Buchauszug Hans Ulrich-Cyriax und Wiebke Köhler: „Dreizehn Holzwege guter Führung: Ein Ratgeber“

Buchauszug Hans Ulrich-Cyriax und Wiebke Köhler: „Dreizehn Holzwege guter Führung: Ein Ratgeber“

 

Uli Cyriax (Foto: Privat)

(Wiebke Köhler (Foto: Privat)

 

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Kommunikation: Missverständnisse als Regelfall

Führung ist 90 Prozent Kommunikation

So steht das in vielen Management-Lehrbüchern. Führungskräfte hören es in jedem Kommunikationsseminar – aber nützt es Ihnen? Anders gefragt: Pflegen Sie eine gedeihliche, friktions- und missverständnisarme Kommunikation zum Beispiel mit Ihrem Vorgesetzten? Mit Ihren Mitarbeitern? Kunden? Beziehungspartnern? Familienangehörigen? Eltern?

 

Der häufigste Satz, den wir in diesem Zusammenhang hören: „Nee – aber mit ihm/ihr kann man auch nicht vernünftig reden!“ Woran liegt das? Sicher auch an der Wissenschaft: Es gibt tausend Kommunikationstheorien, und keine der vielen Definitionen wird von allen Gelehrten akzeptiert. Doch selbst wenn das der Fall wäre: Seit wann sind Definitionen ein hinreichender Ersatz für Handlungsempfehlungen? Kaum ein praktisch interessierter Mensch will wissen, was Kommunikation ist.
Hingegen fragen uns Führungskräfte stets, wie sie sich verständlich
ausdrücken können. Sie suchen nach Strategien und Methoden, um nicht alles hundertmal sagen zu müssen, bevor ihre Mitarbeiter die Botschaft verstehen und vor allem umsetzen!

Worin die vielen Theorien und Definitionen weitgehend übereinstimmen:

• Kommunikation ist immer mit einem Ziel verbunden. Einfach so daherzureden, ist streng genommen keine Kommunikation, sondern schlicht Gerede.

• Kommunikation ist ein Austausch von Informationen. Eine Anweisung zu erteilen, ohne Feedback zuzulassen, ist demnach ebenfalls keine Kommunikation.

• Bei einer Kommunikation werden Botschaften zwischen Sender und Empfänger ausgetauscht.

Man kann nach diesem Verständnis auch Selbstgespräche führen und damit Kommunikation betreiben. Kommunikation ist also interpersonell oder intrapersonal. Kommunikation erfolgt entweder direkt persönlich oder indirekt unter Einschaltung von Medien wie E-Mails oder dem Intranet.
Was passiert am häufigsten bei der Kommunikation?
Das Missverständnis. Es ist der Regelfall der Kommunikation – und bereits diese simple Erkenntnis teilt die Spreu vom Weizen. Viele Führungskräfte protestieren: „Wieso? Meine Leute wissen ganz genau, was Sache ist!“

Fragt man seine Leute, ist das Gegenteil der Fall – weil der Vorgesetzte die Möglichkeit von Missverständnissen nicht einmal in Erwägung zieht. Smarte Führungskräfte dagegen fragen uns: „Wie kommuniziere ich verständlicher und wirksamer?“ Das ist die Frage. Denn jedes Missverständnis verringert die Führungswirksamkeit eines
Vorgesetzten. Wir können uns ausrechnen, wie effektiv ein Manager am Abend seines Arbeitstages noch ist, wenn ihm tagsüber ein Dutzend Missverständnisse unterlaufen sind. Warum passiert ihm das?

 

Determinanten der Kommunikation

Wer verstanden hat, was Kommunikation ausmacht, produziert weniger Missverständnisse. Kommunikation hängt zum Beispiel immer von
der Persönlichkeit (siehe Kapitel 5) ab; von der des Senders und von
der des Empfängers. Ein Introvertierter spricht und hört anders als ein Extrovertierter, ein Bauchmensch anders als ein Kopfmensch, ein Detailverliebter anders
als ein Visionär und eine, die sich gerne alle Optionen offen hält, anders als einer, der sich gerne ein für alle Mal festlegt. Das waren eben die vier psychologischen Persönlichkeitsdimensionen des MyersBriggs-Type-Indicator (MBTI). Wer seine Pappenheimer kennt, „dem Volk aufs Maul“ geschaut hat, wie Luther das nannte, und den eigenen Sprachgebrauch typgerecht variieren kann, findet zu allen Typen von
Menschen einen guten Draht. Auch das lässt sich trainieren.

Eine zweite Determinante der Kommunikation ist die Situation. Was am Stammtisch an Ausdrücken durchgeht, ist in den meisten Meetings nicht akzeptabel. Doch auch hier vergreifen sich viele im Ton. Nicht, weil sie der Elefant im Porzellanladen sind, wie viele hineininterpretieren. Sondern weil ihr Vokabular nicht situationsvariabel ist. Und
auch das lässt sich trainieren.

Dritte Determinante: die Rollen, die wir im Alltag spielen. Und diese Rollen wechseln ständig. Mal bin ich Sender, mal Empfänger. Selbst diese simple Rollenverteilung macht vielen Führungskräften Probleme, von denen sie nie etwas erfahren, auch wenn sie unter deren Konsequenzen leiden, weil es ihnen niemand verrät: Sie senden zehnmal
mehr als sie empfangen, schaffen also den Rollenwechsel nicht im gebotenen Maße.
Nehmen wir sämtliche Ausprägungen von Persönlichkeiten, Situationen, Rollen und Befindlichkeiten zusammen, erhalten wir Millionen von Kombinationen: Jede Kommunikation ist schon deshalb einzigartig. Will heißen: Wer nach Schema F kommuniziert, liegt in der Regel daneben und nur durch Zufall einmal alle paar Wochen richtig – jeder von uns kennt Vorgesetzte, auf die das zutrifft.

 

Wozu brauchen wir Kommunikation?

Wir könnten uns ja auch anschweigen, wie manche alte Ehepaare. Dann allerdings brächten wir immer weniger zustande. Denn Kommunikation ist kein Selbstzweck.
Kommunikation koordiniert menschliches Handeln. Erst durch Kommunikation wird Arbeitsteilung möglich. Wenn Kollegen nicht miteinander reden, kommt jedes Projekt zu einem knirschenden Halt. Wenn sich jedoch alle gegenseitig verständigen, wird Handeln möglich, werden Aufgabe gelöst und Ziele erreicht.

Voraussetzung dafür ist, dass alle dieselben Zeichen und Symbole verwenden, dieselbe Sprache sprechen. Doch das ist meist allein schon zwischen den Hierarchieebenen eines Unternehmens nicht gegeben. Viele Mitarbeiter verstehen ihre Vorgesetzten nicht, weil diese zu abstrakt sprechen, mit zu vielen Fremdwörtern und in zu komplexen Sätzen. Und der unverständliche Chef bekommt das nicht mit, weil er Feedback ignoriert oder es nicht einfordert und fördert.

In gut gemanagten Projekten wird deshalb beim Kickoff erst einmal und ganz offiziell eine „gemeinsame Sprache“ entwickelt. In Fällen, in denen das nicht passiert, kann darauf gewettet werden, dass im Prozess viele Konflikte aufbrechen, die sich niemand so recht erklären kann.

