CNN-Kultmoderator Richard Quest über die Olympischen Spiele in London – Gastbeitrag exklusiv für den Management-Blog

Richard Quest, Anchorman und Kultmoderator bei CNN

Gastbeitrag von Richard Quest exklusiv für den Management-Blog auf WiWo.de:

„Diese Woche kann ich beim besten Willen nicht neutral sein“

 

Bitte vergeben Sie mir, dass ich meine journalistische Unabhängigkeit dieses Mal über Bord werfen muss. Neutral kann ich heute beim besten Willen nicht sein und das Wort „unparteiisch“ hat diese Woche in meinem Wortschatz nichts verloren! Denn nach all dem Gejammer und den Beschwerden haben es die Briten geschafft, in London unglaublich großartige Olympische Spiele auszurichten, bei denen das Gastgeberland einen Rekord nach dem anderen bricht.

Kritische Stimmen meinten zuvor, London sei nicht in der Lage, all die unterschiedlichen Anforderungen zu meistern: Das U-Bahn-System würde unter dem ungewohnten Ansturm zusammenbrechen, die eigens für den Olympia-Verkehr eingerichteten Straßenspuren würden zu einem Verkehrschaos für die anderen Autofahrer führen und der Regen würde die Spiele davonschwemmen. Bis auf die Zehn Plagen aus der Bibel wurden eigentlich alle nur erdenklichen Gründe zu irgendeinem Zeitpunkt ins Feld geführt, wieso die Olympischen Spiele 2012 in London nicht erfolgreich werden könnten. (Selbst Mitt Romney wagte sich aus der Deckung und sagte im Vorfeld, er sei wegen der Organisation „beunruhigt“.)

 

Weniger Staus als normalerweise

Nun gut – eine Woche später zeigt sich, dass nichts von alledem eingetreten ist: Das Verkehrschaos ist ausgeblieben und es gibt weniger Staus als normalerweise. Zehntausende Zuschauer werden geordnet durch die Hauptstadt transportiert. Das Wetter hat (die meiste Zeit) ‚mit’gespielt und die Atmosphäre ist schlichtweg einzigartig. Und das Allerbeste: Das Gastgeberland Großbritannien holt eine Medaille nach der anderen. Am Samstag gewann das Team allein sechs Goldmedaillen an einem Tag − das ist das beste Ergebnis seit 1908.

Sicherlich sind in diesem Jahr einige Touristen der Stadt ferngeblieben, da sie die Befürchtung hatten, London sei zu überlaufen. Für manche Kritiker ist das eine wahre Katastrophe. Doch es war schon länger bekannt, dass manche Urlauber Städte meiden, in denen gerade die Olympischen Spiele abgehalten werden. Die Fluggesellschaft British Airways wies darauf in ihrem Jahresbericht im Februar hin:

„Der Verkehr könnte in diesem Sommer von den Olympischen Spielen beeinflusst werden. Während sich die Spiele langfristig gesehen positiv auf London als Reiseziel auswirken werden, deuten die Erfahrungen aus anderen Gastgeberländern in den vergangenen Jahren darauf hin, dass die Nachfrage während der Spiele zurückgehen könnte.“

 

Ein paar Touristen weniger

Der Trend, dass während der Spiele die typischen Urlauber ausblieben, wurde in Sydney oder Athen bereits beobachtet und dokumentiert. Na und! Langfristig gesehen ist es durchaus sinnvoll für eine Stadt, die Spiele auszurichten und dafür in Kauf zu nehmen, dass eine Saison lang ein paar Touristen weniger in die Stadt kommen. Und überhaupt − all denjenigen, die dennoch kamen, bot sich die beste Gelegenheit, die Stadt zu besichtigen. Meine Schwester und ihre Freunde, die aus Phoenix angereist waren, konnten sich die Kronjuwelen im Tower ansehen, ohne anstehen zu müssen. Außerdem besuchten sie ein paar großartige Shows in London und ergatterten auch noch beste Plätze.

Zu selbstgefällig soll das natürlich nicht klingen. Zweifelsohne leiden einige kleinere Geschäfte darunter, dass weniger Touristen als sonst in der Stadt sind. Vielleicht sollte die britische Regierung die 600 Millionen Dollar, die vom geplanten Etat für die Olympischen Spiele noch übrig sind, nicht einfach wieder an das Finanzministerium zurückzugeben, sondern lieber einen Teil dafür verwenden, Touristen in das Land zu locken. Aber das ist wohl eher unwahrscheinlich.

Nachdem wir jetzt die zweite Woche der Olympischen Spiele einläuten, ist weder auf Seiten der Stadt noch auf Seiten der Organisatoren Platz für Selbstgefälligkeit. Nächste Woche um diese Zeit werden Millionen Briten einen kollektiven Seufzer der Erleichterung ausstoßen und dabei ein leises „Jaaaaaa“ murmeln.

Ach, und übrigens: Besuchen Sie London. Wir brauchen Sie.

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