Warum es so schwer ist, in namhaften Medien vorzukommen, verrät Journalistin Eva Müller im Buchauszug von Nicole Kremer/Christiane Wolff (2): „C-Level auf Zukunftskurs“

Buchauszug Nicole Kremer/Christiane Wolff (2): „C-Level auf Zukunftskurs“. Hier mit einem Kapitel von Journalistin Eva Müller, die verrät, wie man es garantiert nicht in die namhaften Medien schafft und warum – auch wenn PR-Agenturen es ihren Kunden so verkaufen.

 

Eva Müller (Foto: PR)

 

 

Eva Müller arbeitet seit mehr als 40 Jahren als Journalistin. Schon als Schülerin schrieb sie für ihre Heimatzeitung Rheinpfalz. Seit mehr als 20 Jahren schaut sie als Redakteurin beim „manager magazin“ den Führungskräften der großen deutschen Unternehmen auf die Finger – und haut ihnen bei erwiesenem Fehlverhalten auch mal auf dieselben. Ihr besonderes Augenmerk gilt dabei den Hightech-Sektoren – von Biotechnologie bis Software.

 

Wer sich vor allem selbst darstellen will, der sollte ihren Beitrag in diesem Band überblättern und sich auf die zielführenden Handreichungen zum gelungenen Auftritt in Social Media und Co. in diesem Buch konzentrieren. Falls es dem einen oder anderen heute noch dazu treibt, in altmodischen Medien aufzutauchen – für die Jüngeren: Das sind Zeitungen, Zeitschriften, Radio- oder TV-Sender mit Qualitätsanspruch –, der mag sich hier seinen Frust abholen. Beschrieben wird in erster Linie, warum sich die kleine Gilde der kritischen Journalistinnen und Journalisten mit größter Wahrscheinlichkeit nicht für sie interessiert. Wer dennoch bei der Lektüre durchhält, erhält jedoch ein paar nützliche Hinweise zur Selbstüberprüfung: Habe ich wirklich etwas zu sagen, das mehr Menschen interessiert als mich selbst?

 

Achtung Spoiler-Alarm: Wer unangenehme Wahrheiten nicht lesen mag, sollte diesen Beitrag geflissentlich überblättern. Denn eines kann ich als Journalistin mit mehr als 40 Jahren Berufserfahrung bei den Qualitätsmedien („Rheinpfalz“, „Süddeutscher Rundfunk“, „WDR“, „Badische Zeitung“, „Reuters“, „Capital“, „Focus“ und zuletzt mehr als 20 Jahre „manager magazin“) auf dem Buckel versichern: Es ist definitiv nicht unser Job, unbekannte Personen, Unternehmen, Institutionen und Organisationen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Das müssen diejenigen, die gerne beachtet werden oder ihre Produkte und Dienste verkaufen wollen, schon selbst übernehmen.

 

Glücklicherweise existieren zu diesem Zweck ja unzählige Möglichkeiten – von der Selbstdarstellung in sozialen Medien über öffentliche Auftritte, Sponsoring und jedwede Marketingaktionen bis hin zur herkömmlichen Anzeige oder zum Werbespot. Wie diese Art von Eigenvermarktung funktionieren kann, wird in anderen Beiträgen dieses Buches beschrieben.

 

Jetzt kommt der Letdown: Beachtung durch die traditionellen Medienmarken, sprich Zeitungen, Magazine, Hörfunk und Fernsehen sowie deren digitalen Erscheinungsformen, kann keine dieser ehrenwerten Maßnahmen erzwingen. Okay, es gibt natürlich jene Hochglanzmagazine, Anzeigen- oder Branchenblätter und Verkaufssender, die das Schalten einer Annonce automatisch mit einem sogenannten redaktionellen Beitrag verknüpfen. Viele dieser Publikationen finden jedoch ohne nennenswertes Publikum statt oder verrotten noch zusammengeschnürt in Hauseingängen. Deshalb Achtung vor den Versprechungen obskurer Verlage, die gerne unter dem Rubrum Luxus oder Exklusiv die Aufmerksamkeit einer wohlmögenden Klientel avisieren.

 

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Lieber erst mal eine Wirksamkeitsanalyse machen und das von Verlag oder Sender angepriesene Kuppel-Paket genau prüfen. Treffe ich damit wirklich meine Zielgruppe? Und wenn ja, zu welchem Preis? Sonderpublikationen bekannter Medienmarken – Beilagen, Specials oder Sonderseiten, analog oder digital – erreichen schon mal passionierte Golfspieler, Wellness-Adepten oder Fans bestimmter Technologien. Gar nicht selten sind die Artikel von ordentlicher journalistischer Machart. Und es existieren durchaus interessante Formen, die plumpes Selbstmarketing zu einem „echt“ erscheinenden Advertorial oder gar zu einem gesponserten Themenspecial aufwerten. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt – es steht halt nur „Anzeige“ überm Text.
Und selbst dort, wo dieser Hinweis geflissentlich vergessen oder unleserlich klein versteckt wurde: Niemand, der sich selbst vermarkten will, sollte die Leserinnen, User, Zuhörer oder Zuschauerinnen unterschätzen. Sie erkennen mit sicherem Instinkt einen PR-Text und ordnen ihn genau als das ein, was er in Wirklichkeit ist: Werbung halt. Und daher auch nicht für bare Münze zu nehmen, sondern mit einer gehörigen Portion Skepsis zu genießen.

