Warum gerade Chefinnen so oft übers Ziel hinausschiesen – und deshalb leider auch schlechtere Manager sind (Gastbeitrag von Personalexpertin Claudia Conrads)


Claudia Conrads ist Geschäftsführerin beim Personalentwickler Information Factory: „Frauen sind in Führungspositionen die schlechteren Männer“ ist eines ihrer Fazits aus vielen Feedbackbefragungen in Unternehmen. 


Claudia Conrads

„In Politik und Wirtschaft herrscht große Uneinigkeit, ob der Anteil weiblicher Führungskräfte per Quote geregelt werden kann und sollte. Fakt ist, dass die meisten Unternehmen von den anvisierten 30 Prozent Frauenanteil in ihren Aufsichtsräten weit entfernt sind. Aber brauchen wir überhaupt mehr Frauen in Führungspositionen? Ich glaube: Nein. Was wir brauchen, ist mehr weibliches Führungsverhalten – unabhängig von der Geschlechterfrage.

 

Frauen in Führungspositionen sind die schlechteren Männer

Frauen werden typischerweise Eigenschaften wie Kontaktfreude, Offenheit, Kreativität oder Geschick im Umgang mit Menschen zugeschrieben. Würden diese Stereotype zutreffen, müssten weibliche Führungskräfte bei positiv belegten Führungskompetenzen wie Mitarbeiterentwicklung, Mitarbeitermotivation, Kommunikation oder Fehlerkultur besonders gut abschneiden. Aber erstaunlicherweise ist das Gegenteil der Fall. In den vergangenen zehn Jahren haben wir zahlreiche Feedbackbefragungen bei großen mittelständischen Unternehmen und Konzernen begleitet. Unsere Auswertungen zeigen, Frauen schneiden in diesen typisch weiblichen Kompetenzbereichen schlecht ab. Das heißt, sie werden von ihren Mitarbeitern darin negativ bewertet. Anders als erwartet, bekommen sie bei Fragestellungen wie ‚Führt Gespräche auf die angenehme Art’, ‚Versetzt sich in die Lage anderer und reagiert situationsgerecht’ oder ‚Unterstützt Mitarbeiter bei ihrer fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung’ wesentlich schlechteres Feedback als ihre männlichen Kollegen. Das unterstreichen die Freitextfelder, in denen sich die Mitarbeiter bei unseren Feedbackbefragungen frei zu ihren Vorgesetzten äußern können. Hier lesen wir bei weiblichen Führungskräften regelmäßig heftige Kommentare wie: „Reagiert übertrieben, wenn etwas nicht so ist, wie sie es gerne gehabt hätte…“, „Spielt sich wie eine Oberlehrerin auf, die immer Recht hat“ oder „Spricht nur Schwächen an, lobt nie“. Das heißt: In der Wahrnehmung ihrer Mitarbeiter bringen weibliche Führungskräfte weniger Verständnis und Zeit für die Belange ihrer Mitarbeiter auf, als ihre männlichen Kollegen in vergleichbaren Positionen. Überspitzt kann man sagen: Frauen in Führungspositionen sind die schlechteren Männer.

 

Frauen schiessen als Chefinnen gerne übers Ziel hinaus

Woran liegt das? Vor allem daran, dass Frauen in Führungspositionen quasi eine Randgruppe sind und die allgemeine Erwartung an Führungskräfte durch männliche Stereotype dominiert ist. Die Vorstellungen von der idealen Führungskraft sind immer noch größtenteils mit typisch männlichen Eigenschaften verknüpft: Sie sollte vor allem entscheidungsfreudig, durchsetzungs- und nervenstark, analytisch und selbstsicher sein.

Dagegen spielen die als typisch weiblich geltenden Eigenschaften in der Regel bei Managerprofilen keine Rolle. Die Folge: Viele weibliche Führungskräfte versuchen, möglichst stark den genannten männlichen Stereotypen zu entsprechen. Oft schießen sie über das Ziel hinaus und treten übertrieben männlich auf. Wir beobachten zum Beispiel regelmäßig, dass weibliche Führungskräfte knallharte Entscheidungen treffen, ohne ihre Mitarbeiter ins Boot zu holen und diese so unnötig vor den Kopf stoßen. Erst kürzlich habe ich erlebt, dass eine frisch angetretene Managerin nach drei Wochen im Amt das seit Jahren fest verankerte wöchentliche Team-Meeting abgeschafft hat. Und das, ohne mit ihren Mitarbeitern auch nur ein Wort darüber gewechselt zu haben. Ihre Begründung war, das Meeting frisst nur Zeit und bringt keinen Output. Vielleicht stimmte das sogar, die Mitarbeiter fühlten sich aber übergangen – mit der Folge, dass Betriebsklima und Motivation litten.

