Worum es auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos eigentlich geht – Gastbeitrag exklusiv für wiwo.de von Richard Quest

 Es wäre nicht schwer, dem Weltwirtschaftsforum in Davos den einen oder anderen Seitenhieb zu versetzen. Während sich der größte Teil der entwickelten Welt damit abquält, Wachstum zu generieren, scheint es fast obszön, wenn sich die Reichen, Berühmten und Mächtigen in den Schweizer Bergen treffen – um eine bessere Welt zu diskutieren. Das riecht nach „Sie haben kein Brot? Sollen sie doch Kuchen essen!“

 

In diesem Jahr wird die Szenerie weiteres Öl ins Feuer gießen: Es gibt eine neue, mit Unmengen von Lichtern bestückte Empfangshalle im Kongresszentrum. Aber wie jedes Jahr sage ich: eine solche Betrachtungsweise wird dem, was in Davos wirklich passiert, nicht gerecht. Nicht die Diskussionsrunden mit den teilweise etwas großspurig gewählten Namen sind die Essenz dessen, worum es bei diesem Weltwirtschaftsforum wirklich geht. Einige davon sind ohne Zweifel interessant und regen sowohl zum Nachdenken wie auch zur Diskussion an, doch dafür muss man nicht im Winter in die Schweiz fahren.

 

Entscheidend sind Kontakte und Plauderein, nicht langweilige Podiumsdiskussionen

Vielmehr geht es in Davos um Kontakte, Meetings, Unterhaltungen und auch Plaudereien. Das ist auch der Grund, weswegen nicht die großen Hallen mit ihren langweiligen Podiumsdiskussionen, sondern die Räume, wo sich Minister und Vorstandschefs treffen, die wichtigen Bühnen des Forums sind. Es gibt kaum etwas, das einen so schalen Beigeschmack hat, wie das Abschließen eines Deals – doch mitnichten dreht es sich in Davos um Deals. Vielmehr geht es um die ein oder andere geschüttelte Hand hier, ein wissendes Nicken dort und einen generellen Austausch von Plänen für die Zukunft. Es läuft wohl vielmehr wie folgt ab: „Ich mache momentan dies hier. Was machst Du und wie können wir einander helfen?“

 

Wo sich Konkurrenten austauschen

Davos wird während dem Weltwirtschaftsforum zu neutralem Territorium, auf dem sich Konkurrenten austauschen können. Einer der Top-Manager sagte einmal zu mir, er treffe in Davos alle seine größten Kunden – binnen einer Woche.

 

Präsidenten liefern Einschätzungen – letztes Jahr lag Papandreou falsch 

Solch eine massive Ansammlung von Macht bietet auch die Möglichkeit, die weltweite Agenda klarer zu formulieren. Präsidenten und Staatschefs halten Reden, Vorstandschefs legen ihre Ansichten dar, Aktivisten artikulieren ihre Proteste. Aber bei der Abreise am Ende der Woche haben wir alle ein klares Bild der Themen und Lösungen des Jahres 2011 vor Augen.

 

Letztes Jahr beteuerte der griechische Ministerpräsident George Papandreou, sein Land werde Finanzhilfen weder benötigen noch beantragen. (Beides stellte sich als falsch heraus.) Wir alle verließen Davos in dem Wissen, dass die Verschuldung der Staaten ein wachsendes Problem sein würde und, dass es keinen wirklichen Plan zur Beseitigung des Problems gab. Basel III wurde in den Plenarsitzungen und auf den Podien nur am Rande behandelt – in den Cafés war es der Hauptgesprächspunkt. Die Reform der Finanzmärkte war für alle ein Thema und wurde letztendlich auch durchgesetzt.

 

Wenn Davos modern sein will, ist es nur traurig quest2011-klein

Jene Momente, in denen Davos sich bemüht und versucht der ganzen Welt gerecht zu werden, lassen es in den Augen einiger scheitern. Es gibt nichts Traurigeres als Davos dabei zuzusehen, wie es versucht modern zu werden und dabei letztendlich aussieht wie unsere Eltern beim Ausdruckstanz in der Disko. In diesem Jahr strotzt der Kongress nur so vor Social Networking Lounges, Risk Response Network Centres, Social Leaders, Global Young Entrepreneurs, twitternden Vorstandsvorsitzenden – und noch mehr der obligatorischen

Social Networking Lounges. Das meiste davon ist Unfug. Die wirklichen Entscheidungsträger werden mit all dem nichts zu tun haben und in den Zimmern und Salons der Hotels in der Nähe untereinander bleiben. Die meisten von uns brauchen nur ein Café und eine Verbindung zum Internet. Das aktuelle Geplapper kann man getrost der Jugend überlassen.

 Davos täte gut daran, sich zu erinnern, warum es funktioniert. Es bietet eine Umgebung, in der sich Gleichgesinnte austauschen können – und in der ab und an wirklich etwas passiert.

 

 

 

Anlässlich des Weltwirtschaftsforums 2011 berichtet CNN-Anchorman Richard Quest in seinem Wirtschaftsmagazin „Quest Means Business“ auf CNN International täglich aus Davos:  www.cnn.com/davos

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Alle Kommentare [1]

  1. es nennt sich Korruption, warum nennt es WiWo es nicht auch so??

    „Entscheidend sind Kontakte und Plauderein, nicht langweilige Podiumsdiskussionen“

    …….

    „Vielmehr geht es um die ein oder andere geschüttelte Hand hier, ein wissendes Nicken dort und einen generellen Austausch von Plänen für die Zukunft. Es läuft wohl vielmehr wie folgt ab: „Ich mache momentan dies hier. Was machst Du und wie können wir einander helfen?”“