 

Das 4-Ohren-Modell

Wir hören stets mit vier Ohren zu, meint der Psychologe und Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun. Mit seinem Buch „Miteinander reden“ hat er die meistverkaufte Quadrologie der Kommunikation in Deutschland geschrieben. Was sich ein wenig seltsam anhört, erklärt, warum so viele Führungskräfte unverstanden und ineffektiv bleiben: Sie hören sich selber nur mit einem Ohr zu, zum Beispiel, wenn sie einem Verkäufer Feedback geben: „Sie können dem Kunden doch nicht sagen, dass er dann halt fünf Wochen auf seine Lieferung warten muss, wenn er auf seinem Sonderwunsch besteht!“

Daraufhin schnappt dieser Verkäufer dermaßen ein und macht die nächste Woche nur noch halb so viele Abschlüsse, was die Quartalszahlen der ganzen Abteilung gefährdet. Der Vorgesetzte versteht das nicht: „Das stimmt doch: Sowas darf er nicht sagen!“ Ja, das stimmt, aber das ist „nur“ die Sachebene, das Sach-Ohr. Dieser Vorgesetzte hat das Beziehungs-Ohr „vergessen“: Er hat den Verkäufer beim Montagsmeeting im Verkauf vor allen seinen Kollegen „zur Sau gemacht“, was für diesen einem Beziehungsabbruch gleichkam.

Damit spielen die beiden anderen Ebenen auch keine Rolle mehr: Auf der Ebene des Appells „Machen Sie das nie wieder!“ ist zwar alles klar. Auch auf der Ebene der Selbstkundgabe: „Ich bin Chef, deshalb darf ich dich kritisieren!“ Doch das juckt nicht mehr.

 

Das Beziehungs-Ohr hat die drei anderen Ohren bereits auf Durchzug gestellt. Daher fragen Sie sich:

• Mit welchen Ohren hören Sie normalerweise zu?

• Welche bleiben taub?

• Können Sie die wechselnde Taubheit an bestimmten Situationen oder Personen festmachen?

• Zu welchen Ohren Ihrer Rezipienten sprechen Sie hauptsächlich?

• Welche vernachlässigen Sie?

• Mit welchen Konsequenzen?

• Wie werden Sie das abstellen?

• Was ist heute dafür Ihre entsprechende Maßnahme?

 

Ohne Kommunikation keine Unternehmen

Kommunikation ist das, was ein Unternehmen ausmacht. Leider ist das nicht offensichtlich. Offensichtlich ist, dass in Unternehmen Maschinen und Telefone bedient und Aufträge abgearbeitet werden. Deshalb übersehen so viele Führungskräfte – und Mitarbeiter! – die versteckte Wirkung von Kommunikation.

Oder wie uns ein Ingenieur sagte: „Kommunikation ist wie Radioaktivität. Du siehst sie nicht, du spürst sie nicht, du riechst sie nicht – aber sie wirkt trotzdem extrem stark.“ Warum wird die Wirkung von Kommunikation in Unternehmen so unterschätzt?
Auch das hat einen einfachen Grund: Viele Führungskräfte glauben, Kommunikation werde in der Kommunikationsabteilung gemacht. Manche sagen uns das auch. Sie haben zwar schon gehört, dass Führung zu 90 Prozent Kommunikation sei. Doch sie kriegen dieses Dictum nicht mit ihrem Führungsalltag zusammen: „Ich rede doch mit
meinen Leuten!“ – „Natürlich – und wie? Wie wirksam?“ Dieser Anfang ist dann meist das Ende der Diskussion. Was schade ist.

Denn in jedem Team ist Kommunikation das eigentliche Arbeitsinstrument. Mit der internen Kommunikation werden Arbeitspakete definiert, Ziele und Termine vereinbart und Ergebnisse kontrolliert. Mit Kommunikation ist alles möglich. Das alles weiß jede gute Führungskraft, handelt aber nicht immer danach. Das hat zwei Gründe.

 

Zwei Grundübel der Kommunikation

Entweder wir kommunizieren zu viel oder zu wenig. Manchmal ist das
personengebunden – wir alle kennen „Quasseltanten“ und „große Schweiger“. Manchmal ist das situativ: „Kaum gibt es Stress, wird unser Chef schweigsam.“ Oder: „Sobald es Stress gibt, wird die Chefin geschwätzig.“ Das eigentliche Übel liegt darin, dass die Betreffenden das meist nicht zeitnah reflektieren, sondern erst hinterher schlauer sind – wenn überhaupt.

Die von diesen Kommunikationspathologien Betroffenen dagegen merken es sofort: Viele Mitarbeiter, mit denen zu wenig geredet wird, fühlen sich ausgeschlossen, im Regen stehengelassen, schlecht informiert. Wenn wir das Führungskräften zurück spiegeln, sagen viele: „Aber ich rede doch genug mit meinen Leuten!“

Wir versuchen ihnen dann diplomatisch klar zu machen: „Genug“ wird
nicht vom Sender, sondern vom Empfänger bestimmt. Für Kontrollmaniker ist das eine harte Lektion, die oft nur nach einer wissenschaftlich abgesicherten Mitarbeiterbefragung, Stichwort „360°-Feedback“, gelernt wird. Wenn 90 Prozent der befragten Mitarbeiter dem eigenen Vorgesetzten Informationsmängel bescheinigen, erst dann bewegt sich oft was. Man möchte fragen: Warum erst dann? Die Antwort ist offensichtlich: Weil weder genug kommuniziert noch gut genug zugehört wird.

 

Wir sind die Letzten, die’s erfahren

Insbesondere in großen Unternehmen klagen viele Mitarbeiter: „Wenn es etwas Neues im Unternehmen gibt, sind wir oft die Letzten, die es erfahren – meist aus der Presse.“ Der Aufsichtsrat weiß es schon und die Shareholder, die Presse, die Medien, während man die eigenen Mitarbeiter immer noch im Dunkeln lässt.

Auf der Beziehungsebene sagt das: Ihr seid uns nichts wert, nicht einmal eine rechtzeitige Information. Daher kommen die vielen Gerüchte, Flurfunkaktionen und Unterstellungen in vielen Firmen. Manchmal fragen Familienangehörige die Betroffenen: „Warum redet ihr nicht wie vernünftige Erwachsene miteinander?“ Gute Frage. Überraschenderweise wird mindestens genauso oft zu viel wie zu wenig kommuniziert. Gerade in unseren Zeiten der Informationsüberflutung durch Internet, Presse und soziale Medien sind viele Belegschaften wegen Informationsüberflutung desinformiert.

Beide Pathologien lassen sich abstellen, indem der Sender einen Kontrollfilter mitlaufen lässt: Wie kommt das, was ich sage, beim anderen an? Das ist eine relativ einfache und schnell zu erlernende Fähigkeit, die überraschend wenige Führungskräfte beherrschen.

 

Die häufigsten Sünden der Kommunikation

• Zu viel oder zu wenig Information

• Die Formulierungen sind viel zu kompliziert

• Sie sind nicht Zielgruppen-kongruent, also nicht in der Sprache der Zielgruppe formuliert oder wie Luther es formulierte: „Dem Volk aufs Maul schauen“

• Dem Sender ist es wichtiger, mit Fachchinesisch die Empfänger zu beeindrucken, seinen Status zu demonstrieren und Eindruck zu schinden, anstatt verständlich und nachvollziehbar mit ihnen zu sprechen und die erwünschte Wirkung zu erzielen

• Die verwendeten Formulierungen sind übersimplifiziert, banal, trivial …

• … oder so negativ, dass sie nicht aktivieren, sondern lähmen

• Es wird viel zu abstrakt geredet, vage, nebulös, „strategisch“. Der Empfänger weiß nicht, was die ausfüllungsbedürftigen Abstrakta konkret für seinen Job bedeuten

• Es wird haarklein eine Situation beschrieben, ohne zu sagen, was konkret vom Empfänger erwartet wird – viele halten das für höflich. Doch der Empfänger denkt nur: Und was geht das alles nun mich an?

