Die Managementmethode Kontinuität und Geduld

„Ja keine Schnellschüsse, lieber langsam starten“
Wie der Unternehmer Heiner Finkbeiner die Traube-Tonbach so groß machte und nun seine Söhne an Bord des Luxus-Hotels holt.

Keine zwölf Quadratmeter groß ist das Arbeitszimmer von Heiner Finkbeiner – dem Chef der Traube-Tonbach, dem Fünf-Sterne-Hotel mit seinen 300 Mitarbeitern. Aus Bescheidenheit? Sicher auch – doch das Mini-Zimmer hinterm Empfang des alten Stammhauses hat vor allem strategische Vorteile. Von da aus nämlich kann der 61-Jährige zentrale Punkte seines kleinen Imperiums am Ende des Tonbachtals im Südschwarzwald ganz unauffällig überblicken: Die zwei Hoteleingänge, die Zugänge zu den vier Restaurants, die Anfahrt, die Lieferantenauffahrt, die Mercedes-Hybrid-Limousinen für Gäste zur Probefahrt und vieles mehr. Einer seiner 100 Traube-Azubis witzelte in einer Rede bei der Weihnachtsfeier: “Wann immer man an irgendeiner Ecke der Traube eine Schublade aufzieht, kann man sicher sein, Herr Finkbeiner sitzt schon drin.“
So anstrengend für den Hotelier diese Präsenz sicher ist, so sehr lohnt sich für ihn. Intern wie extern: Ob es bei den Baden-Badener Medientagen ist oder 700-Jahre-Audi-Feier mit 800 Gästen, wo sein Unternehmen kürzlich das Catering verantwortete. Oder wenn die Bayerische Landesregierung 500 Leute zum Empfang lädt, den die Traube ausrichtet. Jeden Abend patrouilliert der Patron in seinen vier Restaurants – der Köhlerstube, der Bauernstube, dem Silberberg oder dem Aushängeschild, der Schwarzwaldstube. Tagaus tagein geht er an jeden einzelnen Tisch und begrüßt sämtliche Gäste. Um es zu hören, wenn doch mal etwas irgendwo im Haus nicht rund läuft. Wenn die Rezeption vom Schönheitssalon, dem Vital Resort, mal unbesetzt war, ein Mitarbeiter zu langsam oder eine Reservierung nicht schnell genug beantwortet wurde.
Schließlich hat Finkbeiner eine Spitzenposition zu verteidigen, und das nicht nur mit dem Aushängeschild des Hauses, der Schwarzwaldstube. Sie ist das Refugium von Harald Wohlfahrt, der seit über 15 Jahren als bester Koch Deutschlands in sämtlichen Führern anerkannt ist – und als einer der weltbesten. Sein Restaurant mit nur elf Tischen hat die meisten Gault-Millau-Punkte in Deutschland (19,5 von 20 möglichen). Und nicht nur er, auch die anderen Mitarbeiter von Finkbeiner sind Vollprofis und preisgekrönt in ihrer Szene: Etwa der Sommelier Stéphane Gass und Barkeeper Bernhard Stöhr.
Durch die Medien-Präsenz von Wohlfahrt wurde auch die internationale Gourmetpresse längst auf den bodenständigen Schwaben aufmerksam, der ebenso bescheiden auftritt wie sein Chef. Internationales Renommee ist die Folge: 25 Prozent der Traube-Gäste kommen heute aus Frankreich, Luxemburg, Belgien oder den USA. Wer bei Wohlfahrt am Wochenende essen will, muss mit neun Monaten Wartezeit rechnen. Schließlich brachte er mehr als 44 weitere Michelin-Sterne und Spitzenköche wie Christian Bau von Schloss Berg in Perl-Nennig oder Thomas Bühner vom La Vie in Osnabrück hervor, die ihrerseits Wohlfahrts Ruf mehren.
220 Jahre ist die Traube heute alt, Heiner Finkbeiner und seine Frau Renate führen sie in siebter Generation seit 32 Jahren – und haben es stetig vergrößert. Aus dem Gasthaus von Onkel Willi mit 28 Betten machten die Eheleute das Fünf-Sterne-Haus mit 300 Betten und 24 Mill. Euro Netto-Umsatz. Umso erstaunlicher, wie der Restaurantführer Gault Millau „die Herzlichkeit der Inhaber“ lobt sowie ihr „rastloses Perfektionsstreben und die liebenswürdige Natürlichkeit, die im Dienstleistungsgewerbe so rar ist wie eine Perle in der Auster“.
