Buchauszug Ronny Schöning: „Business-Dojo für Führungskräfte. Die 7 Stufen zu innerer Stärke und Wirksamkeit“

Ronny Schöning (Foto: PR/
NICHT MEHR JUNG UND WILD, SONDERN FOKUSSIERT
Sie sind einst aufgebrochen, um Ihrem Management eine ganz besondere Note zu geben. Unverwechselbar und empathisch wollten Sie agieren, mitreißend und voller Elan wahrgenommen werden, Sie wollten Spuren legen, die nur in eine Richtung zeigten, in die des Erfolgs. Gut so. Wie sonst hätten Sie Ihre Aufgaben rocken können als junger, wilder Mensch, der motiviert von der Uni in den Job stolpert, im Kopf die Kreativität und im Rücken das Drängeln, ganz oben auf der Karriereleiter zu landen? Sie lächeln, wenn Sie sich an diese Anfangszeit erinnern, und in dieses Lächeln mischt sich die Wehmut: Nicht mehr ganz so jung und die Wildheit ist irgendwo zwischen Zieledefinitionen und Evaluationen auf der Strecke geblieben, mögen Sie denken.
Bei genauer Betrachtung kommt gar in den Sinn: Die Monotonie hat sich dazwischen geschlichen, und die macht müde. Aber wer kann sich schon in verantwortungsvoller Position eine Auszeit leisten, um die Energiereserven aufzufüllen, um einfach mal loszulassen von den Auf- gaben? Ich kenne zahlreiche Manager und Managerinnen, die ähnliche Sätze im Coaching sagen wie: »Früher ging mir alles leichter von der Hand.« Oder: »Ich kann nicht mehr abschalten.« Oder: »Der Druck ist einfach zu groß.« Oder: »Wenn ich nicht stark bleibe, leidet mein Team.«
Die Businesswelt ist komplex und dicht vernetzt, geprägt von all- gegenwärtiger Transparenz, während echte Rückzugsorte kaum noch existieren. Mitunter scheint es, als könnten selbst unsere Gedanken digitale Algorithmen beeinflussen – ein Szenario, das wie ein Schreckgespenst aus der Zukunft in die Gegenwart tritt. Ich muss kein Hellseher sein, um zu erkennen: Es fehlen Zeit und Räume für einsame Gedanken, aber ein Mensch kann sich nur in der Stille selbst begegnen. Die digitale Welt ist zu laut, und Ihr Business verfolgt Sie bis in den Schlaf. Wer kennt es nicht, vor der Nacht noch einmal die E-Mails zu checken oder die ersten Handy-Gespräche vor dem Frühstück zu führen? Ein Häkchen mehr auf der To-do-Liste, das ist oftmals der Treiber, nur machen viele Häkchen keinen glücklichen Menschen. Es fehlen dann die Lücken für Überraschendes, für Entscheidendes.
Kein Kampfkünstler würde ohne Pause und Reflexion seine Stärke beweisen können – seine Muskeln würden übersäuern, er würde Schnelligkeit, Geschmeidigkeit einbüßen, auf Dauer würde er sein Spiel verlieren. Sie halten dieses Buch in den Händen, um von den Kampfkünstlern zu lernen, die den Weg des Siegers beschreiten. Davon will ich Ihnen erzählen, denn drei Jahrzehnte habe ich geforscht, wie es gelingen kann, diese Prinzipien auf das Management zu übertragen.
Die Sache mit dem Glück
Für ihre Karrieren investieren Manager viel, nämlich Lebenszeit. Arbeitszeiten von 50 bis 80 Wochenstunden sind nicht die Ausnahme, sie sind die Regel. Und die aktuelle Diskussion um eine 34-Stunden-Woche höhnt in manchen Managerohren wie ein Traumgespinst. Wie bitte schön sollte ein steigendes und immer komplexer werdendes Aufgabenvolumen in der Hälfte der Zeit erledigt werden? Die Wahrheit sieht anders aus. Wo in den 1990er Jahren das Schlagwort der Work-Life- Balance durch die Unternehmen geisterte und um 17.00 Uhr der allgemeine Aufbruch in den Feierabend stattfand, da ist heute die Rede von Überlastung, Stress, Depression und Burnout, von Homeoffice bis in die Nachtstunden hinein.
Wir sollten es nicht länger schönreden, sondern es einmal im Klartext aussprechen: Der Job einer Führungskraft ist nach wie vor ein Garant für Ansehen und Einkommen, so wertet das Stepstone-Magazin eine Umfrage aus, aber für das persönliche Glück eignet er sich nur noch bedingt. Man altert schnell im Stress, und man vergisst, dass es diese kleinen bedeutsamen Dinge im Leben gibt, die man erst sieht, wenn der Blick sich in der Weite des eigenen Unbewussten verlieren darf. Besonders vor herausfordernden Aufgaben ist dieser ziellose Blick nach innen eine Phase der Vorbereitung. Er schult nämlich die seelische Widerstandskraft, er gibt das gute Gefühl, dass alles, was Sie für eine Herausforderung benötigen, bereits in Ihnen ist.
Ein Kampfkünstler arbeitet mit solch einer Energie, er steuert die Prozesse weniger nach oktroyierten Methoden, weniger nach einem Mechanismus der Schadensbegrenzung, er will siegen! Immer. Dazu sucht er die Ruhe vor dem Kampf. Dieses abgedroschene einstige Modewort der Work-Life-Balance berührt ihn nicht, denn es wäre wie das Feilen am Felsen, um diesem Felsen eine Kontur zu geben – eben ein aussichtsloses Unterfangen. Denn die Work-Life-Balance verhindert den Kampf, sie hält fest in einer Schonhaltung. Es gilt vielmehr: alles zu geben, aber bitte mit Achtsamkeit, mit jenem Gewahrsein für die Technik, Muskelkraft und Seelenstärke vor einer Handlung.