• Es wird schöngeredet und der Empfänger denkt sofort: „Das stimmt doch alles gar nicht!“

• Der Sender verwendet abgedroschene Floskeln und Allgemeinplätze

• Er oder sie schweift ab, verliert den roten Faden, kommt nicht auf den Punkt

Viele Führungskräfte bedanken sich für dieses „Sünden-Register“ und verbessern damit ihre Alltagskommunikation. Sie steigern ihre Kommunikationskompetenz und werden wirksamer.

 

Hans Ulrich-Cyriax und Wiebke Köhler: „Dreizehn Holzwege guter Führung: Ein Ratgeber“. 328 Seiten, 27,90 Euro

 

Wen so eine Sündenliste zu stark aktiviert und aus seinem Toleranzfenster vertreibt, für den gibt es auch einen positivistischen Ansatz: die fünf Leitfragen.

 

Fünf Leitfragen guter Kommunikation

1. Welche Wirkung will ich erzielen? Diese Frage schützt vor ziellosem Schwafeln. Was genau will ich mit meiner Kommunikation erreichen?

2. Was soll und muss der Inhalt meiner Kommunikation sein? Wie muss ich diesen dosieren?

3. Wer ist meine Zielgruppe? Welche Sprache spricht sie, was versteht sie (nicht)? Welche Interessen hat sie? Wie muss ich formulieren, damit ich verstanden werde? Welchen Raum sollte ich für Rückkopplungen geben? Ich kann ja nicht erwarten, dass die Empfänger still und stumm schlucken, was ich sage. Oder will ich hinter meinem eigenen Rücken genau das? Lediglich eine Ansage machen, die ohne Rückfragen quittiert wird? Wie stelle ich einen starken Bezug zur Zielgruppe her?

4. Was ist der beste Zeitpunkt? Jeder Teenager weiß, dass er den Papa nicht um mehr

Taschengeld bitten kann – während die Sportschau läuft. Viele Führungskräfte informieren zu spät, weil sie „keine ungelegten Eier“ kommunizieren wollen. Das ist gut gemeint, aber schlecht gemacht: Lieber mit Salami-Taktik informieren. Sonst rennt die Führung dem Flurfunk hinterher.

5. Mit welchen Medien und Modi? Also per Intranet, Telefon, Mail oder persönlich und direkt? Das kommt darauf an, wieviel Beziehung und Emotion mit kommuniziert werden soll. Viele verlieren lieber Stunden und Tage mit Mail-Lawinen, als die Angelegenheit
in fünf Minuten am  Telefon zu klären – wenn man gesprächsfähig und affektkompetent ist; aber auch das lässt sich lernen.

Eine sechste Leitfrage ergänzen wir spontan: Wäre es schlauer, jetzt noch zu schweigen? Auch Schweigen ist Kommunikation oder wie Boëthius sagte: Si tacuisses, philosophus mansisses. Frei übersetzt: Ach, wenn du nur geschwiegen hättest, hättest du dir zumindest die Aura des Experten erhalten. Und wie bei vielen Schlüsselfähigkeiten gibt es auch für die Kommunikation ein Meta-Credo.

Immer an die Leser denken! So lautet ein Leitsatz des guten Journalismus. Im Unternehmen könnte man also sagen: Immer an den Empfänger, den Mitarbeiter oder den Kunden denken! Herausragende Verkäufer haben das zugespitzt zu:
„Aus dem Kopf des Kunden denken.“

Kommunikation ist umso effektiver, je stärker sie an den Bedürfnissen, Zielen, Motiven, dem Rollenverständnis, der Persönlichkeit und den Interessen des Empfängers orientiert ist. Was interessiert den Empfänger? Was will er wissen? Aus welcher Befindlichkeit heraus empfängt er die Kommunikation? Wie geht es ihm selbst zum Zeitpunkt seiner Kommunikation? Hat er Angst? Oder geht es ihm gut?

Was vermitteln Menschen, die nicht empfängerorientiert kommunizieren? Ihre eigene Wichtigkeit und ihren Status. Die Kommunikation soll dem Sender, nicht dem Empfänger nutzen – deshalb schadet sie beiden, wenn sie nicht Empfänger-orientiert ist. Denn Empfänger haben einen genetisch vererbten Bullshit-Detektor: Sie fühlen die Absicht und reagieren verstimmt, wie Goethe es (im Torquato Tasso) formulierte.

 

Wir sprechen über Sprache

Neben den eben skizzierten Grundregeln kommt es natürlich auch auf das Wording an, wie es neuhochdeutsch heißt, auf die Wortwahl. Es gibt Wortarten, die für hoch wirksame Rhetoriker, Oratoren und Chefs absolut tabu sind, etwa sprachliche Muster wie: immer oder nie. „Nie räumt ihr die Werkstatt auf!“ oder „Immer machst du so einen Aufstand wegen der Marge!“ Es ist schwer vorstellbar, dass nach solchen
unverhohlenen, pauschalen Vorwürfen das Gespräch nicht eskaliert oder der Empfänger passiv-aggressiv auf Rache sinnt. Sprachmuster sind reine Aggression.

Leider denken viele Menschen nur selten über jene Worte nach, die sie seit 20, 30, 40 Jahren benutzen. Höchstens, wenn ihr Beziehungspartner ihnen vorhält: „Ich hoffe, so redest du nicht auch mit deinen Mitarbeitern, sonst würde das erklären, warum die so sauer auf dich sind und ständig ihr Ziele verfehlen.“ Warum ist unreflektierte Sprache so ein Massenphänomen?

 

Wir sind nur so gut wie unsere Worte

Wir werden zum Thema „Kommunikation“ in ein großes Unternehmen gerufen. Der auftraggebende Bereichsleiter begrüßt uns mit den Worten: „Schön, dass Sie da sind – ich bin nämlich Kommunikationslegastheniker.“ Als Bereichsleiter! Seine Selbstoffenbarung in allen Ehren, doch das ist so, als ob man vom ADAC eine Trophäe für 500 000 km unfallfreies Fahren bekommt und bei der Siegerehrung zugibt, noch nie selber getankt zu haben.

Eine andere Managerin entschuldigt sich vor unserem Kommunikationsworkshop mit den Worten: „Kommunikation ist halt nicht mein Metier.“ Sie hat 37 Mitarbeiter. Was die wohl dazu sagen? Die sagen schon lange nichts mehr dazu, höchstens: „Wir fragen immer bei ihrer Sekretärin nach – die erklärt uns die kryptischen Äußerungen unserer Chefin. Mit Dolmetscher klappt das ganz gut.“ Und wir sollen glauben, dass sie das a) nicht längst mitbekommen hat und b) nicht als oberpeinlich und effizienzvernichtend empfindet?

Manchmal sickern Kommunikationspathologien auf mittleren Hierarchieebenen durch und ein Topmanager liest seinen Führungskräften die Leviten und sagt zum Beispiel – gerne auch als Anschubhilfe vor Kommunikationsworkshops: „Leute, damit wir uns richtig verstehen: Kommunikation ist erste Führungspflicht. Das können wir nicht delegieren, unserer PR-Agentur oder der Kommunikationsabteilung überlassen. Kommunikation ist der einfachste, kostengünstigste, nachhaltigste und auf Dauer wirksamste Motivator!“

 

Der Elefant im Wohnzimmer

Das ist ein Sonderproblem der Kommunikation. Viele Führungskräfte verschweigen den Elefanten im Raum, weil sie die Mitarbeiter „nicht beunruhigen“ wollen. Doch weil es eben ein Elefant ist, haben die Mitarbeiter ihn längst bemerkt und werden weniger durch ihn als durch das rätselhafte Schweigen und Verdrängen ihres Vorgesetzten beunruhigt: Sieht er den Dickhäuter nicht? Fällt ihm dazu nichts ein? Ist das etwa sein Haustier?