 

Exotinnen mit Hang zum Unzufrieden-sein

Die negativen Bewertungen für weibliche Führungskräfte hängen auch damit zusammen, dass Frauen in vielen Führungsetagen nach wie vor die Ausnahme sind. Das gilt insbesondere für die Industrie. In manchen unserer Feedbackbefragungen in großen Industrieunternehmen haben Frauen im Top-Management immer noch Exotenstatus. Diese Ausnahmerolle beeinflusst ihr Selbstverständnis und wirkt sich auch auf das Führungsverhalten aus. Neben übertrieben männlichem Führungsverhalten stellen wir bei weiblichen Führungskräften immer wieder einen Hang zu latenter Unzufriedenheit fest. Statt einfach mal nur zufrieden zu sein, finden sie bei den Mitarbeitern immer was zu meckern. Ich erinnere mich noch gut an eine Managerin, die einen ihrer wichtigsten Mitarbeiter vor versammelter Mannschaft lautstark davon überzeugt hat, dass sie bei der Zeitkalkulation eines Projekts im Nachhinein recht hatte. In der Sache lag sie richtig. Es hätte aber vollkommen gereicht, wenn sie das unter vier Augen angesprochen hätte. So war das einzige Ergebnis, dass sich der Mitarbeiter gedemütigt fühlte.

 

Weibliches Führungsverhalten macht erfolgreich

Bleibt also besser alles beim Alten und somit bei der männlichen Dominanz in Führungspositionen? Nein. Was ich in der Praxis bei Feedbackbefragungen nämlich auch sehe, ist, dass Männer, die bei denen als eher weiblich geltenden Führungskompetenzen (Mitarbeiterführung, Kommunikation undsoweiter) gut abschneiden, in ihren Unternehmen schneller die Karriereleiter hochklettern. Sie erhalten in gemischten Führungsteams bei Fragen wie ‚Zeigt Entgegenkommen gegenüber Bedürfnissen anderer’ oder ‚Unterstützt die Mitarbeiter bei ihrer fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung’ fast immer bessere Bewertungen als ihre weiblichen Kolleginnen. Und da sich die Führungsleistung auf die Teamperformance auswirkt, werden auch die von ihnen geführten Teams langfristig erfolgreicher sein. Die weiblichen Qualitäten sind also gefragt – und erfolgreich. Gutes Führungsverhalten wird – gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel – zunehmend zum Wettbewerbsvorteil für Unternehmen. In Zukunft werden sich Unternehmen deshalb eine Führungskultur, die an schnellen Gewinnen ausgerichtet ist, und das damit häufig verbundene Verheizen ihrer Mitarbeiter nicht mehr leisten können. Dass dieses Denken in den Unternehmen noch nicht angekommen ist, zeigt eine Studie (1) der Hochschule Osnabrück. Eine Kernaussage: ‚Solange die Zahlen stimmen, tolerieren mehr als zwei Drittel der Unternehmen schlechtes Führungsverhalten.’ Das geht langfristig nicht gut. Wir brauchen deshalb mehr weibliches Führungsverhalten – unabhängig davon, wer es praktiziert. Eine Quote gibt es dafür nicht.“

 

Boomer gehört auch zu Information Factory

Information Factory begleitet mit seinen Lösungen Konzerne und Mittelständler bei der Personalentwicklung, zum Beispiel mit softwaregestützten Leistungsbeurteilungen, Führungskräftefeedbacks und Mitarbeiterbefragungen. Zu den Kunden zählen zum Beispiel Volkswagen, Daimler, Audi, DKV, HUK24, Migros, Interhyp, SAM, Postbank, UBS, Zürcher Kantonalbank sowie die Universität St. Gallen.

Vita von Claudia Conraths:  http://www.information-factory.com/unternehmen/management.html

http://www.hs-osnabrueck.de/722+M587e54ea253.html?&tx_ttnews[month]=07&tx_ttnews[year]=2011

 

 

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*