In unserer Welt, in dieser zunehmend stressentflammten Welt, brauchen Manager keine weiteren Methoden der universitären Lehre, um wieder zu sich zu finden und jenen Siegesimpuls zu spüren, von dem sie aktuell denken, sie hätten ihn verloren. Mehr vom Gleichen bringt keine Veränderung, es schichtet sich vielmehr auf, was ohnehin Stress bedeutet. Was ich damit meine? Ich meine, eine Führungskraft sollte sich die junge Wildheit unabhängig vom Alter und von den Karriereschritten erhalten! Ich meine dieses unverfälschte Gefühl, körperlich, geistig, seelisch im richtigen Energiefluss zu sein, das Siegerlächeln im Gesicht.
Und sollten Sie nun denken: »Das ist mein Bestreben, seit ich auf- gebrochen bin«, dann glaube ich Ihnen das. Aber gleichzeitig sage ich Ihnen: Ein Ziel zu haben, das ist noch kein Sieg – und ein Ziel zu er- reichen, ist nicht immer Ihre persönliche Erfüllung. Sie müssen den Sinn in dem erkennen, was Sie tun. Sie brauchen dieses unbeschreib- lich gute Gefühl im Herzen, genau am richtigen Platz zur richtigen Zeit zu kämpfen. Sehen wir genauer hin.

(Foto: PR/Campus Verlag)
Business-Dojo für Führungskräfte, ein Buch von Ronny Schönig – Campus Verlag 28 Euro, 208 Seiten
Tee trinken und nachdenken!
In der Beschleunigung der Zeit lernen wir, mehr zu erledigen, mehr zu wollen, immer weiter nach vorne zu laufen, auch wenn der Atem kurz und flach wird, weil Cortisol im Übermaß durch die Adern flutet und das Herz den Takt nicht halten kann. Fakt ist: Wenn wir solch Getriebene auf der Spur der Karriere sind, machen wir irgendwann schlapp. Die leise Stimme der Vernunft mahnt stetig, aber das Ego ist lauter. Weiter, weiter, fordert es, sonst laufen andere vor dir durchs Ziel. Das scheint mir das Mantra im Management zu sein. Ich höre es zwischen den gesprochenen Zeilen, wenn ein Mann, eine Frau vor mir steht mit hochgezogenen Schultern, die Angespanntheit im Gesicht: »Was soll ich machen? Entweder man ist Teil des Spiels oder man sitzt auf der Wartebank.«
Ich finde, sobald der Atem sich verhaspelt und die Entspanntheit der Muskeln verloren geht, sollte man sich wie ein Samurai zurückziehen, durchatmen, seinen eigenen Takt wiederfinden und sich sehr genau die Antwort auf die Frage überlegen: »Will ich diesen Kampf wirklich, will ich mich darin verausgaben?« Hier denke ich an Anne- Kathrin, eine Frau in den Vierzigern, erfolgsverwöhnt und engagiert, eine Frau, die bislang Großes stemmte. Sie arbeitete im höheren Management eines Klinikverbundes in Deutschland. Der Karriereaufstieg hatte sie erschöpft, sie lebte mit der Angst, für die herausfordernden Aufgaben nicht gut genug zu sein. Wenn sich Angst einmal festsetzt, wird sie schnell zum Parasiten, der sich nicht mehr ohne Weiteres abschütteln lässt.
Auf den ersten Blick erkannte ich an Körperhaltung, nervösen Gesten, an der leisen, schwingungsarmen Stimme: Das ist ernst! Anne- Kathrin steht vor der totalen Erschöpfung. Denn Menschen, die von einer Traurigkeit in eine depressive Phase rutschen, verlieren ihre Kraft in der Stimme, in der Körperhaltung, sie werden in den Bewegungen langsam und fahrig. Nach asiatischer Manier bot ich Anne- Kathrin zunächst einen frisch aufgegossenen Tee an. Das sind wenige Minuten vor dem Coaching, in denen sich beide sammeln, nochmals in sich gehen, bevor sie sprechen.
Nach den ersten Schlucken räusperte sich Anne-Kathrin und erzählte ihre Geschichte der letzten zwei Jahre – und ich war beeindruckt. Wenn ich sie mit drei Adjektiven beschreiben sollte, wären das: ehrgeizig, unermüdlich, kreativ. Aber wie so oft kippen auch diese positiven Merkmale, wenn man sie übertreibt. Zu viel Ehrgeiz wird zu Verbissenheit; Unermüdlichkeit auf Dauer schadet Körper und Geist und überlastet die Systeme; Kreativität, die nicht spielerisch schweben darf, sondern mit Peitschenhieben erzwungen wird, landet im Blödsinn. Kurzum: Anne-Kathrin war dabei, ihre Stärken durch Übertreibung abzuwickeln. Statt innezuhalten und nach gewinnbringender Korrektur zu suchen, statt die Energie in neue Spuren zu lenken, forcierte sie alles durch noch mehr Einsatz. Was verloren ging, war ihre einstige Brillanz. Das spürte sie selbst, das spürten auch die anderen, also reagierte sie mit noch mehr Einsatz an Zeit und Kraft, was wiederum dazu führte, dass sie Freunde, Hobby, Privates vernachlässigte, denn bis spät in die Nacht beantwortete sie Mails oder feilte an Konzepten oder bereitete Meetings vor. Auch mit dem Partner kam es zu Spannungen und am Ende trennte sich das Paar.
An diesem unsäglichen Punkt kam Anne-Kathrin zu mir, sie suche, so ihre Worte, einen Weg aus dem Dilemma. Ihr stiegen Tränen in die Augen: »Ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst, schlafe nicht mehr, grübele nur noch, mir ist die Freude an allem abhandengekommen.« Ich bat sie zu beschreiben, wie genau sie ihre Situation empfinde, worauf sie, ohne zu zögern, sagte: »Ich bin ein Rad, das sich schneller und schneller dreht, und jeden Moment kann die Achse brechen.« Ich erklärte Anne-Kathrin die japanische Methode des Shinrin Yoku, des Waldbadens.
