Buchauszug Vince Ebert: „Lichtblick statt Blackout. Warum wir beim Weltverbessern neu denken müssen“

Buchauszug Vince Ebert: „Lichtblick statt Blackout. Warum wir beim Weltverbessern neu denken müssen“

 

Vince Ebert (Foto: PR dtv/Frank Eidel)

 

Mehr Technikoffenheit!

1972 sagte der „Club of Rome“ das Ende der weltweiten Ressourcen voraus. „Die Zivilisation wird innerhalb von 15 oder 30 Jahren enden, wenn nicht sofort Maßnahmen gegen die Probleme der Menschheit ergriffen werden“. Anhand detaillierter Computermodelle prognostizierten die beteiligten Wissenschaftler, dass bis zum Jahr 2000 alle gängigen Rohstoffe erschöpft sein werden.

 

Der Club of Rome lag komplett falsch

Achtung, Spoiler Alarm: Die Vorhersagen des Club of Rome haben sich nicht bewahrheitet. Und zwar nicht nur ein bisschen nicht, sondern komplett nicht. Es gibt bis zum heutigen Tag keine Knappheit der oben erwähnten Rohstoffe. In vielen Bereichen ist sogar das Gegenteil von dem eingetroffen, was die Autoren prognostiziert hatten. Die bekannten Vorkommen vieler Bodenschätze sind in den letzten 50 Jahren sogar noch gewachsen.

Warum lag man rückblickend so falsch? Und das, obwohl die renommiertesten Experten mit den damals besten Rechenmodellen die Grenzen des Wachstums kalkulierten?

Der grundlegende Irrtum der Fachleute lag im sogenannten Rückschaufehler: Man schaute sich die Daten der Vergangenheit an, rechnete aus, wie schnell sie sich nach oben oder unten verändert hatten und schrieb diese Änderungsrate dann einfach in die Zukunft fort. Man ging also davon aus, dass sich das Morgen aus dem Gestern und Vorgestern ableiten lässt.

Das ist so ähnlich, als wenn man eine gründliche Analyse vom Leben des Dalai Lama durchführt und erkennt, dass er an 20000 Beobachtungszeitpunkten kein einziges Mal gestorben ist. Und daraus folgert man dann: Der Mann wird ewig leben! „Die Grenzen des Wachstums“ ist ein gutes Beispiel für ein schlechtes Prognosemodell. Denn es ignoriert weitgehend, dass menschliche Kreativität, dass unvorhersehbare Innovationen und wissenschaftliche Durchbrüche die Zukunft weit mehr prägen als die Daten der Vergangenheit.

 

Das Prognosedebakel schadete dem Image des Club of Rome nicht

Erstaunlicherweise hat das Prognosedebakel von vor 50 Jahren dem Image des Club of Rome nicht geschadet. Bis zum heutigen Tag wird er gerne zitiert, meist mit dem Satz: „Unbegrenztes Wachstum ist nun mal nicht möglich!“

Wer so argumentiert, glaubt fälschlicherweise, dass beim Wirtschaftswachstum automatisch physikalische Größen wachsen müssen. Doch das ist nicht richtig. Dienstleistung ist ebenso eine Handelsware, aber nicht an physische Produkte gebunden. Ganz zu schweigen von der Finanzwirtschaft, die mit Geldmengen handelt, die den Wert sämtlicher realen Güter der Welt um ein Vielfaches überschreiten. Und auch die Realwirtschaft wächst immer weiter, indem Ressourcen effizienter verwendet oder recycelt werden. Durch bessere Vernetzung, energiesparendere Produktionstechniken oder der Verlagerung auf den Dienstleistungssektor kann das Bruttosozialprodukt einer Volkswirtschaft nahezu grenzenlos wachsen obwohl parallel dazu immer weniger Rohstoffe benötigt werden.

 

 

Vince Ebert: „Lichtblick statt Blackout. Warum wir beim Weltverbessern neu denken müssen“. dtv Verlag, 224 Seitem 15,00 Euro

https://www.dtv.de/buch/lichtblick-statt-blackout-26342

 

Nehmen Sie nur das iPhone (oder ein vergleichbares anderes Smartphone, falls Sie kein Fan von Steve Jobs sind). So ein Teil wiegt etwa 130 Gramm. Aber in diesen 130 Gramm stecken Funktionen, für die man noch vor wenigen Jahrzehnten 20 bis 30 große elektrische Geräte gebraucht hat: Plattenspieler, Faxgerät, Wecker, Taschenrechner, Navigationssystem, Telefonzelle, Diktaphon, Taschenlampe, Kassettenrekorder, Transistorradio, Fernseher, Fotoapparat, Videokamera, etc., etc.