„Eine Benchmark“ für die Branche nennt es Gerhard Stephan, Gastronomiespezialist und Chef der Münchner Unternehmensberatung Treugast. Und das Haus mit seinen Restaurants, den zwei Hotels und dem Cateringzweig auf dem Niveau zu halten, das Kunststück müssen nun die Finkbeiner-Söhne Matthias und Sebastian in den Griff bekommen. Beide stiegen im vergangenen Herbst ins Familienunternehmen in die Geschäftsleitung ein. Die Töchter stehen dafür nicht an: Antonia arbeitet bei einer Werbeagentur in München, Maximiliane, drückt noch die Schulbank. Doch Weihnachten, da nehmen sie alle zusammen traditionell an der Weihnachtsfeier im Hotel mit den Gästen teil. Auch sie marschieren mit den Partnerinnen der Söhne und Enkelkind Philippa im Tross an jeden Tisch und schütteln jedem der 300 Gäste die Hand – eben wie es sich für ein Familienunternehmen gehört.
An normalen Abenden übernehmen jetzt schon mal Matthias und Sebastian das väterliche Ritual. Dabei wollte der ältere, Mathias, 32, eigentlich mal Pilot werden. Aber mit seinen 2,03 Meter ist er dafür zu groß. Stattdessen absolvierte er eine Kochlehre im Brenners Parkhotel in Baden-Baden, arbeitete im Berliner Adlon sowie im The Lowell Hotel in New York – auch in der Luxuskategorie –, und absolvierte ein Studium in Bad Honnef zum Diplombetriebswirt mit Schwerpunkt Hotellerie. Ähnlich wie Sebastian, 29, der im Nassauer Hof im Wiesbaden lernte, im Tantris in München, in Irland und Australien arbeitete. In Bangkok machte er ein Managementtraining und ging auch nach Bad Honnef. Das Interessante: Schon da teilten sich die Brüder eine Wohnung – und probierten schon mal aus, wie gut sie miteinander auskommen.
Der Testlauf ging gut aus. Wer mal welchen Bereich übernimmt, das steht noch in den Sternen. Fest steht aber, dass sie auch als Söhne des Hauses Direktor Jan Kappler unterstellt sind – und erst mal kleine Brötchen backen müssen. darum bemühen sich beide redlich. Sie sprechen voll Respekt von dem Lebenswerk ihres Vaters Heiner, seinem Erfolg – und haben seine Devise verinnerlicht: „Ja keine Schnellschüsse, lieber langsam starten.“
Einen Zeitplan gibt es nicht, ein bis zwei Jahren sollen sie erst mal alle Abläufe und Details kennen lernen. Erst dann werden Hauptverantwortlichkeiten geklärt. Wer moderiert bei Differenzen? Renate Finkbeiner als Ehefrau und Mutter, die auch für das gesamte Styling zuständig ist. Und da wird Patron Finkbeiner gar pathetisch: „Sie ist unsere Sonne.“ Einig sind sich die drei Finkbeiner-Männer über eins: „Egal was kommt, der Familienfrieden darf nicht gefährdet werden.“
Was das Geheimnis des Erfolgs der Traube ist? Berater Gerhard imponiert die Kontinuität und Weitsicht von Heiner Finkbeiner, aber vor allem dessen „extreme Bescheidenheit und Zurückhaltung“. Fast menschenscheu wirkte er anfangs, erinnert sich Gerhard. Allein deshalb habe ihm die Branche seine spätere Leistung, die Expansion in solche Dimensionen, gar nicht zugetraut: „Ohne spektakuläre Aktionen, ohne das Haus neu aufzustellen, nur mit kontinuierlicher Weiterentwicklung des Unternehmens,“ lobt er. Schließlich sei die Traube jedes Jahr gewachsen, ohne eine Delle und habe auch heute trotz Krise kaum Rückgang. Ein Teil des Erfolgsgeheimnisses ist der hohe Anteil an Stammkundschaft, analysiert Gerhard. Die werde gehegt und gepflegt und mache – was untypisch für die Fünf-Sterne-Gastronomie ist – kein Hotel-Hopping. „Die Klientel ist anspruchsvoll und diese Ansprüche werden erfüllt,“ urteilt der Gastro-Experte.
Über 1 000 Bewerbungsgespräche werden hier jährlich geführt. Wer hier sein Handwerk gelernt hat, kann überall unterkommen. So unauffällig Hotelunternehmer Finkbeiner in der Branchenöffentlichkeit ist, so sehr ist er fixiert auf sein Unternehmen. Und auch in dem Punkt treten beide Söhne in seine Fußstapfen. Und deren Pläne? Der weiter Markenausbau, etwa mit einer Traube-Tonbach-Produktlinie mit Salzen und Soßen. „Und Expansion mit einem weitern Hotelobjekt – aber nicht im Tonbachtal, da ist kein Platz mehr“, sagt Finkbeiner. Mehr will er noch nicht verraten.

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