Buchauszug Steffen Stoll und Simon Stoll: „Erfolgskurs. Gute Leistung braucht dringend gute Grundlagen“

Buchauszug Steffen Stoll und Simon Stoll: „Erfolgskurs. Gute Leistung braucht dringend gute Grundlagen“

 

Simon und Steffen Stoll (Foto: Wiley Verlag/ Fotowerk Michael Heyde)

 

Begeisterung

Warum Erfolg freiwillig und Wertschätzung ein Keimling für Begeisterung ist

 

Die erste Klassenarbeit in der Schule ist ein einschneidendes Erlebnis – erst recht, wenn es sich dabei auch noch um Mathe handelt. Ich (Simon) kann mich noch gut daran erinnern, wie mein Sohn Manuel genau die nach Hause brachte: Die Arbeit bestand aus 29 zu erreichenden Punkten im Zahlenraum zwischen 1 und 10. Davon hatte der Zweitklässler eine (in Zahlen: 1!) Aufgabe falsch gemacht. In der Klassenarbeit wurde mit roter Farbe auf diesen einen Fehler hingewiesen. Ich bevorzuge tatsächlich Lehrer, die in blauer oder grüner Farbe korrigieren, doch hier war das eben nicht der Fall. Manuel überreichte mir das Papier und sagte zu mir: »Papa, ich verspreche dir, dass ich diese eine Aufgabe auch noch richtig mache!« Ich stockte für einen Moment. Denn in dem Moment wurde mir sehr klar, dass alle anderen richtigen Aufgaben nichts wert waren, sie wurden schlichtweg nicht betrachtet oder berücksichtigt, schon gar nicht wertgeschätzt.

 

Wenn nur der eine Fehler wichtig ist, und fast alles andere, das Richtige, egal ist

Mein Kind hatte an diesem Tag schon gelernt, dass es in unserer Welt ausschließlich um Fehler geht – und dieser Denkansatz aus unserem Bildungssystem zieht sich bis in die Betriebe hinein, in denen es auch hauptsächlich darum dreht, auf Malheurs und Mängel, Fehlschläge und Fehltritte, Verstöße und Versehen, Irrtümer und Unvollkommenheiten zu achten und genau die bestmöglich zu vermeiden. Erst letzte Woche saß ich mit einer Gruppe Auszubildener in einem Konzern zusammen, da fiel mir genau das nochmals so deutlich ins Auge: Die Lehrlinge suchten regelrecht den Fehler beim anderen. Was kann der nicht oder nicht so gut? Diese Informationen wurden mir wie auf einem Silbertablett präsentiert.

 

Grundhaltung: Hoffentlich geht der Kelch an mir vorbei

Wir erleben es oft genug in den Betrieben, dass die Schuldfrage ein Dreh- und Angelpunkt ist. Wer hat was falsch gemacht und wer ist eigentlich schuld an dieser Situation oder jener Misere? So viel Energie wird darauf verwendet, das zu klären und aufzuklären – beinahe so als gebe es den Menschen eine besondere Befriedigung, wenn sie einen anderen an den Pranger stellen können. Das löst keine Begeisterung aus – erst recht nicht, wenn das Team zusammenkommt zum Jour fixe oder zum Projektmeeting und jeder Angst hat, ob er heute dran ist und alle mit dem Finger auf ihn zeigen. In solchen Situationen will jeder nur noch, dass der Kelch an einem vorbei geht. Wie soll hier Leistung erbracht werden?

 

ÜBUNG

Ich – Wir – Arbeit – Erfolg

Das Ziel dieser Übung ist eine positive Programmierung für das eigene Tun im eigenen Umfeld und der eigenen Umgebung (Familie, Freizeit, Schule, Beruf).

Frage dich einmal:

  • Wie geht es mir gerade?
  • Wie geht es mir mit meinem Team zum Beispiel im Geschäft?
  • Wie geht es mir mit meiner Arbeit?
  • Was waren meine zwei letzten Erfolge?

 

Wenn etwas nicht stimmt:

  • Was kann ich klären?
  • Wie kann ich das machen?
  • Was ist dann besser?
  • Woran merke ich das?
  • Wofür lohnt es sich jetzt, den ersten Schritt zu machen?

 

Stattdessen richten die Mitarbeiter ihre Aufmerksamkeit und ihr Leistungspotenzial auf das Thema Fehlervermeidung. Die Folge: Entweder wählt der Mitarbeiter seine Aufgabe in der Intensität so gering, dass sie auf jeden Fall zu schaffen ist – und begibt sich damit in eine Unterforderung. Oder er »arbeitet« nach dem Phänomen Aufschieberitis und nimmt sich immer nur vor, etwas zu erledigen, ohne es tatsächlich zu tun. Dritter Weg ist in kurzer Zeit so viele und anspruchsvolle Aufgaben zu erledigen, dass es in eine Überforderung führt. Alle drei Strategien nutzt der Mensch, um aus dem Angstkreislauf zu kommen. Schon bevor man überhaupt eine Aufgabe angeht, wird so die passende Begründung parat gelegt, warum man es eben nicht hinbekommen wird.

Die Rechtfertigung hat man sich im Vorfeld zurechtgelegt. Die Angst vor Fehlern löst also eine Systematik aus, die für Unternehmen ganz eindeutig schadhaft ist.

 

Woher soll denn da die Begeisterung kommen – für das Miteinander im Team, für die Führungskraft oder das Unternehmen, für den Job und die Aufgaben, die es zu tun gibt oder auch die Herausforderungen und Veränderungen, die anstehen? In unserer Gesellschaft verlieren wir aus den Augen, was wir alles können – dabei ist das eine ganze Menge. Wenn wir mit Führungskräften arbeiten und nachfragen, was ihre Mitarbeiter nicht gut können oder nicht so richtig hinbekommen, hören wir stundenlange Vorträge darüber. Vor uns wird alles ausgebreitet, ein Manko nach dem anderen, ein Fauxpas folgt auf den nächsten.

 

Steffen Stoll und Simon Stoll: „Erfolgskurs. Gute Leistung braucht dringend gute Grundlagen“. 368 Seiten, Wiley Verlag, https://www.wiley-vch.de/de/fachgebiete/finanzen-wirtschaft-recht/erfolgskurs-978-3-527-51031-3

 

Wenn wir dann wissen wollen, was die Mitarbeiter denn richtig gut können, ist der Input nach drei Minuten schon beendet. Das gilt übrigens unabhängig davon, ob wir das auf horizontaler oder vertikaler Hierarchieebene abfragen, ob wir uns über Angestellte oder Kollegen erkundigen. Was jemandem gelingt, was er schafft und meistert, das wird nur noch hingenommen, als eine Selbstverständlichkeit betrachtet, die schlichtweg da sein muss – dabei ist Leistung überhaupt nicht banal.

 

Immer noch eine Schippe drauf wird verlangt

Rein biologisch betrachtet nimmt die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters bereits ab Mitte 20 ab. Für einen 50-Jährigen ist es daher schon eine beachtliche Leistung, wenn er das Level aus dem Vorjahr hält. Doch in den hiesigen Unternehmen wird immer noch mehr verlangt, noch eine Schippe oben drauf zu legen, es werden noch etwas mehr an Anforderungen und Aufgaben pro Kopf artikuliert – die regelmäßige Diskussion um das Rentenalter in Deutschland ist dafür bezeichnend.

Dabei könnte der Mensch tatsächlich sehr lange leben und auch leisten – laut der Studie von Haim Cohen (vergleiche Cohen 2017) von der Universität Bar Ilan, der sich mit der Molekularbiologie des Alterns beschäftigt – könnte ein Mensch heute etwa 140 Jahre alt werden. Die moderne Medizin und unsere optimalen Rahmenbedingungen machen das genetisch und zelltechnisch inzwischen längst möglich. Alles was wir von dieser Lebenserwartung abziehen, ist selbst verschuldet. Was tun wir unserem Körper an? Falsche Ernährung, zu wenig Bewegung, zu viel Stress sind nur einige der Schlagworte. Wer also im Alter von 70 Jahren stirbt, der hat die Hälfte seines Lebens durch gewisse Faktoren minimiert, sicherlich zum Teil selbst verschuldet.

 

Eine Führungsmannschaft, die ich (Steffen) über eine Zeit lang begleiten durfte, widmete sich ganz bewusst dem Thema Fitness, Gesundheit und Bewegung: In drei aufeinander aufbauenden Modulen befassten sich die Teilnehmer mit unterschiedlichen Schwerpunkten und einigten sich in diesem Zusammenhang auf verschiedene und individuelle Ziele. Das Ergebnis war beachtlich: Die zehn Führungskräfte hatten gemeinsam mehr als 90 Kilogramm abgenommen, jeder hatte im Schnitt neun Kilo verloren. Es stellten sich eine ganze Reihe an positiven Nebeneffekten ein: Die Menschen waren stressfreier, sie kommunizierten mehr, hatten ein besseres Erscheinungsbild, die Außenwirkung und das Auftreten profitierten von den Veränderungen. Auch der Umgang mit Druck und schwierigen Alltagssituationen wurde anders gehandhabt.

 

Mit in der Gruppe war beispielsweise ein 30-Jähriger, der sich bislang von Zigaretten, Energy Drinks und Coca-Cola ernährt hatte. Sein Arzt hatte ihn bereits gewarnt, dass er auf diese Weise keine 40 Jahre alt werden würde. Ruckzuck saß er auch schon beim Kardiologen, wo er über seine Aufgaben nicht nur als Führungskraft, sondern auch als Ehemann und Vater nachdachte. Und das war auch gut so – und längst an der Zeit. Denn wenn eine Führungskraft sich selbst schon nicht führen kann, wie soll das dann mit den Mitarbeitern gelingen? Welches Bild haben die Mitarbeiter von so einer Person? Wie wirkt sie nach außen? Wird sie überhaupt ernst genommen? Erst recht, wenn der Chef über Gesundheit palavert und selbst kurz vor dem Kollaps steht – welchen Eindruck macht das?

 

Vorgesetzte haben die Aufgabe, für Dopaminausschüttung zu sorgen

Dabei hat eine Führungskraft durchaus die Aufgabe, bei den Mitarbeitern für eine Dopaminausschüttung zu sorgen – das sind jene Botenstoffe, die durch Freude angestoßen werden. Mit diesen Hormonen im Körper lernen und arbeiten die Menschen besser.Wenn stattdessen ein hoher Cortisolspiegel vorzufinden ist, dann ist das auf Dauer kontraproduktiv.

Um noch einmal das Beispiel Schule zu bemühen: Im heutigen Bildungssystem wird immer noch der Grundstein dafür gelegt, dass Cortisol anstatt Dopamin angeregt wird. Selbstverständlich gibt es inzwischen auch einige Schulen, die ihren Job besser machen und positive Veränderungen bereits ins Rollen gebracht haben. So gibt es beispielsweise eine Schule bei uns am Ort, in der neben vielen anderen Arbeitsgruppen auch eine Yoga AG ins Leben gerufen wurde, und weiterhin sind wir in der Überlegung, ob ich (Simon) mich mit dem Thema Gehirnentfaltungstraining engagiere. Manche Schulleitungen sind offen für solche Initiativen und Impulse. Das Ziel ist es, dass durch Bewegung und Spaß ganz bestimmte Regionen des Gehirns aktiviert werden. Bei all der Bewegung steht natürlich auch der Spaß im Vordergrund. Dieser ist unter anderem verantwortlich für die Dopaminausschüttung, die wir für gutes Lernen benötigen.

 

Dieser Faktor zieht sich bis ins Berufsleben: Gelingt es einer Führungskraft, den Dopaminspiegel der Mitarbeiter auf einem konstant hohen Niveau zu halten, können diese besser und länger Leistung erbringen. Und das hängt unmittelbar mit dem Thema Begeisterung zusammen. Fehlende Anerkennung und ausbleibende Wertschätzung führen zu dem, was im Volksmund als Dienst nach Vorschrift bekannt ist. Leistung wird nur noch marginal erbracht und in schmalen Grenzen. Bis der Chef überhaupt merkt, dass die Leistung gesunken ist, klafft bereits ein Delta – vorher wird dieser Umstand in aller Regel überhaupt nicht wahrgenommen.

 

Rechnen wir es einmal ganz plakativ miteinem Team aus zehn Personen durch:Wenn es der Chef schafft, dass alle zehn  Mitarbeiter nur noch Dienst nach Vorschrift machen, also nur noch das Notwendigste arbeiten, fehlen pro Mitarbeiter bereits 30 bis 40 Prozent Leistung – das sind bei zehn Mitarbeitern 300 bis 400 Prozent – demnach drei bis vier Vollzeitmitarbeiter, die ohne Begeisterung, ohne Elan und Engagement tätig sind, trotzdem aber voll bezahlt werden. Die Begeisterung eines Mitarbeiters hat also unmittelbar mit dem Verhalten der Führungskraft zu tun.

 

Was Begeisterung mit Emotion zu tun hat

Wir freuen uns immer, wenn unsere zufriedenen Kunden eine Referenz auf unserer Webseite hinterlassen. Inzwischen machen viele das sogar per Videobotschaft, schließlich leben wir ja inmodernen Zeiten. Nun ereignete sich folgende Situation: Die Personalchefin eines Unternehmens, mit dem wir schon eine gute Weile zusammenarbeiten, wurde von ihrem Chef zum Videodreh gebeten. Er selbst hatte bereits seine Aufnahmen im Kasten und berichtete dabei voller Inbrunst über das Unternehmen, das bereits in zweiter Generation geführt wird und inzwischen 1000 Mitarbeiter hat.

 

Also stellte sich die Personalleiterin vor die Kamera, um ebenfalls über den Betrieb, die Hintergründe der Personalentwicklung und die Herangehensweise zu berichten. »Wir sind total begeistert, von dem was wir tun und es braucht begeisterte Menschen in jedem Unternehmen – das fängt in der Personalabteilung an«, sagte sie mit monotoner Stimme. Ihre Schultern fielen dabei nach vorne, in ihrer Mimik war keine Spur von Emotion zu sehen, der Blick ging starr geradeaus. Also gab es einen zweiten Versuch und einen dritten. Beim vierten Versuch hielt es der Firmenchef nicht mehr aus: Mitten im Dreh lief er ins Bild, stoppte die Aufnahme, winkte ab und schüttelte energisch den Kopf. Dann nahm er beherzt seine Mitarbeiterin zur Seite und machte ihr klar, dass sie wohl kaum von Begeisterung sprechen kann, während sie mit versteinerten Gesichtszügen in die Kamera blickt. Tatsächlich war sie so konzentriert auf ihren Text, die Haltung und fühlte sich in der ungewohnten Situation offensichtlich unwohl. Sie wollte auf gar keinen Fall etwas falsch machen.