Was ist die richtige Kommunikationsstrategie? Churchills berühmte „Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß“-Rede mobilisierte ein ganzes Volk, dass daraufhin den Gegner über den Kanal zurück warf. Wie schon Paul Watzlawick sagte: Man kann nicht nicht kommunizieren. Wer nichts zum Elefanten sagt, überlässt das Feld dem Flurfunk,
der rasch aus dem Elefanten eine ganze Herde macht. Offenheit schlägt falsche Schonung. Doch Offenheit bedarf auch des Mutes.

 

Haben Sie mich verstanden?

Es gibt für alles Regeln, auch für die eigene Verständlichkeit. Leider werden diese nicht an Schulen vermittelt und vor allem nicht geübt. Deshalb reden so viele Menschen bis hinauf auf höchste politische Ebenen oft so kompliziert, fremdsprachlich, abstrakt, vage, unkonkret, verlieren den Zusammenhang, formulieren nicht auf den Punkt, sind
oft auch geistig abwesend, während sie reden oder schauen ständig aufs Handy. Sie reden zu farblos, wenig anschaulich, verfolgen kein Narrativ, sondern reihen Fakten aneinander, als ob Fakten für sich allein sprechen könnten. Oder sie „reden wie Teflon“, wie sich eine Projektleiterin einmal über zwei Mitglieder ihres Steuerkreises ausließ: „Da brennt nichts an und bleibt nichts kleben!“ Deshalb gibt es die vier Regeln der Verständlichkeit:

1. Einfachheit in Wortwahl und Satzbau: Einfache Sätze, eher Hemingway als F. Scott Fitzgerald, Fremdwörter werden nicht verwendet oder aber erklärt, die einfachste Formulierung bekommt den Vorrang, damit es wirklich alle und auch gleich auf Anhieb
verstehen.

2. Gliederung, Ordnung: Klare Strukturen – Anfang, Mitte, Ende. Logische Stringenz und Konsistenz. Nicht weil Logik wichtiger als alles andere wäre, sondern weil stringente Kommunikation gehirngerechte Kommunikation ist.

3. Kürze und Prägnanz: Unnötige oder sekundäre Einzelheiten weglassen sowie leere Phrasen, Füllwörter und Floskeln. In der Kürze liegt die Würze. Wer auf den Punkt formulieren kann, gewinnt.

4. Anregende Zusätze: Lebhafte, bildreiche Sprache, eindrückliche Vergleiche, starke Metaphern und Bilder. Motto: „Eine Torte sieht mit Streuseln besser aus als ohne.“ Eine Aussage, die rhetorisch garniert ist, auch mit emotionalen, geistreichen oder witzigen Formulierungen, vielleicht sogar mit einem Narrativ, einer eigenen Geschichte, wirkt besser.

Manchmal widersprechen Strategen: „Aber meine Kernbotschaften muss ich trotz Verstoß gegen Regel 3 doch immer und immer wieder wiederholen, bis sie ‚sitzen‘.“ Ja, stimmt, wann genau?
Dann, wenn die Kernbotschaft nicht so kurz und prägnant formuliert ist, dass sie gleich beim ersten Mal haften bleibt.
„Aber es gibt Kernbotschaften, die sind so komplex, dass sie eben nicht kurz und prägnant formuliert werden können!“, hören wir darauf in Workshops oft.

Wir nehmen das dann als Herausforderung und formulieren und reformulieren mit den Workshop-Teilnehmenden so lange – meist nur wenige Minuten – bis wir die vormals komplexe Botschaft komplexitätsreduziert eingängig und prägnant formuliert haben.

 

Sprachoptimierung ist wie Kostenoptimierung ein Vorgang, den niemand einfach so aus
dem Ärmel schüttelt. Dennoch gibt es in Unternehmen immer noch weitaus mehr Kosten als Sprachoptimierungsprojekte.
Oft beschweren sich Führungskräfte: „Wir können das hundertmal sagen – das kommt an der Basis einfach nicht an! Sind die denn alle begriffsstutzig?“ Nein, es liegt nicht an der Basis, es liegt an der Verständlichkeit, und diese kann man(ager) optimieren.

 

Storytelling: Die Parabel

Mit guten Geschichten begeistern! Storytelling ist eine besonders attraktive Tochter der Kommunikation. Oder wie schon die alten Lateiner sagten: Verba docent, exemplatrahunt. Worte belehren, Beispiele reißen mit. Und wer will sich schon gerne belehren lassen? Gute Geschichten wirken sehr viel besser als nüchterne Informationen und nackte Zahlen. Zahlen begeistern nicht; sie begeistern höchstens
Controller. Manager haben für gute Geschichten aber keinen Kopf und
kein Händchen?

Das ist Unfug. Die größten Helden des Storytelling kommen aus dem Management – ihre Sagen werden nur leider selten gesungen. Da war zum Beispiel ausgerechnet der Finanzvorstand eines Großunternehmens, der auch noch ausgerechnet über Führung vor Führungskräften seines Hauses sprechen sollte – was haben Finanzen mit Führung zu tun?

Am Tag der Führungskräfte-Konferenz schreitet der Finanzvorstand ans Rednerpult und einige gähnen schon mal prophylaktisch. Dann sagt der Vorstand: „In unserem Unternehmen hat Führung ein klares Vorbild und das ist der russische T34-Panzer von 1934.“ Der Saal explodiert in ungläubigem, überraschtem Lachen. Wenn es je einen
Schenkelklopfer bei einem Vorstandsvortrag gegeben haben sollte, dann ist es dieser. Der Vorstand wartet, bis Applaus und spontanes Gelächter abklingen und entfaltet dann sein Narrativ, das heute noch, Jahre später, im Unternehmen kursiert. Jedenfalls sagt der Vorstand weiter: „Das war damals der beste Panzer der Welt. Kein anderer reichte an ihn heran. Er hatte breite Ketten aus Stahl, weshalb er sich auch auf tiefem Boden sicher und schnell bewegte. Das Fahrwerk war einfach, aber äußerst robust. Sein leichter Motor machte ihn schnell und flexibel. Und genau darum geht es bei
uns in der Führung: Wir müssen robuster sein als die Wettbewerber, schneller und flexibler.“

Dieser Vortrag hat sich damals wie ein Lauffeuer im Unternehmen verbreitet. Noch heute sprechen die alten Hasen mit Hochachtung zu den Neulingen darüber.
Sie sprechen vom „T34-Effekt“. Ein Vortrag, der jahrelang wirkt und wirkt und wirkt?
Das ist Führungskommunikation.

 

Storytelling: Das Bild

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, also kann ein Bild mit geringsten Mitteln eine ganze Geschichte transportieren. Anderes Unternehmen, anderer Vorstand, das Ziel: 87 Millionen Euro müssen eingespart werden. Manchmal merken wir in Workshops, dass Führungskräfte mitdenken und etwas von Führungskommunikation verstehen. Denn sobald wir „87 Millionen“ sagen, werden einige unruhig und legen die Stirn in
Falten. Aha, da denkt eine(r) mit und denkt: Wie macht man aus 87 Millionen eine spannende Story?

Denn dass es immer noch Vorstände und Führungskräfte gibt, die glauben, wenn sie „87 Millionen“ sagen, würde das irgendwem irgendetwas sagen, bedeutet ja nicht, dass das irgendwem irgendetwas sagt. Ein so riesiger Betrag sagt dem Finanzvorstand etwas, vielen anderen nicht. 87 Millionen sind kein Narrativ. Dieser Vorstand weiß das. Also rechnet er die abstrakten Euro-Millionen in konkrete Neuwagen um. Kleine, rote, brandneue Mittelklassewagen. Jeder seiner Mitarbeiter bei der Betriebsversammlung hat ein Auto. Oder zwei. Die 87 Millionen ergeben mehrere tausend Autos. Und alle lässt der Vorstand im Saal aufhängen – natürlich in Form von Bildern. Die Botschaft kommt sofort an: So viel sind 87 Millionen? Ja, genau. Der Groschen ist gefallen.
Dabei hat der Konzern noch nicht einmal Autos hergestellt. Doch ein jeder hat ein Auto, also können sich alle mit der Story identifizieren. Sie machen die Botschaft des Vorstandes zu ihrer Botschaft. Das ist Führungskommunikation.