 

Gerade wegen dieser unangenehmen Intelligenz der Rezipienten gilt unter Möchte-gerne-öffentlichen-Personen eine Erwähnung in einem unabhängig recherchierten Beitrag eines etablierten Mediums noch immer als extrem erstrebenswert. Zumindest wenn es sich nicht um einen absoluten Verriss handelt. Und selbst da gilt häufig noch die Regel: Jede Aufmerksamkeit ist gut, Hauptsache, der Name ist richtig geschrieben.
Anders jedenfalls kann ich mir die immer zahlreicher werdenden E-Mails oder Chat-Nachrichten über die Business-Netzwerke nicht erklären, die mir täglich die Firmen „Nie gehört“ und deren CEOs, Topberaterinnen, Experten „Kenn ich nicht“ zur gefälligen Berichterstattung andienen.

 

Hiermit versichere ich mit Journalistinnen-Ehrenwort: Sie alle landen mit einem Quick-Klick im Müll. Wer hinter seiner E-Mail her telefoniert, macht sich unbeliebt: Das ist Zeitdiebstahl! Und der wird hart geahndet. Angesichts des enormen Spardrucks der Medien haben Journalistinnen und Journalisten nämlich eines am allerwenigsten: Zeit. Immer weniger Mitarbeitende sollen immer mehr und vor allem immer interessanteren, sprich quoten-, auflagen- und klickstarken Content kreieren. An dieser Stelle verbindlichen Dank für das Mitleid.

 

Nicole Kremer / Christiane Wolff: „C-Level auf Zukunftskurs. Wie Sie Ihr Profil schärfen und Ihre Positionierung stärken“- 263 Seiten, 39,95 Euro, Haufe Verlag  https://shop.haufe.de/prod/c-level-auf-zukunftskurs

 

Mehr gedient wäre uns Medienschaffenden deshalb, wenn die unbelehrbaren Anrufenden einfach das Wort „Nein“ akzeptieren würden. Stattdessen quasseln sie gerne ohne Punkt und Komma weiter – bloß keine Pause machen, bevor die Botschaft nicht heruntergebetet ist. Mit diesem Vorgehen katapultieren sich penetrante Anrufer ins Off und müssen es nie wieder versuchen. Und ich gelte in der Branche noch als eher freundliche und zugängliche Journalistin.

 

Und ja, auch wiederholtes Nerven mit immer dringlicheren E-Mails („Ihre letzte Chance“, „Die Zeit läuft ab“) nutzt rein gar nichts. Schlimmer noch, sie befördern diese ganz besonders von sich überzeugten Personen (gerne aus der beliebten Kategorie selbsternannte Experten, Lebenshelferinnen sowie Karriere- und Erfolgscoaches) auf meine persönliche schwarze Liste derjenigen, die ich mit tödlicher Sicherheit niemals erwähnen werde. Das gilt auch für nerviges Dauerwerben auf den Business-Kanälen LinkedIn und Xing. Nein, ich will den jüngsten Erguss eines selbsternannten Gurus zu irgendeinem gerade hippen Managementthema nicht lesen und auch nicht zu Tausenden Online-Veranstaltungen mit immer gleichem Tenor („So werden Sie erfolgreich!“) eingeladen werden. Klick, Klick, Klick und weg damit.

 

Auf dieser schwarzen Liste stehen im Übrigen auch PR-Agenturen, die versprechen, ein Unternehmen, eine Person in einem Medium „zu platzieren“. Klingeln die bei mir an, führt das nur zu einem gezielten Druck auf die rote Taste am Smartphone oder zu einem geharnischten Anschiss für die Anrufer. Hängt davon ab, ob ein meist hörbar junger Mensch fragt, der entweder wirklich keine Ahnung vom Geschäft hat, sondern als Praktikant oder Praktikantin eine Liste abtelefoniert oder – schlimmer noch – sich absichtlich dumm stellt, um einen ebenso Dummen zu finden.

 

Merke: Nur notleidende Blättchen nehmen bezahlte Artikel entgegen. Darin zu erscheinen erhöht den Bekanntheitsgrad nur submarginal. Medien mit journalistischem Anspruch verweisen für derlei „Bekanntmachungen“ auf die segensreiche Einrichtung der Anzeigenabteilung. Die macht jede nur denkbare Menge an Selbstbeweihräucherung und Lob der eigenen Produkte und Dienste nur zu gerne möglich.

 

Hiermit endet der Werbeblock in eigener Sache: Denn noch immer sind Anzeigen und Spots die wichtigste Einnahmenquelle für den Qualitätsjournalismus. Bis mit Online-Abo-Zahlungen auch nur der Ausfall einer einzigen ganzseitigen Anzeige ausgeglichen ist, fließt sicher noch einiges Wasser die Isar hinunter.
Weil aber zwischen Anzeigenabteilung und Redaktion eine „Chinesische Mauer“ der gegenseitigen Nicht-Beeinflussung besteht, recherchiert und schreibt jede professionelle Journalistin ihre Geschichte völlig unabhängig nach eigenem Gusto. Die Auswahl ihrer Themen nehmen Redaktionen ebenfalls total eigenständig vor. Und Werbegeschichten für irgendein Anliegen kommen auf unserer Wunschliste garantiert niemals vor.