 

Erst nach den aufmunternden Worten durch ihren Chef, der von seiner tiefen und ehrlichen Begeisterung an sie etwas übertragen konnte, wurden die Filmaufnahmen erfolgreich absolviert. Das Beispiel zeigt eines sehr deutlich: Man muss erst für sich überlegen, welche Begeisterung man hat – für einen Job, ein Projekt oder das Unternehmen. Erst dann ist man in der Lage, das nach außen zu geben – und auch andere zu begeistern.

 

Doch was ist das eigentlich, diese Begeisterung? Im Kern geht es darum, dass der Mensch etwas gerne macht. Begeisterung kann schon gegeben sein oder aus etwas heraus entstehen – das ist sehr ähnlich zu der berühmten Frage mit der Henne und dem Ei: Was war zuerst da? Wenn ich (Simon) mit Auszubildenden zu tun habe, dann leite ich gerne eine Auflockerungsübung an, bei der sich auch alles um das Huhn und das Ei dreht. Zusammen stehen wir in einem Kreis, zwei Stifte werden herumgereicht – der eine in die rechte Richtung zusammen mit der Frage der Person an der jeweils rechten Seite »Was ist das?« und der entsprechenden Ansage »Das ist ein Huhn«. So wird der Stift weitergereicht, erst die Frage, dann die Antwort zusammen mit dem Stift. Wenn dieser Prozess ganz gut läuft, bringe ich den zweiten Stift in die Runde – er wird in die andere Richtung gereicht und die passende Antwort auf die Frage der Person links neben einem lautet dann: »Das ist ein Ei!«

 

Keine Begeisterung durch Power-Point-Folien an der Wand

Jeder kann sich vorstellen, dass die beiden parallel laufenden Prozesse zu schönem Tohuwabohu führen. Diese Übung hat den Zweck, die beiden Gehirnhälften miteinander in Verbindung zu bringen. Und es hat noch einen weiteren Effekt, denn schon zu Beginn sind alle Teilnehmer mit einer Menge Spaß am Start. Das ist Dopaminausschüttung pur. Solche Spielchen sind wertvoll, da danach der Kopf frischer ist und bereit, neuen Input aufzunehmen. Begeisterung ist die Grundlage für lehren und lernen – das können 192 Power-Point-Folien an der Wand wohl kaum bezwecken.

 

Jede Führungskraft muss verstehen, wie die Mitarbeiter – nicht nur die Azubis – lernen. Das gilt genauso für Zuhörer in einem Plenum, Geschäftskunden oder Gesellschafter in einer Versammlung, Abteilungsleiter in einem Meeting. Der Mensch hat verschiedene so genannte erste Lernausprägungen und diese hängen mit unseren Sinnen zusammen: sehen, hören, fühlen, schmecken und riechen. Bei knapp 70 Prozent der Menschen ist das Auge der Haupteingangskanal, auf Platz 2 kommt die Berührung, also das Fühlen – die meisten Menschen haben also Sehen in ihrer Lernausprägung dabei. Gerade im Geschäftsleben wird häufig der Kanal des Hörens befüllt.

 

Für mich (Simon) ist das nun kein Problem, ich kann mühelos vier Stunden zuhören, während etwas zu lesen mich fertigmacht. Daher lernte ich in meiner Schulzeit die Vokabeln mit dem Walkman, legte mir eine Kassette nach der anderen ein. Doch bei der Mehrheit der Menschen ist das eben nicht der Fall, da sollte man also darauf achten, eine gute Visualisierung des Themas einzubringen – und im Bestfall noch etwas zum Anfassen beisteuern, also haptisches Anschauungsmaterial mitbringen, mindestens aber ein Handout ausgeben.

 

Wahrnehmungssystem kennen und bedienen

Wir sprechen zwar die gleiche Sprache – nämlichDeutsch – und doch sind wir auf unterschiedlichen Autobahnen unterwegs. Eine Führungskraft sollte das wissen und damit arbeiten. Denn stelle dir vor, du erklärst deinem Mitarbeiter etwas, delegierst an ihn oder setzt ihn über einen Stand in Kenntnis.Wenn du nun das falsche Wahrnehmungssystem bedienst, dann sitzt der andere zwar da und nickt brav – doch er versteht so gut wie nichts. Wenn du dann da noch eine Person vor dir hast, die gerade mal Leistung nach Vorschrift bringt, dann kommt unterm Strich so gut wie keine Leistung mehr raus. Er hat ja nicht verstanden, was der Chef sagt und will. Also machst du noch eine Besprechung, erklärst alles nochmals – und dein Angestellter muss nacharbeiten, weil das Ergebnis unzufriedenstellend war.

 

Die Spirale der Ineffizienz dreht sich weiter, die Nerven aller Beteiligten spannen sich an, die Situation schlägt auf die Teamstimmung. Und irgendwann ist der Karren festgefahren. Was auf der Sachebene hätte gerettet werden können, ist dann auf der Beziehungsebene verloren. Also sollte die Führungskraft wissen, wie sie den einzelnen Menschen am besten anspricht. Und woher weißt du, wer wie veranlagt ist? Höre genau hin, denn die Sprache offenbart es dir. Wer visuell geprägt ist, spricht mit vielen Beispielen und verabschiedet sich mit Worten wie »Wir sehen uns« oder »Auf Wiedersehen« oder auf gut Schwäbisch »schau mer mal«. Ein Auditiver verwendet Formulierungen wie »Wir hören uns« oder »Schön, dass wir uns hören«. Und der Kinästhet nimmt einen in den Arm und betont dabei »Mach’s gut« oder »Lass es dir gut gehen«.

 

Was tun bei gemischten Gruppen? Hier besteht die Kunst darin, die unterschiedlichen Kanäle abwechselnd zu bedienen, um zum Beispiel in einem Workshop oder Meeting jeden einmal im Rahmen seiner Lernausprägung zu erreichen. Das erreicht man beispielsweise, indem man keine fertigen Power-Point-Folien mitbringt, sondern die Teilnehmer eigene Flipchart-Folien malen lässt. Das Team gestaltet bestimmte Plakate selbst und bekommt dadurch visualisierend etwas zu tun. In verschiedenen Konstellationen erzählt sich die Gruppe dann untereinander etwas, das beansprucht die Sprech- und Hörkanäle. Und für diejenigen, die gerne etwas anfassen, gibt es an manchen Stellen zum Beispiel noch andere Materialien wie Bauklötze oder Legosteine, um ein Thema wie Kommunikation sichtbar zu machen und das haptisch zu erarbeiten.

 

Jede Führungskraft muss wissen, wie sie Menschen aus der Reserve lockt, wie sie die Lernsysteme bedient, um höchstmögliche Effizienz zu erhalten, und wie gutes und richtiges Feedback zu geben ist. Das alles hängt mit der Begeisterung zusammen. In Deutschland sind wir top ausgebildet, wenn es um Inhalte, um fachliches Knowhow und um Expertise geht. Unser Land besitzt weder Ölressourcen noch nennenswerte Bodenschätze. Wie also verdienen wir seit Jahrhunderten unser Geld? Unsere Ressource liegt zwischen den Ohren, daher gibt es in Deutschland viele neue Erfindungen – gerade die Schwaben sind ja als Tüftler bekannt geworden. In der Technologie sind wir innovativ – doch das alles beschränkt sich auf pure Inhalte, auf Hard Facts, wie es neudeutsch so schön heißt.

 

Weniger gut sieht es in den Firmen im Bereich des Zwischenmenschlichen aus. Doch genau hier steckt der Motor für die Begeisterung – und der braucht immer wieder Anschub und Kraftstoff – und will dauerhaft am Laufen gehalten werden.

 

Die sieben Ur-Emotionen

Der Mensch verfügt über sieben so genannte Ur-Emotionen, diese sind Ekel, Trauer, Angst (Furcht), Überraschung (Neugier), Wut, Verachtung und Freude (Glück) (vergleiche Ekman;Wikipedia, Stichwort »Grundgefühl«; Wikipedia, Stichwort »Paul Ekman«; MDI Management Development International 2016). Als einer der Entdecker gilt der US-Amerikaner Paul Ekman. Es handelt sich dabei um eine Art inneren Malkasten für unsere Gefühle, die mit einer bestimmtenMimik und körperlichen Veränderungen einhergehen. Übrigens: Bei über sieben Milliarden Menschen auf dem Globus sind alle sieben Ur-Emotionen identisch.

 

Du hast es sicher gleich erkannt: Nur eine davon, nämlich die Freude, ist positiv – alle anderen sind negativ besetzt. Übe einmal für dich vor einem Spiegel: Mache zu den sieben Ur-Emotionen den jeweiligen Gesichtsausdruck. Schau dich genau an. Du wirst feststellen, dass du nicht lange überlegen brauchst. Es ist leicht, die Emotionen darzustellen. Warum? Weil sie seit Urzeiten in uns hinterlegt sind. Das war unsere Sprache, bevor wir Menschen überhaupt sprechen konnten.

 

Gute Führungskräfte widmen sich der Freude 

Gerade Führungskräfte sollten verstehen, dass untereinander viel zu oft die sechs negativen Ur-Emotionen bedient werden – das passiert ganz automatisch. Eine gute Führungskraft widmet sich daher der Freude als einzige positive und vor allem wichtigste Ur-Emotion, versorgt und bedient sie in den unterschiedlichen Alltagsgegebenheiten. Denn nur Freude kann Dopamin ausschütten – und dieses Hormon ist so wichtig für die Leistungsthematik.Wie lässt sich diese Information nun im Berufsalltag nutzen? Wenn ich dich hier auffordere, ein Gesicht für Freude zu machen, dann fällt dir das auf Anhieb vielleicht gar nicht so leicht.

Dabei gibt es ein kleines hilfreiches Werkzeug: Nimm dir einen Stift zur Hand und klemme ihn waagerecht zwischen deine Zähne.Wichtig: Die Lippen sollen den Stift nicht berühren. Der Effekt: Die Mundwinkel ziehen sich automatisch nach oben, der so genannte Trigeminus-Nerv wird aktiviert. Dadurch wird das Gehirn stimuliert – denn die Gesichtsmuskulatur meldet Fröhlichkeit. So kannst du sogar ohne wirklich Freude zu empfinden eine Dopaminausschüttung provozieren und in einen guten Zustand kommen. Probiere es mal aus! Was spürst du? Macht dir dein Job eigentlich Freude? Hast du Spaß an dem, was du da machst? Bevor du bei deinen Mitarbeitern etwas auslösen kannst, musst du in Sachen Begeisterung erst einmal bei dir selbst anfangen.

 

Wenn wir das Thema Führung einmal herunterbrechen auf die rudimentärsten Aufgaben, dann hat eine Führungskraft insgesamt drei Rollen auszufüllen: Betriebsführung, Mitarbeiterführung, operatives Geschäft. Im Austausch mit und in Unternehmen kommen wir immer wieder an den Punkt, an dem wir die Menschen in Führungspositionen fragen: »Wenn du eine der Rollen zurückgeben könntest, welche wäre das?« Zu 95 Prozent lautet die Antwort: Führung! Und hier liegt – wie es im Volksmund so schön heißt – der Hund begraben. Denn wer selbst schon nicht den Zugang zu seiner Führungsrolle gefunden hat und sich für die damit verbundenen Aufgaben immer wieder selbst begeistern kann, der wird schlichtweg auf der Strecke bleiben, wenn es darum geht, andere zu begeistern. Das kann so ja gar nicht funktionieren.

 

Ich (Simon) habe diese Situation hautnah bei meiner Frau Carina erlebt: Sie arbeitete bei einem Krankenversicherer. Einerseits machte ihr der Job in dem größeren Konzern Spaß und gleichzeitig war sie innerlich unzufrieden. Sie wechselte ihre Aufgabe und ging in eine neue Firma, bewegte sich jetzt in der Verwaltung er Altenpflegebranche. Dort erwischte sie eine Chefin, die war in ihremVerhalten unterirdisch.Um das genauer zu erklären: Diese Person kam aus der Automotive-Branche und war dort in der Führungsebenenichtweiter aufgestiegen.Sie meinte, sich nun auf der Führungsebene im Bereich der Verwaltung ausleben zu müssen. Beispielsweise kleidete sie sich im Kostüm und hob sich schon dadurch vom Team allzu deutlich ab, zusätzlich konnte sie ihr Verhalten aus der Konzernwelt nicht ablegen.

 

Während meine Frau auf ihre Aufgaben und Herausforderungen große Lust hatte, kam sie immer wieder an den Punkt, dass es mit dieser Führungskraft zusammen unmöglich war. In einem Mitarbeitergespräch zur gemeinsamen Reflexion des Jahres wurden Carina dann sogar Dinge unterstellt.Darüber hinaus gab es auch eine ganze Reihe an eher harmlosen Vorfällen, die dazu führten, dass ihr der Job regelrecht verleidet wurde, sie verlor Stück für Stück den Spaß an der Arbeit. »Ich gehe!«, lautete dann ihr Entschluss. Schließlich fand sie ein Thema, dass sie so richtig begeisterte und ging in die Selbstständigkeit, setzte sich ihre Ziele und baute sich das eigene Geschäft nach und nach auf.

 

Ich erzähle diesen Werdegang von Carina gerne, weil es für mich immer wieder phänomenal ist zu sehen, welche Energie in Menschen freigesetzt wird, wenn sie Begeisterung leben und erleben. Die Ideen, Produkte und das Konzept begeistern sie bis heute und ich sehe es oft genug, dass sie sich dann nicht zu schade ist, auchmal bis in die Nacht noch etwas für ihr Business zu tun – das hätte sie früher nie gemacht. Dabei steht nicht die Sicherung der Existenz oder das Geldverdienen an sich im Vordergrund – sondern weil sie Freude an dem hat, was sie macht.