Klänge der Natur
In der Natur, umgeben von mannigfaltigen Nuancen aus Grün und den Geräuschen wie Rascheln, Zirpen, Zwitschern, aus dem Klang der Erde und des Himmels finden Menschen wieder zur Ruhe. Sie tanken Sauerstoff, und gleichsam öffnen sich die Meridiane, jene Knotenpunkte für den ausgleichenden Energiefluss.
Bewegung in der Natur ist wie eine Übung der Achtsamkeit, und wenn wir dieses in den Tag einbauen und sie zur Routine werden lassen, dann gönnen wir uns Momente, die zur Dankbarkeit führen. Wir werden dankbar für das, was ist, für das, was wir sind, für die Schritte, die wir setzen, so erklärte ich ihr die Wirkung des Shinrin Yoku. Anne- Kathrin nahm es an wie ein Rezept, auf dem stand: täglich eine halbe Stunde Bewegung an der Luft. Nach Wochen dieser Routine-Spaziergänge in der Natur trafen wir uns wieder. Anne-Kathrin zeigte nicht mehr diese fahrigen Gesten, auch war ihre Haut durchblutet, es röteten sich sogar die Wangen, als sie mir verriet, dass sich ihr während dieser Bewegung in Ruhe eine Frage aufdrängte: Wofür lebe ich? Was überhaupt ist der Sinn meines Lebens? Diese Frage trug sie mit sich, dachte über die Antwort nach. Ich schmunzelte, als ich das hörte, denn genau dieses Thema hatte ich mir für diese Stunde vornehmen wollen. Im Japanischen nennt man es Ikigai.
»Was dem Leben Sinn, Wert und Erfüllung verleiht«
VOM FINDEN DES SINNS
Übung
Ikigai bedeutet so viel wie: »Wofür es sich zu leben lohnt«. Das Prinzip basiert auf der Emotion der Freude. Wer einen Sinn in den Aufgaben erkennt, der das Herz hell macht und die Energie ungehindert fließen lässt, der befindet sich mitten in seinem Ikigai. Manche nennen es Flow, andere Hingabe an die Aufgabe. Gemeint ist jeweils die Verbindung von Liebe, Talent, Mission und Absicht.
Ikigai geht zurück auf die Frage, die sich Glücksforscher weltweit stellten: »Wann ist ein Mensch wirklich bis in die Zellen hinein zufrieden?« Sie fanden die Antwort auf der japanischen Insel Okinawa, denn dort sind die Einwohner glücklicher und gesünder als irgend- wo anders auf der Welt. Auf dieser Insel nämlich gibt es ein Dorf mit dem Namen Ogimi. Es ist aufgefallen, dass die Hälfte der Siebzigjährigen einer Arbeit nachgehen, Rente scheint dort ein Schimpfwort zu sein. Und wer denkt, dass diese Menschen stressgeplagt sind, krank und müde, der irrt. Denn hier leben sogar die meisten Menschen, die die magische Schwelle der hundert Geburtstage überschreiten. Ein Geheimnis? Vielleicht. Vielleicht ist es aber auch die Tatsache, dass diese Einwohner regelmäßig den Sinn ihres Lebens reflektieren und ihr Ikigai kennen. Mehr noch. Sie sind bescheiden. In allen Lebensbereichen gehen sie nie bis zum Anschlag, nie auf einhundert Prozent. Selbst ihren Hunger stillen sie nur zu achtzig Prozent. Sie sind, so will ich sagen, Künstler der Selbstbeherrschung.
Nehmen Sie Stift und Papier zur Hand und reflektieren Sie über:
- 1. Was liebe ich und was begeistert mich? Was bereitet mir Freude im Leben? Was erfüllt mich?
- 2. Was braucht die Welt, was ich ihr bieten kann? Welcher Bedarf muss gedeckt werden?
- 3. Wofür bekomme ich mein Gehalt und werde ich belohnt? Wofür erhalte ich Wertschätzung?
- 4. Worin bin ich großartig? Wo liegen meine Talente und Stärken?
Was stimmt mich dabei zufrieden?
Dort, wo diese Fragen ineinandergreifen, liegt im Kern Ihr persönlicher Ikigai. Sie werden eine tiefe Dankbarkeit spüren, wenn Sie Ihr Ikigai erstmals benennen, denn es fühlt sich an, als kämen Sie nach langer Abwesenheit zu Hause an.
Tee trinken und nachdenken, das ist übrigens nicht nur meine Empfehlung gegen Stress, sondern auch, um wahre Harmonie zu empfinden. Mit einer Tasse Tee vor sich, den süßlich-herben Duft atmend, sich an sein Ikigai erinnernd, das bringt den Energiefluss aus Yin und Yang wieder in eine Balance – oder um es mit der westlichen Schulmedizin auszudrücken: Sie stärken in Ruhemomenten den Parasympathikus. Das ist jenes für die Entspanntheit zuständige Nervensystem. Das Gegenteil davon wäre es, aktiv zu sein, Aufgaben anzupacken und dem Ziel ein Stück näher zu kommen, auch mal aus der Puste zu geraten, weil man alles gibt, nämlich die mentale und die physische Kraft. Diese Anstrengung erlaubt das zweite Nervensystem, der Sympathikus. Bei- de sind wichtig, beide halten uns lebendig.
Nur: Gestresste Manager verlernen mitunter, den Wechsel anzustreben. Sie triggern in Dauermanier den Sympathikus, und zwar so lange, bis das Herz zu schnell schlägt und der Atem zu flach wird. Man muss kein Mediziner sein, um zu erkennen, wie sehr dieser Zustand die Körpersysteme überanstrengt. Die japanische Tradition setzt dieser Überlastung das Tee-Trinken entgegen, um Körper und Geist zu synchronisieren. Lassen Sie sehr bewusst täglich wenige Minuten los. Lassen Sie belastende Gedanken ziehen.