 

Hier sei auch ein weiteres Vorurteil berichtigt: Nein, es herrscht in den Redaktionen kein eklatanter Mangel an Ideen, sodass Journalistinnen und Journalisten überglücklich darüber sind, vorgeschriebene PR-Artikel geliefert zu bekommen. Sprich, die Wünsche und Ambitionen von Personen, die gerne so wichtig wären, dass „die Zeitung über sie schreibt oder das Fernsehen über sie berichtet“, spielen im journalistischen Handwerk überhaupt keine Rolle.

Hier eine kleine persönliche Anmerkung: Wenn ich von Artikeln spreche, ist selbstverständlich immer automatisch auch die Story, der Clip oder Podcast auf der Website eines Mediums mitgemeint. Als Branchenveteranin bitte ich um Verzeihung für den permanenten Gebrauch altmodischer Begriffe aus dem Medienaltertum. Die neuen Outlets mögen sich einfach ebenso angesprochen fühlen.

 

Nach dieser Philippika über die nervtötende Wirkung von Selbstvermarktung auf Journalistinnen und Journalisten kommt als Belohnung für alle, die sich soweit im Text vorangequält haben, eine tröstliche Nachricht: Es ist trotzdem möglich, redaktionell wahrgenommen zu werden. Schließlich erscheinen unsere Publikationen ja regelmäßig und sind voller Namen und Nachrichten.

 

Wie schaffe ich es, in einem journalistischen Beitrag erwähnt zu werden?

Die Faktoren, die einen Auftritt in einem ernstzunehmenden Medium ermöglichen können, orientieren sich an der berühmten 5-W-Regel. Jede Volontärin verinnerlicht bereits am ersten Arbeitstag die fünf W-Fragen: wer, was, wann, wo, warum. Diese Fragen stellen Journalistinnen und Journalisten bei jeder Recherche und überprüfen die Antworten gnadenlos nach nur einem Kriterium: Interessiert das meine Leserschaft? Ist das relevant für mein Publikum oder will sich da nur jemand wichtig machen und sein Anliegen propagieren?

 

Dabei beachtet jede gute Journalistin grundsätzlich das Neutralitätsgesetz: Mache dich mit nichts und niemandem gemein, auch nicht mit der guten Sache. Dieser Wahlspruch des legendären Nachrichtensprechers Hanns Joachim Friedrichs hat bis heute Bestand. Ausnahmen bestätigen die Regel und bedeuten meist nichts Gutes für das betreffende Medium. Als jüngeres Beispiel dient die Klimaschutzkampagne des Stern. Diese Artikelserie war ein klares Indiz für das Sinken des Stern, der sich vor lauter Spardruck aus der Verlagsleitung kaum mehr unabhängigen Journalismus leisten mag. Anfang 2021 wurde denn auch die Politik- und Wirtschaftsredaktion zusammengelegt. Die Redakteurinnen und Redakteure müssen nun auch für alle anderen Gruner & Jahr-Medien Inhalte liefern. Der nächste Cut steht bereits bevor. Gegen Ende 2021 soll der Verlag mit dem TV-Sender RTL vereint werden.

 

Unter normalen Umständen gehen die meisten Journalistinnen und Journalisten bei allzu energischem Werben für eine Sache sofort auf Distanz. Deshalb bloß nicht mit missionarischem Eifer immer wieder das eigene, hochwichtige Anliegen betonen. Sätze wie „Sie müssen uns helfen“ schrecken uns Journalistinnen ab: „Oh Gott, ein Überzeugungstäter! Nichts wie weg hier und nie wieder ans Telefon gehen.“
Jetzt aber endlich: Die Übersetzung der 5-W-Regel für diejenigen, die so gerne in die Zeitung oder ins Fernsehen wollen. Sie sollten sich vor jedem Versuch, eine Journalistin zu kontaktieren, folgende Fragen stellen:

 

Wer bin ich?

An erster Stelle steht eine kritische Selbstprüfung: Wie bekannt bin ich als Person? Wie groß und bedeutsam ist meine Organisation und bin damit ich als Führungsperson? Besitze ich in irgendeiner Community einen Promifaktor. Und damit ist nicht die Follower-Gemeinde auf Facebook, Instagram oder Twitter gemeint. Klar, ein paar einst unbekannte Personen haben es bereits durch ihre Millionen zählende virtuelle Gefolgschaft zu kurzfristiger Prominenz gebracht. Allerdings sind selbst Top-Influencer wie eine gewissen Bibi (Nachnamen schon wieder vergessen) mit ihren Schminktutorials schon längst wieder in der Versenkung verschwunden und haben damit ihren Pseudo-Status verloren. So eine richtig erfolgversprechende Methode, journalistische Bekanntheit zu gewinnen, scheint mir das Sammeln von Likes nicht zu sein. Aber ich bin auch keine Boulevard-Expertin, sondern meiner drögen Wirtschaftswelt verhaftet.

