Zauderer und Zögerer im Management – die mit ihrer Bräsigkeit Sand ins Getriebe streuen

Nicht nur das Land der Dichter und Denker, sondern vor allem der Zögerer und Zauderer – dummerweise ausgerechnet auf dem Chefsessel

Bibi Hahn, Partnerin bei Hay Group

Chefs antworten nicht auf die Mails ihrer Mitarbeiter. Chefs warten mit einer Entscheidung bis es gar nicht mehr anders geht. Vielleicht erledigt sich die Sache ja auch von alleine. Durch Zeitablauf.  Statt zuzupacken, handeln Vorgesetzte lieber gar nicht erst. So sehen viele Mitarbeiter in Deutschland ihre Vorgesetzten, hat die Unternehmensberatung Hay herausgefunden.

Das Fazit: Jeder zweite Chef ist nicht entscheidungsfreudig genug. Finden jedenfalls seine Mitarbeiter. Die dumme Folge trifft leider am Ende das ganze Unternehmen:  Es wird unfähig, sich auf neue Marktbedingungen einzustellen.

Hay befragte zu diesem Thema 351 Firmen in 66 Ländern mit rund 5,6 Millionen Mitarbeitern.

Die Ergebnisse im Detail: Jeder zweite Angestellte in Deutschland (52 Prozent) glaubt, dass ihre Vorgesetzten zu lange zögern, ehe sie überhaupt Entscheidungen treffen.

 

Inder und Chinesen entscheiden zügig

Zum internationalen Vergleich: „In den Schwellenländern China und Indien sind die Unternehmenslenker – nach Meinung ihrer Mitarbeiter – wesentlich schneller mit ihren Entscheidungen. In China sind 60 Prozent der Angestellten mit der Geschwindigkeit zufrieden, mit der Entscheidungen getroffen werden. In Indien sind es 58 Prozent“, so die Hay-Studie.

Aber auch innerhalb Europas gibt es prompte  Entscheider. Etwa in Israel oder Österreich:  „65 Prozent der israelischen Mitarbeiter glauben, dass ihre Chefs schnell genug reagieren. In Österreich sind es 63 Prozent. Schlusslichter in punkto Entscheidungsfreude sind Großbritannien (45 Prozent) und Brasilien (44 Prozent).“ (Hay)

 

Vorstand: Immer neue Infos anfordern, statt durchzuentscheiden

Bibi Hahn, Geschäfstführerin von Hay Group versucht eine Erklärung für solch selbst-schädigendes Verhalten : „Oft ist es besonders bei großen Unternehmen so, dass viel zu viele Entscheidungen zentral beim Vorstand landen, nachdem sie vorher schon in mehreren Gremien behandelt wurden. Selbst dann entscheidet der Vorstand oft nicht gleich, sondern fordert immer wieder neue Informationen an.“

Die Lösung für dieses Problem ist laut Hahn eigentlich naheliegend: Um den Entscheidungsprozess zu beschleunigen, sollte darauf geachtet werden, dass die Entscheidungen auf die richtige Ebene getroffen werden. Dies werde in Ländern wie China oder Indien stärker praktiziert. Der Vorteil: „Das stärkt die eigene Entscheidungsfreude der Mitarbeiter und unterstützt die Geschäftsleitung bei den Entscheidungen“, meint Hahn.

Bleibt die Frage, warum in Indien oder China Entscheidungsfreudigkeit vorherrscht? „Im Gegensatz zu Europa sind die Entscheidungsprozesse in Schwellenländern weit weniger zentralisiert. Deshalb können sie auf sich verändernde Marktbedingungen schnell reagieren“, urteilt die Beraterin.

Die Untersuchung des weiteren: Auch in puncto Anpassungsfähigkeit liegen andere Länder wie Indien oder Irland mit 73 Prozent oder Portugal mit 76 Prozent vor Deutschland mit 64 Prozent. Dumm nur: „Die Geschwindigkeit, mit der ein Unternehmen Entscheidungen trifft und die Art und Weise, wie es auf neue Marktbedingungen reagiert, sind Indikatoren dafür, wie anpassungsfähig eine Firma ist“, beobachtet Bibi Hahn als Expertin für Führung, Performance Management und Mitarbeitermotivation.

 

Delegieren und Motivieren

Ihr Rat: Träge Unternehmen sollten ihre Angestellte stärker miteinbeziehen: „Manager können ihre Mitarbeiter dabei unterstützen und sie motivieren, schnellere Entscheidungen zu treffen. Dazu müssen sie die Entscheidungskompetenzen der Mitarbeiter genau beschreiben und im ganzen Unternehmen klare Verantwortungsbereiche abstecken.“ Die Befugnisse könnten so auf die passenden Ebenen und gegebenenfalls in die Regionen delegiert werden. So bekämen die Angestellten die Chance, ihre Entscheidungsfreude zu testen und zu steigern. Davon profitiere das gesamte Unternehmen – wenn den Betroffenen ihre Langsamkeit denn überhaupt bewusst ist.

Und wenn sie denn frei von Kontrollwahn sind und es schaffen, zu delegieren und den eigenen Leuten zu vertrauen.

 


Länder-Ranking: Wo sind die entscheidungsfreudigsten Manager? (in Prozent)

Ranking zur Entscheidungsfreude weltweit

 

1 Israel 65

2 Österreich 63

3 China 60

4 Indien 58

5 Mexiko 52

6 Japan 50

6 USA 50

8 Deutschland 48

8 Kanada 48

10 Frankreich 47

10 Italien 47

10 Russland 47

10 Ägypten 47

10 Südafrika 47

15 Großbritannien 45

16 Brasilien 44

Quelle: Hay Group 2013

Hay Group ist eine globale Unternehmensberatung, die mit den Kunden individuelle, umsetzbare und integrierte Lösungen auf den Feldern Organisation, Führung, Performance Management, Mitarbeitermotivation und Vergütung entwickelt. Weltweit beschäftigt Hay Group 2.600 Mitarbeiter in 84 Büros in 48 Ländern.  www.haygroup.de

 

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Alle Kommentare [4]

  1. Ich hätte nie gedacht,dass Deutschland im Ranking nur auf Platz 8 landet und GB sogar nur auf Platz 15.

  2. Dass Asien in Sachen Management so gut abschneidet kann auf ihre stoische Disziplin zurückgeführt werden und überrascht mich deshalb wenig. Dass Israel und Österreich uns so weit voraus sind hätte ich nicht gedacht. Wäre interessant zu wissen weshalb sie so viel erfolgreicher sind!

  3. Dass die asiatischen Länder in Sachen Management so weit vorne sind könnte an ihrer stoischen Disziplin liegen, deshalb überrascht mich deren Platzierung im Länder-Ranking wenig. Weshalb wir allerdings nur an achter Stelle stehen und weshalb uns was Israel und Österreich uns so viel voraus haben würde mich sehr interessieren.

  4. Das sind ueberraschende Ergebnisse, zeigt aber, dass Indien und China Emerging Markets sind.