In der westlichen Welt ist alles auf Leistung ausgerichtet, die kulturellen und gesellschaftlichen Einflüsse betonen, dass ein Erfolg selbstverständlich sein sollte. Da wird mit Konkurrenten verglichen, da werden Erfolge abgehakt, als wären sie eine Pflichterfüllung. Und die Zukunft macht Angst vor dem Versagen. Stopp. Drehen Sie sich einmal um. Gehen Sie gedanklich den Weg zurück und machen Sie sich bewusst: Da liegt eine steile Strecke bereits hinter Ihnen. Wie viele Hürden haben Sie überstiegen und wie oft sind Sie nach einer Niederlage wieder aufgestanden? Sie haben Resilienz und Zuversicht bewiesen. Um dort zu sein, wo Sie jetzt in dieser Minute den Tee trinken, mussten Sie Fleiß und Disziplin aufbringen – und die Chancen sehen, die sich Ihnen boten. Machen Sie sich das klar! Das war eine bemerkenswerte Leistung, da ist Dankbarkeit und auch Stolz angebracht. Für viele Männer und Frauen, die sich diesen Blick zurück nicht gönnen, die weiter und weiter auf der Stressspur hecheln, könnte die Dankbarkeit wie ein innerer Anker sein.
Sie ist, so will ich sagen, eines der effektivsten Tools in meinem Coaching. Kein Kampfkünstler würde die Dankbarkeit je vergessen. Sie wird wie ein Ritual gepflegt. Mit einer Verneigung vor sich selbst, vor den eigenen Fähigkeiten, sowie mit der Verneigung vor dem Gegner, um ihm Respekt zu zollen, beginnt ein Kampf. Und vielleicht entscheidet die Intensität dieses Gefühls über Sieg und Niederlage.
Nun mag es in unseren Gefilden seltsam anmuten, wenn Sie sich vor einer Auseinandersetzung verneigen. Dennoch sollten Sie die Konzentration auf den Moment trainieren, sollten Sie Dankbarkeit und Aufmerksamkeit hochachten. Ich schlage vor, Sie richten täglich zwei Minuten ein, um in einer kurzen Meditation genau dieses zu tun. Bevor Sie also das nächste Mal Ihre Stimme im Meeting erheben, um Ihre Argumente vorzutragen, bevor Sie sich einem Gespräch mit dem Chef stellen oder Ihr Team auf herausfordernde Aufgaben einstimmen, bevor Sie überhaupt Herausforderung und Stress spüren und dabei der Zweifel sich unbarmherzig in den Vordergrund Ihrer Gedanken schiebt – halten Sie inne. Halten Sie, was immer man von Ihnen fordert, zwei Minuten täglich inne. Sagen Sie sich: Wie wunderbar, dass ich hier sein kann, dass ich diese Herausforderung annehmen kann. Ich bin dankbar dafür und weiß, ich werde mein Bestes geben. In dieser Art verbinden Kampfkünstler im Karate oder Budo oder Tai- Chi den Körper mit dem Geist. Sie werden sich der Bodenhaftung bewusst.
Viele meiner Klienten haben sich diese kleine Übung zur Routine gemacht. Wie das Zähneputzen am Morgen schieben sie diese Dankbarkeitsübung in den Ablauf ein, er ist wie ein Gute-Laune-Kick. Statt Zweifel kommt Freude, statt Ärger empfinden Sie das gute Gefühl, in diesem Moment am richtigen Platz zu sein. Danke, dass ich hier bin.
Das reicht. Denn ich halte nicht viel von vorgefertigten Autosuggestionen. Energie lässt sich nicht in aufgezwungene Bahnen lenken. Energie fließt, wenn sie zur Persönlichkeit passt, wenn nah an den Glaubenssätzen korrigiert wird, um endlich dem Charakter eine Wahrheit zu geben.
Hinderliche Glaubenssätze, von der Kindheit eingeimpft, müssen umgeschrieben werden, damit sie sich endlich zum Besten entfalten können. Damit öffnen Sie die Schleusen zum Unbewussten, und Blockaden verschwinden. Deshalb gehe ich später auf die Korrektur hinderlicher Glaubenssätze ein, denn die sind ein Ballast, den Sie nicht mehr mit sich herumschleppen sollten. Und vor allem: Schütteln Sie in herausfordernden Situationen, die Sie bewältigen müssen, jegliche Emotionen ab. Bleiben Sie fokussiert und bleiben Sie pur. Ein Flow im Job, während einer Aufgabe, ein Flow im Sport ist völlig emotionslos. Kein Ärger, kein Stolz, kein Ehrgeiz, keine Angst, sogar Liebe wird nicht empfunden, wenn alles möglich ist, weil der richtige Moment sich mit der Absicht verbindet.
Wenn wir bedenken, dass 95 Prozent unseres Denkens und Handelns unbewusst geschehen und lediglich 5 Prozent von bewusstem Geist geleitet werden, dann verwundert es nicht, dass viel, viel mehr in uns steckt, als wir erahnen. Ein Sportler, der nur um der Medaille willen auf die Kampffläche oder in den Boxring geht, wird nicht sein gesamtes Potenzial zeigen können. Wie eine Wand steht diese Emotion des Ehrgeizes zwischen Absicht und Fähigkeit. Ein Sieg wird ihm erst in wirklich glänzender Weise gelingen, wenn er sich sagt, er gehe da raus, stelle sich dem Kampf, gebe sein Bestes, weil er fähig ist, weil er für diese Fähigkeit dankbar ist, so wird ihm das gelingen. Ja, ein Kämpfer ist dankbar! Er ist nicht unterwürfig, nicht überheblich, nie respektlos. Und dann konzentriert er sich auf den Moment, ruft ab, was in ihm ist, kreiert seinen Sieg. Diese mentale Vorbereitung ist schon die halbe Strecke des Weges.
