Buchauszug Hermann Simon: „Die Inflation schlagen. Agil, konkret, effektiv.“

Buchauszug Hermann Simon: „Die Inflation schlagen. Agil, konkret, effektiv.“

 

Hermann Simon (Foto: Privat)

Innovative Preissysteme einführen

In den vergangenen dreißig Jahren hat es mehr Innovationen im Pricing gegeben als in den 3 000 Jahren  vorher.  Der Grund  liegt vor allem in den technischen  Möglichkeiten, die Informations- technologie  und  Internet  bieten.  Für den Kampf  gegen die In- flation  sind die so entstandenen neuen Preissysteme von großer Bedeutung.  Ihre Vorteilhaftigkeit und die Form der Umsetzung können  sich allerdings  durch  die Inflation  ändern. Ein Beispiel ist das weit verbreitete Freemium-Modell, bei dem eine Basis- version  gratis,  also zu einem  Preis von  Null,  angeboten wird. Für die Premiumversion muss der Kunde hingegen zahlen.  Von der Inflation  ist der Preis der Basisversion per definitionem nicht betroffen. Bei Beibehaltung  des Modells bleibt ihr Preis bei Null. Der  Preis der  Premiumversion muss  hingegen  erhöht  werden, so dass sich die relative  Vorteilhaftigkeit zu Ungunsten der Bezahlversion  verschiebt.  In diesem Kapitel betrachten wir ausgewählte neue Preissysteme und die für die Inflation relevanten Implikationen.

 

Dynamic Pricing

Im Konzept  des Dynamic  Pricing werden  Preise laufend  der Angebots- und Nachfragesituation angepasst. Das kann  wie an einer Börse im Sekunden- oder Minutentakt, auf der Basis von Tageszeiten, wöchentlichen oder saisonalen  Schwankungen geschehen.  Stark  verbreitet, vor allem in Dienstleistungssektoren wie Flugreisen,  Hotellerie  und  Tourismus, ist das  sogenannte Yield oder Revenue Management, bei dem Preise fortlaufend der Auslastung  der Kapazitäten angepasst  werden. Christopher Nassetta,  CEO von Hilton, sagt dazu: »We can reprice our product every second  of every day.«  Auch im Tankstellenbereich sind ständige  Preisänderungen die Regel.

Ein Dynamic-Pricing-System erleichtert  Preisanpassungen in der Inflation. Denn  die Kunden  sind an ständige  Preisänderungen gewöhnt. Ein festes Referenzpreissystem entsteht  bei ihnen unter  diesen Bedingungen  nicht.  Ein Unterschied  besteht  aller- dings darin,  dass die Preise bei typischem  Dynamic Pricing rauf- und runtergehen, während sie in der Inflation  vornehmlich oder ausschließlich  nach oben tendieren. Um Dynamic Pricing an- zuwenden, braucht der  Anbieter  ein sehr  zeitnahes  Informati- onssystem,  was im Hinblick  auf  die unter  Inflationsbedingungen erwünschte schnelle Reaktionsfähigkeit von großem  Vorteil ist. Unternehmen, die bereits Dynamic  Pricing anwenden, können dieses um den Inflationsaspekt erweitern. Das erfordert ins- besondere  eine Ausdehnung des Zeithorizonts, indem beispielsweise längerfristige  Prognosen  für Kosten und Preise einbezogen werden.

 

 

 

 

Mehrdimensionale Preissysteme

Zahlreiche Preissysteme umfassen  mehrere  Komponenten. Klassische Fälle sind Strom-  oder  Telefontarife mit einer Grundgebühr  und  einer  variablen  Preiskomponente. Jüngere  Beispiele sind die Bahncard  oder Amazon  Prime. Die einzelnen Parameter solcher Systeme werden mit großer Wahrscheinlichkeit von der Inflation  unterschiedlich tangiert.  Zahlt  man den Preis der Bahncard  50 auf Jahresbasis, so fällt nur  eine Zahlung an und  man kauft  sich für ein Jahr Preisstabilität ein.