Dennoch gilt auch im Wirtschafts- oder Politikjournalismus das eherne Promi-Gesetz: Hat George Clooney einen Roller-Unfall auf Sardinien, macht das weltweit Schlagzeilen. Wenn ich im Urlaub auf den Vordermann auffahre, regt das höchstens Tante Irmgard auf. Übertragen heißt das: Jeder noch so absurde Satz wurde kolportiert, wurde er im Corona-Jahr von Gesundheitsminister Jens Spahn oder der Kanzlerin ausgesprochen. Die Äußerung eines Hinterbänklers im Bundestag muss schon sehr aufrüttelnd oder extrem sein, um öffentlich Gehör zu finden.

 

Sagt in meiner eng umrissenen Business-Welt SAP-Chef Christian Klein im Interview, er setze sich für weitreichende Quotenregelungen in seinem Unternehmen ein, dann greifen „Spiegel“, „Handelsblatt“ und „FAZ“ die Meldung auf – schließlich hatte der CEO seine Vorstandskollegin, die Co-CEO Jennifer Morgan, nach knapp einem halben gemeinsamen Jahr an der Spitze weggebissen. Und das hochaktuelle (und hochwichtige) Diversity-Thema ist Anno 2021 ohnehin immer eine Geschichte wert. Erklärt sich allerdings die Chefin eines Mittelständlers mit 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Fürsprecher von Minderheiten, dann schreibt darüber maximal das lokale IHK-Heft.

 

Ob der eigene Bekanntheitsgrad für mediale Beachtung ausreicht, hängt davon ab, welches Medium berichten soll. Der Bürgermeister meines Heimatortes Bad Bergzabern in der Südpfalz wurde auf der Regionalseite der Rheinpfalz (meine erste journalistische Station als Schülerin) mehrfach im Jahr zitiert. Eine Fashion-Bloggerin mit 1.000 Followern auf Instagram mag bereits für eine Modebeilage der Regionalzeitung interessant sein.

 

Doch gerade die Lenker weitgehend unbekannter Firmen haben häufig größere Ambitionen. Sie träumen von ihrem Konterfei auf dem Titel des manager magazins. Solch ehrgeizigen Personen erkläre ich immer wieder gerne, wie sie es zumindest ins Innere des manager magazins schaffen können. Hier exklusiv die Gebrauchsanleitung: „Bauen Sie Ihr Unternehmen schnell auf eine relevante Größe von mindestens einer Milliarde Euro Umsatz auf. Bei weniger Umsatzpotenzial bitte eine bekannte Marke liefern (mindestens im Rang von Bogner oder Vorwerk). Dann fahren Sie den Laden mit Karacho vor die Wand. Und erzählen mir bitte mit sechs Wochen Vorlauf (unser Erscheinungsrhythmus erfordert das) exklusiv vom Zusammenbruch – natürlich nur solange der noch nicht anderweitig ruchbar wurde. Exklusivität muss sein, sonst geht gar nichts. Gestehen Sie mir Ihre Fehler möglichst detailgetreu, gerne dürfen persönliche Animositäten und handfester Streit eine wesentliche Rolle spielen. Dann können wir vielleicht über zwei Spalten in der beliebten Rubrik Namen & Nachrichten reden.“

 

Hier ein kleiner Tipp, wie die realistische Einschätzung der eigenen Bekanntheit gelingen kann. Einfach mal den eigenen Namen googlen und News anklicken. Dann checken, wie oft ich schon in welcher Publikation aufgetaucht bin. Und wie lange die letzte Erwähnung zurückliegt. Wer bisher nur in exotischen Fachzeitschriften oder Insiderblogs erwähnt wird, der sollte beim nächsten Selbstvermarktungsversuch nur eine Stufe höher ansetzen – und nicht gleich die „Tagesschau“ oder den „Spiegel“ avisieren.

Nur warnen kann ich vor einem weiteren Trick von Hyperselbstbewussten: Wer einfach so tut, als sei frau eine Berühmtheit, die doch jedem bekannt sein muss, schießt sich ungespitzt ins Aus. Nein, nein und nochmals nein. Eine Journalistin muss weder den CEO der Firma „Langweilig“ kennen noch die Präsidentin der Organisation für „allgemeines Desinteresse“, selbst wenn diese Personen sich selbst für den Nabel der Welt halten.

Der langen Rede kurzer Sinn: Wer nicht bereits bekannt ist, der muss mit dem „Was“ punkten.

 

Was habe ich als Geschichte zu bieten?

Hier geht es nicht um das sattsam bekannte „Storytelling“, mit dem PR-Professionals einen aus der Sicht ihrer Kunden relevanten Content zu einer lesbaren Geschichte aufmotzen. Für mediale Aufmerksamkeit genügt es nicht, die Historie eines Unternehmens oder eines Produktes spannend zu beschreiben und mit einem Mythos zu garnieren. Derlei Storys entstehen zumeist aus der reinen Innensicht. Doch was für meine Organisation, in meiner Fraktion, im Verband oder Unternehmen bedeutsam erscheint, interessiert noch lange nicht irgend jemanden außerhalb.