Das nahm sich einer unserer Workshop-Teilnehmer, ein Abteilungsleiter, zum Vorbild und nutzte im Vortrag vor seiner Abteilung das Bild eines ultraleichten Rennrads als Metapher: „Das ist wie ein Turbo für jeden Radler, damit kommen wir schneller den Berg hoch.“ Was passierte? Totenstille im Saal. Vereinzeltes unterdrücktes Kichern.
Was zur Hölle …?

Es ist kein Rezept so einfach, als dass es jemand nicht falsch anwenden könnte
Der Abteilungsleiter war bei allen beliebt, brachte seine Zahlen und galt als sympathisch, hatte jedoch locker 20 Kilo Übergewicht, galt als unsportlich und die Vorstellung, ihn auf einem Rennrad zu sehen, löste bei seinen Zuhörern allerhöchstens peinlich verschämtes Kichern aus.

Entscheidend beim Storytelling ist daher die Authentizität des Erzählers. Die Geschichte muss zum Geschichtenonkel passen. Die Zuhörer müssen dem Erzähler auch abnehmen können, was er da erzählt. Rede nicht über Golf, wenn du noch nie ein Eisen in Händen gehalten hast! Narrative und Bilder wirken so gut, weil ein Bild eben mehr sagt als tausend Worte. Kein Zuhörer auf der Welt will einen Fakten-Monolog
hören.

Menschen erfreuen sich an Geschichten, weil sie sich damit identifizieren können. Mit Zahlen identifizieren sich nur wenige außerhalb der Finanz- und der Controlling-Abteilung.

 

Sag’s durch die Blume: Metaphern und Modelle

Ungeschulte Menschen gehen davon aus, dass Botschaften „verstanden wie gehört“ werden. Was für eine schöne Illusion! Doch Menschen hören nicht bloß, was gesagt wird. Menschen machen sich auch Gedanken über das, was sie hören, lesen und sehen. Sie interpretieren immer, überall, sofort, reflexhaft, automatisch – und meist sehr unterbewusst und unreflektiert. Sie konsumieren das Gesendete nicht, sie lesen
ständig zwischen den Zeilen – mit Hilfe von mentalen Modellen, wie die Kognitionspsychologie herausgefunden hat.

Ein gedankliches Modell kann vieles sein: eine spontane Assoziation, ein Vergleich, eine Metapher oder eine Analogie. Zum Beispiel werden Ärger und Wut kognitiv so strukturiert, als handle es sich dabei um heiße Materie, was stehende Redewendungen gut illustrieren wie „kochen vor Wut“, „platzen vor Wut“ oder auch „ihm kocht das Blut“.
Das sind metaphorische Verbindungen, mit denen unser Verstand spontan daherkommt, um das Gehörte besser verarbeiten zu können. Wer mit solchen Modellen in seiner Kommunikation arbeitet, agiert auf dem Champions League-Niveau der Kommunikation.

 

Wenn der Rubel rollt

Auch für Geld gibt es viele Modelle, unter anderem in Analogie zu Wasser: Wir sind liquide, die Einnahmen fließen, die Gewinne versickern, das Budget wird mit der Gießkanne ausgegeben, einige schwimmen im Geld – haben Sie bemerkt, wie Ihr Verstand ganz automatisch auf diese Metaphern reagiert hat? Warum wirkt es besser, wenn man Gewinne wie Wasser ausschüttet? Weil sofort Bilder im Kopf entstehen und/oder affektive Assoziationen und bestimmte Gefühle.

Mentale Modell funktionieren hirntechnisch einfach besser als abstrakte Angaben oder nüchterne, „sachliche“ Informationen. Wenn Manager in Meetings einwerfen „Nun bleiben Sie mal sachlich!“, würden wir am liebsten dazwischenrufen: Nein, bloß nicht! „Sachlich“ zieht niemanden hinterm Ofen hervor! Wer bildhaft und modelliert spricht, dessen Aussagen merken wir uns besser und können sie auch besser nacherzählen und umsetzen. Eine sinnliche Erfahrung ist immer besser als eine rein intellektuelle.

 

Feedback 

Ja, mittlerweile fast zu einem Unwort geworden. Jeder Manager hat
inzwischen so viel darüber gehört und gelesen, dass es ihm zu den Ohren herauskommt. Und immer noch ist die Feedback-Qualität in vielen
Unternehmen, euphemistisch ausgedrückt, nicht beglückend. In der
Führungspraxis beobachten wir so viele Feedback-Fehler, dass sie ein
eigenes Buch füllen könnten. Was ist der häufigste? Worauf tippen Sie?
Ja, natürlich, gut beobachtet: Abwertung.

„Das ging ja voll daneben!“ Das ist zwar kumpelhaft jovial gemeint, doch wie soll das beim Empfänger anders ankommen als eine deutliche Abwertung? Und abgewertet werden niemals nur Ergebnisse oder Sachinhalte, sondern immer Menschen, Personen, Individuen. Deshalb löst so ein Feedback auch immer etwas aus. Nämlich Trotz, Reaktanz, passiv-aggressives Verhalten, Demotivation, Rachegelüste, Revanchedenken.

Feedback kann positiv oder negativ oder beides sein. Das positive ist meist problemlos: Lob, Anerkennung, Wertschätzung, Respekt, Aufmerksamkeit. Problematisch ist dagegen das negative Feedback. Jeder, der es hört, erlebt erst einmal belastende Affekte: Ärger, Frust, Zorn, Furcht, Zurückweisung, Schock, Scham. Und dann wundern sich Führungskräfte, dass Mitarbeiter oft so passiv und lustlos sind und auf den Change, der proklamiert wird, nicht einsteigen. Das heißt nicht, dass man negatives
Feedback tunlichst unterlassen sollte.
Es heißt einfach nur, dass negatives Feedback so formuliert sein sollte, dass es eher motiviert als demotiviert. Wie funktioniert das?

 

Das formelle Feedback-Gespräch

In jedem gut geführten Unternehmen gibt es seit langem das formelle Mitarbeiter-, Feedback- oder Entwicklungsgespräch. Obwohl es ein mächtiges Instrument ist, das ganze Abteilungen für jedwedes Vorhaben begeistern kann, funktioniert es immer noch nicht sonderlich gut.

Die häufigsten Mängelbilder:

• Der Vorgesetzte ist darauf nicht gut vorbereitet

• Er nimmt sich zu wenig Zeit für die Vorbereitung, weil er die Wichtigkeit und Wirksamkeit des Gesprächs unterschätzt

• Das Feedback-Gespräch fokussiert auf die Person, anstatt auf ihr Verhalten und ihre Fähigkeiten

• Oder es ist so vage und ohne konkrete Beispiele, dass der Mitarbeiter wenig damit anfangen kann

• Meist ist seine Zeitverzögerung zu groß: Wer weiß im November denn noch, was im Februar vor sich ging?