Hingegen  finden beim Kauf der Fahrkarten zahlreiche  Zahlungen statt  und man ist in- nerjährlichen Preiserhöhungen ausgesetzt.  Den Bahncard-50-Inhaber treffen Preiserhöhungen auf den Ticketpreis  allerdings nur mit 50 Prozent. Hat man die Bahncard 100, so ist man von inner jährlichen  Preisanhebungen überhaupt nicht betroffen. Das kann bedeuten, dass sich die Preiserhöhung für Bahncard-Inhaber in- nerhalb  des monopolistischen Bereiches der Gutenberg-Preisabsatzfunktion bewegt,  während die Kunden,  die keine Bahncard besitzen,  die volle Preissteigerung absorbieren müssen,  so dass der obere Schwellenwert  der Funktion überschritten wird.

Die Folge ist, dass Bahncard-50-Kunden weniger negativ auf Ticket-Preiserhöhungen reagieren.  Zudem  eröffnet die Mehrdimensionalität dem Anbieter die Chance, Preis- erhöhungen auf den Parameter zu konzentrieren, bei dem die Kunden die geringste Preisempfindlichkeit aufweisen. Auf die Bahncard  angewandt: Falls die Preiselastizität für den Bahncard- Preis absolut  niedriger  ist als für den Ticketpreis, empfiehlt  sich eine prozentual stärkere  Erhöhung des Preises bei der Bahncard.

Amazon-Prime ist ebenfalls ein zweidimensionales Preissystem.  Mit  dem  Einsetzen  der  Inflation  erhöhte  Amazon  in den USA den Preis für Prime von 119 auf 139 Dollar  pro Jahr.  Das ist eine kräftige  Preissteigerung von 16,8  Prozent.  Weltweit  hat  Amazon  mehr  als 200  Millionen  Prime-Kunden. Rechnet  man den  bisherigen  US-Preis auf  die Welt  hoch,  dann  hat  Amazon bisher 23,8 Milliarden Dollar mit Prime eingenommen. Das sind gut 5 Prozent  des Gesamtumsatzes von 468,8  Milliarden Dollar im Jahre 2021.

Die Preiselastizität für den Prime-Service ist vermutlich niedrig und auch niedriger als bei den Produktpreisen. Nimmt  man  als Wert  -0,3  an,  dann  verliert  Amazon  aufgrund der Preiserhöhung 5 Millionen  Prime-Kunden. Es entsteht  dennoch  ein Mehrumsatz von 3,8 Milliarden Dollar.  Dieser riesige Betrag kann  zur Milderung des Inflationsdruckes bei Produkten oder  zur Verbesserung  des Service eingesetzt werden.  Beides erscheint in der Inflation  sinnvoll.

 

Erfolgsabhängige Preise

Mehrdimensional ist auch ein Preissystem mit einer fixen und ei- ner erfolgsabhängigen Komponente. Die Bezahlung  wird  dabei vom Erfolg  des Kunden  abhängig  gemacht. Die erfolgsabhängige Preisstellung verlagert Risiko auf den Anbieter  und mindert so den Widerstand der Kunden  gegen Preiserhöhungen. Solche Modelle  sind beispielsweise  bei langfristigen Mietverträgen für Gewerbeobjekte wie Hotels üblich. Der Pächter  des Hotels zahlt eine feste Pacht plus einen vom Umsatz oder Gewinn des Hotels abhängigen Betrag. Das Risiko  des Pächters  ist im Vergleich zu einer festen Pacht reduziert. Umgekehrt  trägt der Verpächter ein höheres Risiko, hat aber auch eine »Upside«, wenn das Hotel besonders  gut läuft.

