Jüngere Mitarbeiter können soviel Urlaub beanspruchen wie die Älteren – wenn´s im Tarifvertrag eine Altersstaffelung gibt

Schon wieder eine Supermarktkassiererin mit eisernen Nerven: Die letzte – mit Namen Emmily – hatte sich ihren Arbeitsplatz zurück erobert, indem sie bis in die höchste Instanz zog. Seitdem segnen die meisten deutschen Richter keine Kündigungen mehr ab, die wegen Quisquilien erfolgen. Oder besser, wo Quisquilien herhalten sollen für Kündigungen von Menschen, die schon lange Jahre bei diesem Unternehmen unbeanstandet gearbeitet haben. Weil sie irgendein Elektrogerät an der Steckdose in ihrer Company aufluden – im Gegenwert von 0,07 Cent oder liegen gebliebene Bons für gut einen Euro einlösten.

Mitarbeiter erarbeiten sich über die Jahre einen Credit

Denn, so die Richter, diese Menschen haben sich über die Jahre eine Credit erarbeitet. Und der zählt vor Gericht – anders als im Unternehmensalltag. Da kommt ein neuer Chef und alle Mitarbeiter gehen zurück auf „Los“. Was der einzelne zuvor an unbezahlten Überstunden oder anderen Brandeinsätzen geleistet hat – vergessen. Heute ist heute und morgen ist morgen- Ein Zurückblicken mit Dankbarkeit gibts nicht mehr, die goldene Uhr zum 25. Dienstjubiläum ist aus der Mode gekommen – und oft gibts nicht mal eine Todesanzeige von der Firma oder einen Kranz aufs Grab. Selbst solche Rituale sind dem Sparwahn der meisten Unternehmen zum Opfer gefallen. Signalwirkung? Egal.


Ältere und Jüngere sollen gleichbehandelt werden, auch bei der Zahl der Urlaubstage

Doch zurück zum Fall vom Niederrhein: Die 24-jährige Kassiererin Sandra Hasterok wollte ebensoviel Urlaubstage wie ihre ältere Kollegin, weil sie sich diskriminiert fühlte und aufs Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – AGG – und die entprechende EU-Richtlinie berief. Und sie gewann vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Aktenzeichen 8 Sa 1274/10): Unabhängig von Geschlecht, Religion oder Alter müssen sie gleichbehandelt werden.
Ausnahme: „ein legitimes Ziel im Tarifvertrag“ rechtfertige eine Ungleichbehandlung – das gab es aber im konkreten Fall nicht.

Die Folgen sind, so erklärt Hans-Peter Löw, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Hogan Lovells:
– Jeder einzelne Mitarbeiter hat einen Anspruch auf die höchste Zahl der Urlaubstagestaffelung im Tarifvertrag – ganz egal, wie alt er ist.
– Dieses Urteil gilt zwar zunächst direkt nur für diesen einen Tarifvertrag – aber weil alle Tarifverträge sehr ähnlich sind, würden sie nicht anders beurteilt werden, kämen sie ebenfalls vors Gericht.
– Für 2010 können Arbeitnehmer noch entsprechend mehr Urlaubstage verlangen nachträglich, auch wenn sie eben nicht die Altersgrenze für die nächste Staffelung erreicht haben.

Umgekehrt kommt auf Unternehmen jetzt Folgendes – so Arbeitsrechtler Löw – zu: Sie sollten schon mal Rückstellungen bilden. Denn Arbeitnehmer können jetzt ein Upgrade in die höchste Staffelung verlangen. Auch wer erst Anfang 20 ist, kann – statt 30 Tagen – dieselbe Zahl von Urlaubstagen verlangen wie der Kollege mit 31 Jahren, also 36 Urlaubstage.

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