Die Qualität der Mitarbeitergespräche, die Führungskräfte mit ihren Leuten führen – oder führen sollen – sind oft lausig. Über die Hälfte der Beschäftigten berichten, dass „die Weiterentwicklung ihrer individuellen Kompetenz von den Chefs selten oder nie thematisiert werden“, ergibt eine Untersuchung der Personalberatung Rochus Mummert aus München. http://rochusmummert.com/start Bei jedem zweiten Mitarbeiter liegt das letzte Personalgespräch mehr als zwölf Monate zurück.
Im Klartext: Da setzt sich ein Vorgesetzter hin mit seinem Mitarbeiter – einmal im Jahr, vom Mitarbeiter mit hohen Erwartungen herbeigesehnt und nutzt nicht die gute Gelegenheit, sondern verplättet ihm eins. Tuns sie das nicht, so nutzen sie nur die Gelegenheit, um dem Mitarbeiter die Abteilungsziele vorzukauen, die der ohnehin längst kennt.
Wenn das die Unternehmenslenker so genau wüssten, was ihre Mittelmanager da anrichten, wäre womöglich der Teufel los. Konterkarieren sie doch alle guten Absichten mindestens von der der Personalabteilung. Was ist der Zweck von den Personalgesprächen der neuen Art?
Der Mitarbeiter soll im Unternehmen eine Perspektive bekommen, er soll aufgezeigt bekommen, wie und ob und wohin er sich weiterentwickeln kann in der Firma inklusive Aufstiegsmöglichkeiten. Er soll an die Firma gebunden werden – gerade in Zeiten drohender Personalknappheit wegen der Demographie und in Zeiten des Facharbeitermangels. Und beide Beteiligten sollen ausloten, welche Potenziale ein Mitarbeiter noch hat – die der Firma nutzen können, aber die er noch nicht einbringt oder einbringen kann.
Die frohe Erwartung des Mitarbeiters: Es geht um mich
Und: Der Mitarbeiter erwartet eine Gehaltserhöhung. Schließlich ist der Aufschwung in den Belegschaften nicht angekommen, im Zehn-Jahresvergleich haben sie real Einkommensverluste hinnehmen müssen. Weil´s der Firma doch so schlecht ging undundund. Was findet stattdessen in Personalgesprächen statt? Etwaige Leitfäden der Personalabteilung werden ignoriert und die Mitarbeiter bekommen – wenn´s ganz schlecht läuft – eine eiskalte Dusche. Läuft´s so halbwegs: Kommen sie ungeschoren raus, aber jedenfalls ohne ein neues Ziel, das realistisch und machbar ist und wobei sie belohnt würden.
Da gehen große Banken hin und schreiben – ohne den Mitarbeiter beim Aufsetzen der Zielvereinbarung zu beteiligen – in die individuelle Zielvereinbarung Dinge wie die allgemeine Konjunktur und wie sie dann aussehen soll. Oder dass das ganze Team ein bestimmtes Ziel erreichen soll – was der einzelne wieder gar nicht bewerkstelligen kann. Undsoweiter.
Dann die Enttäuschung: Es geht ganz und gar nicht um mich
Unterschreibt der Mitarbeiter diese Ziele – die vergleichbar sind mit Sätzen wie: ich mache, dass es morgen in drei Wochen regnet – gibt´s Theater. Dann wird er einbestellt zum nächsthöheren Chef, ob man denn etwa die Ziele seine Firma infrage stellen wolle.
Andere Vorgesetzte nutzen die Gelegenheit, selbst gut vorbereitet, eine Vorwürfe-Arie zu inszenieren. Plötzlich bekommt der Mitarbeiter unerwartet – er wollte ja in die Zukunft schauen – irgendwelche einzelnen, womöglich lässlichen Fehler oder auch richtige Pannen zu saldieren: und die sind plötzlich das einzige Thema der Veranstaltung.
Die Absicht ist durchsichtig: Endlich mal wieder klar stellen, wer der Herr im Hause ist, wo der Hammer hängt und vor allem keine Gehaltserhöhung versprechen. Das Dumme an solchen üblen Manieren ist: Wer jahrelang als Vorgesetzter so verfährt, züchtet bei den Mitarbeitern die Haltung: Sie sind froh, sie müssen nicht zum Zielgespräch. Der Chef hat dann Zeit gespart, aber die Firma einen illoyalen Mitabeiter mehr. Und eine Gehaltserhöhung wurde auch gespart. Und raten sie mal, was aus Unternehmenslenker-Sicht am Ende das Wichtigere ist?
Fazit: Vorgesetzte haben schuld, wenn die Leistungsträger der Firma den Rücken kehren – mangels Wertschätzung und Perspektiven
Die Folge laut Rochus-Mummert-Studie: die besten Mitarbeiter verlassen das Unternehmen zuerst. Angesichts „des sich verschärfenden Mangels vor allem bei Führungskräften mit technischer oder naturwissenschaftlicher Ausbildung kann somit ein selbstverschuldeter Verlust an Arbeitgeberattraktivität sehr schnell zu einer kritischen Situation führen“, urteilt Berater Hans-Joachim Maar. Denn: „Vor allem Leistungsträger reagieren auf fehlende Wertschätzung und mangelnde Perspektiven mit einem Loyalitätsabbau gegenüber ihrem Arbeitgeber“. (Maar) Immerhin glauben rund 40 Prozent der Beschäftigten, dass ihr Vorgesetzter nicht weiß, wie wichtig sie für das Unternehmen sind. Nach all den Entlassungsrunden der vergangenen Jahre können so viele Mitarbeiter heute nicht mehr überflüssig sein, in den schlanken Unternehmen, die so profitabel arbeiten.
Lese-Tipp:
Lars Reppesgaard schrieb schon im „Handelsblatt“ im Ressort „Management & Karriere“ dass Jahresgespräche eine Farce und für Vorgesetzte nur eine leidige Pflicht sind: http://public.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/orga/Gruber/55_04_2006-05-12_Artikel_MAG.pdf
http://www.wiwo.de/management-erfolg/jahresgespraeche-sind-meist-eine-farce-110393/