Enercon, einer der weltweiten Technologieführer in der Windenergiebranche, praktiziert im Rahmen  des Enercon-Partner- Konzepts  (EPK) ein ähnliches  Modell.  Der  Kunde  kann  Wartungs-,  Sicherheits-  und  Reparaturleistungen  zu  einem  Preisabschließen,  der sich nach dem Ertrag  der Enercon-Anlage richtet. Das Angebot  wird von den Kunden  als sehr attraktiv empfunden,  mehr als 90 Prozent von ihnen schließen einen EPK-Vertrag ab. Da nur ein Teil der Entlohnung von Enercon fix ist, kann die notwendige Preissteigerung im Rahmen  bleiben.  Die Nachteile der Inflation  werden  durch  die erfolgsabhängige Preiskomponente  abgefedert.

 

Bundling vs. Unbundling

Interessante Möglichkeiten in der  Inflation  eröffnet  die Änderung von Bündelangeboten. Die grundlegende Logik dieser Angebote besteht  darin,  dass unausgeschöpfte Preisbereitschaft bei einem Produkt auf das Produktbündel übertragen wird.  Bundling ist eine sehr effektive Taktik  der Preisdifferenzierung. Die In- flation  kann  unterschiedliche Wirkungen im Hinblick  auf Bundling und Unbundling haben.

Ein bekanntes Beispiel für erfolgreiches Unbundling ist die getrennte  Preisstellung für Flugticket  und Gepäck,  wie sie erstmals von  Ryanair  eingeführt  wurde.  Anfänglich  musste  der  Ryan- air-Kunde  3,50  Euro pro aufgegebenem  Gepäckstück bezahlen, heute sind es bei Gepäckstücken bis 20 kg zwischen  20,99  und 59,99  Euro  je nach  ausgewählter Flugstrecke  und  Reisedatum. Der Preis für Übergepäck  beträgt  9 Euro pro zusätzlichem  Kilogramm.  Bei Millionen  von aufgegebenen  Gepäckstücken ergibt das einen Zusatzerlös von zig Millionen. Ryanair  kommunizierte die Einführung des Zuschlages mit einer überraschenden Botschaft: »This  will reduce the overall  ticket  price for passengers not  checking-in  bags by about  9 percent.« Die Einnahmen aus den entbündelten Leistungskomponenten erlauben  einen niedrigeren Preis und geringere Preiserhöhungen beim Flugticket. Steht  der Preis für das Ticket im Brennpunkt der Aufmerksamkeit der Verbraucher und  der Kommunikation, dann  ist die Taktik  der Entbündelung bei inflationären Tendenzen  vorteilhaft.

 

In eine ähnliche  Richtung  zielt das Sanifair-Preismodell von Tank & Rast.  Früher  war  die Benutzung  der  Toiletten  an  Autobahnraststätten frei, unabhängig davon, ob die Nutzer  dort Käufe tätigten. Im Sanifair-Konzept beträgt  der Preis für die Toilettenbenutzung 70 Cent.  Der Kunde enthält  einen Bon, den er mit 50 Cent beim Einkauf einlösen kann.  Das heißt, Käufer zahlen netto  20 Cent, Nichtkäufer zahlen 70 Cent. Für Kinder und Behinderte ist der Toilettenbesuch kostenfrei.  Bei mehreren Hun- dert Millionen  Besuchern kommt  auf diese Weise eine erkleckli- che Summe zusammen, ein Beispiel für sehr effektives Unbundling,  das  den  Preisdruck   im  Hauptgeschäft von  Tank & Rast abmildert.

 

Unter  die Unbundling-Systematik fällt  auch  die Einführung von Zuschlägen für Leistungen,  die bisher nicht separat  berechnet wurden. Beispiele sind Zuschläge  für Mindermengen, Express-Service, Nacht- oder Wochenend-Zustellungen, Persona- lisierung, Geschenkverpackung oder Ähnliches. Grundsätzlich bieten  sich  hier  viele Ansatzpunkte zur  Gewinnverbesserung. Man  sollte  allerdings  sorgfältig  prüfen,  wie es um  die Akzeptanz unter Inflationsbedingungen steht. Diese wird tendenziell eingeschränkt sein. Wenn der Kunde selbst entscheiden  kann,  ob er die zahlungspflichtige Zusatzleistung in Anspruch  nimmt,  erreicht  man  eine automatische Segmentierung, die erfolgreicher sein dürfte  als ein Zwangszuschlag.

