Ein Facebook-Klick auf „Gefällt mir“ und schon gefeuert?

Arbeitsrechtler hatten es seit längerem erwartet, jetzt ist es eingetreten. Die ersten deutschen Arbeitnehmer haben wegen Aussagen auf Facebook Probleme mit ihrem Arbeitgeber bekommen. Innerhalb von 24 Stunden wurden gleich zwei Fälle, bei der Daimler AG und der Frankfurter Rundschau, publik. Dies dürfte jedoch erst der Anfang sein. In Zukunft werden sich Anwälte und Arbeitsrichter ausgiebig mit Facebook, studiVZ und Co. beschäftigen müssen.

Was war geschehen?

Der Daimler-Fall – Ins Personalbüro nach Klick auf den „Gefällt mir“-Button

Zuerst traf es die Daimler AG. Im Zusammenhang mit dem Streit um das Stuttgart 21-Projekt hatten Daimler-Mitarbeiter die Facebook-Gruppe „Daimler-Kollegen gegen Stuttgart 21″ gegründet. Ein Gruppenmitglied bezeichnete in einem Beitrag den Daimler-Chef Dieter Zetsche gemeinsam mit Angela Merkel und Stefan Mappus als „Spitze des Lügenpacks“. Fünf andere Daimler-Mitarbeiter klickten daraufhin den „Gefällt-mit-Button“, eine Facebook-Option, um zuzustimmen – mit Namensnennung und auch für andere Facebook-Mitglieder erkennbar, weil es eine öffentliche Facebook-Gruppe war. Dies wurde den dort postenden Mitarbeitern zum Verhängnis.

Die Unternehmensleitung bekam Wind von der Sache und die Personalabteilung bestellte die fünf Mitarbeiter zum Rapport in die Personalabteilung ein. Nach Aussage eines Daimler-Sprechers wurden sie aber lediglich auf die Verhaltensrichtlinien von Daimler hingewiesen. Abmahnungen oder gar Kündigungen gab es nicht. Damit war der Fall jedoch für Daimler – und die Mitarbeiter – nicht ausgestanden. Ausgerechnet die Marxistisch Leninistische Partei Deutschland machte den Vorfall publik. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer über Netzwerke wie Facebook, Twitter & Co. und lief schließlich über die Nachrichtenagenturen. Besonders erbost kommentiert wurde, dass die Facebook-Gruppe kurz nach dem Vorfall „verschwand“. Die meisten Kommentare machten dafür Daimler verantwortlich, sprachen von „Zensur“. Ob Facebook auf Intervention von Daimler oder der Gruppen-Moderator sie gelöscht hatte, ist nicht bekannt.

Der „Frankfurter-Rundschau“-Fall – Betriebsratsvorsitzender nennt Streikbrecher „Abschaum“ und „Wichser“

Mitten in die Diskussion über den Daimler-Fall platzte die Nachricht vom zweiten Facebook-Fall des Tages. Nunmehr betraf es einen Mitarbeiter der „Frankfurter Rundschau“ – die Zeitung befindet sich einem schmerzhaften Restrukturierungsprozess, der auch zu Streiks geführt hat. Deshalb hatten Mitarbeiter die offene Facebook-Gruppe „Rettet die Frankfurter Rundschau“ gegründet. Dort beschimpfte der Betriebsratsvorsitzende (BR) der „Frankfurter-Rundschau“- Streikbrecher als „Abschaum“ und „Wichser“. Auch wenn der Kommentar nach kurzer Zeit gelöscht wurde, war es bereits zu spät. Die Nachricht über Ausfälle des BR-Vorsitzenden hatte sich bereits im Netz verbreitet. Der Betriebsratsvorsitzende zog die Konsequenzen und trat von seinem Amt zurück. Ob die Sache damit für ihn ausgestanden ist, wird sich zeigen. Der Inhaber der „Frankfurter Rundschau“, der DuMont-Verlag, prüft arbeitsrechtliche Schritte, hieß es

Beide Fälle haben für Diskussionen im Netz gesorgt und für Arbeitnehmer etliche Fragen aufgeworfen. Was dürfen Angestellte auf Facebook & Co. Tun, ohne ihren Job zu gefährden? Zum Beispiel:

Kann man wegen eines Klicks auf den „Gefällt mir“-Button seinen Job verlieren?