• Die verwendete Sprache ist nicht respektvoll und wertschätzend, weshalb der Mitarbeiter praktisch von Anfang an in einer defensiven Grundhaltung verharrt

• Der Vorgesetzte traut sich nicht, respektvoll Tacheles zu reden, weshalb seine Botschaft nicht rüberkommt

• Oder er hat nicht genügend Belege, um seine Aussagen zu belegen und überzeugend zu gestalten. Der Mitarbeiter glaubt ihm schlicht nicht

• Oder der Chef nimmt mangels Verhaltensflexibilität die Rolle des Oberlehrers ein – niemand mag Oberlehrer – und so schaltet der Mitarbeiter auf Durchzug.

Auch das ist eine schöne Checkliste, die wir schon auf etlichen Schreibtischen von Vorgesetzten wiedergefunden haben. All diese Mängel führen dazu, dass dem Feedback-Nehmer das Feedback nicht klar wird, er Fehlschlüsse zieht oder widersprechende Botschaften heraushört, Botschaften ablehnt, abtut oder abschwächt: Ist doch alles halb so schlimm wie der Chef wieder mal tut!
Der Empfänger bleibt in der Ablehnung hängen, weil das Feedback nicht zu ihm durchdringt. Das lässt sich leicht ändern. Zum Beispiel mit einigen bewährten Feedback-Prinzipien.

 

Feedback-Prinzipien

Ich- statt Du-Botschaften – dieses Prinzip kennen wir alle. Also statt „Sie haben schon wieder Ihren Bericht zu spät abgegeben!“ besser: „Ich habe bemerkt, dass Ihr Bericht heute Morgen nicht auf meinem Schreibtisch lag!“ Das beschreibt denselben Sachverhalt, ist aber weniger angriffig. Das Prinzip dahinter lautet: Sprich an, was du wahrnehmen kannst.

Zweites Prinzip: Was ist die Wirkung dessen, was ich beobachte? Das könnte zum Beispiel sein: „Ohne Ihren Bericht wartet das halbe Projektteam darauf, weitermachen zu können – die Räder stehen still.“ Eine schöne Metapher übrigens.

Drittes Prinzip: Wunsch ausdrücken. „Ich wünsche mir, dass ich den Bericht bis heute, 12 Uhr, bekomme.“ Und dann was? Dann erst mal Pause. Denn Kommunikation ist keine Einbahnstraße, deshalb die Frage: „Was meinen Sie dazu?“ Dann unterhalten wir uns über das, was der Feedback-Nehmer dazu zu sagen hat.

Mit so einem Feedback schrumpft das Risiko, dass sich der Empfänger an die Wand gestellt fühlt, und die Wahrscheinlichkeit nimmt zu, dass er sachlich bleibt und konstruktiv. Jedenfalls sachlicher als nach „Warum liefern Sie immer zu spät ab?“ Wir können uns den Verlauf dieses Gespräches gut vorstellen, auch wenn wir das nicht müssen, denn wozu brauchen wir die geistige Vorstellung, wenn dieses Gespräch täglich dutzendfach am Arbeitsplatz, in der Schule, im Bundestag, auf den sozialen Medien und in der Familie abläuft?

 

Feedback: Vorbereitung

Unserer Erfahrung nach profitieren Vorgesetzte davon, wenn sie ein Feedback-Gespräch auch zeitlich vorbereiten. Bewährt hat sich zum Beispiel folgendes Zeitraster für ein einstündiges Gespräch:

• 10 Minuten zum Warmwerden, Vertrauen aufbauen und darüber
sprechen, wie das alles gleich ablaufen wird

• 15 Minuten für die Darstellung der eigenen Wahrnehmung

• 30 Minuten für die gemeinsame Entwicklung von Lösungen

• Und zum Ende 5 Minuten für das Feedback zum Gespräch an sich
Machen Sie sich keine Vorwürfe, falls das Gespräch länger als 60 Minuten dauern sollte. Bleiben Sie flexibel und situativ angepasst – manchmal ist mehr Zeit vonnöten.
Feedback: Trotzdem!

Wenn wir mit Mitarbeitern sprechen, dann äußern diese, dass sie Feedback-Gespräche häufig als abwertend empfinden. Vorgesetzte fühlen sich ebenfalls nicht wohl dabei, weshalb sie sich nicht genügend Zeit dafür und für die Vorbereitung nehmen. Aus beiden Gründen hat das Feedback-Gespräch einen eher schlechten Ruf. Wer sich davon nicht irritieren lässt und solche Gespräche trotzdem führt, berichtet, dass er damit ein hoch wirksames Führungsinstrument in Händen hält. Fragt man deren Mitarbeiter, dann bestätigen diese das: „Mit unserem Chef kannst du reden, der hilft dir auch, dass du deine Arbeit besser machst.“ Was eine vordringliche Aufgabe jeder Führungskraft ist. Feedback ist ein Geschenk, damit andere besser werden

Feedback ist keine Kritik. Kritik ist Urteil, Meinung, Dafürhalten, Abwertung und damit immer Ausdruck von Unzufriedenheit. Kritik ist demotivierend, Feedback dagegen motivierend. Kritik ist ein Beziehungskiller, gut vermitteltes Feedback festigt Beziehungen. Feedback ist keine Hirnchirurgie, sondern folgt praktisch dem gesunden Menschenverstand, zum Beispiel mit der Regel: Niemals mit der Tür ins Haus fallen!

Doch genau das fällt Führungskräften schwer; in der Praxis und wenn wir das in Workshops durchspielen. Denn jedem Vorgesetzten fällt immer zuerst das ein, was gerade nicht sein darf, zum Beispiel: „Warum ist dieser Auftrag immer noch nicht raus?“ Und alle anderen Workshop-Teilnehmenden rufen unisono: „Mit der Tür ins Haus!“ In so einer Situation, in der die Bude brennt, zuerst eine positive Gesprächseröffnung zu finden – das sollen Chefs nicht können?

„Unser Chef kann nur negativ!“ Das stimmt nicht. Es liegt nicht an der Fähigkeit, sondern rein an der Übung. Im Workshop haben das am Ende alle gut drauf: „Sie haben den Auftrag schon fast komplett – gratuliere! Wie ich sehe, fehlt nur noch die technische Dokumentation. Der Kunde erwartet die Sendung heute noch. Was hält Sie auf?“

Für viele ist so ein Feedback zu Beginn des Workshops undenkbar. Am Ende können sie es alle. Das ist keine Magie, sondern rein die Wirkung von ausreichend Übung.
Die kürzesten Feedback-Regeln der Welt Sie lauten: KKK und ZZZ und stehen für:

• Konstruktiv sollte Feedback immer sein und nicht persönlich, beziehungsschädlich oder unsachlich. Feedback soll aufbauend sein und der Verbesserung dienen und nicht der Abwertung

• Konkret: Keine Pauschalaussagen, keine Andeutungen oder Behauptungen, sondern konkrete Argumente mit konkreten Belegen. Woran mache ich das fest, was ich als Feedback gebe?

• Kurz: In der Kürze liegt die Würze, keine ausschweifenden Herleitungen oder Ausführungen

 

Wobei ZZZ noch kürzer und einfacher ist:

• Zuhören!

• Zuhören!

• Zuhören

Wenn Feedback ein Geschenk ist, dann packt man es aus und freut sich dran – und hebt nicht zu ellenlangen Rechtfertigungsorgien an. Denn wie der Franzose so schön sagt: Qui s’excuse, s’accuse.

Wer sich rauszureden versucht, klagt sich in Wirklichkeit selbst an. Ausreden kommen immer schlecht an, weil sie als solche und als Zeichen von Schwäche erkannt werden.
Daher: Bitte nicht spontan und unreflektiert widersprechen, rechtfertigen, sich entschuldigen. Doch eines dürfen wir immer: nachfragen. Zum Beispiel: Was genau meinen Sie damit? Und dann?