Es kann  aber auch das Umgekehrte  gelten, nämlich  dass sich Bundling besser eignet. Das folgende Fallbeispiel aus dem B2B- Bereich beschreibt  eine solche Situation. In harten  Preisverhandlungen ging es um die Übernahme des von Samsung entwickelten Flash Memorys  durch  Apple.  Apple akzeptierte den von Samsung geforderten Preis nicht.  Nach  langer Überlegung  offerierte Samsung die Lieferung zu dem von Apple akzeptierten, niedrigeren Preis für das Flash Memory  unter der Bedingung, dass Apple auch  den  Large  Scale Integration Application Processor  (AP), der bis dato  von Intel kam,  bei Samsung  kaufte.

 

Apple akzeptierte dieses Bündelangebot und wurde  so auf einen Schlag zum größten Kunden von Samsung Electronics. Das Bundling führte dazu, dass Samsung durch die Lieferung des Application-Prozessors an Apple den Umsatz  um mehrere  Milliarden Dollar  steigern konnte.  Wenn  ein Bündelangebot zu einem insgesamt  für den Anbieter  profitablen Geschäft führt,  kann dieser auf Preiserhöhungen bei einem Produkt verzichten  und so für den Kunden die inflationäre Wirkung  abmildern.

 

Freemium

Freemium  ist ein im Internet  weit verbreitetes  Preismodell,  bei dem eine Basisversion gratis angeboten wird,  eine höherwertige Premiumversion hingegen zahlungspflichtig ist. Beispiele sind Spotify, LinkedIn oder Xing. Ziel von Freemium  ist es, zunächst eine möglichst große Anzahl potenzieller Kunden mit dem Gra- tisangebot anzulocken. »Den Kunden  mit Gratisware anfüttern und in später  melken«,  beschreibt  ein kritischer Autor  den Free- mium-Ansatz.  Sind die  Nutzer  mit  den  Basisfunktionen vertraut, hofft  der  Anbieter  auf  deren  steigende  Bereitschaft,  für den höherwertigen Dienst zu zahlen. Im Freemium-Modell ohne Werbung  verdient  der  Anbieter  nur  an  den  Premium-Kunden. Wie eingangs dieses Kapitels angedeutet, erweist sich Freemium unter inflationären Bedingungen als problematisch. Denn eine Preiserhöhung bezieht sich per definitionem nur auf die Bezahlversion. Der Abstand zwischen dem Nullpreis und dem Premiumpreis  wird  zwangsläufig  größer.

 

Bei unveränderter Nutzendifferenz zwischen Basis- und Premiumversion nimmt  damit  die Wahrscheinlichkeit ab, dass die Nutzer von der freien zur Bezahlversion  wechseln. Es wird deshalb  in der Regel ratsam  sein, die Nutzendifferenz zwischen  den  Versionen  zu erhöhen. Das kann geschehen, indem man den Nutzen der Premiumversion steigert,  den Nutzen  der Basisversion senkt oder  beides kombi- niert.  Allerdings wird dies in den meisten Fällen schwierig sein, da diese Differenz schon vorher  ausgereizt  war.  Inflation  macht das Leben für Freemium-Anbieter schwieriger.

