Wissensarbeiter: Wenn freie Mitarbeiter unfreier sind als Festangestellte

 

Frank Schabel, Hays

Es hörte sich so an, als breche für Wissensarbeiter eine neue, wunderbare Zeit an. Für Mitarbeiter, die ihr Kapital im Kopf mitbringen – und eben einer Firma auch wieder entziehen, wenn sie denn ein besseres Jobangebot annehmen. Oder gleich als Freelancer nur projektweise für eine Company tätig sind. Man implizierte eine Unabhängigkeit, wie sie Arbeitnehmer bis dahin nicht kannten. Das war vor gut 15 Jahren, als Wissensmanagement so langsam zum Begriff wurde. Doch es kam anders, wie eine Studie von Personaldienstleister Hays jetzt resümmiert, für zehn Vordenker der Wissensarbeit sowie 309 Festangestellte und 272 freiberufliche Wissensarbeiter nach ihrem Selbstverständnis und ihrem Arbeitsumfeld befragt wurden:

 

1. Festangestellte sind wesentlich überzeugter von sich und ihrer Bedeutung im Unternehmen

Bringen sich Selbständige oder Freiberufler nur vorübergehend bei Unternehmen mit ihrem Know-how ein, so meinen nur 42 Prozent von ihnen, dass ihr Wissen eine strategisch wichtige Ressource darstellt und dass sie entsprechend gut behandelt werden. Zum Vergleich: Von den Festangestellten glauben dies 71 Prozent.  Entsprechend finden nur 66 Prozent der befragten Freiberufler/Selbständigen, dass sie als Wissensarbeiter eine herausgehobene Stellung in der Firma haben.“Da es bei den Hochqualifizierten in Festanstellung langsam eng wird, binden Unternehmen zwar zunehmend spezialisierte Freiberufler, Wissensarbeiter, ein“, berichtet Frank Schabel von Hays. „Das Problem ist nur:  im Vergleich zu den festangestellten Kollegen werden die Freien mehr kontrolliert, als geführt.“ Da gebe es einen konkreten Auftrag, den der Freie in vorgegebener Zeit erfüllen muss.Die Folge laut Schabel: Die Unternehmen überwachen die Arbeitszeit, bedenken aber nicht, dass die Projekte erfolgreicher wären, wenn die Freien intensiver integriert würden. Freie würden sich dies ohenhin wünschen, doch diesem Wunsch würden die Führungskräfte nur selten entsprechen.

2. Freiberufler sind weniger selbstbestimmt als Festangestellte

Die Studie: „Die überwiegende Mehrheit der Freiberufler – mehr als 80 Prozent – fühlt sich zwar – ähnlich wie Festangestellte – von den Unternehmen als Spezialisten wertgeschätzt und nach ihrer Meinung gefragt. Allerdings scheint das Maß an Selbstbestimmung, das Unternehmen den Freiberuflern zugestehen, deutlich geringer zu sein als bei Festangestellten.“ Ulkigerweise lassen die Unternehmen – so die Studie – Freiberufler weniger an der langen Leine laufen als ihre festen Mitarbeiter. Und sie sind wenig Bereitschaft, die Freelancer zu integrieren.

Die Hays-Studie berichtet: „So ist zwar den Freiberuflern die Vernetzung mit Kollegen innerhalb der Unternehmen sehr wichtig und ist ein Großteil in hohem Maße bereit, Fachwissen auszutauschen. Doch die Realität scheint anders zu sein: Nur 59 Prozent der befragten Freiberufler erleben einen solchen Austausch, 40 Prozent verneinen ihn.“ Festangestellte zeichnen ein anderes Bild: Hier meinen 77 Prozent, ihr fachlicher Austausch mit ihren Kollegen werde gefördert.

 

Festangestellte wesentlich überzeugter von ihrer Bedeutung

Ob Wissensarbeiter in eine Organisation fest integriert sind oder nur auf Zeit als Freiberufler ihr Know-how in Projekte einbringen, wirkt sich direkt auf ihre Haltung aus: Während die überwiegende Mehrheit der Festangestellten (71 Prozent) meint, Wissen sei eine wichtige strategische Ressource und werde auch als solche behandelt, bejahen dies nur 42% der befragten Freiberufler.

An diesen empirischen Befund schließt sich nahtlos an, dass zwei Drittel der befragten Freiberufler den Wissensarbeitern – und damit auch sich selbst – keine herausgehobene Stellung in Organisationen attestieren. Festangestellte sind also viel kritischer, was die Bedeutung der Wissensarbeiter betrifft.Entweder weil sie mit dem Blick von außen klarer sehen – oder weil sie frustriert sind über die mangelnde Integration  bei ihren Kunden.

Die Umfrage zeigt: Festangestellte Wissensarbeiter (55 Prozent) sind wesentlich stärker mit Routinetätigkeiten beschäftigt. Unternehmen engagieren externe Spezialisten, um Know-how-Lücken zu schließen – und nicht zum Erledigen administrativer Arbeiten.

