Wann sich ein Wechsel im Team in ein neues Unternehmen lohnt
Melina Brandstetter von der Personalberatung Brook Valley, die sich spezialisiert hat auf die Übernahme und Integration ganzer Teams, gibt in fünf Punkten Wechselwilligen im Tross zum Beispiel aus der IT oder dem Digitalbereich Hilfestellung.

Melina Brandstetter (Foto: PR/ Brook Valley)
- Das Unternehmen muss sich in die Motive des Teams hineinversetzen – und nicht nur von den eigenen Bedürfnissen reden
Jedes Team ist anders und individuell. Werden Teams von größeren Unternehmen angesprochen, sollten sie darauf achten, dass die Vertreter dieses Unternehmens verstehen, warum sich die Teammitglieder verändern wollen. Dazu gehört, dass sie die Bedürfnisstrukturen des Teams als Ganzes genauso verstehen wie die der Einzelnen – die trotz einer Team-Homogenität stets unterschiedlich sind: Wer steht gerade wo im Leben? Wer könnte kurzfristig einen Wechsel als nachteilig ansehen? Wer brauchte welche Wachstumsperspektiven? Treten Unternehmen nur mit generalistischen Versprechungen auf oder stellen fast nur eigene Motive in den Vordergrund, ist Vorsicht geboten. Denn das wird sich kaum ändern, wenn das Team erst mal an Bord ist.
- Das anfragende Unternehmen muss seine eigenen Kultur beschreiben können und an der Kultur des Teams interessiert sein
Weil Fusionen und Übernahmen nicht an finanziellen oder technologischen Fragen, sondern an unterschiedlichen Kulturen scheitern, müssen die Menschen im beruflichen Alltag zusammen passen. Das Bauchgefühl ist ein guter Indikator. Noch besser ist, die verschiedenen Kulturen analytisch abzugleichen. Indikatoren für eine gute, offene und integrationsfähige Unternehmenskultur sind unter anderem: Das Unternehmen spricht das Thema selbst an. Es kann seine Kultur beschreiben und anhand konkreter Beispiele aus dem Führungs- und Arbeitsalltag erläutern. Es hat zudem ein ausgeprägtes Interesse daran, ob auch das Team das kann. Sind potenzielle Konflikte zwischen beiden Kulturen erkennbar, muss das Unternehmen willig und fähig sein, darüber transparent, konstruktiv und ergebnisoffen zu sprechen. Und bereit sein, gemeinsam eine Lösung zu suchen.
- Das Unternehmen sollte einen genauen Integrationsplan haben oder anbieten, ihn vor einer Entscheidung mit dem Team zu entwickeln
Die Integration von Neuen in ein Unternehmen ist wichtig für den zukünftigen Erfolg – und zwar ab dem ersten Tag. Bei Teams ist ein Integrationsplan nötig, den die beiden Parteien schon vor einem möglichen Wechsel gemeinsam erarbeiten:
- Wie und über welche medialen Kanäle wird das neue Team intern und extern vorgestellt?
- Wie sind Zuständigkeit im Vorfeld klar geregelt?
- Wann spricht das neue Team mit wem zum ersten Mal?
- Welche Hilfestellung bietet das Unternehmen an, um Begegnungen mit vorhandenen Teams zu moderieren und sehr früh einen Austausch zu ermöglichen?
- Welche Schnittstellen richtet das Unternehmen ein?In der Praxis definieren jedoch vor allem unerfahrene Unternehmen diese Fragen oft erst nachträglich – und in der Realität gibt es dann keinen echten Integrationsplan, sondern vor allem Kontakt auf Zuruf. Der Rat: Teams sollten selbst früh auf einen Plan bestehen.
- Das Unternehmen muss dem Team genug Autonomie einräumen
Wer in einem funktionierenden Team arbeitet, hat sich mit seinem Umfeld eingespielt: Es gibt klare Definitionen, was ein Team selbst entscheidet und wo die Umfeld-Organisation den Ton angibt. Das gilt für autonome Teams umso mehr. Eine weit verbreitet Angst: Die mühevoll erarbeitete Autonomie wird bei seinem Start in der neuen Umgebung dann doch genommen. Das kann tatsächlich passieren. Im besten Fall spricht das Unternehmen das selbst an, das wäre ein sehr gutes Zeichen. Wenn nicht, sollte das Team bei Fragen in diesem Zusammenhang genau überprüfen, wie das Unternehmen darauf reagiert. Bügelt es die Fragen eher ab oder nimmt es Bedenken vom ersten Moment an ernst, indem es zuhört, reflektiert, Beispiele erläutert und dann einen gemeinsamen Weg definiert?
- Das Unternehmen muss gemeinsam die für beide Seiten optimale neue Konstellation finden – statt nur eine Option anzubieten, die das Team zu akzeptieren hat
Bei manchen Unternehmen gehen Teams komplett in die neue Organisation über: Logo, bisherige Strukturen und Prozesse verschwinden – sofort oder nach und nach. Das ist in Ordnung, wenn sich beide Seiten sehenden Auges darauf einlassen. Andere Organisationen wollen in einem komplexeren Pool mehrerer eigenständiger Einheiten teils auch mit eigenen Firmennamen, Logos und damit klar definierten diversen Identitäten, Unterschiede herauszustellen. Viele Unternehmen bieten Mischformen an. Teams müssen früh sagen: In welcher Art einer neuen Umgebung fühlen sie sich wohl, wo sind sie am leistungsstärksten?
Am Ende ist eine Team-Übernahme immer ein beidseitiger Prozess. Hat der eine größere und grundsätzlich andere Erwartungen als der andere, ist eine glänzende gemeinsame Zukunft nicht zu erwarten, sondern es endet mit Enttäuschung. Darum müssen es beide intensiv und in offenem Austausch prüfen. Und zwar vor Vertragsschluss.
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