 

Hilfreich bei der Beurteilung der eigenen, ach so großartigen Story ist Feedback von Außenstehenden. Die sollten nicht tief in der Materie stecken und in jedem Detail Bedeutsamkeit wittern. Ganz und gar nicht sollten sie wohlwollende Freunde oder abhängige Mitarbeiterinnen oder Zulieferer sein. Derlei eng verbundene Personen tendieren nicht zu kritischen Äußerungen wie „Das interessiert keine Sau“.
Sehr empfehlenswert hingegen ist es, beim Formulieren des Themas einmal an die potenziellen Leserinnen und Leser zu denken: Was an meinem Anliegen könnte das werte Publikum möglicherweise spannend finden. Kleiner Hinweis: Der Wunsch des Unternehmens nach mehr Bekanntheit und kostenloser Werbung ist es auf gar keinen Fall, niemals!

 

Der Inhalt muss schon von breiterem öffentlichen Interesse sein. Wer ein für die Allgemeinheit (oder die jeweils avisierte Zielgruppe) relevantes Thema zu kommunizieren hat, dem kann auch als bisher unbekannter Person mediale Aufmerksamkeit zukommen – manchmal sogar mehr als es der betroffenen Person lieb ist. Professor Christian Drosten etwa erfreute sich im Januar 2020 maximal unter seinen Virologen-Kolleginnen und -Kollegen einer gewissen Bekanntheit. Doch seit der Leiter der Virologie der Charité in Berlin die Bundesbürger regelmäßig, kompetent und verständlich über die Entwicklung der Corona-Pandemie informiert, zählt er zu den wichtigsten Medienpersönlichkeiten der Republik – Hasstiraden und Shitstorms inklusive.

 

Die Kernfrage für alle Menschen mit Medienambitionen lautet also: Habe ich eine Story zu erzählen, die nicht nur mich und meine Freunde oder Mitarbeiter interessiert?
Das entscheidende Kriterium aus journalistischer Sicht: Eine gute Geschichte enthält unbedingt eine echte News. Oder zumindest einen neuartigen, besonderen Beitrag zu einer laufenden Debatte. Besonders scharf sind wir Reporterinnen und Reporter natürlich auf Skandale und Missstände jeder Art. Die gehen eigentlich immer. So gelangte ein bis dato anonymer 32-jähriger Rollstuhlfahrer aus Franken in die aktuelle Sendung des Bayern 5 Info-Radio, weil er ein Youtube-Video veröffentlicht hatte. Darin schilderte er, wie ihn die Novelle des Bayerischen Naturschutzgesetzes diskriminiert: Eine zum Gesetz erlassene Verordnung verbannte den Rollstuhlfahrer genau wie die bei Wanderern verhassten Mountainbiker auf gesondert ausgewiesene Wege. Mit seinen Kumpels auf einer Wiese picknicken war demnach genauso verboten wie das Verlassen der geteerten Wege. Ein echter Aufreger mit Echo bis in die Staatskanzlei in München. Der Umweltminister entschuldigte sich, die Verordnung wird geändert.

 

Allerdings müssen die kolportierten Anschuldigungen und Fehlverhalten auch wirklich stimmen. Einfach nur meckern reicht nicht. Ein Fall für den Mülleimer sind auch nebulöse Andeutungen und geraunte Gerüchte. Besonders unerfreulich, wenn auf eine halb interessierte Nachfrage, die meist mit entrüstetem Unterton ausgesprochene Antwort kommt: „Ja, da müssen Sie halt mal recherchieren.“ Auch die beliebten Anschwärzungen von Führungspersonen aus Rache oder Neid sind nach meiner Erfahrung in den meisten Fällen genau das: Denunziation aus niedrigen Motiven.
Also ganz klar gesagt: Wer einen Missstand anprangert oder eine Neuigkeit kommunizieren will, muss echte Beweise vorlegen – wie im Rolli-Beispiel den Gesetzestext. Keine Journalistin will Fake News aufsitzen und prüft deshalb genau, ob die Belege stimmen. Unrühmliche Ausnahmen gibt es natürlich immer (wir erinnern uns an den Fall Relotius, jenem Hochstapler, der dem Spiegel haarsträubende Fantasiegeschichten auftischen konnte). In den allermeisten Fällen aber bemerken wir Journalisten ob Storys „too good to be true“ sind.

 

Noch ein Erfolgsfaktor: Das vorgelegte Material sollte aus eingängigen, verständlichen Zahlen und Fakten zum Sachverhalt bestehen, möglichst in halbwegs verständlicher Sprache. Kein noch so erfahrener Recherchierender kann sich in jedem exotischen Fachgebiet auskennen. Im stressigen Redaktionsalltag ist selten Zeit für ein Zweitstudium. Wer gutes und korrektes Basismaterial liefert, hat deshalb schon halb gewonnen.