Doch mit der Treue der Angestellten ist es dennoch nicht so weit her: Festangestellte Wissensarbeiter sind in hohem Maße wechselwillig. So würden 60 Prozent ihre Firma verlassen, wenn sie sich bei einem neuen Arbeitgeber fachlich weiterentwickeln können. 40 Prozent denken sogar darüber nach, in die Selbständigkeit zu wechseln. Umgekehrt halten können sich aber nur 22 Prozent der Freiberufler vorstellen, sich als Angestellte zu verdingen.

Das bedeutet: Die Selbständigkeit ist von der großen Mehrheit der externen Spezialisten bewusst gewählt, und keineswegs als Zwischen- oder gar Notlösung.

Deshalb haben sie – so die Hays-Studie – ein ebenso hohes Selbstbewusstsein die festangestellten Wissensarbeiter: „Fast drei Viertel (72 Prozent) sind sich sicher beziehungsweise teilweise sicher, aufgrund ihrer Qualifikation immer ein attraktives Projekt zu finden.“

 

Verkehrte Welt: Selbständige müssen antreten, Angestellte dürfen im Home Office arbeiten

Im Detail: Mehr als 80 Prozent der Freiberufler fühlen sich zwar – ähnlich wie die Festangestellten – von den Unternehmen als Spezialisten wertgeschätzt und denken, dass ihre Meinung dort gefragt ist. Doch der Grad der Selbstbestimmung, der Freiberuflern von den Firmen zugestanden wird, ist deutlich niedriger als bei Festangestellten: 62 Prozent der Festangestellten dürfen selbst bestimmen, wo und wann sie arbeiten. Bei den Freiberuflern dürfen das hingegen nur  42 Prozent.

Der Grund ist laut Hays die Bezahlunge: Da Freiberufler meist über Stundenhonorare abrechnen, haben die Firmen ein viel höheres Kontrollbedürfnis als bei den eigenen Angestellten. Die Folge: Die Freiberufler müssen im Unternehmen antreten und Präsenz zeigen, die festangestellte Wissensarbeiter dagegen können im Home Office arbeiten.

Kein Wunder, dass für die Freiberufler zwar zu 56 Prozent die Selbstbestimmung eins der wichtigsten Kriterien ist – aber nur 33 Prozent dies als vollständig erfüllt ansehen.

 

Die Freien nutzen Social Media intensiver

Der Bedarf, sich zu vernetzen, ist bei Freiberuflern höher als bei festangestellten Wissensarbeitern: 69 Prozent der angestellten Wissensarbeiter nutzen Fachkonferenzen/Workshops oder Messen (44 Prozent) als Plattform für Austausch und Vernetzung, jedoch nur 21 Prozent Social Media. Zum Vergleich: 58 Prozent der selbstständigen Wissensarbeiter nutzen zwar auch am häufigsten Fachkonferenzen. Danach folgt  aber gleich Social Media mit 56  Prozent, also das virtuelle Vernetzen mit Gleichgesinnten. Vermutlich, weil die Fachkonferenzen seltener stattfinden und Kontakte über Social-Media-Dienste wie Xing oder LinkedIn einen unmittelbaren Austausch, schnelleren und häufigeren Kontakt ermöglichen.

 

Fazit

Manches Ergebnis der Studie überrascht: Auch Freiberufler erweisen sich als Teamplayer. Laut Hays sind sie bereit, ihr Wissen zu teilen – sind aber nicht etwa altruistisch: „Sie erkennen aber offensichtlich mehr als festangestellte Mitarbeiter die hohe Bedeutung von Teamarbeit und Vernetzung, um Wissensarbeit produktiv zu machen.“

Weiter verblüffend: Freiberufler sind unfreier als erwartet. Unternehmen brauchen sie einerseits, um Know-how-Lücken zu schließen. Andererseits tun sich aber schwer damit, den Freien selbstbestimmtes Arbeiten zuzugestehen und sie in die Kommunikationsstrukturen zu integrieren.

 

 

 

 

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Alle Kommentare [1]

  1. Fazit: Verkehrte Welt!

    Freiberuflern sollte mehr Wertschätzung entgegengebracht werden. Sie liefern meist Bestleistungen, unabhängig davon wie kurzfristig sie ihre Aufträge erhalten und abliefern müssen. Da sie in der Regel zu keinen Teamevents oder Weihnachtsfeiern eingeladen werden, können sie natürlich keine tiefe Bindung zum Unternehmen aufbauen und sich mit ihm identifizieren. Dadurch besteht meist auch kein Interesse an einer späteren Festanstellung, da ihnen zu wenig Wertschätzung entgegengebracht wird. So können hochqualifizierte Arbeitskräfte verloren gehen. Leider!