Im Extremfall – ja. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wer den Arbeitgeber beleidigt, muss mit Konsequenzen rechnen, egal ob er die Beleidigung auf dem Büroflur oder auf Facebook äußert. Selbst wenn der Mitarbeiter den beleidigenden Kommentar nicht selber verfasst hat, sondern nur den „Gefällt mir“- Button auf Facebook aktiviert, kann dies eine Beleidigung des Arbeitgebers darstellen. Zum Beispiel:

Stellen wir uns vor, der Urheber der Beleidigung im Daimler-Fall hätte nicht auf Facebook gepostet, sondern auf ein Blatt Papier geschrieben „Dieter Zetsche ist die Spitze des Lügenpacks“ und diese Aussage unterschrieben. Wenn nun ein weiterer Daimler-Mitarbeiter seine Unterschrift unter den Text setzt, macht er sich die Beleidigung zu eigen – und heißt sie gut. Er beleidigt also auch. Nichts anderes passiert durch den Klick auf den „Gefällt-mir“-Button, es geht nur schneller. Er hat zur Folge, dass Facebook den Namen des klickenden Nutzers samt der Aussage „Gefällt mir“ unter den Beitrag setzt. Netterweise fügt das soziale Netzwerk auch ein „Daumen hoch“-Symbol hinzu und macht den Umstand, dass dem Nutzer der Beitrag gefällt auch noch auf dessen Pinnwand publik. Einer schnellen Verbreitung im sozialen Netzwerk steht also nichts mehr entgegen.

Eine Ermahnung ist so etwas wie eine Gelbe Karte

Sieht der Arbeitgeber nun das „Gefällt mir“ solche einer Beleidigung, dürfte meist eine Abmahnung oder zumindest eine – weniger gefährliche – Ermahnung die Folge sein. Die Ermahnung hat arbeitsrechtlich keine Relevanz und soll nur dem Mitarbeiter seine Pflichten vor Augen führen. Das wollte man bei Daimler. Die Mitarbeiter hätten sich aber nicht beschweren können, wenn Daimler schärfer reagiert hätte, etwa mit einer Abmahnung. Den eigenen Vorstandsvorsitzenden als Teil des „Lügenpacks“ zu bezeichnen ist nicht etwa von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern stellt eine Pflichtverletzung des Arbeitsvertrags dar. Kommt es zu einer Abmahnung, kann der Arbeitgeber im Wiederholungsfall versuchen, eine Kündigung auszusprechen. Hier ist also Vorsicht geboten, es handelt sich sozusagen um die „gelbe Karte“. Bei besonders schweren Beleidigungen ist auch eine fristlose Kündigung nicht auszuschließen.

Der klassische Fall: Wenn Arbeitnehmer das Götz-von-Berlichingen-Zitat verwenden. Hier gibt es etliche Urteile der Arbeitsgerichte, die daraufhin sogar schon fristlose Kündigungen bestätigten.

Was sollten Arbeitnehmer auf Facebook vermeiden?

Neben

# Beleidigungen sollten selbstverständlich auch

# unangemessene Aussagen über Kollegen und Kunden

unterlassen werden.

Ein Mitarbeiter sollte seinem Unmut über „nervige“ Kunden zum Beispiel nicht via Twitter Luft machen. Auch Witze oder Satire über Kollegen gehört nicht ins Internet. Gleiches gilt für vertrauliche Firmen-Interna. Facebook mit über 700 Millionen Nutzern ist sicherlich nicht der richtige Ort, um die neue geheime Sales-Strategie zu diskutieren. Ebensowenig Insiderinformationen. Der bevorstehende Erwerb eines Konkurrenzunternehmens oder die geplante Abberufung des Vorstands darf vor der Veröffentlichung der Information nicht auf der Facebook-Pinnwand eines Mitarbeiters auftauchen.

Wie können sich Arbeitnehmer schützen?

Grundsätzlich muss gelten: Besser zweimal prüfen, bevor man „postet“. Hat man doch einmal den „Gefällt mir“ Button unter dem beleidigenden Beitrag gedrückt oder zuviel über die bevorstehende Unternehmensfusion erzählt, kann man noch versuchen, das „Gefällt mir“-aufzuheben („Gefällt mir nicht mehr“ klicken) oder den Beitrag zu löschen. Hier muss man jedoch sehr schnell sein. Vorsorglich sollten zudem die Privacy-Optionen ausgeschöpft werden, um fremden Zugriff auf eigene Beiträge einzuschränken. Beiträge sollten nur Freunden sichtbar sein und zudem die Facebook-Option „Profil aus Google-Suche herausnehmen“ aktiviert werden. So wird das Profil für Google „unsichtbar“. Vor allem bei Kommentaren in offenen Gruppen und auf der Pinnwand von Freunden ist aber Vorsicht geboten. Hier verbreiten sich Aussagen rasend schnell. Ein Fehltritt kann verhängnisvoll sein.

