Buchauszug Alexander Oetker: „Chez Luc. Mit Commissaire Verlain durch Frankreichs kulinarischen Südwesten. Das Aquitaine-Kochbuch“

Buchauszug Alexander Oetker: „Chez Luc. Mit Commissaire Verlain durch Frankreichs kulinarischen Südwesten. Das Aquitaine-Kochbuch“

 

Alexander Oetker (Foto: PR/Hoffmann&Campe Verlag)

 

 

 

Kilomètre 134 / Bordeaux: Lège Cap Ferret

JOËL DUPUCH, Schauspieler und Austernzüchter

 

Auster [ˈaʊ̯ stɐ], die: essbare Meeresmuschel, die sich am Untergrund mit ihrer Schale festsetzt. Seit 125.000 Jahren isst der Mensch diese Muscheln. Auch andere Meerestiere würden sich gern öfter an ihr laben, aber die scharfe und spitze Austernschale ist ein guter Schutz.

 

Perlaustern sind sogar in der Lage, Perlen zu produzieren, indem sie eine Perlmuttschicht um Eindringlinge legen. Isst man sie nicht, wie in Europa üblich, nach etwa drei Jahren, können Austern sogar 30 Jahre alt werden. Doch so lange möchten die Gourmets, die bei Joël Dupuch Schlange stehen, dann doch nicht warten.

 

„Wir fahren morgen zu Joël Dupuch.“ Mit diesem Satz, zu Freunden und Köchen in der Aquitaine gesagt, erntet man ehrfurchtsvolle bis neidische Blicke. Joël Dupuch? Jeder hier kennt ihn. Und nicht nur hier. Betritt man die berühmte Pariser Brasserie Lipp mit dem großen, leuchtenden Bierkrug überm Eingang, dann leuchtet einem der Name schon auf der Speisekarte entgegen: Les perles de l’impératrice N°4 Joël Dupuch, Cap Ferret prangt da in großen Lettern, 18 Euro für das halbe Dutzend rufen sie auf. Wahrscheinlich hält der echte Joël diesen Preis für etwas übertrieben, allein, der Weg in die Hauptstadt ist lang. Daheim am Cap zahlt man ein Drittel.

 

 

 

Aber wie wird man so ein berühmter Austernzüchter? Der berühmteste
Ostréiculteur Frankreichs gar, ohne jede Frage? Durch Qualität, sicher. Aber bei ihm kommt noch etwas anderes hinzu: Er ist ein Star in Frankreich, bekannt weit über
die Grenzen der Halbinsel Jacquets auf dem Cap hinaus, wo er geboren
wurde, aufwuchs, ein echter Arbeiter wurde. Ein Filmstar nämlich, entdeckt von dem Schauspieler und Regisseur Guillaume Canet. Irgendwas fand der Feingeist an diesem Bären von einem Mann, sodass er ihn neben Marion Cotillard und Jean Dujardin im Film Kleine wahre Lügen besetzte. Dort spielt er – natürlich – einen Austernzüchter am Cap. Einen starken, zupackenden Mann. Aber auch einen mit so viel Gefühl, dass er am Ende des Films … Ach, sehen Sie selbst, es ist herzzerreißend.

 

Also treffen wir diesen Joël Dupuch. Der uns, die wir uns fünf Monate vorher angekündigt haben, total vergessen hat. Aber egal, versprochen ist versprochen, also nimmt er uns mit, und aus einer Stunde werden drei, und aus drei Stunden werden sechs, und am Ende umrundet Dupuch mit uns einmal das ganze Cap, erst im Auto, dann zu Fuß, dann auf seinem Boot.

 

Ja, er ist ein Bär von einem Mann, so groß und kräftig und präsent, dass der Wagen wie von ihm erfüllt ist. Aber unangenehm ist das keinen Moment, weil er in jedem Moment er selbst ist, kein Schauspieler, sondern ein Mann von hier, ein Kind dieser Region, mit all der Liebe, die dazugehört. Und ja, er sieht wahnsinnig gut aus. Auch jetzt noch. Nicht so schickimicki gut. Sondern wie ein richtiger Fischer. Die starken Arme. Die Flecken im Gesicht, von der vielen Sonne. Die klugen Augen, tief und grau wie der Ozean im Herbst.

 

Seit sechs Generationen ist seine Familie in diesem Metier zu Hause, 1973 begann dann auch Dupuch, als ganz junger Mann noch. Er züchtete Austern, vertrieb, verkaufte
sie. Aber genug war ihm das nie. Er wollte Abenteuer. Durchatmen außerhalb dieser harten Arbeit. Also eröffnete er ein Restaurant, ging krachend pleite. Dann kam der
Film. Einen Agenten hat er nie gewollt, Castings macht er auch nicht. Während andere Schauspielgrößen längst ihre Holzjacht in Saint-Tropez ankern, ist Joël Dupuch seinem
Austernboot treu geblieben. „Der Film, diese Welt, das ist wie Reisen, das ist Abenteuer. Aber meine Arbeit: Das sind die Austern.“

 

Die Parcs de l’Impératrice am Cap Ferret sind sein Werk, hier ist die Zucht,
ringsum lassen sich die feinen Meeresfrüchte direkt verkosten. Die meisten Austern aber verkauft Dupuch an Gastronomen in Frankreich und ganz Europa. Um sechs
Uhr morgens beginnt sein Tag, den Sonnenaufgang verpasst er nie. Dann verbringt er viele Stunden auf dem Boot oder auf dem Traktor, denn die Austernbänke nahe am
Ufer sind bei Ebbe gut zu befahren. Es ist eine harte Arbeit, die Arbeit eines Fischers eben: Drei Jahre brauchen die Austern, bis sie eine essbare Größe erreicht haben, weil sie nur unter Wasser wachsen und bei Ebbe einfach nur daliegen.

 

Dann kommen die Muscheln und die Algen, und so müssen Dupuch und seine Kollegen immer wieder ran, die Säcke öffnen, die Austern abbürsten. Dann, nach drei Jahren, die Säcke einholen, säubern, verkaufen, verpacken, versenden. Es ist ein Leben im Gleichklang mit dem Leben der Auster, dieser so edlen Delikatesse, die schmeckt wie das Meer: nach Salz und Jod und Frische und Glück.

 

So hieß auch Dupuchs erstes Buch Sur la vague du bonheur – „Auf der Welle des Glücks“. Seine Welle ist eine ganz einfache: Sie ist ein Dreiklang aus Heimat, Einfachheit und Freiheit. Er hat dieselben Freunde wie zu Grundschulzeiten, er liebt den Ort, an dem er lebt, und wenn er mal genug hat, dann spielt er mit Filmgrößen,
schreibt an einem Buch – perfekter geht es wohl nicht. Am liebsten aber macht er das: „Ich kann stundenlang dastehen und aufs Meer schauen.“ – „Ich kann stundenlang dastehen und aufs Meer schauen.

 

 

 

 

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