Ja wo stecken sie denn, die ungeahnten Talente im Unternehmen?

Das ist so was mit den Vorurteilen. Meist bemerkt man sie, wenn andere ihnen erliegen – und weniger man selbst. Manchmal aber erliegen ihnen die Menschen gruppenweise – und bemerken es nicht mal. Im Gegenteil, vielleicht nennt sich das dann sogar Firmenkultur – und man ist irgendwie stolz drauf.  Und will, dass sich Neulinge im Unternehmen an sie anpassen. Eins dieser einmütig gelebten Vorurteile in vielen Unternehmen ist jenes: Jeder Neue, der von aussen kommt, ist erst mal viel besser als die Kollegen, die schon an Bord sind. Das dauert freilich nicht so lange, der Lack des Neuankömmlings ist schnell ab und die allgemeine gegenseitige Geringschätzung erwischt auch ihn. Nur die wenigsten schaffen es, ihren Lack zu verteidigen und bewältigen den Durchmarsch in die Chefetage. Die anderen, die große Mehrzahl bekommt die Chancen nicht. Oft deshalb, weil die Überprüfung der schlummernden Fähigkeiten bei den Mitarbeitern nicht irgendwie institutionalisiert ist. Und dann unterbleibt´s eben. Die jährlichen Mitarbeitergespräche können das nicht leisten, sind sie doch fast überall eine Farce und inzwischen bei vielen Unternehmen nur noch dazu da, damit der Vorgesetzte sie der Unternehmensführung nachweisen und seine eigene Prämie ins Trockene retten kann. Um den Mitarbeiter und seine Perspektiven gehts dabei nie mehr. Er kann froh sein, wenn er keinen Vorgesetzten hat, der diese Jahresgespräche nicht nur als seinen eigenen Abrechnungsmoment benutzt. Als Möglichkeit einzuschüchtern, mit Vorwürfen zu überschütten und zu sticheln – damit der Mitarbeiter ja keine Gehaltserhöhung verlangt.

Jedes zweite Unternehmen ohne Talent-Management

Hierzu passt eine Untersuchung des Personaldienstleisters Robert Half mit dem Ergebnis: Jede zweite Firma in Deutschland hat kein Talent-Management-Programm, mit dem hausintern die potenziellen Führungkräfte identifiziert werden können – und am besten auch identifiziert werden.

Und das, obwohl sich der drohende Personalmangel aufgrund der Demographie schon seit zehn Jahren abzeichnet.

Dabei: „Unternehmen müssen bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern mit Führungsqualitäten nicht in die Ferne schweifen, denn oft schlummern ungeahnte Talente innerhalb der Firma“, weiß Sven Hennige, Managing Director Central Europe von Robert Half International. „Umso wichtiger ist es, einen Talentpool aufzubauen, um vielversprechende Kandidaten rechtzeitig zu erkennen und sie zu Führungspersönlichkeiten auszubilden.“ Hätte es doch den Vorteil, dass man sich nicht auf Experimente mit neuen Mitarbeitern einlassen und weniger Headhunterhonorare zahlen zu müssen. Und, was erst seit maximal einem Jahr von den Unternehmen als Problem erkannt wird: Dass ihnen weibliche Führungskräfte fehlen zwecks Erfüllung der Quote. Obwohl sie möglicherweise genug geeignete Frauen in der dritten, vierten Ebene haben, die sie aber – vermutlich unbewusst – versauern lassen. Das sind auch Vorurteile. Denn stoisch quaken sie im Chor: „Die Frauen fehlen, die Frauen wollen gar nicht in Führungspositionen, weil sie lieber bei den Kindern zuhause bleiben“. Dass jede zweite Frau tatsächlich kinderlos bleibt, fällt ihnen dabei gar nicht auf. Und wieviele Frauen es gibt, die erlernt haben, sich nicht vorzudrängeln und Verantwortung nur zu übernehmen, wenn sie dazu aufgerufen werden, schon dreimal nicht. Diesen Vorurteilen könnte ein gut gemachtes Programm den Garaus machen und helfen, wach zu küssende Dornröschen im letzten Winkel der Firma, oben im Turm zu finden.

Doch diese Fehl-Vorurteile, dass man auch etliche möglicherweise durchaus fähige Leute längst im Hause hat, sie aber nicht in die Nähe der Ruder kommen lässt, gesteht man sich eben auch nicht so gerne ein.

Mitarbeiter als Kaugummi unter der Schuhsohle

Und das wiederum ist nur konsequent und entspricht ohnehin der verbreiteten Firmen-Geisteshaltung, dass die eigenen Mitarbeiter nur Kostenfaktoren sind, die man leider ebenso schlecht los wird wie ein Kaugummi unterm Schuh. Daraus resultiert denn auch die unerfüllte Sehnsucht nach Respekt, Anerkennung und Lob ihrer Vorgesetzten, den die meisten Angestellten etlichen Umfragen zufolge haben.

Zumal: Wie oft klagen Angestellte, dass ihre wahren Potenziale vom eigenen Arbeitgeber überhaupt nicht wahrgenommen werden und sich niemand für ihre Fähigkeiten interessiere, die im Unternehmensalltag bei ihren derzeitigen Aufgaben so gar nicht zum Tragen kämen. Alle Managementansätze, derlei Fähigkeiten planmässig im Unternehmen zu erfassen, sind irgendwann, spätestens vor zehn, fünfzehn Jahren endgültig verebbt. Auditings wurden kein Renner in der Produktrange der Resonalberater. Die Flut, die die Unternehmen dann erreichte, war die der Kosten-Spar- und Entlassungswellen, vom Halten-Wollen der Mitarbeiter war nicht mehr die Rede.Ging es doch nur noch ums Loswerden, um sozialverträglichen Mitarbeiterabbau, edler ausgedrückt. So für die TV- und Radionachrichten. Gemeint war übrigens, auf Kosten der Allgemeinheit und des Steuerzahlers. Aber das überdeckte der Stempel „sozial“ trefflich.

Erkannt haben dies die Urheber der Arbeitgeber-Rankings. Für die nämlich legen sich manche Unternehmen ganz schön ins Zeug, um darin eine gute Figur zu machen – und die überreifen (in die innere Emigration geflüchteten) Angestellten von der Konkurrenz nur noch abpflücken zu müssen. Die warten nur darauf, in neuer Umgebung mit mehr Wertschätzung, ihrem Leben neuen Sinn zu geben. Denn, so verkündete eine andere Studie der vergangenen Tage: Die allermeisten Arbeitnehmer lieben ja ihren Job.

  www.roberthalf.de/Presse

 Quelle: Robert Half, Workplace Survey 2011

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Das von Ihnen oben genannte Problem ist heutzutage zumindest teilweise relativ einfach zu lösen. Ein intelligenter Talent Pool sammelt nicht nur die Talente, sondern fragt auch regelmäßig Informationen über sie ab. Wenn jedes Talent in der Talent Pool Software ein eigenes Profil mit ausführlichen Daten zu Fähigkeiten, Kenntnissen und Qualifikationen hat, dass jedes Talent / jeder Mitarbeiter regelmäßig auf dem Laufenden hält, haben Personaler einen viel besseren Einblick in den aktuellen Personalbestand und entdecken so unter Umständen auch Mitarbeiter für andere Tätigkeitsbereiche neu.

    Einen solchen intelligenten Talent Pool bietet IntraWorlds – eine detailliertere Erklärung finden Sie hier: https://www.intraworlds.de/talent-pool-software