Der entscheidende Unterschied bei Führungskräften: im Topmanagement: Wie sich Könner von Blendern unterscheiden. Gastbeitrag von Gudrun Happich

So unterscheiden Sie gute Führungskräfte von Aufschneidern: Könner und Nicht-Könner im Topmanagement.

Gastbeitrag von Führungskräfte-Coach Gudrun Happich (1)

(Foto: Happich/Privat)

Schlechte Führung ist nicht nur ein Risikofaktor für den Unternehmenserfolg, sondern auch für die Karrieren von Vorständen oder Aufsichtsräten, wenn sie das C-Level mit den falschen Leuten besetzen. Topmanagement-Coach Gudrun Happich erklärt, woran man echte Könner und Erfolgsgaranten erkennt. (1)

 

Erst kürzlich musste der Verwaltungsratspräsident von Nestlé, Paul Bulcke, angesichts der Entlassung des zweiten CEOs innerhalb eines Jahres, frühzeitig zurücktreten. Die Investoren hatten das Vertrauen in sein Urteilsvermögen verloren. So schnell kann es auf diesem Level gehen. Von den Kollegen bis zu den Klienten auf Vorstandsebene herrscht Einigkeit, daß man mit den zahlreichen Multikrisen innerhalb Deutschlands erstens in den herausforderndsten Zeiten für Führungskräfte leben muss und zweitens die meisten Schwierigkeiten in Unternehmen auf grobe Fehler in der Unternehmensführung zurückzuführen sind. Aber wie gelingt es, eine gute Wahl zu treffen? Echte Könner zu finden, die nicht schon nach kurzer Zeit versagen oder nicht einhalten, was sie versprechen?

 

Es ist tatsächlich nicht so einfach, denn nur ein Bruchteil der Menschen in Führungspositionen kann tatsächlich führen. Durch meine eigenen empirischen Beobachtungen und die umfangreichen Gespräche mit Entscheidern schätze ich, dass nur zehn Prozent aller Führungskräfte wirklich über das notwendige Skillset verfügen und führen können. Dass sie ihr Unternehmen nach vorne bringen, professionell agieren, wirksam sind und sich im Einklang mit ihren Werten für Sache und Menschen gleichermaßen einsetzen.

 

Die Einschätzung klingt hart, entspricht aber der Realität, in der wir leben. Auf der obersten Führungsebene, im C-Level, sind gute Führungspersönlichkeiten – sprich echte Könner – noch seltener. Dabei versammeln sich auf diesem Level die Menschen, die für strategische und politische Entscheidungen verantwortlich sind, die Auswirkungen auf das ganze Unternehmen haben – wenn nicht sogar auf die gesamte Gesellschaft. Zu den echten Leistungsträgern zählen im Unternehmen durchschnittlich eh´ schon nur zwei bis fünf Prozent der Belegschaft über das gesamte Unternehmen verteilt. Bei einem Unternehmen mit 400 Mitarbeitenden sind das nur acht bis 20 Personen, bei einem Konzern mit 40.000 sind es 800 bis 2.000.

 

Dunkle Triade statt Leistungsträger im Topmanagement

Wie schön wäre es, und eigentlich logisch, wenn sich diese Leistungsträger auf den oberen Führungsebenen versammeln würden. Das Gegenteil ist leider der Fall. Ausgerechnet im Topmanagement ist die Dunkle Triade in Form von Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie im Vergleich zur Gesamtbevölkerung unverhältnismäßig stark vertreten. Allein die Häufigkeit von Narzissmus im Topmanagement wird in einer Studie von Matthias Sure von der Hochschule Fresenius, University of Applied Science Köln im Jahr 2023 mit über 53 Prozent angegeben.[1]

 

Den Führungsexperten Kai Dierke und Anke Houben zufolge können außerdem zwei von drei derjenigen, die ins C-Level aufgestiegen sind, im ersten Jahr die an sie gestellten Erwartungen nicht erreichen. Aber auch bei den erfahrenen C-Levels läuft es nicht unbedingt besser. Drei von vier CEOs waren vor ihrer Ernennung bereits an der Spitze aktiv. Entscheider sehen sie als sichere Bank. Eine Studie der Personalberatung Spencer Stuart hat allerdings ergeben, dass genau die Erfahrenen häufig zu Kostentreibern mutieren. Aber wenn man sich als Entscheider nicht mal auf Erfahrung verlassen kann, worauf muss man tatsächlich achten, um eine gute Wahl zu treffen?

