Das Tarnkappen-Phänomen

Am Rande der Berichterstattung über die Bilanz von ProQuote – dem Verein für mehr Chefredakteurinnen und Ressortleiterinnen in den Medien – liest man eine Anekdote, die womöglich die gesamte Situation sehr gut wiedergibt: Offenbar hat der Chefredakteur der „Zeit“, Giovanni di Lorenzo, einen Headhunter Führungskandidatinnen suchen lassen. Der fand auch drei Damen. Doch die sassen allesamt  bereits in seiner Redaktion.

Kaum zu glauben, aber so schreibt´s der „Tagesspiegel“ – und wenn es denn so war, bedeutet es: die Frauen, die Führungspotenzial haben, sind in den Unternehmen vorhanden, nur sucht und findet sie keiner. Und sie selbst tun sich offenbar nicht wichtig genug, sondern machen brav ihre Arbeit und hoffen im Stillen, genau dadurch aufzufallen. Durch ihre gute Arbeit. Statt durch Antechambrieren in der Chefetage oder durch irgendwelche karrierefördernden männlichen Verhaltensweisen, die immer schon gut funktionieren.

Doch gute Arbeit reicht eben nicht, um befördert zu werden. Und schon gar nicht die von Frauen.

 

Sie sind da, aber man sieht sie nicht

Warum auch immer, eine genaue Untersuchung wäre dieses Phänomen Tarnkappe durchaus wert.

Eine Personalberatung mit amerikanischen Wurzeln berichtete mir schon vor mehr als einem Jahr von einem Projekt ihres Hauses in den Vereinigten Staaten. Die Company suchte weibliche Management-Kandidaten in den eigenen Reihen – und fand sie sofort in ausreichender Zahl zur Überraschung des Top-Management und der Personalabteilung.

Man hatte nur nicht selbst richtig hingeguckt.

 

Mutlose Top-Manager

Ähnlich wie die Unternehmenslenker hierzulande, die jammern, es gebe keine Frauen, mit denen sie die Frauenquote erfüllen könnten. Deren Denkfehler ist lediglich: Die, die sie suchen, müssen schon auf der Ebene angekommen sein, wo sie sie ebenfalls platzieren wollen. Würden sie nur gut genug hinsehen auf ein, zwei Ebenen darunter, wäre das Ganze vermutlich kein Problem. Wenn sie dazu nur den Mut hätten.

 

Frauen als Charismatiker? Lieber nicht

Dazu passt das Verhalten der Chefinnen, wenn sie denn erst mal die Boss-Position erorbert haben: Sie wollen auch dann wieder nur streng sachlich daher kommen, nur ihre Leistung soll zählen, meist völlig humorfrei, perfektionistisch und quasi ent-persönlicht. Macken, Kanten,  irgendetwas Charismatisches oder gar eine Schwäche, zu der frau steht? Fehlanzeige.

Aber vielleicht gibt sich das ja noch, wenn frau an der Spitze – oder in der Top-Etage zumindest – erst mal nicht mehr die absolute Ausnahme ist.

http://www.tagesspiegel.de/medien/frauen-in-den-medien-aufsteigen-und-aussitzen/7826772.html

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