft Deutschland-Chefin haben das.
    Ich denke, es lohnt sich durchaus, diese erfolgreichen Frauen zu beobachten. Dabei sollte frau aber nicht verzweifeln ob der eigenen Situation – ob des Durchschnitts. Es ist ein irrer Spagat, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen.

    Die Quote sehe ich ebenfalls kritisch: Ich gehöre keinesfalls zu den Frauen, die als „Quotenfrau“ bezeichnet werden wollen. Selbstvertrauen und -bewusstsein sind erste gute und wichtige Schritte, Mut und Kreativität kommen automatisch in Folge dessen. Los geht’s, Mädels!