Auch Unternehmen sollten das Problem ernst nehmen. Umsichtige Arbeitgeber schaffen bei ihren Mitarbeitern Problembewusstsein und weisen auf die Risiken unbedachter Aussagen im Netz hin. Am besten durch eine Social-Media-Richtlinie beziehungsweise eine entsprechende Betriebsvereinbarung. Daimler hat zum Beispiel einen Social-Media-Leitfaden mit Tipps http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1895106_Social_Media_Leitfaden_Final.pdf veröffentlicht.

Im Internet finden sich zudem zahlreiche lesenswerte Hinweise zum korrekten Verhalten im Netz. Einen kurzweiligen Ansatz hat der Verfasser des Beitrags „Drei Tipps, die Oma geben würde, wenn sie schon Social Media gekannt hätte“, gewählt (http://karrierebibel.de/drei-tipps-die-oma-geben-wurde-wenn-sie-schon-social-media-gekannt-hatte/).

Facebook am Ende als PR-Fiasko?

Unternehmen sollten im eigenen Interesse Vorsorge betreiben. Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern wegen Kommentaren in sozialen Netzwerken können binnen kürzester Zeit über Facebook, Twitter und Co. publik werden und in den Medien landen. Das Risiko ist, dass dabei der Sachverhalt einseitig dargestellt oder verdreht wird. Die Abmahnung eines Mitarbeiters wegen eines Facebook-Kommentars kann somit zu einem PR-Fiasko für das Unternehmen werden. Die Grundregel: Mit Augenmaß agieren und nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Kommt es aber zu eindeutigen Beleidigungen, muss ein Unternehmen handeln und Grenzen aufzeigen. Dies ist einfacher, wenn es zuvor solche Grenzen, etwa durch eine Social-Media-Richtlinie, vorgegeben hat.

Dürfen Arbeitgeber überhaupt anschauen, was ihre Arbeitnehmer auf Facebook tun?

Hier herrscht noch große Rechtsunsicherheit. Es ist bisher nicht gerichtlich geklärt, ob ein Arbeitgeber Informationen, die er auf Facebook, studiVZ oder myspace gefunden hat, vor Gericht überhaupt als Beweis zu Felde führen darf. Erst kürzlich ging ein Fall des Arbeitsgerichts Düsseldorf zu Beweisverwertungsverboten durch die Presse: Ein Düsseldorfer Brauhaus hatte Mitarbeiter entlassen, weil es ihnen vorwarf, ausgeschenkte Biere nicht korrekt abgerechnet zu haben. Als Beweis dienten Videoaufnahmen, die der Arbeitgeber heimlich im Ausschankraum gemacht hatte. Das Arbeitsgericht lehnte eine Verwertung der Videoaufnahmen jedoch wegen eines Beweisverwertungsverbotes ab und der Arbeitgeber verlor den Kündigungsschutzprozess.

Auch bei einer Beleidigung des Arbeitgebers auf Facebook droht ein solches Beweisverwertungsverbot, wenn die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers verletzt werden. Hier werden sich die Gerichte genau ansehen müssen, in welchem Zusammenhang die Aussage erfolgte und wie der Arbeitgeber Zugriff erlangte. Erfolgt der Kommentar im Rahmen einer Unterhaltung mehrerer Facebook-Freunde auf der „Pinnwand“ eines privaten Facebook-Profils, sind ein Eingriff in die Privatsphäre und ein Beweisverwertungsverbot naheliegend. Gleiches gilt, wenn sich der Arbeitgeber unter falscher Identität als vermeintlicher „Freund“ des Mitarbeiters Zugriff zur privaten Pinnwand erschleicht. Bei Kommentaren in offenen Diskussionsgruppen handelt es sich demgegenüber kaum um private Aussagen.

Gesetzliches Facebook-Verbot für den Arbeitgeber?

