Wie man erkennt, ob Manager die eigene Company betrügen und wie sie dabei vorgehen

Wie man Manager identifiziert, die ihr eigenes Unternehmen betrügen. Welche Erfahrungen die internationalen Wirtschaftsermittler Sebastian Okada und Christian Schaaf von Corporate Trust gemacht haben. Schaaf war Ermittler beim bayerischen LKA, bevor er vor 15 Jahren die Spezialberatung Corporate Trust gründete, Okada leitet die Abteilung Ermittlungen und Prävention Wirtschaftskriminalität bei Corporate Trust.   

 

Christian Schaaf (Foto: Privat)

 

Wenn Manager das eigene Unternehmen schädigen, geschieht dies fast immer über Rechnungen von externen Dienstleistern und Lieferanten. Es ist der einfachste Weg, Geld aus dem Unternehmen heraus zu schleusen. Entweder sind die Rechnungssteller um real existierende Dienstleister und Lieferanten, die bei der Untreue aus irgendeinem Grund mitmachen – meistens weil sie ebenfalls mitkassieren. Oder es sind Fake-Firmen, die nur für diesen Betrug überhaupt installiert wurden.

 

Gerade im heutigen globalisierten Geschäft, in dem es für Unternehmen völlig normal ist, Lieferanten aus allen Ecken der Welt zu haben, fällt es betrügerischen Angestellten, sogenannten Innentätern, immer leichter, ein paar Geister-Lieferanten anzulegen und beim Arbeitgeber unter den Kreditoren einzuschleusen.

 

Im Nachhinein betrachtet sind die Anzeichen für diese Art von Untreue immer die gleichen. Zu den typischen Warnhinweisen – unter Ermittlern Red Flags genannt – zählen unter anderem folgende vier Szenarien, vor allem wenn mehrere davon gleichzeitig auftreten:

 

  • Neue Lieferanten und Dienstleister werden im Unternehmen nicht oder nur unzureichend überprüft, bevor sie als neue Kreditoren angelegt werden

Manche haben vielleicht sogar einen Due-Diligence-Prozess für die Annahme neuer Dienstleister und Lieferanten, aber er hat zu wenig Tiefgang. Das ist daran zu erkennen, dass die Informationen über die Hintergründe des Kreditors, wenn Sie vorliegen, die Frage auslösen: „Und was sagt uns das jetzt?“ Ein typisches Zeichen einer unzureichenden Due Diligence! Falls es sogar aktiven Widerstand einzelner Manager gegen eine gründlichere Sorgfaltsprüfung gibt, ist das ein weiteres Red Flag.

 

 

Sebastian Okada (Foto: Corporae Trust/PR)

 

Wie es in der Praxis läuft:

Ein Industrieunternehmen in Baden-Württemberg hat als Compliance-Prozess definiert, neue Dienstleister und Lieferanten in aller Welt zunächst über eine internationale Wirtschaftsauskunft zu überprüfen. Das sind im wesentlichen Basisdaten aus dem jeweiligen Handelsregister des Landes angereichert mit Zahlungserfahrungen und daraus abgeleiteter Bonität. Sofern überhaupt schon Zahlungserfahrungen vorliegen, was bei neuen Briefkastenfirmen regelmäßig nicht der Fall ist. Zudem verlangt das Unternehmen eine rudimentäre Selbstauskunft des neuen Lieferanten oder Dienstleisters (Verantwortliche, Ansprechpartner, Kontaktdaten undsoweiter) und eine Kopie des Gründungsdokuments. Dieser Prozess wird im Unternehmen auch akribisch eingehalten, nur: Er beantwortet die beiden wichtigsten Fragen nicht:

 

  • Hat der neue Lieferant oder Dienstleister einen öffentlichen Fußabdruck in seiner Branche, wie man dies von einer realen Firma erwarten würde? Wenn er zum Beispiel in Malaysia sitzt, steht die Firma dann in den einschlägigen Firmenverzeichnissen der Branche in Malaysia, in der Presse oder in Sozialen Medien? Nahm er an Messen teil oder hielt er Vorträge bei Branchenverbänden?