 

Solche und ähnliche Biografien begegnen uns regelmäßig – von Menschen, die in einem neuen Umfeld, einer neuen Stelle oder Aufgabe richtig aufblühen. Dann erst merken sie, welche Energie dahinter liegt, wenn man in einem Thema richtig gut sein darf, wenn einen keinermehr ausbremst, wenn weder Neid noch Missgunst wie eine Blockade wirken. Vorher mussten sie täglich Sätze hören wie »Das können wir hier nicht machen« oder »Das haben wir so noch nie gemacht« und ihre Ideen oder Vorhaben wurden aus welchen Gründen auch immer abgelehnt. Dann endlich kommen sie raus aus der Begrenzung und spüren, welchen Effekt es hat, wenn man leben und arbeiten darf, wie man will, Gedanken umsetzen oder auch mal etwas ausprobieren – ganz ohne die dummen Kommentare von Vorgesetzten, die ständig darauf bedacht sind, warum etwas scheitern könnte, anstatt etwas über Chancen und Entwicklungschancen zu sagen.

 

Wie Begeisterung gekappt wird

»Mensch, ich muss mal schauen, ob wir mit dir arbeiten können, denn du bist ja dann Sachkosten. Und wir müssen sparen.« Und auch das noch:»Wenn ich ehrlich bin, dann endete meine Fürsorgepflicht mit dem Tag deiner Kündigungsabgabe.« Dies sind Sätzem und Aussagen, die eine Führungskraft zu einem Angestellten gesagt hat, der sich an uns wandte.Was war geschehen? Ein Mitarbeiter, der sich uns nach seiner 18-jährigen Betriebszugehörigkeit anvertraute, hatte gerade bei seinem alten Arbeitgeber gekündigt. Da dieser Mitarbeiter ein sehr wichtiges Projekt in seinem Betrieb mit begleitet hat, bot er seine Mithilfe als »freier« Mitarbeiter an, damit dieses wichtige Projekt weiterhin bestehen bleiben kann, bis ein Ersatz oder ein Nachfolger gefunden wurde.

 

Bei einem ersten Gesprächmit seiner Führungskraft fiel dann der erste genannte Satz: »Mensch, ich muss mal schauen, ob wir mit dir arbeiten können, denn du bist ja dann Sachkosten. Und wir müssen sparen.«Wahrlich keine schönen Worte. Doch damit nicht genug der Abschätzigkeit: In einem späteren Austausch kam vom ehemaligen Vorgesetzten dann auch noch dieses Statement: »Wenn ich ehrlich bin, dann endete meine Fürsorgepflicht mit dem Tag deiner Kündigung.« Ein Schlag ins Gesicht für den ehemaligen Mitarbeiter.

 

Wir hatten damals den Mitarbeiter als sehr pflichtbewusst und engagiert erlebt. Doch diese Sätze zwingen selbst einen solchen Menschen teilweise in die Knie. Versuchen wir doch für einen Moment, den persönlichen Aspekt beiseitezuschieben und hinter den Vorhang zu schauen: Wie soll sich ein Mitarbeiter, der noch vier Monate vor sich hat, nach so einer Aussage motivieren? Wie soll sich ein Mensch mit einer sonst sehr hohen Eigenmotivation noch für Themen des Betriebes begeistern? Die zuständige Führungskraft hat in diesen Gesprächen die Leistungen des Mitarbeiters auf den Kündigungszeitraum von sechs Monaten reduziert. Die potenziellen restlichen Erfolge wurden somit getilgt.

 

Sicherlich wäre es in diesem Moment gut gewesen, als Führungskraft in sich zu gehen und zu überlegen, welche Botschaften man senden will. Gerade in der heutigen Zeit ist eine sensible und professionelle Mitarbeiterverabschiedung genauso wichtig für das Image eines Unternehmens wie das Mitarbeiter-Onboarding. Das hat schon etwas mit Begeisterung für sich und andere zu tun – auch wenn es anspruchsvoll ist. Ganz klar: Es ist nicht immer einfach, seine Emotionen in Schach zu halten. Mitunter ist das auch nicht notwendig. Doch gerade einer Führungskraft steht es gut zu Gesicht, über die Kraft der Worte nachzudenken.

 

Pauschalisierungskeule – bitte einpacken

Überprüfe dich selbst: Wie oft »rutscht« dir eine ähnliche Satzfolge heraus? Schaffst du es, die verschiedenen Leistungspakete deines Gegenübers zu trennen? Oder schlägst du mit der verbalen »Pauschalisierungskeule« auf deinen Gesprächspartner ein? Als Führungskraft sollte man immer daran denken, dass, wenn man den Druck zu hoch hält, der andere meist nur drei Möglichkeiten sieht:

  1. Gegenangriff, dann wird die Auseinandersetzung auf der persönlichen Ebene ausgefochten.
  2. Flucht, dann wird der Mitarbeiter andere Dinge tun oder von sich ablenken.
  1. Totstellen, dann wird der Mitarbeiter in die innere Kündigung gehen.

Alle drei Varianten sollten nicht der Anspruch einer heutigen Führungskraft sein. Denke bitte immer daran: Wir sind in vielen anderen Situationen unseres Lebens ebenfalls eine Führungskraft und haben eine enorme Strahlkraft. Die emotionale Inkompetenz einer Führungskraft kann dazu führen, dass bei Mitarbeitern die Begeisterung gekappt wird, wie bei einem durchgeschnittenen Stromkabel. Der Bankangestellte aus unserem oberen Beispiel wurde vomTag seiner Kündigung an von Informationen abgeschnitten, in Entscheidungen nicht mehr einbezogen, zu Meetings nicht mehr eingeladen. »Dir haben wir es gar nicht mehr geschickt,weil du ja bald gehst. Dich interessiert das sowieso nicht mehr« – solche knallharten Unterstellungen waren an der Tagesordnung. Wie soll sich ein Mensch da noch dafür begeistern? Ein Ding der Unmöglichkeit.

 

Mitarbeiter in solchen Situationen ziehen sich innerlich zurück – und bringen eben auch keine Leistung mehr. Weder Anerkennung noch Wertschätzung, weder Vision noch Sinn bleiben ihnen. Was da mit einem Menschen passiert, ist nicht witzig – und wer nicht ausreichend mentale Kraft besitzt, um so etwas zu verarbeiten, kann daran durchaus zerbrechen – auch für spätere Arbeitsbereiche.

 

Führung hat also nicht nur etwas mit arbeitstechnischen Fragen zu tun, sondern beruht ganz wesentlich auf dem Faktor Mensch. Immer wieder befragen wir unsere Kunden und die Teams, die wir in unseren Schulungen und Teamentwicklungen im Seminarraum haben: »Was benötigt ihr, um in eurem Arbeitsfeld über das normale Leistungslevel hinaus zu gehen?« Das Ergebnis ist einprägsam: Erst später taucht das Geld auf, die vorderen Plätze belegen Anerkennung, Wertschätzung, und die direkte Führungskraft als Vorgesetzte mit ihrer Vision. Dies zeigt auch eine groß angelegte Studie mit 23 000 Befragten (vergleiche Half 2016 und Tödtmann 2017 – über Gallup-Studie). In so vielen Unternehmen wird versucht, die Leistungssteigerung über den Faktor Gehalt zu lösen. Ein Gehaltssprung wird dann oft genug alsWertschätzung deklariert. Doch dieser monetäre Aspekt hat schon nach drei Monaten wieder an Bedeutung verloren.

 

Wer eine Führungsrolle übernommen hat, der kann nicht mittendrin einfach mal aussteigen. Mit der Führungsaufgabe und der dazugehörigen Gehaltserhöhung bekommt man eben auch die dazugehörigen Menschen »hinzu«. Wenn Führung gefragt ist, ziehen sich viele auf den Inhalt zurück. Logisch: Das ist das Spezialgebiet, darin kennt man sich aus, bewegt sich auf bekanntem Terrain, kann etwas darüber sagen. Doch das ist pure Vermeidungsstrategie. Wenn Führung gefragt ist, dann sind das Situationen, in denen man nicht flüchten darf, sondern in der Rolle als Führungskraft bleiben muss – und seinen Job erledigen.

 

Dafür allerdings braucht es Skills und Tools, die zur Anwendung in der Praxis auch etwas taugen. Aus diesem Bedarf heraus ist unsere Führungswerkstatt entstanden: Sie besteht aus 15 Modulen und dauert 1,5 Jahre. Die Gruppe aus Führungskräften trifft sich mit uns in einem Abstand von sechs bis acht Wochen und wir behandeln und bearbeiten Themen aus allen Branchen und Abteilungen. Ziel der Führungswerkstatt ist es, situativ emotionale Führungsarbeit kennenzulernen, die passenden Instrumente an die Hand zu bekommen und sich dann über Erfolge und Misserfolge im Arbeitsalltag auszutauschen. Die Teilnehmer haben den großen Wunsch, ihre eigene Führungsidee aufzubauen, Teamspirit herzustellen, professionelles Feedback zu lernen, Wahrnehmungssysteme zu erkunden und den Umgang mit Krisen und Konflikten besser zu bewerkstelligen.

 

Die Führungswerkstatt ist als Reihe oder als einzelnes Element buchbar und es handelt sich nicht um ein offenes Seminar. Das bedeutet, dass es in der jeweiligen Firma stattfindet, somit in der Werteumgebung vor Ort. Nach einem kurzen theoretischen Input schauen wir uns mit den Teilnehmern an, wie etwas in der Praxis funktioniert, machen Übungen und geben »Hausaufgaben« bis zum nächsten Mal auf. Wir behandeln echte Fälle und schauen genau an, wo etwas hakt oder welche Knoten es noch zu lösen gibt. Uns ist dabei wichtig, dass die Führungskräfte die Tools im Alltag sofort einsetzen, in der Realität üben und sich in ihrer Führungsrolle selbst ausprobieren können.

 

Warum Lob und Feedback so entscheidend sind

In vielen Betrieben machen Menschen mehr als sie per Aufgabendefinition machen müssten. Nur wenige Führungskräfte sehen das überhaupt – geschweige denn, sie können damit gut und richtig umgehen. Vieles wird als normal und selbstverständlich abgehakt. Anstatt ein Lob auszusprechen, findet der Chef das berühmt berüchtigte Haar in der Suppe und legt seinen Leuten vor, was eben nicht gut gemacht wurde. Dass möglicherweise sogar mehr als erforderlich gestemmt wurde, fällt ganz schnell hinten runter. Es ist völlig logisch, dass ein Mensch, der nicht anerkannt und wertgeschätzt wird, seine Arbeitsleistung sukzessive herunterfährt. Daher sind Lob und professionelles Feedback so enorm wichtige Werkzeuge im Führungsalltag.

 

Auf welche vorwurfsvollen Eingangsgworte Trotz und Aggression unweigerlich folgen

Es hilft dabei, um sich gegenseitig Rückmeldung zu geben. Leider findet Feedback in seiner misslungenen Form oft als eine Schlacht auf der Beziehungsebene statt.Wer es richtig macht, der geht aufeinander offen zu, begegnet sich auf Augenhöhe und geht gut wieder auseinander. Richtiges Feedback beginnt niemals mit Worten wie »Du hast« oder »Du bist« – denn schon das reicht aus, um das Gegenüber in eine innere Haltung zu versetzen, die aggressiv oder trotzig ist. In dieser mentalen Blockadehaltung sucht das Gehirn nur noch nach Gegenargumenten und kann daher nicht mehr offen oder sogar konstruktiv agieren. Eine solche Ansage setzt sofort einen Stressor frei. Die Person, die eigentlich Feedback – also Rückmeldung zum Verhalten, einem Prozess, einer Aufgabenerledigung – bekommen soll, kann diesen Stress in dem Moment nicht abschalten. Die innere Stimme schreit plötzlich ganz laut: »Was habe ich denn? Na, dann breite das doch mal aus!«

 

Diese kleinen zwei Worte genügen, um einem Mitarbeiter mit Schmackes ans Schienbein zu treten. Ruckzuck reagiert der Mensch mit seinen Ur-Zuständen, nämlich sich totstellen, fliehen oder zum Gegenschlag ausholen. In der modernen Version ballt zwar keiner dann die Faust und holt zum körperlichen Gegenschlag aus. Schauen wir einmal etwas genauer hin, wie das im 21. Jahrhundert dann so abläuft:

  1. Sich totstellen: In der modernen Version bedeutet das dann, dass die Kommunikation eingestellt wird, kein Hinhörenmehr stattfindet,man die Inhalte an sich vorüber gehen lässt und gedanklich dabei völlig abwesend ist. Ob dieser Zustand schon eingetroffen ist, bedarf etwas Sensibilität und einer guten Portion an Aufmerksamkeit, erst recht Führungskräfte sollten darauf achten. Ich (Simon) war beispielsweise einmal bei einem Beratungsgespräch mit dabei. Der Kunde hatte schon vor 40 Minuten geistig abgeschaltet, während der Berater weiter Gas gab – denn er hatte gar nicht gemerkt, dass sein Kunde die Inhalte nicht mehr weiter aufnahm. Oft ist das auch der Fall bei Rückmeldungen an Mitarbeiter: Die Führungskraft ist der Überzeugung, dass das gerade ein superGespräch war und alles reibungslos lief – dass es keinen Widerstand seitens desMitarbeiters gibt, liegt aber lediglich daran, dass der mental abgeschaltet hat.

 

  1. Flucht in unseren heutigen Zeiten ist nicht mit einem Verlassen der Büroräume gleichzusetzen, wobei mitunter auch so etwas vorkommt.Meist aber flüchtet der Gesprächspartner in ein anderes Sachgebiet, unternimmt einenThemenwechsel, wenn die Inhalte gerade unangenehm zu werden drohen.
  1. Und der Gegenangriff? Dieser Reaktion weichen die meisten aus. Wenn es doch passiert, dann findet die Konversation plötzlich nicht mehr auf der Sachebene statt, sondern eine Stufe tiefer. Dann wird die Beziehung auf den Tisch gepackt, das Gespräch steuert auf einen Streit oder sogar eine Eskalation
  1. Wie das Thema ausgeht oder wie man aus dieser Nummer wieder rauskommt, spielt dann keine Rolle mehr. Draufhauen ist die Devise – wenn ich schon untergehen muss, reiße ich den anderen gleich mit. Übrigens: Führungskräfte sollten die neun Stufen der Eskalation kennen. Hierzu unser Literaturtipp: Glasl 1980. Jede Führungskraft hat die Aufgabe und auch die Verantwortung, Feedback professionell zu geben. Damit das gelingt, helfen die Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation. Dieses Handlungskonzept wurde durch seinen Begründer Marshall Rosenberg bekannt. Es ist ein kommunikativer Ablauf, der Menschen eine Umgangsweise miteinander ermöglicht, die zu mehr Vertrauen und Freude am Leben führt – und ganz wesentlich auch zu mehr Begeisterung. Im Kern geht es darum, frei von Wertungen zu sprechen, Konjunktive zu vermeiden, Pauschalisierungen zu unterlassen und mit Ich-Botschaften zu hantieren – anstatt Sätze wie »Jetzt hast du schon wieder« von sich zu geben. Wer fundiertes Feedback gibt, löst Begeisterung aus. Wer heikle oder kritische Inhalte professionell serviert bekommt, ist dankbar dafür. Standardformulierungen, Worthülsen und Nullachtfünfzehn-Floskeln hingegen lösen Frust aus. Eine Führungskraft, die auf professionelle Weise Feedback geben kann, hat also ein wertvolles Instrument in der Hand.