INNEHALTEN
Übung
Setzen Sie sich bitte bequem auf einen Stuhl, der Rücken ist gestreckt, das Kinn gehoben. Legen Sie die Hände wie offene Schalen ineinander, die linke Hand ruht in der rechten. Schließen Sie die Augen halb, nicht ganz, und fixieren Sie einen imaginären Punkt auf dem Boden schräg vor Ihnen. Darauf richten Sie Ihren Atem. Drei Takte einatmen, sechs Takte ausatmen, drei Takte in der Leere bleiben. Wenden Sie die Augen nicht von dem Punkt vor Ihnen, bündeln Sie die Konzentration auf dieses kleine Nichts. Atmen Sie weiter, zwei Minuten lang. Und dann nehmen Sie diese frische Energie mit in die Aufgaben, mit in den Tag.
Ich kenne Manager, die diese kleine Übung belächelten, einige sagten sogar: »Zeitverschwendung.« Ich bat sie dennoch, diese absolut regelmäßig morgens zu absolvieren. Wenige Wochen später erzählten sie mir, dass Sie die zwei Minuten Atemroutine längst auf zehn Minuten gedehnt haben.
Aber nun zurück zu Anne-Kathrin. Nach zwei Monaten Waldbaden und der damit einhergehenden Selbstreflexion hat sie gelernt, Grenzen zu ziehen. Sie managt mittlerweile ihr gesamtes Leben. Das Leben nämlich besteht nicht nur aus Arbeit und Verantwortung für andere, es ist nicht nur zentriert um eine Karriere.
Während der anfänglich gemeinsamen Spaziergänge in der Natur wurde sie locker, ihr Gang schien mir beschwingter als zuvor und ihre Stimme klang tiefer, eher aus der Brust als aus dem Kopf. Sie wurde innerlich freier und irgendwann erkundigte sie sich nach den asiatischen Kampfkünsten – und deren Einfluss auf die Manager in Asien. Ich fand diese Frage spannend und erzählte gerne davon, dass die japanischen CEOs nahezu ausnahmslos die BUDO-Disziplinen praktizieren und in ihre tägliche Arbeitspraxis integrieren. Die Kampfkünste sind Jiu-Jitsu, Judo, Karate oder Aikido, um die bei uns gängigen zu nennen. Es sind Kämpfe auf der Tatami-Matte aus gepresstem Reisstroh und ein Messen mit dem Gegner in Respekt. Japanische Manager haben die Philosophie, die jeder dieser Sportarten innewohnt, zu ihren persönlichen Leitlinien gemacht. Fleiß und Willensstärke, jene Resilienz, die jeder einzelner Kampf von den Sportlern einfordert, die ist ihnen in Fleisch und Blut übergegangen.
Ich werde später ausführlich in Kapitel 6 davon berichten und die- se Philosophie auch für das europäische Management interpretieren. Denn immer strebt ein Kämpfer der BUDO-Kampfkünste danach, seinen Körper und seinen Geist in Einklang zu bringen, weil nur die Kohärenz aller Systeme ihn zur Höchstleistung bringt. So erklärte ich es Anne-Kathrin, und sie hing mir an den Lippen, wollte mehr und mehr zur Geschichte der Sportarten hören, bis sie plötzlich stehen blieb und sagte: »Tai-Chi! Das soll es sein. Statt Coaching will ich diese Kampfkunst von dir lernen.« Und wenn ich heute ihr Leuchten in den Augen während des Trainings sehe, dann weiß ich, dass es keine Gefahr für sie gibt, sich wieder in Arbeit und Stress zu verlieren. Sie achtet auf sich, lässt sich nicht mehr von anderen vereinnahmen, denn sie hat die Selbstfürsorge gelernt, und zwar ohne eine mehrjährige Psychotherapie.
Aus der Mitte gefallen
Führungskräfte merken sehr genau, wann sie diese innere Mitte verlieren. Es mag daran liegen, dass sie in ihrem Job sich selbst und die anderen sehr genau beobachten, wenn sie mit Vertragspartnern verhandeln, wenn sie die Stimmungen im Team analysieren. Ebenso erkennen sie, wann die eigenen Kräfte nachlassen und eher das Grübeln als die Motivation sie leiten. Ja, Männer und Frauen, die zu mir kommen, sind fähig, die Reißleine zu ziehen und sich zu fragen, ob sich Druck und Stress lohnen oder ob der Preis einer schwindenden Gesundheit zu hoch ist für die Meriten, die sie in Form von Boni und schönen Worten erhalten.
Ich will Sie an dieser Stelle ausdrücklich ermutigen: Hören Sie in sich hinein und nehmen Sie diese leise frühzeitig mahnende Stimme sehr ernst. Sobald sich Gereiztheit, Unkonzentriertheit zeigt, sobald sich keine Freude mehr in Ihnen ausbreitet, sollten Sie den Tag unterbrechen. Gönnen Sie sich Minuten der Stille, schließen Sie die Augen, lassen Sie los. Empfinden Sie – nichts. Trainieren Sie, in den Minuten der Stille völlig emotionslos zu sein. Wie gesagt: Kampfkünstler behalten die Kontrolle über ihre Gefühle, bleiben innerlich klar und lassen niemals zu, dass Sorgen, Ängste, Liebe oder Zorn diesen klaren Geist vernebeln. Wenn ich das in meinen Trainings genauso formuliere, dann höre ich die Sorge der Manager, als gefühlskalt wahrgenommen zu werden. Nein! Sie müssen keine Angst vor Gefühllosigkeit haben. Denn das Eintauchen in eine pure innere Welt ist wie ein Geschenk. Sie betrachten die Dinge ungefärbt, erkennen Wahrheiten. Nichts vergiftet den Geist. Kein Zorn, keine Gier oder Anhaftung führt sie auf falsche Fährten. Atmen Sie, seien Sie dankbar für diesen klaren Geist und schützen Sie ihn vor Energieräubern. Das ist Selbstfürsorge.