 

Neben der theoretischen Basis bedarf es aber auch treffender Beispiele und realer Fälle. Über viele Jahre etwa versuchten Cybersecurity-Firmen mir die schrecklichen Auswirkungen von Datendiebstahl und Hackerangriffen als Thema anzudienen – im Hinterkopf die schöne Idee, als Retter in der Not in einem Artikel auftreten zu können. Doch auf meine Frage nach Ross und Reiter, also nach konkret bezifferten Schäden bei namentlich genannten Unternehmen, herrschte durchgängig eisernes Schweigen. Über das Thema geschrieben habe ich erst, nachdem ab 2019 die Europäische Datenschutz-Grundverordnung hohe Strafen für die Verletzung des Datenschutzes auslobte. In dem Artikel wurde übrigens nicht ein einziges dieser Software-Unternehmen erwähnt.

Die Chancen auf eine Veröffentlichung steigen weiter, wenn der Inhalt mit unterhaltsamen, amüsanten oder herzergreifenden Anekdoten gewürzt ist. Beim TV kommt dazu der optische Aspekt: Gibt es zu einem Sachverhalt spannende, ungewöhnliche Bilder oder sind nur Menschen zu sehen, die aus Autos steigen, oder die Fassade einer Konzernzentrale. Wer da der Fantasie der Redakteurinnen auf die Sprünge hilft, erhöht seine Chancen auf Aufmerksamkeit. Noch heute erinnere ich mich an meinen ersten Auftrag als Praktikantin beim „WDR“-Landesstudio in Bielefeld – Anno 1980. Ich sollte einen NIF (Nachrichtenfilm von 30 Sekunden Länge) über die Eröffnung einer Shoppingmall produzieren. Interessant war dieser Non-Event nur durch seine witzigen Bilder: Ein Affe schnitt das Band durch – ein Motiv, das man heute nicht mehr wählen würde.

 

Der Optikfaktor spielt übrigens auch in der Print- und Online-Sphäre eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wer ungewöhnliche Fotos zu bieten hat, erhöht seine Chancen auf eine Erwähnung. Beim „manager magazin“ etwa hatte der CEO eines Feuerlöscher-Herstellers einen gigantischen Auftritt, weil er sich beim beherzten Sprung aus einer (virtuellen) Flammenwand ablichten ließ. Wer hingegen nur langweilige Passfotos von sich anbieten kann, hat kaum eine Chance. Wir sprechen schließlich mit vielen Informanten und nur das beste Gesamtpaket schafft es ins Heft: toller Inhalt, knackiges Zitat, ungewöhnliches Bild.

 

Erfolgsfaktor Nummer 3: Immer an die Kundschaft denken. Wer soll eine Geschichte lesen, einen Beitrag anschauen, einen Podcast anhören?

Die Frage nach der Zielgruppe trägt mehr zu den Erfolgsaussichten einer Botschaft bei, als der gewöhnliche Selbstdarsteller so denkt. Nur die allerwenigsten Themen sind schließlich für die gesamte Öffentlichkeit relevant und bedürfen der Berichterstattung durch die Tagesschau oder eines Dreispalters auf der ersten Seite der „Süddeutschen Zeitung“.
Die potenziellen Adressaten für ihre Geschichte zu identifizieren, fällt den meisten Öffentlichkeitssuchenden aber offenbar extrem schwer. Mich jedenfalls belästigen regelmäßig Unternehmen mit euphorischen Mitteilungen zur jüngsten Version einer Software, die jetzt noch drei weitere Features enthält. Als Redakteurin beim „manager magazin“ klicke ich da sofort den Mülleimer an. Meine Leserinnen halten solche Tech-Details für absolut unwichtig, ja nachgerade für nervig. Für eine IT-Fachzeitschrift und deren nerdiges Publikum könnten derlei Neuerungen aber durchaus relevant sein.

 

Deshalb bitte immer zuerst die Zielgruppe für die eigene Nachricht identifizieren. Verständlicherweise ist für den CEO eines Unternehmens oder die Präsidentin einer Non-Profit-Organisation immer das eigene Produkt oder Anliegen das wichtigste der Welt. Ein vernünftiger PR-Professional aber lässt bei der Definition der potenziellen Empfänger der frohen Botschaft Bescheidenheit walten und konzentriert sich auf eine bestimmte Untergruppe, die möglicherweise für sein Thema zu erwärmen ist, also ein Softwarehersteller auf IT-Entscheider oder ein Hersteller von Abfüllmaschinen auf die Lebensmittelbranche.
Der Adressatenkreis definiert die Auswahl des passenden Mediums. Genau zielen statt mit Schrott ballern erhöht dabei die Chancen, publiziert zu werden. Dafür bedarf es allerdings guter Kenntnisse des Medienspektrums: Auf welchem Weg erreiche ich wen?
Das „manager magazin“ lesen fast ausschließlich Führungskräfte großer Unternehmen, ihre Berater und solche, die das eine oder andere einmal werden wollen. Bei der „FAZ“ oder beim „Handelsblatt“ erreicht frau eine breitere Auswahl an wirtschaftlich interessierten, gebildeten, wohlhabenden Personen.

 

Welche Schlagkraft eine Publikation hat, wie ihre Leserschaft definiert ist, darüber geben Leser- beziehungsweise Zuschaueranalysen wie die von LAE (Leseranalyse Entscheidungsträger e.V.) Auskunft. Meist werben Printpublikationen oder TV- und Radiosender auf ihren Webseiten für Anzeigenkunden mit Reichweite, Infos zu ihren Leserinnen und Zuschauer. Für Webseiten gibt es noch sehr viel mehr Material über Unique Visits, Verweildauer oder Konversionsraten der Zuschauer.