 

WLAN-Symptom

Wir zeigen dir am bekannten WLAN-Symbol nun ein Symptom, das leider immer mehr Verbreitung findet. In unserem Alltag ist es doch oft so, dass es da etwas gibt, das einen ärgert oder stört. Wir nennen es das Kernthema. Es ist der Punkt, schau ihn dir auf der Grafik einmal kurz an. Nun sagt man erst einmal nichts dazu. Man lässt es erst einmal sein, will ja nirgendwo anecken oder vermeidet lieber die Konfrontation. Doch im seltensten Fall kann man es tatsächlich darauf beruhen lassen. Es steht im Raum, selbst wenn es vorerst in den Hintergrund rückt.

Doch dann baut sich da etwas auf, es kommt das nächste kleine Ärgernis oder etwas Missmut dazu und legt sich wie eine Kuppel auf diesen Punkt. Und schon kommt das nächste Thema darüber und die Wellen wachsen übereinander, bauen sich auf. Das kann eine ganze Weile gut gehen, doch irgendwann ist ein Triggerpunkt erreicht – und wenn dann die Situation eskaliert, dann beginnt man ganz unten und reißt alle anderen Aspekte mit, das Gespräch explodiert.

 

Ursprünglich gab es da ein kleines Kernthema, an dem man sich entschieden hatte, nichts zu sagen. Doch letztendlich führt das zu einer oftmals verheerenden Endabrechnung, man listet alles auf, was sich angestaut hat, und rechnet es ab. Spätestens dann bleibt die Situation auch nicht mehr sachlich. Professionelles Feedback setzt schon unten an: Gibt es da etwas, das dich kratzt? So sehr, dass du gerne was sagen willst? Dann sage es, keine falsche Zurückhaltung an dieser Stelle bitte. Du musst dabei nicht mit dem Hammer zuschlagen, sondern kannst auf wertschätzende Weise deinen Kommentar abgeben oder deine Meinung äußern.

 

Führungskräfte dürfen nicht persönlich werden oder Werte des anderen angreifen

Gerade Führungskräfte müssen sich immer wieder klarmachen, dass sie nicht persönlich werden oder die Werte des anderen angreifen dürfen. Sonst wird ein eigentlich konstruktiv gemeintes Gespräch schnell persönlich und driftet ab – bis hin zum emotionalen Schlagabtausch. Führungskräfte sollten üben, ihr Verhalten anzupassen und in einem Gespräch lediglich einen Baustein rhetorisch herauszugreifen.

 

Die Überhäufung von Argumenten oder Inhalten bringt gar nichts. Wer mit Pauschalisierungen arbeitet, zum verbalen Rundumschlag ausholt oder auch noch uralteThemen mit auf den Tisch packt, die sich alle längst angestaut haben und nun herausfließen – im schlimmsten Fall sogar gepaart mit vielen Konjunktiven –, der schafft mehr Probleme als tatsächlich da sind. Wer es richtig anfasst und sich auf einen Aspekt konzentriert, gibt seinem Mitarbeiter konkrete Handreichungen – der weiß anschließend, woran er arbeiten soll.

Wir stellen mitunter fest, dass manche Menschen ein Gräuel davor haben, anderen Menschen die Meinung zu sagen oder ihre eigene Position zu vertreten. Da ist zwar etwas, das einen stört oder querliegt in der Magengrube und es wäre ja schön, dem anderen Rückmeldung zu geben – doch viele wissen nicht, wie sie das anstellen sollen. Dazu gesellt sich die Angst, dass sich nach einem abgegebenen Feedback womöglich die soziale Verbindung verändert, dass es möglicherweise sogar zu einer sozialen Abwertung kommen könnte. Also entscheidet sich so mancher, eben doch nichts zu sagen, und dann stauen sich Ärgernisse an.Gerade Führungskräften geben wir immer wieder einen wichtigen Grundsatz mit an die Hand: Wer es schafft, den Menschen vom Verhalten zu separieren, der braucht keinen globalen Angriff zu fürchten.

Merke: Trenne Mensch von Verhalten!

 

Ganz ähnlich ging es in einer Firma am Bodensee zu, in der ich (Simon) als Trainer dazukam. In diesem Unternehmen gibt es Begeisterung pur, die Menschen lieben, was sie tun. Woran es ihnen allerdings mangelte, war Struktur in der Kommunikation und auch beim gegenseitigen Feedback. »Bisher lief es bei uns so ab, dass ich mal etwas formuliere, ich fange mal an – oder ich lasse es«, so reflektierte eine Führungskraft die Situation im Betrieb. Es gab viel Selbstzweifel, wenn es um das Thema Feedback ging. Unsere Aufgabe war es, dem Führungsteam klarzumachen, dass es weder ein Richtig noch ein Falsch gibt – es gibt nur ein Machen und daraufhin erhält man eine Wirkung.

 

Nach einigen Tagen kam der Geschäftsführer auf uns zu und war hellauf begeistert: »Ich habe mich von dem Gedanken gelöst, dass ich es korrekt oder falsch machen kann. Also habe ich den Mut aufgebracht – und es war richtig gut! Mein Mitarbeiter und ich kamen ins Reden, haben Dinge ausgetauscht. Auch wenn mir die ersten Schritte eher schwerfielen, da es sich um ein Verhaltensfeedback handelte.« Der Geschäftsführer wollte einem seiner Bereichsleiter Rückmeldung geben und ihn auf verbesserungswürdiges Verhalten ansprechen. Nun beteuerte der Mitarbeiter, dass er sich bereits wie gewünscht verhalte, doch in der Realität war das nicht der Fall. Mitunter ging es dabei auch um wirtschaftliche Themen und darum, dass der Bereichsleiter diverse Aufträge in den Sand gesetzt hatte. Da der Mitarbeiter noch sehr jung war, tappte er immer wieder in dieselbe Falle: Er artikulierte den Kunden gegenüber anstehende Kostenüberschreitung nicht rechtzeitig.

Eine Nachjustierung der Kosten wurde nicht gemacht. Der Kunde hatte sogar das Recht, die nicht angemeldeten Mehrkosten abzulehnen – also eine ungünstige Situation für das Unternehmen. Der Chef hatte diese Fallstricke schon vorausgesehen und im Vorfeld dem jungen Mitarbeiter einige Tipps mit auf den Weg gegeben – doch das half nicht weiter. Das Fazit des Geschäftsführers: »Ich musste dringend intervenieren und nun endlich Erwartungen plus Handlungsaufforderungen formulieren.«

 

Bei einem Hersteller für Silikon und Harze ging es ebenfalls um dasThema positives Feedback. In der Runde befanden sich zwölf Führungskräfte, mit denen ich (Simon) die Führungswerkstatt absolvierte. Im Voraus hatte der Geschäftsführer der Firma allen eine klare Ansage gemacht, nämlich dass er gerne gemeinsam mit dem Führungsstab einen veränderten Führungsstil andenken und umsetzen wollte.Mit in der Runde war auch ein Mitarbeiter, der sehr dankbar darüber war, als Führungskraft diesen Veränderungsprozess mit begleiten zu dürfen. Und er berichtete, dass er vieles vom Input bereits in der Praxis anwenden konnte. »Ich artikuliere das allerdings nie, aus Angst, die anderen könnten mich auslachen oder zumindest als Besserwisser und Streber abstempeln.«

Ich ermutigte ihn, seinem Geschäftsführer gerade dieses positive Feedback zu geben. Er fasste sich den Mut und zog es durch. Als ich ihn das nächste Mal traf, fiel er mir beinahe um den Hals – denn er hatte nicht nur ein gutes Gespräch im Anschluss an sein positives Feedback mit der Firmenleitung geführt, sondern ihm war dadurch sogar der nächste Aufstieg auf eine neue Position in Aussicht gestellt worden. Was ich nun sah, war eine Führungskraft, die nicht mehr nur durch die Flure lief, sondern förmlich schwebte und offen kommunizierte.

 

Übung: Richtig loben

»Das haben Sie gut gemacht.« So eine Formulierung ist Bullshit. Wir erleben es sogar, dass so ein »Lob« dann auch noch fortgesetzt wird mit einem ABER … Einen Mitarbeiter richtig zu loben, funktioniert anders – und wer es richtig macht, kann den massiven Effekt von Lob beobachten. In unseren Trainings fordern wir Führungskräfte auf, ein professionelles Lob auszusprechen. Das Ergebnis und die Begeisterung, die das auslösen kann, sehen wir dann unmittelbar – nämlich dann, wenn Menschen nach einem Lob so gerührt sind, dass sie womöglich sogar Tränen in die Augen bekommen.

Um das zu ergründen, ist ein Perspektivwechsel hilfreich: Stelle dir vor, du bist Führungskraft und lobst deine Mitarbeiter. Dabei sagst du so etwas wie »Leute, das habt ihr super gemacht!«. Nun versetze dich mal in die Lage eines Mitarbeiters – wie kommt das Lob bei dir an? Was würdest du denken? Fragst du dich auch, was habe ich eigentlich super gemacht? Meint der es ernst? Aller Wahrscheinlichkeit nach weißt du es nicht, kannst es nicht zuordnen – da bleibt lediglich ein Schulterzucken.

 

Richtig loben

Wechsel wieder die Position, als Führungskraft kannst du es besser – also probiere es anders. Frage dich erst einmal: Was will ich überhaupt loben? Antwort: Dass der Mitarbeiter den Abschluss so gut hinbekommen hat wie im Vorfeld besprochen wurde. Schon kannst du eine konkrete Situation benennen. Wie geht es dir als Chef dabei, empfindest du Freude, Glück oder Stolz? Dann sage es! Und was willst du mit dem Lob? Dass dein Mitarbeiter so weitermacht. Ein Lob könnte also beispielsweise so aussehen: »Wir hatten neulich den Fall XY beschlossen, den haben Sie mit dem Kunden abgeschlossen. Herr Müller, ich bin stolz auf Sie, weil Sie das gemacht haben, was wir besprochen haben. Ich möchte, dass Sie so weitermachen.«

Erst recht das Gefühl namens Stolz kann so vieles bewirken. So etwas sagen nicht mal mehr Eltern zu den Kindern. Die loben dann nämlich eher so: »Das hast du gut gemacht – aber nächstes Mal mach noch weniger Fehler.«

 

Gutes Feedback dauert nur eine Minute

Bei uns im Schwäbischen gibt es einen Spruch: »Ned gschimpft isch globt gnug!« In der Übersetzung heißt das dann: »Nicht getadelt ist Lob genug.«Der typische Schwabe ist ja bekanntlich geizig – und das zeigt sich auch beim Lob und Feedback.Wenn also ein Chef zu seinem Mitarbeiter sagt »Das hast du gut gemacht!«, dann ist das hierzulande schon Gold wert. Aber wie lässt es sich professionell machen? Machen wir es konkret an einem Beispiel: Der Chef sagt zu seinem Angestellten »Ich habe dir die Aufgabe XY übergeben, das hast du top gelöst – ich bin stolz auf dich, weil…« In der Formulierung steckt nicht nur ein Gefühl, sondern sogar eine Emotion der Führungskraft – und diese wiederum löst ein gutes Gefühl beim Mitarbeiter aus. Die Formulierung endet mit folgendem zweiten Satz: »Mache bitte so weiter.« So gelingt es, wie mit einer Nadel genau an einem Punkt anzusetzen und anschließend noch anzufügen, was man möchte. Übrigens dauert ein gutes Feedback nur eine Minute, alles andere ist Gelaber und kann man sich schenken.

 

Führungskräfte, die teflonbeschichtet daher kommen, ziehen niemand an

Bei einem hochwertigen Feedback solltest du bitte auch die Körperhaltung beachten. Diese sollte zu dem Gesagten und zum gesagten Inhalt passen. Bitte vergesse nicht, dass sowohl ein gutes, konstruktives, kritisches Feedback genau wie ein richtig formuliertes Lob echte Begeisterung auslösen. Begeisterung lässt sich nur über Nähe und Beziehung entfachen, wenn die Mitarbeiter einen Chef zum Anfassen bekommen, wenn es Andockpunkte gibt, um sich als Mensch zu öffnen. Führungskräfte, die teflonbeschichtet daher kommen und alles an sich abperlen lassen, bietet keinen guten Grund, dass Mitarbeiter auf sie zukommen. Es muss also das Bestreben sein, eine gute menschliche Beziehungsebene aufzubauen, nahbar zu sein, sich auch offen zu geben – das kann beispielsweise sein, indem man auch das eine oder andere Mal eigene privateThemen anspricht, was man am Wochenende mit der Familie unternommen hat.  So lässt sich ein Beziehungsgeflecht aufbauen – ohne dieses ist die Vermittlung von Inhalten zum Scheitern verurteilt.

 

Begeisterung – von klein auf

Einfach dabei sein – in der Herren-Tischtennis-Mannschaft in Frickenhausen – übrigens der höchsten Liga in Baden-Württemberg. Das hat mir (Steffen) immer wieder große Begeisterungsschübe gegeben. Und das, obwohl mein rumänischer Trainer alles dazu tat, um jede kleine Flamme der Begeisterung sofort wieder zu zertreten. Er war eine Koryphäe auf seinem Gebiet und kümmert sich nicht nur um den hiesigen Bundesligaclub, sondern trainiert auch sehr erfolgreich die Nationalmannschaft der Damen Rumäniens. Doch was den Umgang mit seinen Sportlern in der Tischtennis-Herrenmannschaft anbelangte, war er jenseits jeglicher Begeisterungsfähigkeit unterwegs. In seinen knüppelharten Trainingseinheiten wurde jedwede Emotion untergeordnet.