 

  • Wer sind die verantwortlichen Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma? Haben sie eine Historie in der Branche, in der sie tätig sind? Sind sie schon mal irgendwo in der Welt negativ aufgefallen, zum Beispiel wegen Betrug, Korruption, Geldwäsche undsoweiter?

 

Wer diese Fragen stellt und durch systematische Informationsbeschaffung beantwortet, dem fallen die meisten Untreue-Versuche schnell auf. Heutzutage ist so eine Überprüfung mit überschaubaren Aufwand möglich, wenn man weiß, wie es geht und Zugang zu entsprechenden Informationsquellen weltweit hat.

 

  • Ein Teil des Managements führt Parallel-Akten zu bestimmten Dienstleistern oder deren Rechnungen, in die nicht alle Mitarbeiter Einblick haben.

Wenn spezielle Lieferanten- oder Dienstleisterbeziehungen zur Chefsache erklärt werden oder die Akteneinsicht zu denen nicht möglich ist, ohne dass ein bestimmter Manager zustimmt, ist das ein Warnsignal, ein Red Flag.

 

Wie es in der Praxis läuft:

Bei einem Logistik-Unternehmen erhielten zwei führende Manager über zwölf Jahre Kick-Backs in Millionenhöhe von zwei Subunternehmern, beide Transportunternehmen. Deren Rechnungen enthielten zahlreiche tatsächlich erbrachte Leistungen, aber eben auch Scheinleistungen. Den Erlös der letzteren teilten sich die Logistik-Manager und die Geschäftsführer der Subunternehmer fifty-fifty. Insgesamt schädigten die Manager ihre Arbeitgeber um zehn Millionen Euro.

 

Das fiel erst nach über zehn Jahren auf, weil das interne Controlling bruchstückhaft war und zuließ, dass Akten zu ausgewählten Lieferanten und deren Rechnungen auf Anweisung der Chefs nur bei ihrer persönlichen Assistentin einsehbar waren. Dieser Umstand wurde als gottgegeben hingenommen, obwohl er jedem Grundsatz gesunder interner Kontrollen widerspricht. Die beiden Manger hatten sich von den Millionen-Kick-Backs ansehnliche Ferienhäuser in Südeuropa gekauft.

 

Urlaubsziel Südfrankreich (Foto: C.Tödtmann)

 

  • Manager, die sogar im Urlaub oder bei Krankheit neue Lieferanten und Dienstleister oder deren Rechnungen selbst einsteuern

Egal ob gesundheitlich verhindert oder in den Ferien, manche Manager wollen bestimmte Prozesse zu Dienstleistern nicht aus der Hand geben, obwohl sie eigentlich Fachabteilungen für so etwas haben. Red Flag.

 

Wie es in der Praxis läuft:

Der Finanzabteilungsleiter in einem Industrieunternehmen in NRW baute privat ein Haus und hatte sich dabei finanziell übernommen. Er kam auf die Idee, zu testen, wie leicht es für ihn eigentlich ist, einen Geister-Lieferanten im System anzulegen und fälschte zuhause eine simple Rechnung über 1.450 Euro für „Optimierung Buchhaltungssystem, Modifikationen Prozesse“. Die darauf genannte Bankverbindung gehörte zu der Einzelfirma seines Bruders, der freiberuflich eine kleine Unternehmensberatung betrieb. Der Finanzchef legte den Rechnungssteller neu an, gab die Rechnung selbst frei und die Zahlung ging bei seinem Bruder ein, ohne Staub im Unternehmen aufzuwirbeln.

Als das so einfach funktionierte, überlegte der Finanzchef, wie er an größere Summen kommen konnte. War da doch die aktuelle Implementierung für eine neues Enterprise Resource Planning (ERP)-System, ein Mammut-Projekt, das für alle Beteiligten zuletzt immer unübersichtlicher geworden war. Da ließ sich die eine oder andere Rechnung für „Beratungsleistungen“ dazwischenschieben, wie er herausfand. Als eine seiner Rechnungen allerdings während seines Urlaubs wegen einer fehlenden Bestellnummer im System aufpoppte und er selbst nicht da war, um den Vorgang zu vertuschen, fing eine fleißige Mitarbeiterin an, zu recherchieren, was das überhaupt für eine Dienstleistung war. Das war der Anfang vom Ende des Geister-Lieferanten. Der Finanzchef versuchte dann noch, vom Urlaubsort aus zu intervenieren, aber da war es schon zu spät.