 

Ist die passende Publikation gefunden, beginnt die Suche nach dem zuständigen Ansprechpartner. Ich empfehle dringend, das gewählte Blatt einfach mal zu lesen (oder die Sendung zu schauen, den Online-Auftritt zu verfolgen). Meist bearbeiten die Autorinnen und Autoren der verschiedenen Beiträge klar definierte Themengebiete. Kleiner Tipp: Mal das Impressum auf der Webseite einer Publikation checken (hat mittlerweile sogar das verschnarchteste Printmedium). Dort stehen neben den Fotos der Redakteure meist Kurzporträts mitsamt Tätigkeitsbereich und Erfahrungen. Online-Artikel werden sogar häufig mit launigen Vorstellungen der Autorinnen und Autoren garniert, die einen sympathischen Gesprächseinstieg bei einem etwaigen Telefonat ermöglichen. Gar nicht gut kommt übrigens falsche Lobhudelei, wie „Ich lese Ihre Artikel immer mit größtem Vergnügen“, wenn´s gar nicht stimmt.

 

So funktioniert die richtige Ansprache

Sie sollten die für das eigene Thema geeignete Medien-Mitarbeitenden bitte grundsätzlich zuerst mit einer kurzen E-Mail anpingen. Und eine noch größere Bitte: Einen aussagekräftigen Betreff angeben. Kostet vielleicht etwas mehr Denkarbeit als nur „Spannende Geschichte für Sie“ oder „Pressemitteilung von …“. Erhöht aber die Chancen, den sofortigen – und mittlerweile schon ausführlich beschriebenen – Klick auf das Eimersymbol zu verhindern.

 

Beschreiben Sie im Text dann nur knapp die These – auf maximal 20 Zeilen und ohne launige Schreibübungen des Praktikanten. Nie wieder will ich die Formulierung „… ist in aller Munde“ lesen müssen! Auch gedrechselte Ausdrucksweisen aus dem Horrorhandbuch des Bürokratismus („das Unternehmen, welches …“) sind echte Abturner mit Müll-Garantie. Niemand braucht zudem langwierige Erklärungen, halbe Seminararbeiten und schon ganz und gar keine Anhänge, in denen dann nochmal eine längere Version der Pressemitteilung zu finden ist. Auch der gleiche Text in weiteren Sprachen ist unnötig. Wer die Vorlage aus den USA nicht knapp auf deutsch wiedergeben kann oder will, ok. Ich bin wie fast alle meine Kolleginnen und Kollegen der englischen Sprache mächtig.

 

Eines sollte der Absender der E-Mail auf jeden Fall berücksichtigen: Journalisten stehen immer unter Zeitdruck und bekommen hunderte, gar tausende Mails am Tag. Und sie sind nie, wirklich niemals, auf der dringenden Suche nach irgendeiner verwertbaren PR-Meldung. Das Angebot an möglichen Geschichten ist immer um ein Vielfaches (ich würde behaupten um mehr als das Hundertfache) größer als der Bedarf der Redakteurin. Selbst in Online-Publikationen ist der Platz begrenzt und die Zeit der Mitarbeitenden noch knapper.

 

Deshalb ist es extrem hilfreich, wenn der Absender der E-Mail bei einem etwaigen Interesse wirklich kompetent Auskunft geben kann und sich nicht erst noch bei dem Auftraggeber erkundigen muss. Und bitte, bitte auf die Frage antworten, die gestellt wurde, und dazu passendes Material schicken. Und nicht einfach zuspammen mit allem, was man zum Thema zu bieten hat.

 

Bei redaktionellem Interesse: Sofort eine kompetente Ansprechperson bereit haben. Diese sollte auch wirklich sprechfähig und gegebenenfalls zitierbar sein. Das meine ich ernst: Wirklich keine ernsthafte Journalistin wird jemals einen Pressesprecher in einem Artikel zitieren. Wobei die echten Professionals unter den Kommunikationsleuten den ganzen Hintergrund parat haben, alle relevanten Informationen geben und auch mal für die CEO sprechen können, falls die mit ihrem übervollen Terminkalender nun wirklich nicht bis zur Deadline sprechen kann (oder mag). Ein schriftliches Zitat kann nach Absprache immer nachgereicht werden. Stummschaltung, weil die Chefin nicht kann, ist eine denkbar schlechte Idee.

 

Die Wann-Frage: Auf das Timing kommt es an

Wer mit seinem Themenangebot den richtigen Zeitpunkt erwischt, erhöht seine Chancen auf eine Publikation ungemein. Immer gut, wenn ein Thema schon latent bekannt ist. Denn auch wer zu früh kommt, den bestraft das Leben. Ich werde nie vergessen, wie ich in den frühen 2000er Jahren als Erste den Skandal um das absurd überteuerte Toll-Collect-Mautsystem für das „manager magazin“ aufdeckte. Leider versandeten meine superexklusiven Informationen bei den Top-Managern. Als dann Wochen später das Versagen von Telekom und Co. klarer sichtbar wurde, konnten meine Kolleginnen und Kollegen vom „Spiegel“ auf der Grundlage meiner Geschichte einen schönen publizistischen Erfolg einfahren.