 

Erkennungsmerkmale einer schlechten C-Level-Führungskraft

Auch wenn Führungskräfte darin geübt sind, sich ins rechte Licht zu rücken, können Sie häufig mit wenigen Sätzen erkennen, ob Sie mit einem Kandidaten oder einer Kandidatin gut fahren oder nicht:

„Ich bin sauerfolgreich“, startete kürzlich eine Anfrage und ging so weiter: „Aktuell bin ich im Vorstand eines internationalen Finanzunternehmens, mein Jahresgehalt ist im oberen sechsstelligen Bereich. Mein nächster Schritt: CEO in einem anderen Unternehmen. Für mich ist selbstverständlich, dass mir mein aktuelles Unternehmen trotzdem das Coaching bezahlt. Ich kann mir das privat ja gar nicht leisten.“

In diesen wenigen Sätzen stecken gleich mehrere Warnsignale – auch in Bezug auf eine potenzielle Zusammenarbeit.

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Die Warnsignale schlechter Führungskräfte:

  1. Selbstüberschätzung
  2. Opfermentalität
  3. Keine Verantwortungsübernahme
  4. Die eigene Karriere und ein hohes Gehalt stehen im Zentrum
  5. Fokus ausschließlich auf die Sachebene, die Beziehungsebene wird vernachlässigt
  6. Hohe Ansprüche an andere, aber nicht an sich selbst
  7. Mangelndes Commitment (Übers: Identifikation, Bindung) zur ständigen Verbesserung

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Bei dieser Anfrage schließe ich zumindest schon mal auf mangelnde Verantwortungsübernahme. Außerdem klingt die Verfasserin für mich nach einer klassischen Karrieristin, die vor allem ihr eigenes Wohl, nicht das des Unternehmens im Blick hat. Man könnte sie auch zum Typ Politiker zählen.

 

Politiker, Windmacher und Könner schaffen es bis an die Spitze

Denn es schaffen in der Regel vor allem drei Typen bis ins Topmanagement: Politiker, Windmacher und die wirklichen High Performer, die Könner.

Die Politiker zu denen kommen in zwei Formen daher: als Typ, dem die Medien gerne narzisstische oder gar psychopatische Züge zuordnen. Oder als absoluter Charmebolzen, der Menschen mit seiner manipulativen Art jedoch dazu bringt, vor allem eins zu tun: ihm die Arbeit abzunehmen. Beide haben die eigene positive Inszenierung im Blut. Sie sind geborene Netzwerker und stehen gerne im Mittelpunkt. Erfolg ist für sie das Wichtigste, der eigene Erfolg selbstverständlich, nicht der des Unternehmens oder des Teams. Solange sich beide Ziele überschneiden, ist alles gut, aber besonders in Krisen entscheiden sich die Politiker eher für ihr eigenes Wohl.

 

Die Windmacher auf der anderen Seite sind sehr wachsame Charaktere, die auch schwache Signale aufnehmen, was lebensrettend sein kann – auch für Unternehmen. Sie neigen allerdings zu Übertreibung, Dramatisierung und Überemotionalisierung, was für alle um sie herum anstrengend sein kann. Ihr ganzes Leben dreht sich um Aufmerksamkeit. Notfalls nehmen sie auch negative in Kauf.

 

Die Könner in den Unternehmen zählen für mich dagegen als echte Leistungsbringer, die ambitioniert und die engagiert sind – gerade, wenn es darauf ankommt – und für die Leistung positiv besetzt ist. Konstruktive Teamarbeit ist für diesen Typ ein Muss. Er  hat einen enorm hohen Anspruch, allerdings vor allem an sich selbst, und immer das Unternehmen und das große Ganze im Blick.

 

Nie wieder auf Blender hereinfallen

Wenn es sie doch gibt – die echten Leistungsträger –, die an der Spitze dringend benötigt werden, warum kommen dann doch noch immer so viele Karrieristen, Egomanen, Blender und Politiker nach oben?  Vermutlich, weil sie für einen gewissen Zeitraum tatsächlich so wirken, als würden sie Verantwortung übernehmen. Anfangs hört sich alles toll an, bis irgendwann die Diskrepanz zwischen Worten und Taten unübersehbar wird.