Ich erinnere mich gut daran, dass in den Momenten, in denen in mir so etwas wie Begeisterung aufkam, das von ihm sofort zunichte gemacht wurde. Wenn ich also an einen Punkt kam, an dem ich endlich etwas geschafft hatte, schneller oder besser war, den Aufschlag optimal absolvierte oder den Gegner haushoch besiegt hatte, dann sagte er nur in seinem gebrochenen Deutsch: »Jetzt haben wir ein neues Niveau erreicht, dann können wir die Intensität ja nach oben schrauben.« Du musst dir vorstellen: Ich als Teenager hat gerade festgestellt, dass ich etwas kann – und dann läuft es ins Leere. Bei diesem Trainer gab es weder Lob noch Anerkennung oder Wertschätzung, Derartiges waren für diese Trainerpersönlichkeit echte Fremdbegriffe. Hinzu kam eine schmale Kommunikation und der Faktor von null Emotionen. Zwischenmenschlichkeit war für ihn ausgeschlossen. Durch diese Art war er nicht sehr beliebt, auch nicht bei den Profis in der Bundesliga.

Heute sind die Zusammenhänge für mich klar: Einer, der aus dem Ceau¸sescu-Regime kam, vermittelte uns knallharte Grundsätze: »Du musst kämpfen, es geht täglich um das Überleben, gehe bis zum Äußersten, gebe alles!«Wenn es im Wettkampf gut lief, war es okay – mehr eben auch nicht. Erfolge wurden nicht gefeiert. Wie konnte ich also in so einem Umfeld meine Begeisterung für den Leistungssport entfachen und entfalten? Zum einen sah ich, dass auch andere in der Mannschaft hart trainierten und so einiges aushalten konnten – also wollte ich mithalten, doch das passierte eher auf einer unterbewussten Ebene.

Und ich stellte fest, dass ich offenbar etwas gut kann, dass ich Talent und gewisse Fähigkeiten besitze, dass ich sportliche Höchstleistung bringen kann. Der eigentliche Grund für meine Begeisterung am Sport waren meine Eltern, die die Rahmenbedingungen für mich sehr gut gestalteten. Meine Mutter kümmerte sich um die Rundum-Versorgung und -Ernährung und sagte – da ja auch mein Bruder bereits aktiver Sportler war und wir beide voll im Wachstum steckten – immer: »Ich muss mit dem Schubkarren zum Einkaufen gehen!«

Tatsächlich aßen wir zwei Jungs wie Scheunendrescher, nicht nur durch die rein biologische Entwicklung, sondern eben auch durch den Leistungssport. Irgendwie musste meine Mutter die Systeme ja versorgen. Mein Vater fuhr mich so gut es ging zum Training und holte mich ab – und er verbrachte viel Zeit damit, nach dem Training oder Wettkampf auf mich zu warten. Wobei: Häufig musste ich die acht Kilometer zum Training mit dem Fahrrad absolvieren und das mehrfach die Woche hin und zurück. Trotzdem habe ich ununterbrochen gespürt, dass meine Eltern hinter dem stehen, was ich mache und es mittragen, sie waren immer ein Teil davon, waren interessiert, ohne sich einzumischen, und gute Gesprächspartner – das sind sie bis heute. Sie machten kein Brimborium darum, dass ich so erfolgreich war, auch nicht, als das in der Zeitung stand. Sie gingen mit den Errungenschaften tiefenentspannt um. Ihnen ging es nie darum, wie außergewöhnlich oder auffallend talentiert jemand ist – was mit ein Grund dafür sein dürfte, warum sowohl mein Bruder als auch ich bis heute so bodenständig geblieben sind.

 

Zugehörigkeit vermitteln, ohne penetrant zu sein – das versuche ich heute auch in meine Erziehung so einzubinden. Meine Eltern haben mir – neben dem distanzierten Trainer – also eine Nische eröffnet, in der sich mein Wille und meine Begeisterung ausbreiten konnten. Wenn ich es heute reflektiere, war es eine Mischung aus aushalten, unterstützt werden und vergleichen.

Inzwischen hat der Vergleich ja etwas Anrüchiges bekommen, er wird bewusst vermieden – doch wenn wir mal ehrlich sind: Der ganze Sport beruht auf Vergleichen – und auf Aushalten. Wenn es dann jemanden gibt, der einen unterstützt, dann sollte das Gesamtpaket passen – und das ist im Sport genau so wie in jedem Unternehmen. Das bringt den Motor für Begeisterung in Schwung – und wenn man einmal genauer hinschaut, steckt der Begriff Geist drin. Begeisterung macht etwas mit dem eigenen Geist – und die eigene mentale Einstellung wirkt sich wiederum aus auf die Begeisterung für eine Disziplin, ein Unterfangen, eine Unternehmung, ein Projekt oder eine Firma. Der Grundstein in Sachen Begeisterung wird bei den meisten Menschen also schon in der Kindheit und vor allem im Elternhaus gelegt.

 

Perfektionismus ablegen

Meine (Simon) Frau beispielsweise möchte, dass unser Sohn Manuel seine Fehler im Rechtschreibheft sauber ausradiert, denn es sieht sonst nicht schön aus. Sie ermahnt ihn dazu, obwohl dieWörter richtig geschrieben sind. Ich selbst käme nie auf die Idee und sehe darüber hinweg, denn der Inhalt stimmt. Wenn Kinder alles immer perfekt machen, immer gut sein müssen, um ein Lob zu bekommen, dann hinterlässt das bei vielen Spuren. Manche Menschen zerbrechen an ihrer eigenen Perfektion. Sie haben Angst vor dem Liebesentzug, falls sie etwas mal nicht perfekt abliefern, dass sie keiner mehr mag, wennmal etwas schiefläuft.

Doch das kann ja nicht dauerhaft gelingen. Um diesen Perfektionismus ein Stück weit abzulegen, Gibt es ein gutes Instrument: Jeder Mensch hat seine Grenzen – einmal darüber hinaus denken, ist ein erster Schritt.Wer auch mal Dinge tut, die er vorher noch nie gemacht hat, wird unweigerlich Fehler machen – und erst dann den Umgang damit lernen können. Das ist enorm wichtig, denn sonst hat das unendliche Streben nach Perfektion mitunter negative Auswirkungen auf die eigene Entwicklung und auf das eigene Tun. Begeisterung in der Gruppe, also in einem Team oder einer Mannschaft, sogar in einem Führungsstab zu entfachen, hat übrigens ganz eigene Regeln. Denn eine Ansammlung von Menschen unterliegt den Gesetzmäßigkeiten der Gruppendynamik – und wie diese entsteht, muss jede Führungskraft wissen.

 

Wenn eine neue Person in eine Gruppe kommt, wenn jemand kündigt oder einer ausfällt, dann dreht sich das Karussell immer wieder neu. In den verschiedenen Phasen der Gruppendynamik geht es darum, mit den passenden Instrumenten aus Führung und Kommunikation zu arbeiten – nur so kann Begeisterung entstehen und die Menschen kommen in die innere Haltung, dass Erfolg großen Spaß machen kann.

Gruppendynamik entwickelt sich in fünf Phasen:

  1. Formieren/finden: Die Teammitglieder des »neuen« Teams sind unsicher, suchen ihren Platz und ihre Rolle im Team. Es beginnt ein erstes Abtasten. Es wird aktiv nach Anhaltspunkten und Hilfen gesucht. Es findet eine Übertragung früherer Erfahrungen auf die jetzige Situation statt. Vorsicht, Freundlichkeit oder Zurückhaltung zeigen sich im Alltagsverhalten untereinander. Dann folgen erste »Tests« von Verhaltensmöglichkeiten gegenüber den anderen Teammitgliedern. Kommt diese Etappe zu kurz, können Angst und Widerstände entstehen. Verbleibt man zu lange in dieser Phase, dann entsteht eine Friedhöflichkeit. Teammitglieder können aktiv dagegen arbeiten, zumBeispiel indem man die Kommunikation erhöht, Hilfen für »Neue« bereitstellt oder Anhaltspunkte (alte Regeln) zu Beginn liefert.
  2. Sturm & Drang: Die Teammitglieder kommen aus ihrem Schneckenhaus und trauen sich deutlich mehr. Es entstehen deutliche Sympathien und Antipathien. Die Streitlust steigt und es können sich erste Konflikte über die Zusammensetzung und die Positionen innerhalb der Gruppe bilden. In dieser Phase entstehen Ärger, Trotz, Enttäuschung, Polarisierung von verschiedenen Meinungen und Machtkämpfe. Dies kann zur Bildung von Untergruppen führen. Kommt diese Etappe zu kurz, können die Teammitglieder keine Identifikation zum Team und zum Unternehmen aufbauen. Bleibt ein Team zu lange in der Phase, beginnen Chaos und Destruktivität. Die Lösung: Teammitglieder sollen Ermutigungen aussprechen, Kritik-Ventile schaffen (Besprechungen, Meetings), Ausbrüche von Teammitgliedern nicht zu persönlich nehmen und aushalten, dabei nach den positiven Aspekten suchen.Wichtig ist es, dabei den Rahmen und Raum abzustecken.
  1. Normieren: Die Teammitglieder verstehen, woran sie sind, die Ziele, Beziehungen und das Vorgehen. Es herrscht Erwartungsklarheit. Es findet eine klare Differenzierung von Teamrollen statt. Das Team bildet Normen, der Gruppenzusammenhalt wächst. Die Verbindlichkeit steigt, Offenheit im Widerspruch findet statt, so dass die Harmonisierung des Teams deutlich steigt – was auch spürbar ist. Kommt diese Etappe zu kurz, tritt eine Scheinklarheit ein. Bleibt ein Team zu lange in dieser Phase, treten Langeweile und der Verlust von Spontanität in den Vordergrund. Wichtig ist also die Balance von der Einhaltung der Spielregeln und der Infragestellung der gestellten Normen. Normen gilt es zu fixieren und nicht im Raum schweben zu lassen. Die Realität sollte nicht aus den Augen verloren und eventuelle Tabus benannt werden. Es dürfen keine verwaschenen Kompromisse geschlossen werden. Klarheit zählt!
  1. Auftritt & Gala: Die Teammitglieder agieren als Einheit. Sie stellen ihre individuellen Fähigkeiten ohne Kompromiss zur Verfügung. Das Team ist sehr strukturiert und gefestigt. Die Ziele werden gemeinsam erreicht. Konflikte werden zum Teil ohne äußeren Einfluss gelöst. Das Wir-Gefühl ist in dieser Phase am stärksten. Jeder fühlt seine Verantwortlichkeit und handelt rational. Man spricht hier von einer konzentrierten Aktiviertheit. Kommt jedoch diese Etappe zu kurz, wird ein Sinnverlust wahrgenommen, der zur Auflösung führen kann. Bleibt ein Team zu lange in dieser Phase, treten veraltete Strukturen auf, während Aktionismus des Teams festzustellen ist. Es hilft, Hilfen zu gewähren, wenn sie benötigt werden. Gegenseitiges professionelles Feedback ist relevant. Führungskräfte müssen darauf achten, den Zeitpunkt der Beendigung der Phase zu erwischen und in die nächste Stufe zu wechseln, um ein neues Level für das Team zu erreichen. Routinen und Arbeitsabläufe sollten zum Zweck der Verbesserung hinterfragt werden.
  2. Re-Formieren: Die Teammitglieder erfahren eine Enttäuschung oder eine Erfüllung (in Bezug auf Veränderung der Gruppenphase). Es spiegeln sich Freude oder Begeisterung oder aber Unmut und Widerspruch wider. Oft versucht das Team ein Vermeidungsklima: Warum sollen wir uns von der »Insel der Glückseligkeit« entfernen? Warum sollen wir bewährte Vorgänge verändern? Das Team wird versuchen, in die vorherige Etappe »Auftritt & Gala« zurück zu wechseln.Vorsicht: Kommt diese Phase zu kurz, kann ein Team die Anpassungsfähigkeit versäumen und sogar verlieren. Das Team wird starr. Bleibt ein Team zu lange in dieser Phase, entsteht eine Scheinharmonie. Das Team wird auf Dauer ineffizient und langsam. Lösung bietet die Bereitstellung einer Plattform, auf der sich Mitglieder austauschen, neue Ansätze und Veränderung besprechen können. Streit- und klärungsbedingte Themen müssen aufgelistet werden. Das Fazit daraus und die erarbeiteten Lösungen lassen sich so in den neuen Kreislauf integrieren. Hier noch ein wichtiger Hinweis: Die meisten Teams haben übrigens keine Fehler- und Streitkultur, weil sie keine klaren Rahmenbedingungen haben, sondern nur informelle Regeln. Was sind informelle Regeln? Dies ist ganz einfach mit einem Satz beantwortet: »Das haben wir schon immer so gemacht.«

 

Der erste Schritt ist es, die Teamdynamiken zu verstehen, um dann in den folgenden Schritten ein Team aufzubauen. Es können dabei weder Phasen ausgelassen noch welche übersprungen werden. Wichtig ist auch, dass die einzelnen Etappen zum einen lange genug und zum anderen jedoch nicht zu ausgiebig absolviert werden – denn wer ständig im selben Kreislauf gefangen ist, kann keine Begeisterung erzeugen. Wir erleben es in den Unternehmen immer wieder, dass versucht wird, die Sturm-und-Drang-Phase auszulassen.

Ist das der Fall, dann können die Menschen im Team ihre Rolle nicht finden, sie haben keine Zugehörigkeit – und so kann eben dann auch keine Begeisterung entstehen. Wenn andererseits diese Phase zu lange andauert, verändert sich die Ausgangslage und damit auch der Effekt – die Gruppe landet im totalen Chaos, keiner weiß, was der andere macht. Im schlimmsten Fall fühlen sich die einzelnen  Teammitglieder dann auch wieder mal nicht zugehörig. Die Aufgabe der Führungskraft ist es also, genau zu wissen, wie sie sich in den einzelnen Steps verhalten muss, wann mal die Leine etwas kürzer gehalten wird, wann zu intervenieren ist und wann man das Team auch einfach mal laufen lassen kann.

Sehen, erkennen und zulassen: Als Führungskraft gilt es zu begreifen, dass gerade in der Sturm-und-Drang-Phase ein Spielraum der Entwicklung zur Verfügung gestellt werden muss – und das braucht konsequentes Aushalten. Anstatt sofort auf eine Situation zu reagieren und wegen jedem Anliegen ein Teammeeting einzuberufen, gilt es, die Mannschaft dahin zu bringen, unterschiedliche Meinungen auszuhalten – nicht alles muss umgehend in der Harmonie oder im Konsens enden.