 

Preis von Null

Zahlreiche Internetseiten bieten ihre Dienste zu einem Preis von Null an. Der Nutzer zahlt keinen positiven Preis, für ihn ist die Leistung gratis.  Solange ein Anbieter  beim Nullpreis  bleibt,  hat die Inflation keine Auswirkung auf den Nutzer.  Der Preis ist nach wie vor Null, egal wie hoch die Inflationsrate ausfällt. Allerdings bleibt die Inflation auch auf dieses Geschäftsmodell nicht ohne Konsequenzen. Denn der Anbieter muss seine Kosten auf andere Weise decken.  Dies kann  er durch  Werbeeinnahmen, Verkauf von Daten oder durch Spenden erreichen.  Wetterdienste, Wör terbücher und ähnliche Dienste finanzieren  sich durch Werbung.

Personenbezogene Seiten erzielen Einnahmen durch den Verkauf von Daten.  Wikipedia  finanziert sich durch  Spenden.  Wenn  die Inflation  die Kosten der Anbieter hochtreibt, müssen die Einnahmen aus solchen  Quellen  proportional steigen.  Da die Einnahmen aus Werbung, Datenverkauf, tendenziell  auch aus Spenden von der Zahl  der Nutzer  abhängen, bedeutet  Inflation, dass die Zahl  der Nutzer  steigen muss. Bei Null-Preis-Modellen entsteht also für die Nutzerzahl ein verstärkter Wachstumsdruck, ähnlich wie im Zusammenhang mit Grenzkosten von Null.

 

 

Pay-per-use

In traditionellen Geschäftsmodellen wird dem Kunden  ein Pro- dukt  verkauft, dieser zahlt den Preis und nutzt  das in seinem Eigentum  stehende  Produkt. In diesem Transaktionsmodell kauft eine Airline Düsentriebwerke für ihre Flugzeuge oder  eine Spe- dition  erwirbt  Reifen für ihre Lastwagen. Es finden  eine Trans- aktion   und  eine  Kaufpreiszahlung  statt.   Der  Verkäufer   bekommt die gesamte Kaufsumme quasi sofort, was bei Inflation erwünscht ist. In Leasing- und  Mietmodellen wird  diese Form der Einmaltransaktion teilweise aufgegeben.  Die Zahlungen erfolgen in Teilbeträgen. Der Verkäufer  erhält  sein Geld über  die Zeit  gestreckt  und  muss  unter  Inflation  nicht  nur  die Zinsen, sondern  auch den Wertverlust bei der Kalkulation der Leasing- raten einbeziehen.

Die bedürfnisorientierte Perspektive legt eine völlig andere Grundlage für die Preisstellung nahe. Das Bedürfnis des Kunden richtet sich nicht auf den Besitz eines Produktes, sondern  auf die Leistung beziehungsweise  Bedürfniserfüllung, die dieses Produkt erbringt. Eine Airline braucht letztlich  keine Triebwerke, sondern  Schubleistung  für ihre Flugzeuge, und die Spedition  benötigt Laufleistung  der Reifen. Diese Gedanken legen ein Pay-per- use-Modell  nahe.

Die Firma Michelin,  Weltmarktführer bei Autoreifen, war einer der Pioniere mit einem innovativen Pay-per-use-Modell, bei dem die Speditionen  keine Reifen kaufen,  sondern  für Kilometer Laufleistung  zahlen. Im Falle eines neuen Reifens, der gegenüber bisherigen Produkten eine um 25 Prozent höhere Laufleistung hatte,  hätte Michelin den Verkaufspreis um bis zu 25 Prozent erhöhen müssen. Eine derartige  Preiserhöhung durchzusetzen wäre nahezu  unmöglich  gewesen. Die Speditionen  sind bei Reifen bestimmte Preisniveaus,  die als Preisanker  fungieren,  gewohnt  und zudem sehr preisempfindlich. Massive Verteuerungen gegenüber solchen Preisankern werden selbst bei höherer  Laufleistung  nicht akzeptiert.