Blender übernehmen zwar gerne die Führung – aber ohne echtes Verantwortungsbewusstsein. Ihr furchtloses Selbstbewusstsein unterstützt sie darin, schnell Entscheidungen zu treffen und sie als die einzig wahre Lösung zu propagieren. Gerade in Krisenzeiten wirken sie so frei von Selbstzweifeln und Skepsis anziehend, ihre Fehlentscheidungen kommen Unternehmen aber oft teuer zu stehen.

 

Könner wägen dagegen sehr genau ab, was je nach Situation richtig oder falsch sein könnte. Das Getue anderer geht ihnen häufig auf die Nerven, weshalb sie sich oft freiwillig in die zweite Reihe stellen. Schafft es einer von ihnen ins C-Level, konzentriert er sich meist auf sein Kerngebiet, übernimmt hier Verantwortung und erbringt Leistung. Allerdings ignoriert er häufig Ansehen, Prestige und Karrieredenken und lässt sich so  von anderen die Butter vom Brot nehmen. Könner müssen daher gefunden werden. Der Vorteil: Wenn die Könner auf den richtigen Posten sitzen, kommen so immer mehr gute Führungskräfte nach.

 

Erkennungsmerkmale guter Führungskräfte

Gute Führungskräfte brauchen gerade heute viele Fähigkeiten. Ganze Bücher lassen sich mit hilfreichen Hinweisen für ihren Führungsalltag füllen. Doch zwei Aspekte trennen die Spreu vom Weizen, Könner von Blendern:

 

  1. Gute C-Level führen mit Klarheit und Konsequenz statt mit Härte

 

Das „Handelsblatt“ titelte in einem viel beachteten Artikel: „Die netten Jahre in der Führung sind vorbei.“ Aber ist das wirklich so? Neben der „Return-to-Office“-Politik, ist bei SAP ein neues System zur Leistungsmessung geplant und eine Einteilung der Belegschaft in drei Gruppen: in Leistungsträger, Achiever und Minderleister. Das Ziel: ein Kurswechsel hin zu mehr Ergebnisorientierung und Leistungskultur. Die immer häufiger favorisierte Lösung: Druck weitergeben, Micromanagement und autoritäre Führung, um im Wettbewerb zu bestehen. Aber ist das tatsächlich die Lösung, die nachhaltig funktioniert? Sicher nicht.

 

Erst einmal: Ergebnisse und Leistung waren schon immer wichtig. Anscheinend haben manche jedoch die Vorstellung, dass sie mit Härte besser erreicht werden. Sie setzen Härte mit Stärke gleich. Allerdings würde sich keiner meiner Klienten hart – im Sinne von dominant – führen lassen. Sie würden für Veränderung sorgen oder so einen Vorgesetzten verlassen und dem Unternehmen im Zweifelsfall als Leistungsträger und wichtiger Schlüsselspieler verloren gehen.

 

Wirklich wichtig sind Klarheit und Konsequenz – und damit die Spielregel: Jedes Verhalten hat Konsequenzen. Sich durchzusetzen bedeutet, nicht hart per Ansage zu agieren, sondern Menschen für die Idee zu gewinnen, damit sie ihr Bestes geben, um das große Ganze zu erreichen. Könner geben Druck von oben nicht einfach weiter, sondern praktizieren 360-Grad-Führung: Sie führen ihre Mitarbeiter, arbeiten partnerschaftlich mit Kollegen, steuern den Dialog mit Vorgesetzten – und führen vor allem sich selbst. Wenn Druck und Angst den Alltag bestimmen, stellen sich echte Führungspersönlichkeiten schützend vor ihr Team und fangen Belastungen ab, statt sie weiterzureichen. Sie bewahren Ruhe und geben Klarheit. Sie nehmen die Leute mit, indem sie sie auf neue Wege einschwören und Denkgrenzen auflösen.

 

Sie konzentrieren sich nicht nur auf das Was. Also: Was wurde erreicht? Was wurde geleistet? Im Topmanagement entscheidet das Wie, wenn es um Erfolg geht. Wie ist der Umgang mit Mitarbeitern und Kollegen? Wie gestaltet die Führungskraft Transformationen? Wie sichtbar sind sie? Wie und nach welchen Kriterien treffen sie Entscheidungen?