 

Noch viel schlimmer aber ist es, wenn eine Sache längst durchdebattiert und jeder Aspekt in jeder Talkshow von jedem Teilnehmer ausgiebig besprochen wurde. Dann helfen auch gute Informationen nichts mehr. Die Rezipienten sind des Themas überdrüssig. Die Balance zwischen zu neu und viel zu alt ist schwer zu treffen. Dennoch lohnt es, das Timing einer Information zu bedenken. Warum sollten sich die Leserinnen oder Zuschauer genau jetzt für die Story interessieren? Keine Zeitschrift veröffentlicht jemals Spargelrezepte im August. Und eine Branchengeschichte über Wohnmobile eignet sich nicht für den November. Deshalb sollten Selbstvermarkter gut überlegen: Gibt es einen aktuellen Anlass für mein Thema? Oder lässt sich ein solcher schaffen – man denke an den Affen?

 

Damit ein ganz neues Thema auf die öffentliche Agenda kommt, bedarf es einer gewissen Fallhöhe oder Dramatik. Deshalb ist es schlau, das Nachrichtenumfeld zu beobachten: Wenn gerade wenig los ist oder ein aktuelles Thema das Ende seines Lebenszyklus erreicht hat (sprich, die Leute wollen es nicht mehr lesen oder sehen), lässt sich leichter ein neuer Schwerpunkt setzen, als wenn gerade eine Sensation dominiert. Gegen den Dieselskandal bei VW kann das Missmanagement eines Mittelständlers einfach nicht anstinken.

 

Wer, was, für wen und wann?

Wer diese vier Kernfragen ordentlich durchdacht hat, kann durchaus Erfolg bei Medienleuten einfahren. Wobei die Einschätzung, was einen Erfolg ausmacht, durchaus zwischen Auskunftgeber und Journalistin extrem differieren kann. Wie oft erhalte ich enttäuschte Anrufe, wenn nach einem einstündigen Gespräch mit einer Expertin am Ende nur ein knappes Zitat im Artikel erscheint. Da denke ich, dass mein Gesprächspartner mit seiner einzigen relevanten Information zum Thema wirklich gut zu Wort gekommen ist. Der Auskunftgebende hingegen grollt, weil all seine gesammelten Weisheiten nicht gewürdigt wurden.

 

Tja, gute Journalistinnen und Journalisten reden bei ihren Recherchen eben mit vielen verschiedenen Personen. Und leider erzählen die meisten dieser Gesprächspartner nur das, was ohnehin sattsam bekannt, auf der Webseite des Unternehmens nachzulesen oder einfach todlangweilig ist. Deshalb stellen wir Medienschaffende sehr häufig die fünfte W-Frage: Warum sollte ich über das schreiben, was Person X mir gerade ausführlich vorgetragen hat? Und nur allzu oft finden wir keine einleuchtende Begründung für eine Erwähnung.

 

In meinen mehr als 20 Jahren bei dem „manager magazin“ habe ich vielleicht insgesamt fünf Geschichten geschrieben, die auf einer Idee eines PR-Menschen beruhten. Und die fielen dann am Ende auch nicht so positiv für dessen Auftraggeberin aus, wie sie es sich erträumt hatte.

 

Einen Trost habe ich jetzt aber nach all diesen deprimierenden Wahrheiten: Auch wenn all die Anstrengungen zur Vermarktung der eigenen Person, des eigenen Unternehmens oder Anliegens am Ende nur zu einem Mini-Zitat führen – sie zahlen sich am Ende aus. Ich habe jedenfalls schon lange kein mieses Gefühl mehr, wenn jemand über eine zu geringe Berücksichtigung jammert.

 

Dafür ist mir ein einschneidendes Erlebnis nur zu gut im Gedächtnis geblieben. Am Anfang meiner Tätigkeit für das „manager magazin“ habe ich einmal den Bereichsvorstand eines Konzerns interviewt. Im Artikel erschien daraus ein kurzes Quote. Nach einigen Wochen meldete sich der Mann bei mir, fragte, ob er mich zum Abendessen einladen dürfe (das ist schon sehr lange her und die Compliance-Regeln sahen noch keine Ausgabengrenze von 30 Euro pro Person bei Einladungen vor). Wir gingen in den Gourmettempel Tantris in München, speisten wie die Götter, tranken sensationelle Weine. Und beim Dessert gestand er mir, dass jenes kleine Zitat der Auslöser für einen Jobwechsel mit Aufstieg in die Topebene gewesen war. Ich konnte ihm auch noch die Höhe der Gehaltssteigerung aus der Nase ziehen: Sie lag um ein Mehrfaches über meinem Jahresgehalt.

 

 

Lese-Tipp:

Claudia Tödtmanns Prolog für das “Praxishandbuch Public Relations” erschienen im Wiley Verlag.

PR: „Do´s and Dont´s im Umgang mit Journalisten“ (1)

 

PR: “Do´s and Dont´s im Umgang mit Journalisten” (2)

 

 

 

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