Ich glaube, viele erfolgreiche Menschen haben gelernt, wie ein Uhrwerk zu funktionieren. Obwohl es Alarmzeichen der Überarbeitung gibt, denken viele, sie könnten die Sache wieder in den Griff bekommen. Aber Achtung: Kopfschmerzen, Herzrasen, Magen-Darm-Probleme, Muskelverspannung sind ernst zu nehmende Hinweise, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Körper und Geist finden nicht mehr zu einem gemein- samen Spiel. Was tun? Nun, sollte die Überlastung tatsächlich weitere Kreise ziehen und ihr soziales und Privatleben beeinträchtigen wie bei Anne-Kathrin, sollten Sie sich die Frage eines Kampfkünstlers stellen: Kämpfen oder Flucht? Ja, Sie haben richtig gelesen, auch ein Profi flüchtet beizeiten oder nimmt sich aus Gründen der Kräftesammlung zurück. Er nimmt nicht jeden Kampf an. Er wägt ab, ob die Bedingungen einen Sieg versprechen oder ob er eine schmerzvolle Niederlage erleiden wird.
MEIN RAT: Wenn sich eine ungesunde Situation erfolgversprechend im Job verändern lässt, dann kämpfen Sie. Fordern Sie Unterstützung durch Ihren Vorgesetzten, Ihre Kollegen, durch Ihr Team ein. Schätzen Sie ab, welche realistische Chance es gibt, um wieder frei, kreativ und gesund arbeiten zu können. Nur eine Reflexion kann Ihnen dabei helfen, nie der schnelle Entschluss. Gießen Sie sich also einen Tee ein, und erinnern Sie sich daran, welch glückliche, erfüllende Zeit Sie bislang in diesem Unternehmen verleben durften. In guter Arbeitsatmosphäre haben Sie so manches Projekt mit dem Team gestemmt, Erfolge gefeiert. Das macht stolz. Wenn Sie bei diesen Gedanken eine Wärme im Herzen spüren, dann brauchen Sie vielleicht eine Auszeit, um sich zurückzuziehen und das zu aktivieren, was Menschen einmalig macht: die Kreativität.
Schreiben Sie Ihre Erfolge der letzten zwei, drei Jahre auf und holen Sie sich damit das Siegergefühl zurück. Welchen Klang hat es, welche Farbe, wie formt sich die Energie, die Sie nun empfinden? Eine tiefe emotionale Bindung an Ihren Arbeitgeber, eine Fürsorge für Ihr Team, den unbedingten Willen, den Job auszubauen, umzugestalten? Tun Sie es! Oft geht einer Lern- und Entwicklungskurve ein Einbrechen des gewohnten Erfolgs voraus.
Aber sollten Sie diese Chance nicht erkennen, sollte es trotz Gesprächen, Versprechungen, veränderten Umständen keine Besserung geben – dann atmen Sie durch, reflektieren Sie weiter an einem ungestörten Ort. Nehmen Sie die Energie wahr, die sich in ihren Zellen ausbreitet, wenn Sie all die belastenden Geschehnisse, die Ihnen in der Vergangenheit das Arbeitsleben schwer machten, Revue passieren las- sen. Was spüren Sie? Wut, Sorge, Hilflosigkeit? Das alles sind wichtige Hinweise, die Ihr Unterbewusstsein Ihnen sendet. Auch wenn Sie sich sagen, dass alles nur eine Episode ist, dass sich vielleicht doch alles zum Guten wenden kann, so werden Sie doch in der Tiefe Ihrer Intuition spüren, dass die Sache verfahren ist und in Zukunft mehr Nieder- lagen als Siege bringt. Dann gehen Sie! Verschleudern Sie keine Kraft, wenn der Gegner unfair kämpft. Gehen Sie nie in einen Kampf, wenn ein Scheitern vorhersehbar ist.
Ich erfahre in meinen Beratungen oft, dass Vorgesetzte der Manager mit Doppelbotschaften arbeiten, um Führungskräfte unsicher, gar mürbe zu machen. Das geht an die Substanz. Langsam, aber sicher werden Sie, wenn Sie sich darauf einlassen, Ihre innere Mitte gänzlich verlieren. Sie werden straucheln, Ihnen werden Fehler passieren, Unsicherheiten werden folgen. Und genau darauf warten Unternehmer, wenn sie Manager loswerden wollen. Wer mich kennt, der weiß: Ich gebe selten Ratschläge, weil ich finde, dass jeder Mensch seinen eigenen Erlebnis- und Bewertungshorizont hat. Doch hier grätsche ich durch gezielte Fragen ein. Nur Ehrlichkeit bringt Klarheit. Kein Wenn, kein Aber, kein Falls kann hier sinnvoll sein. Zu oft habe ich beste Leute im Job zusammenbrechen sehen, wenn man ihnen entzieht, was wichtig ist: die Bühne, um die eigene Brillanz zu zeigen.
GEHEN ODER BLEIBEN?
Die folgenden Fragen vor weitreichenden Entscheidungen zu beantworten, stellt ein Pflichtprogramm dar, dem Sie sich stellen müssen, um Fehler zu vermeiden. Verändern oder bleiben? Schon allein die Frage deutet darauf hin, dass sich in einer Antwort der Schmerz versteckt, denn wer lässt schon leichtfertig eine Phase des Lebens hinter sich?
Die Antwort werden Sie nie im Außen finden, sondern sie versteckt sich in Ihnen selbst. Nur Sie ahnen die Konsequenz für die Karriere, nur Sie können Vernunft und Gefühl interpretieren. Ich bin versucht zu sagen: Jede richtige Antwort ist bereits in Ihnen, Sie hören sie, wenn Sie in Stille bleiben.
Fragen zur Entscheidungsfindung
- 1. Können Sie Ihr Potenzial im aktuellen Job voll und ganz zum Ausdruck bringen?