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O-Ton eines Könners aus meinem Coaching:

„Letzte Woche habe ich formuliert, wo die Transformationsreise hingeht. Ich habe das große Ganze aufgezeigt und wie die bessere Zukunft aussieht, betont, warum diese Sache so wichtig für das Unternehmen und für jeden Einzelnen von uns ist. Aber auch nicht verschwiegen, wo die Herausforderungen liegen und was in einzelnen Bereichen passieren wird, wenn wir uns nicht darum kümmern. Am Ende der Woche war ich fast heiser, weil ich so viel geredet, immer und immer wieder den Dialog gesucht habe, um alle abzuholen. In einer Konferenz – mit den wichtigsten 300 Führungskräften unseres Unternehmens – weinte einer meiner besten Führungskräfte. Ich war im ersten Moment irritiert, bis sie formulierte: Überall hören wir in Town-Hall-Meetings dieselben Sprüche und Sonntagsreden. Bei Ihnen ist das anders: Sie reden nicht, Sie machen vor, Sie gehen voran. Es ist das erste Mal in den vielen Jahren im Topmanagement, das ich erlebe, dass es Ihnen wirklich wichtig ist und ich mich auf Sie verlassen kann. Ich weine vor Rührung. Danke.“

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Fragen Sie potenzielle Kandidaten nicht nur danach, was sie vorhaben, sondern wie sie es umsetzen wollen und was ihr eigener Anteil daran ist. Versuchen Sie herauszufinden, wie selbstreflektiert ihr Gegenüber ist.

 

2. Gute Führungskräfte übernehmen Verantwortung – an den richtigen Stellen

Verantwortungsübernahme ist für gute C-Level die absolute Voraussetzung und Basis von allem. Sie ist eine Pflicht, kein Luxus! Und zwar auf zahlreichen Ebenen: Verantwortung für das Unternehmen, die eigene Gesundheit, die eigenen Reaktionen, Handlungen und Nicht-Handlungen. Sie müssen dabei nicht angstfrei sein. Angst bekommen und Unsicherheit erleben ist menschlich und im C-Level normal.

Ein Klient war bereits seit mehr als zehn Jahren Geschäftsführer eines mittelständischen Hidden Champion und verantwortlich für mehr als 10.000 Mitarbeiter. Er war nachweislich richtig, richtig gut. Und dennoch meinte er in einem Moment voller Selbstzweifel, als er noch mehr Verantwortung übernehmen sollte: „Ich kann das nicht.“

 

Die Aufgaben im C-Level sind komplex, Menschen nicht immer einschätzbar. Andere lassen sich schwer händeln. Das kann in gewissen Situationen, Momenten oder auch Phasen manchmal einfach zu viel werden. Um schlechte Führungskräfte handelt es sich dennoch nicht. Die entscheidende Frage ist, wie sie mit diesen Zweifeln umgehen und wieder souverän werden. Erfolgreiche Führungskräfte überlegen bei jeder Herausforderung, vor der sie stehen oder die ihnen angeboten wird, wie sie aus einer scheinbar unlösbaren Aufgabe, eine lösbare machen können und was sie dafür brauchen, bevor sie die Herausforderung akzeptieren und dafür die Verantwortung übernehmen. Sie nehmen Jobs nicht an, um ihr Ego zu streicheln, sondern parken es für die gute Sache viel eher oder stellen es zumindest hintenan.

 

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O-Ton eines Könners:

„Mein CEO ist auf dem absoluten Ego-Trip und regiert an jedem Prozess und an allen Beteiligten vorbei – in solch einem egozentrisch-patriarchalen Unternehmen wollte ich eigentlich nie arbeiten. Ich schwanke mittlerweile zwischen hinschmeißen oder nur noch Dienst nach Vorschrift machen – beides keine echten Optionen. Lieber möchte ich einen sinnvollen Umgang mit der Situation finden, mit dem ich sowohl meinen Mitarbeitern als auch mir selbst im Spiegel noch begegnen kann.“


 

Werden Sie bei Kandidaten, die zu neuen Herausforderungen gleich ja sagen, ohne weitere Fragen zu stellen oder Rahmenbedingungen zu fordern, daher lieber hellhörig. Außerdem: Wie reagieren sie, wenn etwas schiefgeht? Übernehmen sie die volle Verantwortung oder suchen sie die Schuld bei anderen?

 

 

 

 

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