Im Prozess der Gruppendynamik dürfen Stufen nicht übersprungen werden, stattdessen geht es darum, jede Etappe zu formen und zu performen. Sollte eine Führungskraft das unterbinden oder zu schnell die nächste Phase einläuten, wird sich das Team früher oder später von ganz alleine zurück auf den Ausgangspunkt katapultieren. Was dagegen auf der Strecke bleibt, sind Ressourcen, Zeit und vor allem Nerven aller Beteiligten. Alles auf Anfang – das ist keine wirtschaftliche Methode. Wenn Rollen, Strukturen und Aufgaben nicht geklärt sind – und das eben auch auf der Ebene der Mitarbeiter – befinden sich alle Beteiligten in einem halbgroßen Chaos. Wie soll man sich dafür begeistern, Leistung abzuliefern, wie Lust auf Erfolg haben, wenn die Basisthemen schon nicht stimmen?

Für jede Führungskraft ist es eine echte Herausforderung, aus den anderen Begeisterung herauszukitzeln.Wemes gelingt, bei jedem Mitarbeiter die Begeisterung um ein paar Prozent zu steigern, hat dem Unternehmen schon einen großen Dienst erwiesen. Doch in der Praxis läuft es meistens so, dass man auf jene Leute setzt, die ihr Ding machen und die Arbeit hervorragend schaffen – mit den anderen befasst man sich erst gar nicht, denn das ist mühselig und würde bedeuten, dass man sichmehrmit den Menschen befassen müsste. Eine Führungskraft hat einmal folgendes Zitat geprägt: »Führung ist so lästig. Warum muss ich mich mit dem Mist der anderen befassen? Ich habe genug eigenen Mist am Bein.«

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»Wir bieten als Kontrast etwas Konkretes an«

Im Interview: Dr. Carl-Heiner Schmid, Senior-Gesellschafter der Unternehmensgruppe Heinrich Schmid GmbH & Co.KG

Woran denken Sie als Erstes beim Begriff »Begeisterung«?

Das Wort ist ein Konstrukt und ich versuche alles mit Endungen wie -ung, -keit, -heit oder -nis zu vermeiden, denn das sind abstrakte Begriffe. Normen haben nichts mit dem wahren Leben zu tun. Leider zieht sich unsere Gesellschaft immer mehr in derartige Abstrakta zurück. Solchen Begrifflichkeiten begegnet man ständig, doch sie schaffen Distanz. Man redet zwar darüber, doch es ist nicht einmal eine Unterhaltung, es ist akademisches Geschwätz. Mit dem Wort Begeisterung löst man keine Begeisterung aus.Wenn wir darüber nachdenken wollen, dann geht es doch darum, dass Herzblut fließt! Es lässt sich auch modern ausdrücken: Sehnsucht, Anmache, Neugier, Tick. Auf gut Schwäbisch würde ich sagen: Ranza schenda – also beim Schinden schwingt etwas mit.

 

Können Sie das mit dem Herzblut noch etwas genauer ausführen?Wie definieren Sie das?

Das Leben erkennt sich erst im Menschen – ich gebe zu, das ist ein Gedanke, den man erst einmal auflösen muss. Zum Herzblut gibt es zwei Zugänge: Entweder vertrauen wir dem alten Platon oder auch Hegel und gehen den Weg der Vernunft. Oder man kommt aus den Urgründen Darwins, dann sprechen wir vom Trieb. Was treibt dich um? Was treibt dich an? Wenn diese Grundlage nicht klar ist, muss man etwas oder sich erst noch erklären. Den ganzen Tag umgeben wir uns mit Erklärungen, aber die haben mit echtem Leben und mit dem Pulsschlag nichts zu tun. Insofern geht es in erster Linie um Klartext und Klarsicht, also was es für einen selbst bedeutet.

 

Also was begeistert Sie persönlich?

Machen – und ich drücke es ausdrücklich hier als Verb aus. Wenn jemand macht, dann begeistert mich das. Der Mensch ist ja im Quintett unterwegs: fühlen, denken, sagen, machen, werten – das ist unser alltäglicher Kreislauf. Über Gefühl kann man jede Menge sülzen, auch über  das Denken, beim Sagen sowieso. Und dann kommt die Nagelprobe: machen! Lasse die Taten sprechen und nicht die Worte. Also rede nicht, sondern mache, leg los, pack an! Das Prinzip ist ganz einfach, doch unsere Gesellschaft  geht in Richtung Geschwafel. Machen beinhaltet zwar immer auch das Risiko zu scheitern, die Hucke voll zu bekommen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenn ich mache, resultieren daraus 51 Prozent meines Erfolges – und die restlichen 49 Prozent habe ich gebraucht, um zu erkennen, was ich eben noch nicht richtig gemacht habe. Ich spreche dabei auch nicht von Fehlern, sondern von Irrtümern – da bin ich streng in der Wortwahl. Ich »fehlere« mich nicht voran, ich irre mich voran.

 

Im Wort Begeisterung steckt der Kern »Geist«. Braucht es also einen bestimmten Spirit, Verstand oder Genie, um sich selbst und auch andere begeistern zu können?

Um das zu erklären, bemühe ich gerne die Geschichte von den Sieben Schwaben: In dem Schwank der Brüder Grimm geht es um die Abenteuer genau dieser und um den Kampf mit dem Untier. Die sieben Protagonisten stehen dabei stellvertretend für sieben Charaktertypen, die Geschichte ist gewissermaßen ein Konzentrat, das uns schmunzeln lässt und herrliche Bilder hergibt. Darin heißt es: »Gang du voran, i will dahinte vor di stahn« – also einer hat die Hosen an und geht voran. Dieser eine brennt, fünf laufen mit und einen bekommt man nicht mit auf die Reise. So ist es auch in den Unternehmen, das zeigt die jährliche Gallup-Studie:

Es gibt zwischen 14 und 16 Prozent Leistungsträger, 70 Prozent Mitläufer und der Rest ist in seiner Leistungsbereitschaft ohnehin schon ausgestiegen. Personalisiert und heruntergebrochen auf eine kleine Gruppe sind wir wieder bei den Sieben Schwaben. Und es braucht genau diesen einen, der brennt und vorangeht, der den Geist in sich trägt, das Engagement und denWillen, um die anderen mit zu bewegen. Das ist Führung, der hat Herzblut, um den muss man sich nicht großartig kümmern und die anderen laufen dem nach, so funktioniert die Psychomechanik.

 

Wie bringt man Menschen dazu, dass sie brennen?

Jeder einzelne Mensch ist ein Unikat, ein Individuum. Zwar gibt es Abstufungen, wer bringt mehr von diesem oder jenem Talent mit, doch jeder hat seine Vorteile und Nachteile. Diese Unterschiedlichkeit kommt dann zusammen, das ist die Dialektik des Lebens. Vor diesem Hintergrund kann ich die Frage auf folgende zwei Aspekte reduzieren: Hands on und Head on. Ich bringe Menschen zum Machen, indem ich die Entscheidung getroffen habe, in beiden Welten zuhause zu sein. Es braucht also einen Teil aus der akademischen Welt, also das analytische Denken – und es braucht das Tun, das wir in der Bauwelt in unserem Alltag eben auch sehr intensiv gestalten.

 

Muss man Menschen immer wieder anschieben, motivieren und mobilisieren, begeistern, damit sie begeistert sind und andere begeistern?

Wenn wir uns den Großteil des Menschenlebens anschauen, bewegen wir uns zwischen den beiden Polen Sicherheit und Freiheit – Karl Popper lässt grüßen. Auch im Unternehmen stellen wir uns die Frage, wie viel Unsicherheit es braucht, um an der Sicherheit weiter zu bauen.Würden wir beispielsweise aufhören zu wachsen, dann hätten wir fünf Jahre lang eine schöne Zeit und danachwürde es senkrecht nach unten gehen. Also braucht es stets einen dynamischen Wechsel von Sicherheit und Unsicherheit, vom Unmöglichen zum Möglichen. Alles was heute möglich ist, war irgendwann unmöglich. Menschen, die zu unserem Unternehmen gehören, haben das begriffen. Sie haben verstanden, dass sie von sich aus machen müssen. Daher gibt es von mir lediglich die klare Ansage: »Junge, pass auf, es gibt zweiMöglichkeiten: entweder ES geht oder DU gehst.« Punkt. Das brauche ich nicht mehr weiter zu erklären.

 

Sie erwarten bedingungslose Leistungsfähigkeit von den Menschen, die mit und für Sie arbeiten. Bevor Sie jemanden in Ihr Unternehmen integrieren: Woran erkennen Sie, ob jemand die zum Unternehmen passende Begeisterung in sich trägt – oder eben nicht?

Wenn ich einen Menschen anschaue, dann ist das Augenlicht in Lichtgeschwindigkeit unterwegs. Es entscheidet sich also bei 300 000 km/h, mit wem ich kann und mit wem nicht. Dann kommt die Sprache dazu, in Schallgeschwindigkeit, zwar 300 Mal langsamer, aber immer noch ein echter Wert. Und auf dritter Ebene geht es um die potenziellen kritischen Gedanken, Daniel Kahneman spricht vom schnellen und langsamen Denken.

Ich frage mich dann, ob jemand mit diesen Fähigkeiten und Werkzeugen unterwegs ist und verlasse mich dabei auf meine gute Menschenkenntnis – mit der bin ich bestens ausgestattet. In acht von zehn Fällen weiß ich schnell, ob jemand passt. Ich hinterfrage, ob einer auch Grenzsituationen gewachsen ist – denn in Routinesituationen werden dieMenschen nur immer fauler und wenn das Geldverdienen dann auch noch stimmt, wird eine Entwicklung eher zäh oder es kommt sogar zum Stillstand. Die Risikobereitschaft muss also erkennbar sein. Und eben, dass Herzblut fließt – dieses Bild braucht man dann nicht mehr zu ergänzen.

 

Apropos Herzblut: Eines Ihrer großen Herzensprojekte ist das Duale Gymnasium. Dort setzen Sie auf das Konzept vom agilen, zukunftsorientierten Lernen. Ist das der Weg, um bei der jungen Generation den Unternehmergeist zu wecken und sie für das Handwerk zu begeistern?

Ich selbst bin ja nun im Handwerk aufgewachsen und groß geworden, meinen ersten Job auf der Baustelle hatte ich bereits im Alter von neun Jahren. In der heutigen Zeit stellt sich mehr denn je die Frage: Wie früh muss man Kinder sozialen Situationen aussetzen, in denen sie gezwungen sind, sich zu beweisen? Und was ist existenziell, um ein Maximum ihrer Aufmerksamkeit zu generieren? Ich habe mich an Pestalozzi orientiert, der von der idealen Kombination aus Hirn, Herz und Hand spricht. Das habe ich zeitgemäß etwas umgeformt und dialektisch aufbereitet: Am Dualen Gymnasium gibt es die so genannte 3-H-Methode. Damit ist nicht »Ha Ha Ha« gemeint und auch nicht das, was in der maskulin geprägten Bausprache eher verbreitet ist, nämlich hauen, hupen und huren.

Die Trilogie aus Hirn, Herz und Hand meint, dass wir im Handwerk alle drei Komponenten gleichermaßen benötigen. Handwerkliche Tätigkeit ist evolutorisch viel älter als jede Form der Gehirnakrobatik, hat gewissermaßen biologische Vorfahrt.Wer das »Be-greifen« vernachlässigt, muss sich nicht wundern, wenn ein System schwächelt, verkümmert oder sogar floppt. In den üblichen Schulen dreht sich alles um abstrakte und irreale Ereignisse. Man übt dort bestimmtes Verhalten, eine bestimmte Art zu denken, da passiert jedoch nichts für die realeWelt. Nun bieten wir als Kontrast etwas Konkretes an. Denn es braucht eine gute Balance von Hirn, Herz und Hand und einen vielfältigen Wechsel. Das gewährleisten wir im Dualen Gymnasium.

 

Warum ist das sowohl im Bildungswesen als auch in der Handwerksbranche so revolutionär?

Weil wir die Kultur über den Haufen geworfen haben. Meine Erkenntnis lautet: Kultur frisst eine Strategie noch vor dem Frühstück, Kultur ist der größte Feind. Die aktuelle Kulturpflege wird von den Handwerkskammern gemacht. Da sitzen die Akademiker und die Superstars der Forschung, während die Handwerker als Zwangsmitglieder wie Leibeigene behandelt werden. Keiner in der Kammer hat ein Interesse daran, dass die Leibeigenen klüger werden. Das ist unsere hiesige Handwerkskultur, gegen die wir ein neues Konzept aufgestellt haben. Schauen wir doch auf die Zahlen, egal ob in einer Stadt wie Tübingen oder in einem Dorf als einer der finstersten Orte auf der Alb: Der Großteil der Population ist kopfgesteuert, die Masse der Kinder geht auf das Gymnasium. Diese Menge sorgt dafür, dass das Niveau sinkt. Denn wie heißt es so schön: Jede Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied – und das gilt erst recht in der Bildungskette, bestehend aus Menschen. Wer es eben nicht im Kopf hat, der ist frustriert und bremst die anderen aus, am Ende bleiben alle stehen. Möchten wir das? Wollen wir unsere Bildungskette noch weiter herunter justieren? Die Überquantität macht echte Schwierigkeiten, denn es stellt sich ja immer die Frage, wie groß die kritische Masse ist, die man braucht, um etwas zu bewegen – oder umgekehrt: um etwas zu verhindern. Junge Leute wollen aber vorwärtskommen, also entweder man ermöglicht das oder wir bekommen gesellschaftlich ein ganz anderes Problem.

 

Apropos junge Generation: Ihre drei Söhne sind Ihre Verbündeten. Wie ist Ihnen die Generationenübergabe im Unternehmen gelungen, wie haben Sie sie an die Aufgaben und an die Verantwortung herangeführt? Braucht es dafür bei allen Beteiligten den Mut, den Willen und die Fähigkeit zur (gegenseitigen) Begeisterung?

Was ist das Gegenteil von Begeisterung? Ich würde sagen: Ernüchterung, Entmachtung, persönliche Erniedrigung. Damit hat man im Berufsalltag immermal wieder zu tun. Charakterstark ist derjenige, der den Biss hat, da wieder rauszukommen, anstatt sein Gegenüber gewinnen zu lassen. Meine Forderung an meine Söhne war genau das: seid aktive Gesellschafter. Ich habe auch vorausgesetzt, dass sie aus Rückschlägen, Niederlagen und negativen Erfahrungen neue Kraft ziehen und sich selbst immer wieder motivieren können. Das geht nur, wenn man einen Eigenwert hat und den auch kennt.Wer will Führungskraft sein, dazugehören? Derjenige braucht ein erlerntes Handwerk, einen akademischen Abschluss und einen Meisterbrief. Alle drei haben das geschafft. So haben sich die Dinge ergänzt und die Größe des Unternehmens hat das Übrige getan.