 

 

  • Häufung von offensichtlichen Briefkastenfirmen unter den Lieferanten im Unternehmen

In manchen Unternehmen werden internationale Geschäfte regelmäßig unter Einbeziehung von Briefkastenfirmen auf Seiten ihrer Geschäftspartner und Kunden gemacht. Um es vorwegzunehmen: Nicht alle Briefkastenfirmen sind ein Zeichen für Untreue oder Korruption. Sie können durchaus ihre Berechtigung haben: Zum Beispiel steuerlich, wenn eine bestimmte Konstellation von Ländern und Firmen hilft, legal Steuern zu sparen.

Oder aus Gründen der geografischen Herkunft von Geschäftspartnern: Wenn ein Kunde zum Beispiel in Venezuela oder Kolumbien sitzt, kann es sinnvoll sein, wenn er mit Briefkastenfirmen in Panama und Florida die Geldströme in verlässliche Länder mit berechenbarer Jurisdiktionen steuert. Generell gilt, je weniger Rechtsstaatlichkeit in einem Land existiert, umso häufiger nutzen dortige Unternehmen lieber Briefkastenfirmen im Ausland, um ihre Erlöse vor willkürlichen, kleptokrartischen Regimen zu schützen – was legitim ist.

 

Mitunter haben Unternehmen auch freiberufliche Mitarbeiter im Ausland im Einsatz, die ihre Leistungen mit einer Briefkastenfirma abrechnen, die keinen großen öffentlichen Fußabdruck hat – auch das kann normal sein.

 

Jedoch halten nicht alle Geschäftskonstellationen mit Briefkastenfirmen einer kritischen Überprüfung stand. Die Abwägung kann sich durchaus komplex darstellen, wenn aber zum Beispiel die Verwendung einer Briefkastenfirma wenig anderen Sinn ergibt, als dass sie offenbar intransparent sein soll, ist das ein Warnsignal.

 

Wie es in der Praxis läuft:

Ein Agent in Italien vermittelte gelegentlich Geschäfte an ein Unternehmen aus Bayern, das Maschinen für die Schwerindustrie herstellt. Dafür erhielt der Agent zwischen drei und zwölf Prozent Provisionen, was sich bei der Größe der Geschäfte schon mal auf hunderttausende Euro pro verkaufter Maschine aufsummierte. Jahrelang hat er seine Leistungen mit einer italienischen S.r.l. (GmbH) abgerechnet, deren geschäftsführender Gesellschafter er seit den 1990er Jahren war.

Vor einiger Zeit jedoch bat er darum, künftig über seine neue Gesellschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten abrechnen zu dürfen, da sich sein Lebensmittelpunkt angeblich mehr und mehr nach Dubai verlagere. Nur: Dafür gab es keine wirklichen Anzeichen. Der Italiener war fast immer in Mailand anzutreffen, seine Ehefrau betrieb dort eine Kunstgalerie und er kam auf Anforderung stets schnell zu Besuch zu seinem Kunden in München, wenn sich ein Geschäft andeutete. Nach Lebensmittelpunkt Dubai sah das alles nicht aus. Zudem hat die neue Gesellschaft, die er vorweist, Recherchen zufolge einen Emirati als eingetragenen Geschäftsführer, nicht den Italiener. All das gab Anlass zu dem Verdacht, dass Intransparenz das eigentliche Ziel der neuen Briefkastengesellschaft sein könnte.

 

Fazit: Meist sind es gar nicht unbedingt einzelne der oben genannten Red Flags, die gleich einen Anfangsverdacht auf Untreue ergeben. Aber wenn mehrere Warnanzeichen gleichzeitig festgestellt werden, ist es vermutlich an der Zeit, diesem Sachverhalt mit Hilfe von Ermittlungen auf den Grund zu gehen.

 

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