Ohne Not sollte man keinen Testamentsvollstrecker einspannen. Das ist der Rat von Erbrechtsanwalt Klaus-Dieter Rose von der Kanzlei Menold Bezler im Interview. Das Risiko, dass er nur neuen Ärger verursacht, ist allzu hoch. Und ungeahnt teuer ist er oft obendrein. Warum manchem Testamentsvollstrecker seine neue Macht zu Kopf steigt und warum der Job so lukrativ ist.

Klaus-Dieter Rose von Menold Bezler (Foto: Privat)
Herr Rose, ein Testamentsvollstrecker kostet Geld, manchmal sogar sehr viel Geld, nämlich bis zu 15 Prozent vom Erbe. Dazu besteht das Risiko, dass er neuen, zusätzlichen Streit verursacht durch Eigenmächtigkeiten, durch die er Erben bevormundet und diese sich entrechtet fühlen. Denn der hat so viel Macht, dass er praktisch alles machen kann bis hin zum Verkauf des Familienunternehmens – und die Erben können nichts dagegen tun. Wann raten Sie ihren Mandanten, in ihrem Testament einen Testamentsvollstrecker zu bestimmen?
Rose: Vermögenden Leuten, die zum Beispiel eine Patchwork-Familie haben, die nach ihrem Tod doch nicht mehr so harmonisch funktioniert. Wer zerstrittene Kinder hat oder obendrein Stief- und Adoptivkinder, die sich nicht grün sind. Oder wer Partner und Kinder hat, die beispielsweise zu alt oder noch zu jung und mit der Weiterführung des Familienunternehmens – noch oder sowieso – überfordert wären. Wer dagegen nur ein Haus, ein Aktiendepot und eine Ferienwohnung im Süden besitzt und kein zweistelliges Millionenvermögen ha, der braucht meist keinen Testamentsvollstrecker. Da genügt es, ein Familienmitglied auszugucken, das die Verteilung des Erbes vornimmt.
Testamentsvollstrecker kann Hinz und Kunz sein, es gibt keine Prüfung, niemand kontrolliert ihr Tun oder kann sie so ohne weiteres zurückpfeifen. Steigt manchem seine neue Macht zu Kopf?
Verwunderlich ist das nicht. Er kann ja machen, was er will, Immobilien auch gegen den Willen der Erben verkaufen, entscheidende Positionen im Familienunternehmen selbst besetzen und sich selbst sein eigenes Honorar aus dem Erbe nehmen. Etliche werden selbstherrlich, spielen sich auf, sehen die Vollstreckung plötzlich als ihre persönliche Lebensaufgabe an. Denn die kann ja tatsächlich 30 Jahre dauern, das ist grundsätzlich die gesetzliche Obergrenze. Das Nachlassgericht überwacht sie nicht.
Den Erben muss er nur einmal im Jahr Rechenschaft ablegen, aber sich nichts von ihnen vorschreiben lassen. Wollen Erben einen Testamentsvollstrecker ausbremsen, damit er zum Beispiel nicht das elterliche Wohnhaus und erst recht nicht zur Unzeit verkauft, haben sie fast keine Handhabe. Um einen Testamentsvollstrecker via Klage vorm Nachlassgericht seines Amtes zu entheben, muss es schon sehr dicke kommen: er muss zum Beispiel dement werden oder richtige Straftaten begehen.
Erben unterliegn oft dem Irrtum, der Testamentsvollstrecker sei für sie da, dabei sollen sie ausschließlich dem Willen des Verstorbenen dienen. Die Kinder und Partner können nur tatenlos zusehen, wie das Erbe durch – womöglich jährlich wiederkehrende – Honorare für den Testamentsvollstrecker bis zu 15 Prozent verringert wird?
Richtig. Viele verdienen mit einem Mal viel mehr als sie es bis dahin gewohnt waren. Sie bekommen nicht mehr nur das übliche Stundenhonorar eines Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts zwischen 200 und 500 Euro, sondern bekommen plötzlich ganz andere Gebühren, nämlich pauschal Prozente vom Erbe. Der Testamentsvollstrecker des Milliardärs Heinz Hermann Thiele, zweitgrößter Einzelaktionär der Lufthansa und Besitzer des Konzerns Knorr Bremse soll sich – so berichtet das ManagerMagazin – gerade 42 Millionen Euro als Honorar selbst überwiesen haben.
Solche Verdienstaussichten wecken Begehrlichkeiten.
Wenn so hoher Lohn winkt, erklärt das auch, wieso viele sich an den Job geradezu festkrallen. Viel länger als eigentlich nötig. Sie ziehen das Mandat in die Länge, um länger selbst zu profitieren. Übrigens sind auch Banken und Sparkassen auf diese Jobs scharf und bieten Testamentsvollstreckung als Leistung an. Banker erlebe ich übrigens in der Rolle als oft selbstherrlich.
Wer also seine bisherigen Berater als Testamentsvollstrecker bestimmt, sollte gleich ihr übliches Stundenhonorar mit hineinschreiben. Steht nämlich nichts zum Punkt Honorar im Testament, gilt regelmäßig die Rheinische Tabelle mit ihren hohen Pauschalen.
Und manchmal haben Erblasser auch keine glückliche Hand bei der Auswahl des Testamentsvollstreckers, was seine Kompetenz angeht?
Jedenfalls wenn sie ihren alten Studienfreund auswählen, dem sie zwar grenzenlos vertrauen, der aber keinen wirtschaftlichen Sachverstand hat. Verkauft der dann Vermögensgegenstände unter Wert und im falschen Moment, lassen sich das die Erben nicht mehr gefallen, sondern drohen ihm mit Haftung und Strafanzeige wegen Untreue. Dann läuft es typischerweise so: Weil Testamentsvollstrecker persönlich haften für Schäden, die sie verursachen, verfallen sie mitunter in Schockstarre und tun gar nichts mehr. Jahrelang. Honorare kassieren sie natürlich trotzdem.
Manche Erblasser begehen auch einen ganz banalen Fehler. Sie wählen jemand aus ihrer eigenen Generation aus und versäumen es, einen Ersatzkandidaten auszusuchen, der jünger ist. Stirbt der Kandidat der ersten Wahl vor dem Erblasser oder ist er bei dessen Tod aus medizinischen Gründen dem Job nicht mehr gewachsen, folgt ein Vabanque-Spiel.
Was heißt das konkret?
Dann bestimmt das Nachlassgericht den Ersatzkandidaten. Die führen Listen mit Leuten, die sich als Testamentsvollstrecker anbieten – ebenfalls ungeprüft. Und was meinen sie, wer auf solchen Listen seine Dienste anbietet? Eher keine erbrechtlichen Koryphäen, die als begehrte Anwälte am Markt ein Mehrfaches verdienen.
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