Zusammengenommen wiegen all diese Geräte nicht 130 Gramm, sondern locker das Tausendfache. Vom Stromverbrauch gar nicht zu reden.

Wirtschaftliches Wachstum entsteht, indem Innovationen nicht ausladender, ineffizienter und verschwenderischer werden, sondern kompakter, effizienter und ressourcenschonender. Und nicht selten führen Innovationen sogar dazu, dass man sogar auf einen bestimmten Rohstoff komplett verzichten kann.

Im 19. Jahrhundert zum Beispiel war Waltran eine der wichtigsten Ressource der aufstrebenden Industriegesellschaft. Zu dieser Zeit wurden Pottwale gnadenlos gejagt. Das Fett von Walen war Grundstoff für Kerzen und wurde für die Produktion von Seifen, Salben, Schmiermitteln, Farben, Speisefetten und Lederpflegemitteln benötigt. Mehr und mehr Walfangboote schwärmten aus, die Tierbestände wurden weniger und weniger, der Preis für Walöl schoss nach oben.

 

Die Ölindistrie rettete mehr Wale als Greenpeace-Leute

Auf dem Höhepunkt des Pottwalfangs suchte der Geologe Abraham Pineo Gesner nach einer kostengünstigen Alternative. Er experimentierte mit Kohle und Ölschiefer und entwickelte rasch ein Verfahren, mit dessen Hilfe man billig und unaufwändig „Steinöl“ herstellen konnte. 1850 gründete er die „Kerosene Gaslight Company“, nannte das gewonnene Öl „Petroleum“ und ließ sich die Herstellung patentieren. Der Rohstoff „Waltran“ war praktisch über Nacht uninteressant.

Und auch, wenn in der Folgezeit Wale weiterhin aus anderen Gründen gejagt wurden, hat die aufstrebende Ölindustrie dazu beigetragen, dass sich die Bestände erholten. Paradox, oder? Vermutlich haben kapitalistische Großkonzerne unbewusst mehr Wale gerettet als die Leute von Greenpeace. Kein Wunder, dass die Ökobewegung so sauer auf sie ist.

Menschen lassen sich ständig etwas Neues einfallen. Konzerne erfanden modernen Pflanzenschutz und Kunstdünger. Der Agrarwissenschaftler Norman Borlaug forschte und entwickelte Hochertragssorten, wodurch die Getreideernten weltweit explodierten.

 

Während der „Club of Rome“ 1972 statt Wachstum „Gleichgewichtszustände“ forderte, bewies Borlaug das Gegenteil, wofür ihm schließlich sogar der Friedensnobelpreis verliehen wurde: Denn er rettete nicht nur Hunderte Millionen Menschen vor dem Hungertod, sondern auch Milliarden Quadratkilometer Natur und Wald, die mit reinem Biolandbau hätten zerstört werden müssen.

Das ständige Mantra, Wachstum und Verschwendung sei das Grundübel unseres Planeten, ist absurd. Schauen Sie sich einen Kirschbaum im Frühling an. Der blüht. Kein Sparen, kein Vermeiden, kein Verzicht. Im Gegenteil. Für sich allein betrachtet, ist er total verschwenderisch. Aber in seiner vermeintlichen Verschwendung schafft er Lebensraum und Nahrung für 200 andere Arten.

 

Erfindungsreichtum und Kreativität statt Reduzierung und Verzicht

Und genau so sollte eine kluge Zukunftsstrategie aussehen. Es muss weniger um Reduzierung und Verzicht gehen, sondern um Erfindungsreichtum und Kreativität. Denn damit haben schon in der Vergangenheit unsere Zukunft gestaltet.

Vor 150 Jahren war man sich in der Fachwelt einig, das größte Umweltproblem in Großstädten werde der Pferdemist sein. Halten Sie mich für verrückt, aber Pferdemist ist derzeit nicht unser größtes Problem. Möglicherweise werden unsere Urenkel ähnlich belustigt reagieren, wenn sie erfahren, dass wir uns Anfang des 21. Jahrhunderts Sorgen über unsere Erdölvorräte gemacht haben. Der Mensch ist innovativ und erfindungsreich. Die Steinzeit ist schließlich auch nicht zu Ende gegangen, weil es plötzlich keine Steine mehr gab.

 

 

 

 

 

 

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