 

Begeisterung in derTheorie genügt nicht – wie also kommt man ins begeisterte Tun? Haben Sie abschließend einen Tipp für unsere Leser?

Rede nicht – mache! Das ist und bleibt mein Super-Tipp. Ob einer etwas hinbekommt, erkennt man genau daran, ob er etwas unternimmt oder ob er lediglich davon spricht. Zu lamentieren ist eine Ersatzhandlung, eine Flucht vor dem, was tatsächlich zu tun ist. Im Schwäbischen gibt es den Ausspruch »Do sott mr mal«, also man sollte mal. Der Konjunktiv ist ja schon die Abwehr der Tat. Bei uns zählen Bodenhaftung und Bodenständigkeit. Und es geht um den Hunger: Ich kenne den körperlich erfahrbaren Hunger noch, weil ich ein Kriegskind bin. Doch ich meine den Hunger in seinen verschiedensten Ausprägungen – also den Hunger nach Leben, nach Taten, nach Erfolg. Mit diesem Hunger hat man die Chance, etwas zu bewegen – und zwar so, dass die anderen etwas davon spüren,merken und mitbekommen.

 

Zur Person

Dr. Carl-Heiner Schmid (Jahrgang 1941) ist Senior-Gesellschafter der Unternehmensgruppe Heinrich Schmid. 1992 promovierte er an der Universität Stuttgart zum Thema »Planung von Unternehmenskultur«. Der Diplomkaufmann und Maler- und Lackierermeister ist Entrepreneur: Er hat im Laufe seines Lebens vieles im Handwerk auf den Prüfstand gestellt. Organisationsmodelle von Baustellen, tradiertes Verhalten ebenso wie kaufmännische Sichtweisen und Unternehmensgründungen.

Das Familienunternehmen hat er in vierter Generation und seit seinem Eintritt ins Unternehmen 1969 zur größten Handwerksgruppe im Maler- und Lackiererhandwerk in Deutschland ausgebaut – und zum international agierenden Dienstleister entwickelt. Sein Anspruch: grundsolide und qualitätsvolle Handwerksarbeit. Mittlerweile umfasst das Leistungsangebot mehr als 16 Bereiche, zum Beispiel Trocken- und Komplettbau, Brandschutz und Wärmedämm-Verbundsysteme. Zu den Referenzobjekten zählen der Europäische Gerichtshof in Luxembourg oder das Sony Center in Berlin.

Heinrich Schmid, das sind heute mehr als 5000 gut ausgebildete Maler, Ausbauer und Dienstleister, die an 150 Standorten europaweit unterwegs sind. Die Gruppe erwirtschaftete 2019 einen Jahresumsatz von 533,5 Millionen Euro. Mit der eigenen HS Führungsakademie wird jedem Mitarbeiter Bildung und Ausbildung zielgenau angeboten. Jeder soll die Chance haben, weiterzukommen – unabhängig davon, ob er von der Hauptschule oder von der Hochschule kommt. Lehrlings-Baustellen, Online Meisterschule und das Bildungsmodell Duales Gymnasium (also Abitur und Lehre im Doppelpack) zeigen das weitreichende Engagement von Dr. Carl-Heiner Schmid.

https://www.heinrich-schmid.com/


 

Begeisterung sichtbar machen

Diese Situation ergab sich bei einer Firma für Finanzdienstleistungen: Der Chef macht im Teammeeting eine Ansage an seine Kundenberater. Er steht vorne und will mit voller Inbrunst verkündigen, dass sie mehr machenmüssen – dass er zwar zufrieden ist und die Leistung bisher auch gut war, nur dass er nun noch mehr von seiner Mannschaft verlangt.Während er so spricht, sind seine Gestik und Mimik eingefallen, die Schultern hängen, die Mundwinkel frönen der Schwerkraft und seine Stimme ist monoton.

Nun hat dieser Chef eine auffallend korpulente Statur – und nun steht er vor seinen Angestellten wie ein Häuflein Elend. Das was er sagt undwie er es sagt,bekommt eine ganz bestimmte Wirkung – schon durch seine Haltung. Nach seiner Ansprache ging das Team auseinander und nichts passierte – es gab weder mehr Engagement noch eine deutliche Leistungssteigerung, die ja gewünscht war. Drei Wochen später beim nächsten Meeting war das Team so weit wie vorher. Im Gespräch mit dem Chef fand ich (Simon) nun deutlicheWorte: »Ich kann Ihnen vorhersagen, wie auch das nächste Meeting läuft. Und die Zeit vergeht und nichts passiert. Also werden Sie ausfällig und laut!« Der Chef schaute mich verdutzt an. Nun erklärte ich ihm, welche Bilder im Kopf seiner Mitarbeiter entstehen, wenn er wichtige Ansagen in solch einer Haltung macht – und was er anders machen kann, umendlich Begeisterung bei seinen Leuten zu wecken.

Für jede Führungskraft gilt: Um die Begeisterung bei anderen zu wecken, muss erst einmal die eigene Begeisterung sichtbar werden. Der erste Schritt ist die Reflexion der eigenen Person – der Blick nach innen, bevor etwas nach außen getragen werden soll. Wer nicht selbst begeistert und überzeugt von etwas ist, wird bei seinem Gegenüber erst recht kein Feuer entflammen. Es gibt eine ganze Reihe an geeigneten Mitteln:

  • Verwende eine positive Sprache und vermeide Negationen:

Welche Auswirkungen haben Negationen, wenn man sie im Sprachgebrauch benutzt? Also Wörter wie nicht, kein und so antrainierte Begriffe. In stressigen Situationen kann das menschliche Gehirn diese nicht verarbeiten. Ein Gespräch zwischen Chef und Mitarbeiter führt oft genug zu einem ersten Stressmoment. Was der Chef zu sagen hat, kann vom System nicht verarbeitet werden, wenn es Negationen enthält – die Botschaft kommt schlichtweg nicht an. Schlimmer noch: Bei Formulierungen wie »machen Sie doch nicht dieses oder jenes« wird die Negation ausgefiltert – der Inhalt kommt also völlig verzerrt an. Damit das Gegenüber auf sein größtmögliches Ressourcenvolumen zurückgreifen kann, braucht es positive Formulierungen.

Das Sender-Empfänger-Modell in der Kommunikation ist sehr einfach: Wenn man als Sender nur Mist losschickt, kann der Empfänger nur Mist empfangen und eben auch nur damit arbeiten.Wenn der Mitarbeiter nur negative Worte hört, wenn die Führungskraft viele negative Begrifflichkeiten wählt, ist das Ergebnis logisch: Es entsteht keine Begeisterung mehr. Das Gehirn lernt in dem Moment: »Wenn ich als Mitarbeiter mit einem Anliegen zu meinem Chef gehe, dann werde ich negative Dinge hören.« Und wer will sich damit befassen?

Es beginnt eine logische Kettenreaktion, der Mitarbeiter vermeidet zum Chef zu gehen, man hat deutlich weniger Kontakt und Kommunikation, der Informationsfluss erlahmt oder versiegt sogar. Und noch ein unschöner Effekt tritt ein: Es findet auch weniger Lob und konstruktive Kritik statt, alles in allem kann Begeisterung nicht mehr generiert werden, am Ende macht der Mitarbeiter nur noch Dienst nach Vorschrift.

  • Vom Eisbergmodell hast du sicher schon mal gehört. Dieses Kommunikationsmodell verdeutlicht die zwischenmenschliche Kommunikation auf sehr anschauliche Weise. Es basiert auf der 80-20-Regel, die besagt, dass menschliches Handeln in täglichen Situationen nur zu einem kleinen Anteil bewusst bestimmt wird. Unser bewusstes Denken und rationales Handeln ist lediglich die Spitze des Eisbergs, der Großteil liegt unter Wasser – wir schieben also allerlei Gefühle, Erfahrungen und Konflikte auf unterbewusster Ebene vor uns her. Dass das in die Kommunikation mit unseren Mitmenschen mit einfließt, ist naheliegend. Während wir auf der Sachebene mit Daten und Fakten agieren und Dinge bewusst benennen können, ist der größere Teil im Unbewussten – und hier liegende Ängste, verdrängte Konflikte, traumatische Erlebnisse, Triebe und Instinkte. Und diese bestimmen zahlreiche unserer Handlungsmotive. (Quelle: Wikipedia, Stichwort »Eisbergmodell«.)

 

Und wie handhabt man das nun als Führungskraft? Es ist wichtig, auch mal Emotionen zu zeigen. Es geht darum, dass die Führungskraft von heute diese sichtbar macht, anstatt sie zu unterdrücken. Denke dabei bitte an das WLAN- Symbol.

Viel entscheidender ist der Umgang mit der Emotion, also das WIE.

  • Mache dir klar, wie du dich selbst als Führungskraft verhältst und was du vorlebst. Reflektiere regelmäßig, was du selbst brauchst, um begeistert zu sein, und woran du innerlich erst arbeiten solltest, bevor du in das Außen und auf die Mitarbeiter zugehst.
  • Ende der 1960er-Jahre gab es eine Untersuchung von Albert Mehrabian. Der Psychologe stellte die Frage, was eigentlich im Miteinander Wirkung erzielt und was welchen Anteil daran hat. Das Ergebnis ist sehr beeindruckend: In seiner Studie kam heraus, dass die Wirkung der Stimme 5,5-fach so stark ist wie ein einzelnes gesprochenes Wort. Weiterhin hat er herausgefunden, dass die dazugehörige Körpersprache um ein 1,5-Faches an Effizienz erzielt als die Stimme. Somit war klar, dass der geringste Faktor das gesprochene Wort ist. Erst in der Verbindung mit Stimme und Körpersprache wird inhaltlich ein sehr viel höheres Ergebnis erzielt.Werde also sensibel für die eigene Körpersprache und präpariere dich entsprechend.  Du kannst die äußere Haltung bewusst einsetzen, wenn du vor anderen sprichst. Wenn der Chef wie ein Schluck Wasser vor dem Team steht, kann das nicht gutgehen. Wichtig ist, sich selbst erst einmal geradezurücken und sich einzuordnen.

Unserer Erfahrung nach haben Führungskräfte oft eine schräge Selbstperspektive, was ihre körperliche Ausdruckskraft angeht. Viele denken, dass sie top unterwegs sind, und meinen alles zu können – doch das, was in der Außenwirkung tatsächlich ankommt, sieht dann völlig anders aus.

Tipp: Nutze deine Stimme in Gesprächen, beispielsweise laut/leise, hoch/tief, schnell/langsam, baue Pausen ein, kurze/lange Sätze, Tonalität usw.

Übung: Probiere diesen Satz zu sprechen: »Was willst du schon wieder.« Wie kannst du diesen Satz mit Stimme und Betonung ändern?

  • Arbeite an deiner körperlichen Fitness. Auch das wirkt sich – vielleicht wenn auch erst auf den zweiten Blick – auf dasThema Begeisterung aus.Wenn eine Führungskraft merkt, dass sie körperlich immer wieder an die eigenen Grenzen stößt, kann der Job aufDauer keinen Spaß mehr machen – und das mindert die Begeisterung bei allen Beteiligten. Gerade durch Spaß und Freude entsteht Begeisterung – ein Chef, der begeistert ist und Freude hat zu führen, kann solche auch weitergeben und bei anderen entfachen. Die Aspekte sind also untrennbar miteinander verbunden. Das eine ist assoziiert und das andere dissoziiert: Wenn der Rahmen und das Umfeld schon keinen Spaß machen, kann der Inhalt auch nicht mehr besser werden. Viele Beschäftigte arbeiten nicht in dem Arbeitsbild, in dem sie arbeiten – was hat das also mit Begeisterung zu tun?
  • Kennst du Pacing? Dabei geht es darum, die Körperhaltung des anderen zu spiegeln. 70 bis 80 Prozent an Spiegelung reicht schon, um dadurch gegenseitige Sympathien zu ernten. Wenn man es übertreibt, fühlt sich der andere nachgeäfft, bei weniger als 70 bis 80 Prozent ist die Wirkung deutlich schwächer. Hintergrund: Die Spiegelneuronen im Gehirn sind zuständig für den ersten Eindruck.Wird die 80-Prozent-Regel beim Pacing angewandt, denkt sich der Kopf: »Aha, der sieht so aus wie ich, der verhält sich wie ich, der ist in Ordnung!«

 

Dann braucht es keine 15 Minuten Smalltalk, um sich gut zu verstehen. Diese Methode lässt sich also bewusst einsetzen und verkürzt den Prozess, um sich gut aufeinander einzustellen.

Wir nennen das dann Harmonie.

  • Was ist einem Mitarbeiter wichtig? Aktuelle Studien (vergleiche ManpowerGroup Deutschland 2017) zeigen, dass zu den Top-Punkten die Kommunikation, die Anerkennung und die Wertschätzung gehören – erst auf den nachgeordneten Plätzen folgen Elemente wie Geld, sicherer Arbeitsplatz und Urlaub.Du hast in diesem Kapitel schon viel zu diesen drei Aspekten gelesen.

Hier noch ein Impuls, was bereits im Begriff Wertschätzung so schön drinsteckt: der Wert und der Schatz.

  • Entspanne deinen Mitarbeiter im Gespräch und nehme den Druck raus. Denn wenn das Gehirn deines Gegenübers die ganze Zeit mit der Frage beschäftigt ist »Wie komme ich aus der Nummer wieder raus?«, bleiben das Verstehen und die Verständigung auf der Strecke. Eine Führungskraft sollte eine solche Situationen erkennen und entsprechend handeln. Dafür hilft es oft, sich einmal in die Schuhe des Gegenübers zu stellen, aus seiner Position die Situation zu betrachten.

 

Diese Tools eröffnen dir neue Handlungsoptionen. Was davon du wann verwendest, entscheidest du selbst. Du hast die Wahl, ob du dich wie bisher verhältst oder eingetretene Pfade auch mal verlässt, um etwas anderes zu versuchen. Probiere etwas aus und schaue doch mal, welche Reaktion du auf der anderen Seite hervorrufst. Möglicherweise bist du in gewissen Situationen bisher auf Mauern gestoßen und jetzt gibt es nur noch einen Bordstein.