Ja = 2 Punkte Nein = 0 Punkte
- 2. Wird Ihr Potenzial von Ihrem Vorgesetzten erkannt und gefördert?
Ja = 2 Punkte Nein = 0 Punkte
3. Können Sie Ihre Kreativität im Unternehmen einsetzen und wird diese geschätzt?
Ja = 2 Punkte Nein = 0 Punkte
- Sind Ihre Ziele im Unternehmen erreichbar und realistisch?
Ja = 1 Punkt Nein = 0 Punkte
- Achten Sie in Ihrem Arbeitsalltag auf eine gesunde Balance, regelmäßige Bewegung und nehmen Sie sich Zeit für Ruhephasen?
Ja = 1 Punkt Nein = 0 Punkte
- Fühlen Sie sich morgens tatkräftig und freuen sich auf Ihre Aufgaben?
Ja = 2 Punkte Nein = 0 Punkte
- 7. Empfinden Sie Stolz und Zufriedenheit, wenn Sie an die vergangenen Erfolge und Entwicklungen im Job denken?
Ja = 1 Punkt Nein = 0 Punkte
- Haben Sie das Gefühl, dass Sie sich persönlich und fachlich im Job weiterentwickeln können?
Ja = 2 Punkte Nein = 0 Punkte
- Empfinden Sie Ihre Tätigkeit als erfüllend und sinnstiftend?
Ja = 2 Punkte Nein = 0 Punkte
- Fühlen Sie sich mit Ihrem Team verbunden und unterstützt?
Ja = 1 Punkt Nein = 0 Punkte
Auswertung
16–18 Punkte: Bleiben
Sie sind sehr zufrieden in Ihrem Job und erfüllen viele Bedingungen für berufliches Glück. Auch wenn es Herausforderungen gibt, lohnt sich eine langfristige Investition. Überlegen Sie, wie Sie Ihr Potenzial im Unternehmen noch besser entfalten können.
12–15 Punkte: Überdenken und optimieren
Einige Aspekte Ihres Jobs sind positiv, doch es gibt auch Schwachstellen. Betrachten Sie Möglichkeiten, diese zu verbessern, zum Beispiel durch ein Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten oder eine Veränderung innerhalb des Unternehmens. Kleine Anpassungen könnten Ihre Zufriedenheit deutlich steigern.
8–11 Punkte: Sorgfältig prüfen
Analysieren Sie, welche Aspekte Ihnen weniger zusagen und ob Verbesserungen möglich sind. Ein klärendes Gespräch über Ihre Ziele, Wünsche und Entwicklungsmöglichkeiten ist ratsam. Wenn keine Verbesserung absehbar ist, sollten Sie über eine Veränderung nachdenken, um langfristig erfüllt zu bleiben.
0–7 Punkte: Gehen
Die Übereinstimmung Ihrer Ziele, Werte und Erwartungen mit Ihrem derzeitigen Job scheint gering. Es ist an der Zeit, über einen Jobwechsel nachzudenken. Definieren Sie klare Ziele für Ihre nächste berufliche Etappe, die Ihren Bedürfnissen besser entsprechen.
Ein Rückzugsort für Macherinnen und Macher: Das Business-Dojo
Ich denke, manche Entscheidung wird nicht in Ruhe und mit Konzentration getroffen. Das ist nicht förderlich für die persönliche und berufliche Entwicklung, denn unreflektierte Entscheidungen bergen Fehler, in der Kampfkunst kann das in einer Niederlage enden. Vernünftiges Abwägen ist daher wichtig, ein Loslösen von emotionalen Zuständen ebenso, denn Emotionen verwässern die Fakten. Wie oft handeln wir aus dem Bauch heraus oder gestatten uns nur den kurzen Blick auf die Sachlage – und bereuen später, dass wir Konsequenzen nicht durch- dacht haben. Mir bleibt es zuweilen ein Rätsel, dass hocherfolgreiche, für ihre Teams verantwortungsbewusste Männer und Frauen in eigenen Belangen nachlässig agieren. Kein Sportler wird sich dem Gegner stellen, wenn er nicht zuvor dessen Gebaren analysiert hat, wenn er nicht die klare Entscheidung getroffen hat, diesen Kampf auszuführen – und zu siegen. Oder aber die Schultern zur Seite zu drehen und sich zu sagen, dass dieser Einsatz nicht lohnend sein wird.
Ein Sportler wird sich vor dem Wettkampf zurückziehen, um sich in Stille vorzubereiten, um mit dem Atem die Energie fließen zu lassen, um den Geist zur Ruhe zu bringen und den Körper in einen Zu- stand der gesunden Spannung. Er wird sich mental in Stimmung bringen und Impulse des Siegens in die Zellen senden. Dieses tiefsinnige Einstimmen ist die erste Handlung in der Kampfkunst. Ich habe mich lange gefragt, warum dieses Ritual nicht im Business gepflegt wird. In all der Literatur, die ich hierzu gelesen habe, habe ich nicht einen Hinweis gefunden, dass dieser Transfer in einem Coaching stattfindet. So erzähle ich in diesem Buch erstmals über die positiven Erfahrungen eines Rückzugs vor Entscheidungen und stelle Ihnen das Business- Dojo vor. Damit übertrage ich die mentalen Prinzipien der asiatischen Kampfkunst auf das Management und zeige auf, wie bewusste Vorbereitung, mentale Fokussierung und gezielte Energieausrichtung vor wichtigen Entscheidungen im Business den Unterschied zwischen durchschnittlichem und herausragendem Erfolg ausmachen können.
Die Wurzeln des Dojos liegen tief in der japanischen Kultur. Als Sinnbild für inneres Wachstum, als Übungsort der Künste diente das Dojo den Kriegern, ihre Fähigkeiten in Disziplin, Konzentration und Körperbeherrschung zu perfektionieren. Der Begriff »Dojo« setzt sich aus den japanischen Wörtern »Do« (Weg) und »Jo« (Ort) zusammen. Im Dojo kam man zur Ruhe, sammelte sich, bevor man die Energie aufwand, um sich in den Kampf zu begeben. Es war ebenso der Ort des Trainings für Körper und Geist. Man betritt den Raum mit einer Verneigung in einer Haltung von Respekt, Klarheit, Harmonie und Stille.