 

Was nach dem Feedback passiert

Den souveränen Feedback-Nehmer erkennen wir daran, dass er sich für Feedback stets bedankt – auch wenn es stilistisch und formell unter aller Kanone war.
Der souveräne Feedback-Nehmer sagt höflich „Danke für den Hinweis!“ und macht dann etwas ganz Entscheidendes: Er entscheidet für sich und für sich allein, was und wieviel vom Feedback er für sich akzeptiert. Ein Feedback ist keine Anweisung und sollte auch nicht als solche missverstanden werden. Oft ist Feedback nämlich auch leicht bis heftig „daneben“, weil der Feedback-Geber etwas missverstanden, nicht alle
Aspekte einer Situation kennt oder einfach nur schlecht recherchiert hat. Dann übernehmen wir das Körnchen Wahrheit im Feedback und vergessen die restlichen 99 Prozent des Feedbacks zu Gunsten des Feedback-Gebers, den wir für seine Nachlässigkeit nicht auch noch bestrafen oder angehen wollen.

 

Das Aufwärts-Feedback

Das ist eine wirklich schöne Variante des Feedbacks, die zum Glück etwas Mut erfordert. Anders herum gesagt: In Unternehmen, in denen es nicht praktiziert wird, setzt sich das Management dem Anfangsverdacht der Mutlosigkeit aus. Zu Beginn füllen sowohl der Chef als auch seine Mitarbeiter einen Fragebogen zum Thema „Führung“ aus; beide getrennt voneinander. Natürlich schätzt der Vorgesetzte seine Führung anders ein, als dies seine Mitarbeiter tun.

Deshalb diskutiert ein externer Prozessbegleiter die aggregierten Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung erst einmal mit den Mitarbeitern unter dem Aspekt: Wie sagen wir’s unserem Chef? Die Wahrheit über Führung entsteht dann jenseits des Fragebogens, wenn der Vorgesetzte zu den Mitarbeitern stößt und sein Eigen- mit dem Fremdbild der Mitarbeiter verglichen wird und alle gemeinsam die Ergebnisse konstruktiv diskutieren. Am Ende wird gemeinsam vereinbart, was verändert
werden soll.

Schwache Führungskräfte haben geradezu Panik vor dem Aufwärts-Feedback, starke Führungskräfte drängen geradezu darauf. Oder wie uns eine Abteilungsleiterin sagte: „Natürlich führe ich so gut wie möglich. Aber wie ich tatsächlich bei anderen ankomme und ob ich bei bestimmten Themen zu viel oder zu wenig kommuniziere – das müssen
mir meine Mitarbeiter schon selber sagen. Und wenn dafür im Alltag zu wenig Zeit ist, dann machen wir das eben formell mit dem Aufwärts-Feedback.“

 

Im Fahrstuhl: Der Elevator-Pitch

Diese spezielle Art der Kommunikation stammt aus den 80er-Jahren, als junge Angestellte sie erfanden, um ihre Vorgesetzten von neuen Ideen zu überzeugen.
Da schon damals Vorgesetzte schwer zu fassen waren und selten richtig Zeit für ihre Mitarbeiter hatten, sprangen die jungen Leute einfach zu ihrem Chef in den Fahrstuhl und präsentierten in Kurzform ihr Vorhaben in den 30 bis 60 Sekunden bis zum nächsten Fahrstuhl-Halt. Niemand kann das aus dem Stand!

Ein komplexes Anliegen so zu formulieren, dass man es nicht nur in so kurzer Zeit, sondern auch noch überzeugend rüberbringt – das erfordert ein Training des Artikulationsvermögens. Wer es auf sich nimmt, wird belohnt, denn der Elevator-Pitch ist ein sehr wirkmächtiges Kommunikationsinstrument. Wir machen das manchmal als Übung in Workshops: Sagen Sie uns in nur 30 Sekunden, was Ihr Unternehmen bewirkt und wofür es steht! Man könnte meinen, dass es für die meisten Teilnehmenden nach 20-jähriger Betriebszugehörigkeit ein Leichtes sein sollte, diese Aufgabe zu meistern.
Das ist es nicht. Denn wer jemandem etwas schmackhaft machen will, möchte ja nicht nur etwas zum Thema sagen, sondern vor allem erreichen, dass das Gegenüber erwidert: Das hört sich toll an! Bitte erzähl mir mehr davon! Dabei hilft Aida.

 

AIDA

Dieses altbekannte Akronym aus der Managementlehre der 80er Jahre macht jede Art der Kommunikation attraktiv, indem es Empfänger quasi gezielt zur gewünschten Handlung führt. Die Anfangsbuchstaben der einzelnen Phasen ergeben zusammen AIDA: • Attention: Menschen können nicht gezwungen werden, zuzuhören – sie können auch weiter geistesabwesend auf dem Handy daddeln oder mit den Gedanken woanders sein. Also sollte der Einstieg in eine Kommunikation ihre Aufmerksamkeit wecken und binden, zum Beispiel durch eine reizvolle Frage, ein packendes Beispiel oder eine provokante Aussage

• Interest: Menschen sollten dem Sender nicht nur aufmerksam, sondern interessiert zuhören. Das erreicht dieser, indem er zum Beispiel ihre ureigenen Interessen, Motive und Ziele anspricht und sie mit seinem Anliegen verbindet; etwa: „Chef, Sie drücken
doch immer so vehement auf die Kosten. Da hätte ich was für Sie!“

• Desire: Tatsächlich sagen seit den 80ern viele Chefs und andere Menschen in Fahrstühlen und anderswo beim Elevator Pitch „Das klingt spannend, dazu möchte ich mehr Info!“ Genau das möchte der Fahrstuhl-Redner: einen Wunsch (Desire) wecken

• Action: Im Idealfall fährt der Zuhörer fort: „Legen Sie mir darüber doch bitte ein Konzept vor!“ Oder: „Darüber sollten wir uns weiter unterhalten! Wann treffen wir uns wieder?“ Oder auch: „Das hört sich alles toll an, bitte geben Sie mir Ihre Karte.“ Genau
das ist die Aktion, die der Sender mit seinem Fahrstuhl-Vortrag auslösen möchte.

Als AIDA in den 80ern aufkam und bis dato nie gesehene Kommunikationserfolge erzielte, wurde das Konzept teilweise geradezu frenetisch kopiert – mit dem üblichen Haken: Empfänger folgen dem Stufenmodell nicht stringent, springen also zwischen den Stufen hin und her. Das wurde als Schwäche des Modells interpretiert, ist jedoch
leichter Unfug. Denn die eigentlichen Botschaften von AIDA gelten universell und uneingeschränkt und lauten:

• Attention: Wenn dein Kunde, Kind oder Beziehungspartner am Handy daddelt, zum Fenster rausschaut, sich Fusseln vom Jackett wischt oder mit den Gedanken woanders ist, dann redest du gegen eine Wand. Also spar dir den Atem und gewinne erst einmal seine Aufmerksamkeit, bevor du losargumentierst und dich hinterher wieder beschwerst, dass du immer alles erst hundertmal sagen musst

• Interest: Wenn dein Gegenüber sich einen feuchten Kehricht für das interessiert, was du zu sagen hast, warum sollte er dir zuhören? Wecke sein Interesse! Schau ihm ins Gesicht: Nimmt das Interesse ab? Dann leg nach!

• Desire: Du kannst als Chef natürlich etwas anordnen. Doch du weißt ja, wie enthusiastisch die Leute Anordnungen folgen. Weil sie müssen. Wenn sie es dagegen wollen, hängen sie sich echt rein. Also bring sie zum Wollen, indem du ihre Bedürfnisse und Motive mit deinen Zielen verknüpfst

• Action: Das ganze Gerede ist nur heiße Luft, wenn danach nichts passiert. Also artikuliere deine Wünsche und Ziele so, dass die Leute förmlich fragen: Und was soll ich jetzt machen? Diese Grundsatzüberlegungen gelten für jegliche Kommunikation.
Würden sie tatsächlich durchgehend berücksichtigt, wären Schulstunden, Bundestagsdebatten oder Pressekonferenzen nicht so langweilig, wie sie es bis heute meist sind.