Das Pay-per-use-Modell überwindet dieses Problem. Der Kunde  zahlt  pro  Kilometer,  und  wenn  der Reifen 25 Prozent  weiterläuft, zahlt  er 25  Prozent  mehr.  Die Abschöpfung des Mehrnutzens gelingt  mit dem  Pay-per-use-Modell wesentlich besser. Den Speditionskunden bietet das Modell weitere Vorteile. Es fallen nur Kosten für die Reifen an, wenn die Lastwagen tatsächlich fahren  und die Spedition  Umsätze erzielt. Wenn hingegen die Lastwagen aufgrund schlechter  Auftragslage auf dem Hof stehen, entstehen der Spedition keine Kosten für die Reifen. Auch die Kalkulationsbasis wird für den Spediteur  einfacher.  Er erhält  direkt  die Kosten  pro  Kilometer  und  stellt oft die Rechnung an die eigenen Kunden anhand derselben Preismetrik,  nämlich Kosten pro Kilometer.

Gerade unter inflationären Bedingungen trifft ein Pay-per-use- Modell auf wesentlich größere Akzeptanz als das traditionelle Transaktionsmodell, bei dem der Preis um einen großen Absolut- betrag  steigt. In Krisenzeiten  schätzen  es Kunden  zudem,  wenn sie bei Unterbeschäftigung weniger  zahlen  müssen.  Pay-per-use beinhaltet für den Kunden  eine Umschichtung von fixen in va- riable  Kosten,  was  in schwierigen  Zeiten  ebenfalls  erwünscht ist. Pay-per-use-Modelle lassen sich mit Hilfe von innovativen, Blockchain-basierten Zahlungssystemen sehr effizient betreiben. Sie erlauben  auch  Micro-Payments zu extrem  geringen  Kosten. Zum  Beispiel kann  ein Auto mit einer e-Wallet ausgerüstet wer- den und  so automatisch Zahlungen für Parken,  Straßenbenut- zung  oder  sonstige  Services abwickeln. Es ist wahrscheinlich, dass die Preisempfindlichkeit bei solchen automatisierten Zahlungen von kleinen Beträgen geringer ist und insofern Preiserhöhungen  leichter durchsetzbar sind.

 

Zusammenfassung

–  Dynamic-Pricing-Systeme erleichtern  Preisanpassungen in der Inflation. Gegebenenfalls müssen  sie um inflationsspezifische Aspekte erweitert  werden.

– Mehrdimensionale Preissysteme erhöhen in der Inflation die Preisflexibilität. Preisparameter können  je nach ihrer spezifischen Preiselastizität unterschiedlich angepasst werden. Bahncard-50-Besitzer trifft eine Erhöhung des Ticketpreises während der Gültigkeitsdauer nur zur Hälfte, im Falle der Bahncard  100 überhaupt nicht.

– Erfolgsabhängige Preise reduzieren  den Widerstand gegen Preiserhöhungen, da der Kunde den variablen  Teil nur zahlen muss, wenn sich der Erfolg einstellt.

–  Bundling kann  dazu dienen,  eine nicht durchsetzbare Preiserhöhung  bei einem Produkt durch  Mehrumsatz eines anderen Produktes zu kompensieren.

–  Umgekehrt  gestattet  Unbundling niedrigere  Preise oder  die

Vermeidung  von Preiserhöhungen beim Hauptprodukt.

–  Freemium  ist in der Inflation  problematisch, da die Spreizung zwischen  Null  und  dem Premiumpreis zunimmt. Eine Überprüfung  der Nutzenspreizung ist deshalb  angezeigt.

–  Bei Nullpreis-Modellen entsteht  durch  Inflation  ein verstärkter Wachstumsdruck, man braucht mehr Nutzer.

–  Mit  Pay-per-use  lassen sich hohe  absolute  Preissteigerungen des Transaktionsmodells vermeiden.  In Krisen kommt  hinzu, dass der Kunde bei geringer Nutzung weniger zahlen muss.

–  Automatisierte Zahlungen  von  Micro-Beträgen  auf  Block-chain-Basis können  die Bewältigung  der Inflation  erleichtern.

 

 

 

 

 

 

 

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