 

Der Einfluss von Wort, Stimme und Körpersprache

Nimm dir ein Blatt Papier – am besten im Querformat – und schreibe deine Ziele auf. Dann ziehe drei Spalten. Jetzt kannst du bilanzieren: Notiere auf der linken Seite, was du bereits hast und in der mittleren Spalte, was du brauchst. Die rechte Seite kannst du nun damit befüllen, wie du an das Ziel gelangst – und dabei geht es um deine Körpersprache und Stimme. Erinnere dich an die Einflussfaktoren von Wort, Stimme und Körpersprache.

Den Inhalt hast du schon gut abgedeckt in den ersten beiden Spalten. Nun geht es um das, was noch mehr Gewicht hat. Wenn du also beispielsweise einem anderen eine Aufgabe übertragen möchtest, mache dir jetzt hier dazu Gedanken, ob du das stehend oder sitzend machst, in einem scharfen herrischen Ton oder eher sanft – vielleicht willst du ja auch mal reimen. Zum Schluss kannst du dir auch noch – am besten mit einem farbigen Stift – anmerken, wann es ein geeigneter Zeitpunkt wäre. Willst du tatsächlich das schwierige Telefonat mit dem Kunden noch vor deinem wichtigen Teammeeting führen?

 

Begeisterung ist Chefsache

Ich (Simon) war gerade erst elf Jahre alt, als ich bei meinem Hausarzt Dr. Karl Meder vorstellig wurde – wegen Rückenproblemen. Der Grund dafür war die übermäßige Krümmung meiner Wirbelsäule, die so genannte Skoliose. Mit Sport hatte ich schon mein Glück versucht – war meinem Bruder nachgeeifert, hatte es mit Tischtennis und Badminton versucht, sogar mit Fußballtraining – das ging gar nicht. Dr. Karl Meder, der selbst in der ungarischen Nationalmannschaft geschwommen war, eröffnete mir den Zugang zum Wassersport. So kam ich zum Schwimmen – und zu meiner wahren Begeisterung. »Die Schmerzen wirst du leicht los – bewege dich durch Rückenschwimmen. Deine Füße funktionieren dabei wie ein Anker im Wasser, während nur die Arme ziehen. Deine Wirbelsäule streckt sich, du wirst sehen, das wird helfen.« So lautete die damalige Prognose des Mediziners. Inzwischen habe ich das Krankheitsbild längst nicht mehr.

Ursprünglich musste ich als junger Kerl also etwas tun wegen meiner Krankheit, davon war ich nicht sehr begeistert. Ich traf gleich zu Beginn auf einen Trainer, der so typisch deutsch agierte: Bei ihm ging es ausschließlich um Disziplin, er ließ die Schwimmer »viele Meter fressen«, so sein Vokabular. Wer mit im Team war, sollte so richtig »bolzen«, also musste 100 Prozent Leistung geben. Die Technik war ihm dabei nie so wichtig, lieber sah er uns Schwimmer hart am Limit trainieren. Ehrlich gesagt, löste das nicht viel Begeisterung bei mir aus. Nun hatte ich bisher einen Trainer erlebt, der ausschließlich mit Druck agierte. Viele Menschen erleben so etwas auch in den Unternehmen und haben es mit Führungskräften zu tun, die ausschließlich unter Druck versuchen, Leistung zu erzeugen.

 

Dann wechselte ich denVerein und bekameinen neuen Trainer – und plötzlich fing die Sache mit der Begeisterung an…

Herr Walter war mein damaliger Trainer und er hat mir viele Werte vermittelt, mich auch im Tun und Denken geprägt. Vor etwa einem Jahr begegnete ich ihm auf einem Wettkampf, bei dem mein Sohn erfolgreich schwamm. Ich nenne ihn nicht Peter Walter, sondern auch als Erwachsener sage ich noch ganz förmlich Herr Walter zu ihm. In unserem Gespräch sagte er etwas sehr Markantes: »Sport hin oder her – was ich so toll finde und mir auffällt, ist, dass aus allen jungen Menschen, die bei mir trainiert haben, was Gescheites geworden ist. Sie sind alle gut in ihren Familien integriert, haben Kinder und sind sozial eingebunden, haben gute Jobs.«

Und ich dachte so bei mir: Da ist schon was dran – und das ist mitunter ihm zu verdanken, seiner intelligenten Führung. Ich kann mich sehr gut an Momente erinnern, in denen ich am Beckenrand hing und in die Rinne kotzen musste vor Überanstrengung. Herr Walter fasste mich dann sehr bestimmt an. Er schaute zu mir herunter und sagte dann nur: »Noch zehn Sekunden, Simon, mach dich fertig.« In
diesem Augenblick kommt es einem vor wie Ungerechtigkeit.
Warumhat der Trainer mit mir kein Mitleid, warum zeigt er kein
Pardon?

Heute weiß ich: Wenn er das gehabt hätte, was wäre mit
dem Ziel passiert? Wenn der Trainer in jedem Training hergeht
und erst einmal sensibel auf die Tagesform jedes einzelnen
Sportlers schaut, darauf sogar noch eingeht, Rücksicht nimmt,
wenn es einem mal nicht so gut geht und stattdessen dann
erlaubt, mal locker zu machen, dann gerät alles in Schieflage.

Denn warum setzt man sich dann überhaupt ein Ziel?
Ich trainierte übrigens sieben Mal und davon zwei Mal pro Woche
schon vor der Schule. Die erste Unterrichtsstunde startete um
7.40 Uhr, also stand ich um 5 Uhr auf, um eine Stunde später im
Wasser zu sein. Um unsere Mutter zu schützen und die Arbeit
zu verteilen, stand an diesen Tagen mein Vater mit mir auf und
während ich mein Müsli löffelte, verbrachte er die Frühstückszeit
mit mir, bevor ich dann mit dem Fahrrad zum Hallenbad
radelte. Wenn ich heute in der Rückschau so darüber nachdenke,
dann war da sehr oft mein Vater, der mich begleitet und ein
gewisses Fundament für die Begeisterung gelegt hatte.

Denn in diesen sehr frühen Morgenstunden war er einige Momente nur für
mich da, um mich bei meinem Sport zu unterstützen – und mich
konsequent ins Training zu schicken. Denn mitunter gab es Trainingseinheiten,
auf die ich keine Lust hatte, doch mein Vater trat
mir dann sprichwörtlich in den Hintern. Zwar hielten sich meine
Eltern stets aus dem Trainingsbetrieb heraus, doch sie schafften es
immer wieder, meineMotivation aufrecht zu halten. Erst recht in
harten Trainingsphasen half mir mein Vater, das Ziel vor Augen
zu führen,wenn er sagte: »Junge, jetzt beweg dich, ab ins Training.
Du willst doch schließlich auf die SüddeutschenMeisterschaften,
also tu was dafür! Du hast dich für denWeg entschieden, dann geh
ihn jetzt auch!«

Insofern haben mich mein Vater und Herr Walter doch deutlich geprägt – denn bei beiden Mentoren und Wegbegleitern ging es darum, mich dabei zu unterstützen, dass ich mich in einThema vertiefe, richtig reinknie, an was dranbleibe – eben
auch dann, wenn es einem nicht gerade passt. Inzwischen gebe ich selbst Schwimmtraining für Kinder und muss immer wieder feststellen, dass sich vieles geändert und gewandelt hat. Am Sport und dem Vereinsleben konsequent
dranzubleiben, sich auch mal durchzubeißen – das gibt es
heute nur noch vereinzelt. Sicherlich wird von den Kindern und Jugendlichen in der Schule viel verlangt und methodisch auch mehr erwartet als noch in meiner Generation.

Ich sehe ja, dass schon Drittklässler Referate halten müssen und ausgiebige
Aufsätze schreiben. In meiner Schulzeit war aber auch nicht alles reines Zuckerlecken, ich hatte vier Mal wöchentlich Mittagsschule auf dem Wirtschaftsgymnasium – und habe Hausaufgaben erledigt, auf Klassenarbeiten gepaukt und meinen Sport nebenbei
auch noch verfolgt. Alles war machbar, weil es gewollt war. Anders so bei der Mannschaft, die ich derzeit trainiere: Die Schwimmer sind zwischen zehn und 15 Jahre alt und ständig bekomme ich Trainingsabsagen von den Eltern, »weil das Kind
noch lernen muss, die schreibt morgen eine Klassenarbeit« – so und so ähnlich lauten die Begründungen.

Ich bin der Meinung, dass es die Eltern den Kindern da zu einfach machen. Die andere Sparte sind die Teilnehmer, die völlig unter Freizeitstress stehen: Montags ist Schwimmtraining, davor haben sie noch Musikschule und Dienstag dann Gymnastik und Donnerstag wieder Schwimmen. Zusätzlich verbringen die Jugendlichen täglich mindestens drei Stunden vor dem Smartphone – diese Zeit fehlt irgendwo anders. Hinter den vielen Aktivitäten der Kinder stecken oft auch die Wünsche der Eltern – was der Nachwuchs alles können soll, die eigenen entgangenen Träume werden endlich gelebt – und die Kinder sind oft gnadenlos überfordert.

Die Parallele zum Berufsleben liegt nahe: So viele Menschen werden permanent mit neuen und anderen Dingen konfrontiert, viele Führungskräfte lassen ihre Mitarbeiter in Situationen und Gegebenheiten erst gar nicht ankommen, stattdessen werden sie immer wieder in Neues getrieben. Die logische Konsequenz ist, dass der Kopf dicht macht oder der Körper die Reißleine zieht – im Worstcase passiert sogar beides. In meiner Zeit als Jugendlicher und Heranwachsender achtete mein Vater sehr genau darauf, unter welchen Umständen ich mein Schul- und Trainingspensum absolviere: Ich musste auch im Alter von 18 Jahren noch um 22 Uhr daheim sein. »Wenn du den Sport machen willst, dann geht meinem ganzen Leben war ich zwei Mal in einem richtigen Club, einmal in Reutlingen und einmal in Stuttgart. Meine elterlichen
»Führungskräfte« achteten also darauf, dass auch die Rahmenbedingungen
und die Grundlagen stimmen, damit hier nichts aus dem Ruder gerät. Wenn ich nun Trainings in Unternehmen gebe, dann sehe ich am Montagmorgen müde Azubis bei mir im Seminarraum sitzen – und der Rest der Woche wird nicht besser.

Schon mittwochs und donnerstags wird mit den Planungen für dasWochenende begonnen, dann drei Tage volle Party absolviert – wie sollen die jungen Erwachsenen dann im Berufsleben noch oder wieder geistig aufnahmefähig sein? Auch hier sind Führungskräfte mehr denn je gefordert. Es ist wichtig, so etwas zu sehen und wahrzunehmen, miteinander ins Gespräch zu gehen, an den normalen Menschenverstand zu appellieren. Wenn ein Mitarbeiter auffallend oder öfters
müde ist oder nicht aufnahmefähig, sollte der Chef nachfragen.

Jede Führungskraft sollte als Mensch das erkennen – es ist ein wesentlicher Bestandteil der Führungsrolle und hat viel damit zu tun, auf Menschen direkt zuzugehen und Situationen aktiv anzugehen, anstatt nur im stillen Kämmerlein zu sitzen.
Als ich (Simon) in der Führung war, kam eine Mitarbeiterin zu mir, völlig am Boden zerstört. »Meine Mutter liegt im Krankenhaus und ich weiß nicht, wie ich das alles regeln soll«, das war ihre Aussage und sie hatte große Befürchtungen, dass die Situation beruflich negative Folgen haben könnte. Also setzten wir uns
im Team zusammen, verteilten untereinander ihre Aufgaben, gaben
ihr drei Tage frei. In dieser Zeit konnte sie alles regeln und ordnen – und als sie ins Büro zurückkam, war sie dankbar, denn sie war sich durchaus dessen bewusst über das Geschenk, das das Team ihr gemacht hatte.

Anschließend hat sie wieder Gas gegeben. Damals habenwir als Teamdazu beigetragen, dass diese Kollegin zu einem späteren Zeitpunkt wieder Begeisterung zeigen konnte. Dies war ein toller Moment. Begeisterung ist Wellenbewegung, keine konstante Linie. Viele haben den Anspruch, dass alle dauerhaft begeistert sein müssen,
dass jede Aufgabe und jeder Job wahre Begeisterungsstürme hervorruft, dass jede Veränderung auf Begeisterung trifft. Das ist die falsche Herangehensweise. Niemand kann 365 Tage im Jahr durchweg begeistert sein. Vielmehr geht es darum, die Begeisterung durch Spaß an und auf etwas zu generieren – also auf Ziele
hin zu arbeiten und einen guten Rahmen aufrecht zu erhalten.

Keiner kann die ganze Zeit innerhalb einer Angelegenheit nur Begeisterung haben – auf die Höhepunkte kommt es an. Mein (Simon) Trainer hatte eine Trainingssequenz angesetzt, die zwölf Wochen dauerte. Jeweils freitags und mittwochs am Morgen mussten wir das identische Training schwimmen. Das startete mit dem Einschwimmen, 1500 Meter Freistil mit Paddles an den Händen. Danach mussten wir 15 mal 100 Meter
Schmetterling schwimmen. In dieser Zeit sollte jeder seine ihm  zugeteilte Zeit über 100Meter konstant schwimmen. Der Trainer hatte derweil ein Handtuch in der Hand:Wenn er den Stoff nach oben oder nach unten zeigte, dann war man entweder zu schnell oder zu langsam.

Genau diese Vorgehensweise beschäftigte uns Schwimmer drei Monate lang, es wurde konstant so gemacht ohne irgendeine Abwechslung. Du kannst dir sicher vorstellen:
An der Stelle hatte keiner von uns auch nur ein Stück Begeisterung in sich, die hält sich echt in Grenzen. Wann allerdings die Begeisterung in vollen Zügen zurückkehrte, waren die anschließenden Wettkämpfe: Zu sehen, dass sich die eigenen Zeiten und
Platzierung sukzessive verbesserten, lässt die vorausgegangenen Anstrengungen schnell vergessen machen. Da macht sich die Begeisterung mitunter so breit, dass jeder Sportler genau weiß, warum es sich lohnt, dranzubleiben – eben auch dann, wenn es mal keinen Spaß macht. Wir nennen das dann verzögerte oder verzerrte BeGEISTerung.

 

 

 

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