Litigation-PR: Gegendarstellung über Twitter – Gastbeitrag von Medienrechtler Martin Diesbach

 

Wie das Sturmboot Litigation-PR geentert werden kann –  Gastbeitrag von Martin Diesbach, Medienrechtler bei Noerr in München

 

Litigation-PR bietet sinnvolle Möglichkeiten, den eigenen Standpunkt in juristischen Auseinandersetzungen medial wahrnehmbar zu Gehör zu bringen.

– vorausgesetzt, sie ist gut gemacht, denn sonst drohen erhebliche Nachteile.

 

Medienrechtler Martin Diesbach von Kanzlei Noerr

Gerade erst machte Litigation-PR Schlagzeilen, als der Rechtsanwalt der Ex-Freundin des TV-Wettermoderators Jörg Kachelmann aus Versehen an Medienvertreter ein Dossier schickte mit Daten seiner Mandantin, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Aber auch außerhalb solcher größter anzunehmender Unfälle  – die überdies die Frage aufwerfen, ob Anwälte überhaupt Litigation-PR betreiben sollten – wird häufig übersehen, dass die Litigation-PR auch rechtliche Risiken beinhaltet. Pressemitteilungen zum Prozessverlauf, Veröffentlichung eigener Schriftsätze, das Twittern der Standpunkte der Partei – Maßnahmen wie diese können rechtliche Gegenwehr auslösen, die für den Absender zu unangenehmen Konsequenzen führen können:

 

1. Wer während eines laufenden Prozesses auf Litigation-PR setzt, muss eines immer bedenken: Das Prozessrechtsverhältnis, also das Verhältnis zwischen zwei Parteien während eines laufenden Rechtsstreits, ist ein geschützter Raum. Das bedeutet, dass die Frage der Wahrheit und der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung auch nur in diesem Rechtsstreit zu klären ist durch die Mittel, die die jeweilige Prozessordnung zur Verfügung stellt. Zu solchen Prozessaussagen gehören Darstellungen in Schriftsätzen und auch Zeugenaussagen, also solche Aussagen, die unmittelbar der Rechtsverfolgung in diesem Rechtsstreit gelten. Solche Prozessaussagen können nicht zum Gegenstand eines zweiten Prozesses gemacht werden.

 

Das ist alles andere als trivial. Betreibt eine Partei Litigation-PR und wiederholt die streitige Prozessaussage außerhalb des Prozesses  – also außerhalb des geschützten Raums -, wird diese Aussage nicht anders behandelt als etwa eine Aussage in einem Zeitungsartikel: Es gelten dann dieselben Grundsätze und Schutzmechanismen des Äußerungsrechts: Ist eine Tatsachenbehauptung unwahr, steht dem betroffenen Unternehmen das gesamte äußerungsrechtliche Instrumentarium zur Verfügung von der Unterlassung über Gegendarstellung und Widerruf bis hin zum Schadensersatz.

 

Gegendarstellung auf der Webseite des Gegners 

Wie weit dies gehen kann, haben wir in einem Rechtsstreit kürzlich erleben dürfen: Eine auf Anlegerschutz spezialisierte Kanzlei machte Ansprüche wegen angeblicher Prospekthaftungsfehler gegen einen unserer Mandanten geltend und wiederholte den – unzutreffenden – Kernvorwurf in einer Pressemitteilung, die die Kanzlei auf der eigenen Website veröffentlichte und über Twitter verbreitete. Unsere Gegenmaßnahme: Wir setzten durch, dass die Kanzlei unsere Gegendarstellung sowohl auf ihrer Website veröffentlichen als auch twittern musste. Denn das Gericht urteilte: Auch eine Kanzlei-Website, die, wie dies regelmäßig der Fall ist, die Öffentlichkeit zum Beispiel über aktuelle Geschehnisse im Rechtsleben informiert, ist nicht anders zu behandeln als eine Zeitung – auch sie ist journalistisch-redaktionell.

 

Gegendarstellungen können durch einstweilige Verfügungen schnell durchgesetzt werden. Wer den Gegner noch weiter treiben will, kann ihn auch zu einem Widerruf zwingen, also eine eigene Stellungnahme des Gegners, der öffentlich seine Aussage zurücknimmt. Das ist nicht im Wege einer einstweiligen Verfügung möglich, nur im Hauptsacheverfahren – aber bei Erfolg die Höchststrafe für denjenigen, der vorher aggressive Litigation-PR betrieben hat.

 

Strategische Auswirkungen auf den Prozess selbst

2. Weil Litigation-PR neue Kriegsschauplätze eröffnen kann, sind die strategischen Auswirkungen auf den eigentlichen Prozess zu berücksichtigen. Ein Beispiel: Ist in einem Rechtsstreit am Landgericht Köln eine Tatsache streitig und wiederholt die gegnerische Partei diese streitige Tatsachenbehauptung in einer Pressemitteilung, kann die betroffene Partei gegen diese Pressemitteilung vorgehen. Das geht auch vor einem anderen Gericht. Dann urteilt etwa das Landgericht Berlin über die Un-Wahrheit der streitigen Aussage. Da diese Verfahren regelmäßig Verfügungsverfahren sind, geht das auch schnell – mit der Folge, dass eine Entscheidung vorliegen kann, bevor die mündliche Verhandlung am Landgericht Köln – also im ersten Prozess – stattfindet.

Zwar ist das Landgericht Köln an die Berliner Entscheidung nicht gebunden. In komplexen Rechtsstreitigkeiten, in denen etwa das Gericht die Parteien zu einem Vergleich bewegen möchte, stellt eine bereits bestehende Entscheidung eines anderen Gerichts allerdings durchaus einen Vorteil dar.

 

Wenn Litigation-PR nach hinten losgeht

Wer den Litigation-PR betreibenden Gegner in einem solchen Zwischenverfahren juristisch besiegt hat, hat aber auch in der Öffentlichkeit einen taktischen Sieg errungen. Denn die Medien berichten natürlich über diese krachende Niederlage. Damit ist die von der Litigation-PR erhoffte positive Wirkung vollends verpufft.

 

Fazit: Der Schuss auf den Gegner mag wohl platziert sein – er landet gleichwohl im eigenen Knie, wenn man nicht aufpasst. Denn wer Litigation-PR nicht klug mit den medien-rechtlichen Anforderung verzahnt, kann ins Hintertreffen geraten und sich Gegenangriffen ausgesetzt sehen.

Außerdem: Nichts ist peinlicher als der öffentliche Angriff auf eine Partei, den man hinterher zurückziehen muss – das Ziel der Litigation PR wird in dem Fall durchkreuzt.

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Alle Kommentare [2]

  1. Interessanter WiWo-Gastbeitrag von RA Diesbach (NOERR) zur Litigation-PR und die Gefahr der Gegendarstellung. Er berücksichtigt leider nicht, dass es Teil der LPR-Strategie sein kann ein medienrechtliches Verfahren durch den Gegner zu provozieren, um im Zuge dieser Auseinandersetzungen an wertvolle, fallrelevante Informationen zu kommen.

  2. Das stimmt mit der Litigations PR. Aber wir unterscheiden zwei Arten der Litigations PR. Die normale und die Online Litigations PR. Diese betreiben wir bei Bedarf und hier gelten ganz andere Regeln. Es läuft viel ruhiger, stiller und leiser ab. Vielleicht schreiben Sie irgendwann einmal einen Artikel über Online Litigation PR. Würde mich freuen. LG Roger Taiber