Wahrscheinlich wird der Gesetzgeber hier in Kürze Klarheit schaffen. Sollte der gerade im Bundestag verhandelte Entwurf für das Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz (BDSGE) in der bisherigen Form verabschiedet werden, wird ein „Facebook-Verbot“ für Arbeitgeber in Kraft treten. Das BDSGE sieht explizit vor, dass Arbeitgeber auf verfügbare Informationen in sozialen Netzwerken wie Facebook oder studiVZ grundsätzlich nicht zugreifen dürfen. Übertragen auf die vorliegenden Fälle bedeutet dies, dass weder Daimler noch die FR auf Facebook-Seiten recherchieren dürften, ob Arbeitnehmer den Arbeitgeber oder andere Mitarbeiter beleidigt haben. Tun sie es dennoch, müsste ein Beweisverwertungsverbot sie schützen

Unabhängig davon, ob gesetzliche Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer auf Facebook verabschiedet werden, sollten Arbeitnehmer im Netz stets mit Umsicht handeln und bedenken, dass Kommentare im Internet meist unwiderruflich sind und oft noch Jahre später aufgerufen werden können. Eine Hauptdarstellerin des Films „The Social Network“ hat es treffend zusammengefasst:

„The Internet is not written in pencil, it is written in ink“.

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Alle Kommentare [5]

  1. Als Social-Media-Nutzer muss man sich bei jeder Aktivität im Klaren sein, dass sie öffentlich ist. Man vergisst das so leicht, denn man sitzt ja zuhause oder mehr oder weniger alleine im Büro und gibt nur dem Impuls „Ja, find ich auch!“ nach. Aber tatsächlich muss man sich immer wieder fragen: Würde man diese Aussage bzw. dieses „Gefällt mir“ im Beisein des Chefs, Auftraggebers oder irgendjemandem anderen tun, würde man diese Äußerung im Ortszentrum über die Straße schreien? Im Grunde sind verfehlte Äußerungen in Social Media (Blogs, Foren, Twitter, Facebook, Xing …) noch schlimmer, als wenn man sie über einen Marktplatz schreien würde, denn das Netz vergisst nie.

  2. Man vergisst es immer wieder, gibt nur dem „Ja, find ich auch“-Impuls nach und klickt. Doch eigentlich müsste man sich ständig erinnern, dass man auf einem öffentlichen Platz steht und aus vollem Halse schreit. Und schlimmer noch – das Netz vergisst nie. Es schreibt nicht mit Tinte – es meißelt in Stein!

  3. In den sozialen Netzwerken bewegt man sich zumeist zwischen den beiden Welten „Privat“ und „Offiziell/ Beruf“. Diese Balance ist nicht immer ganz einfach und kann zu einer gefährlichen Gradwanderung werden. Ein spontanes „Gefällt mir“, das im privaten Umfeld eher unproblematisch wäre, kann beruflich gravierende Folgen haben, wie der Artikel aufzeigt. Wenn man auf Facebook seinen Vorstandsvorsitzenden als „Spitze des Lügenpacks“ bezeichnet, kann man theoretisch auch mit einem Plakat durch die Firma laufen. Auch wenn man nur „Gefällt mir“ gedrückt hat. Das würde nur aus Respekt und Angst vor Arbeitsplatzverlust kaum einer machen. Also warum dann auf Facebook? Dazu gehört schon eine große Portion Naivität und Unbedachtheit. In gewisser Hinsicht auch Respektlosigkeit. Ist Facebook eine Plattform, vergleichbar mit den Spielen im alten Rom? Wenn mir etwas gefällt, geht der Daumen nach oben ansonsten Pech gehabt? Ich würde mir wünschen, dass solche Äußerungen mehr mit konkreten Anmerkungen und Verbesserungsvorschlägen verbunden wären. Das zwingt zum Nachdenken und zeigt, dass man nicht nur aus einer Laune heraus der „Herde“ folgt bzw. nicht folgt. Die juristischen Einschränkungen werden uns zwingen in Zukunft stärker nachzudenken, ob und in welcher Form ich meine Meinung abgebe. Ein durchaus positiver Nebeneffekt, wie ich finde.

  4. Ich finde es richtig dass bei Äußerungen im Netz die gleichen (wenn nötig harten) Bandagen angewendet werden, wie außerhalb. Schließlich haben wir es in allen Fällen mit erwachsenen Menschen zu tun, die sich die möglichen Konsequenzen ihres Handelns vorher überlegen sollten.

  5. Ja, ja. Und wenn nichts mehr hilft, sollte man sich schnell schon mal einen Business-Coach für neue Jobs suchen. Facebook ist wirklich gefährlich geworden, da das Liken ja so einfach ist und man sich der Konsequenzen gar nicht wirklich bewusst wird.
    Deshalb sollte man nie mit Kollegen auf Facebook befreundet sein, wenn man so etwas schreibt. Hätte man sich aber auch denken können …