Und nun stellen Sie sich bitte vor, auch Sie hätten solch ein Dojo. Mit dem Öffnen der Tür zu diesem Raum würden alle störenden Gedanken und Ablenkungen draußen bleiben, mehr noch: Sie würden sich eine Welt der Möglichkeiten öffnen. Stellen Sie sich vor, es gäbe für Sie allein diesen Raum, in dem Sie Ordnung und Klarheit und Besinnung finden auf das, was wirklich wichtig ist, was Sie bewahren wollen. In der japanischen Kultur bedeutet das Bewahren eine Verneigung vor den Leistungen vergangener Generation und auch das Weitergeben von Techniken, damit diese nicht vergessen, sondern verfeinert werden.
So entsteht eine lange Kette von Schülern und Meistern, die ihr Wissen mitteilen, damit es dauerhaft seinen Platz in der Welt findet und stets hinterfragt werden kann, ob eine Veränderung, Verbesserung nötig wäre. Ein Betreten des Dojos bedeutet, mit zugewandtem Herzen und offenem Geist sich den Herausforderungen zu stellen. Jede Aktion in diesem Raum ist ein Schritt auf dem persönlichen Weg zu mehr Stärke und innerem Frieden.
Wählen Sie Ihr Dojo. Es mag das Büro im Unternehmen, das Wohnzimmer zu Hause, der Sessel in einer abgetrennten Ecke sein. Es mag die aufgerollte Yogamatte im Hobbykeller sein. Betreten Sie Ihr Dojo. Tun Sie es mit Freude, mit Neugierde, lassen Sie Ruhe und Zielstrebigkeit verschmelzen. Damit das gelingen kann, sollte Ihr Dojo minimalistisch ausgestattet und frei von äußeren Ablenkungen sein. Wenn Sie Ihr Büro als Dojo wählen, dann sollte die Tür geschlossen, der Rechner ausgeschaltet, das Handy lautlos sein. Es sollte keine Sonne durch große Fensterscheiben blenden, und jegliche Geräusche sollten weit- gehend draußen bleiben.
Denken Sie daran, in diesem Raum darf Stille sein. Ich will sogar weiter gehen und Ihnen empfehlen: Denken Sie sich ein Ritual aus, das Sie mit dem Betreten Ihres Dojos verbinden. Das kann eine Verneigung sein, wie es die Kampfkünstler zelebrieren, bevor Sie auf die Matte treten. Es kann ein Reiben der Handflächen gegeneinander sein, um die Energie anzukurbeln, oder drei tiefe Atemzüge in Ihrem eigenen Rhythmus. Sammeln Sie Ihre Gedanken, am ehesten wird Ihnen das durch eine kurze Meditation wie der Zazen-Meditation aus dem Zen-Buddhismus gelingen.
ZAZEN-MEDITATION
Übung
1. Betreten Sie Ihr Dojo.
2. Setzen Sie sich auf ein Meditationskissen oder einfach eine ge- faltete Decke auf dem Boden oder auf einen Stuhl. Achten Sie darauf, dass Ihr Rücken gerade
3. Bringen Sie Ihre Hände in Meditationshaltung, indem Sie die linke Hand in die rechte legen, die Daumenspitzen berühren sich, die Handflächen zeigen offen nach
4. Halten Sie Ihre Augen halb geschlossen und richten Sie Ihren Blick etwa einen Meter vor sich auf den Boden.
5. Atmen Sie ruhig und gleichmäßig durch die Nase. Zählen Sie Ihre Atemzüge, um den Geist zu fokussieren. Zählen Sie »eins« beim Einatmen, »zwei« beim Ausatmen, und fahren Sie fort bis zehn, dann beginnen Sie wieder bei
6. Lassen Sie Ihre Gedanken kommen und gehen, ohne an ihnen festzuhalten oder sie zu bewerten. Beobachten Sie die Gedanken, als würden Sie Wolken am Himmel vorbeiziehen
Steigern Sie die Zazen-Meditation von fünf auf 25 Minuten täglich. Der Benefit dieser Übung wird eine tiefgreifende positive Auswirkung auf Ihr tägliches Leben und Ihre berufliche Leistung haben, denn das bewusste Atmen ohne Absicht klärt nachweislich den Geist. Diese Meditation eignet sich besonders für die frühen Mor- genstunden. Dann ist der Geist noch klar, er steht auf Reset und in Erwartung auf das, was der Tag bringen wird. In diesem Zustand wird es Ihnen einfacher fallen, in die wunderbare Leere der Gedanken einzutauchen.
Es mag sein, dass Sie während dieser Sitzmeditation Farben sehen, einen Strom aus Gedanken fließen sehen, die keine Kontur mehr zeigen. Es mag sein, dass Ihr drittes Auge sich öffnet, wenn es Ihnen gelingt, sich in sich selbst zu versenken. Das dritte Auge sitzt zwischen den Brauen und steht symbolisch für das Stirnchakra und damit für die Intuition, für den Blick hinter Verborgenes und für im Stress des Alltags nicht Sichtbares. Lassen Sie sich diese wenigen Minuten auf all das ein, was Sie empfinden. Wichtig ist es, nichts zu forcieren, keine Geschichten einzubauen oder Ergebnisse zu erzwingen. Ihr Gehirn soll den Tag in Ruhe beginnen. Sie suchen nach nichts und Sie erwarten nichts. Sie sind.
MERKSATZ: Ich meditiere ziel- und absichtslos. Alles, was in diesen Minuten zählt, ist mein Atem. Einatmen. Ausatmen. Dankbarkeit.
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