 

Die radikale Neuorientierung 

Nach akuten Krisen bleibt einigen Unternehmen nur die krasseste Form des Wandel – eine radikale Neuorientierung. Betrachten wir das Beispiel eines großen westeuropäischen Unternehmens, dem vor einigen Jahren ein desaströser Fehler mit Millionenschaden unterlief, der auch publik wurde und für Empörung sondergleichen sorgte. Als Konsequenz musste der alte Vorstand gehen. Doch das Ausscheiden von Vorständen ist noch kein Wandel, höchstens der Startschuss dazu. Zwar hatte das Top-Management am Ende die Verantwortung und wurde folgerichtig abgelöst. Nur war damit das Problem nicht gelöst. Denn nicht der Vorstand hatte den Fehler begangen, sondern sein Apparat, der an mehreren Stellen versagt hatte. Deshalb kannte der neue Vorstand vom ersten Tag an seine zentrale Baustelle: Wandel mit drei großen Ausrufezeichen. Das war keine Frage.

Die Frage war die jedes Wandels in Form einer radikalen Neuorientierung: Wo anfangen? Innen oder außen? Draußen war das Image der Firma zerstört und der Lächerlichkeit preisgegeben. Doch drinnen tobten noch immer jene Prozesse, welche die Lächerlichkeit erst verursacht hatten. Der neue Vorstand entschloss sich für „erst außen“. Denn der Imageschaden beeinträchtigte die Auftragslage – und Aufträge bezahlen Gehälter.

Erst einmal wurde das Bild geradegerückt, das der Markt und die Welt vom Unternehmen bekommen hatte: Der Fehler war ein Fehler gewesen, zugegeben! Doch Fehler waren in diesem Unternehmen die Ausnahme, nicht die Regel – sonst gäbe es das Unternehmen längst nicht mehr. Die Firma positionierte sich komplett neu und drehte damit tatsächlich den Abwärtstrend.

Dann krempelte der Vorstand die viel zu komplexen internen Prozesse um, die das Kind in den Brunnen hatten fallen lassen und beschritt weitere Königswege:

• Er proklamierte den nötigen Wandel nicht nur von oben herab, sondern blieb dran und verfolgte ihn konsequent und mit viel Einsatz auf allen Ebenen seines Unternehmens bis zum Erreichen aller Etappen

• Er führte konsequent von oben herab, bezog jedoch auch immer die „Prozess-Eigner“ in seine Veränderungsvorhaben mit ein • Er zeigte keine Angst vor harten Schnitten, vermittelte diese aber kommunikativ und im Dialog mit den Betroffenen

• Er zog nicht einsam und allein vorneweg, sondern ernannte Change-Piloten in der Fläche Der Fünfsatz: „Wir schaffen das!“

Eine weitere elegante und praktische Methode, der eigenen Kommunikation mehr Wirksamkeit zu verleihen, ist die Fünfsatz-Methode nach Hellmut Geißner; auch „Das Zielsatz-Prinzip“ genannt. Einer der notorischsten Zielsätze ist Merkels „Wir schaffen das!“ Dieser Satz ging in weiten Teilen der Bevölkerung nach hinten los. Das liegt auch daran, dass er ganz überwiegend alleinstehend zitiert wurde. Wer sich die betreffende Pressekonferenz im Original anschaut, erkennt unschwer, dass die Kanzlerin in groben Zügen tatsächlich der logischen Struktur und Überzeugungskraft des Fünfsatzes folgte:

• Erster Satz: Einleitung, Heranführung der Zuhörer ans Thema

• Zweiter bis vierter Satz: Argumente, Beispiele, Belege

• Fünfter Satz: Zielsatz
Zitiert man lediglich „Wir schaffen das!“ apart und alleinstehend, sagt jeder vernünftige Rezipient: „Was für eine Chuzpe! Wie kommt sie darauf?“
Wer die Pressekonferenz der Kanzlerin anschaut, erkennt zwar Ansätze einer logische Stringenz – wie von einer promovierten Chemikerin nicht anders zu erwarten. Sie sagte einleitend:

• „Deutschland ist ein starkes Land.“

• Argumentation: „Und das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft, …“

• Zielsatz: „ … wir schaffen das.“
Doch was fällt auf? Merkel hat die Argumente vergessen. Ihre Begründung, Deutschland sei ein starkes Land und habe schon vieles geschafft, ist gut. Aber reicht sie aus? Eben nicht, was an der Reaktion Land auf Land ab seismographisch
wahrzunehmen war. Sie hätte sagen können:

• „Deutschland ist ein starkes Land. Wir sind die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Wir können uns Integration leisten. Zudem
brauchen wir sie auch, um die demografischen Veränderungen
der Zukunft zu meistern.

• Migration ist ein wesentlicher Teil unserer Geschichte. Wir wissen, wie Integration geht.

• In unseren Städten und Gemeinden gibt es sehr viele Bürgerinnen
und Bürger, die sich täglich dafür engagieren, Geflüchtete zu unterstützen, hier bei uns anzukommen.

• Und deshalb schaffen wir das! Gemeinsam.“

 

Die Sache mit der Stringenz

Überzeugende Argumentation ist im Prinzip immer so aufgebaut: stringent und konsistent, ein Argument folgt schlüssig aus dem vorangehenden. Man verzettelt sich nicht, verliert den roten Faden nicht, schweift nicht aus, langweilt die Leute nicht. Die Fünfsatz-Methode funktioniert wie ein Trichter: Sie führt den Empfänger exakt auf den
Punkt hin, der vom Sender vorgesehen wurde.

Der Sender geht dabei retrograd vor: Er oder sie überlegt sich, worauf er oder sie hinaus möchte. Das klingt banal, doch wir alle erleben täglich dutzendfach das Gegenteil: Ein Sender reiht Argument an Argument und spätestens nach dem dritten fragen wir Zuhörer uns: Worauf will er eigentlich hinaus? Und wir driften geistig ab. Wer würde es uns verdenken? Der Sender. Er ist sauer auf uns – anstatt auf sich.

Manchmal werden wir gefragt: Muss die Conclusio immer am Ende der Argumentation stehen? Das muss sie nicht. Es kommt dabei auch darauf an, ob jemand eine Rede
hält oder eine Präsentation auf Folien erstellt. Und: Es kommt nicht so sehr auf die Rangfolge, sondern auf die logische Stringenz, die Schlüssigkeit an. So hat auch Barbara Minto mit dem „Pyramiden-Prinzip“ einen internationalen Bestseller geschrieben, wonach die Hauptaussage gleich zu Beginn sozusagen an die Spitze der Pyramide gesetzt wird und danach deren Belege folgen. Neu ist die Idee von der Stringenz nicht, vielmehr seit Jahrhunderten bewährt.

Schon Aristoteles legte Wert auf logische Schlüssigkeit in der Argumentation, indem er zwischen induktiver und deduktiver Argumentation unterschied. Deduktive Argumente beruhen auf verallgemeinerten Annahmen über die Welt. Von diesen verallgemeinerten Annahmen leiten wir konkrete Aussagen ab (deduzieren), um bestimmte, ganz konkrete Ereignisse oder Sachverhalte zu erklären oder vorherzusagen. Nach dem Muster: Alle Menschen sind sterblich. Sokrates ist ein Mensch. Also folgt: Sokrates ist sterblich.
Bei der deduktiven Gedankenführung steht die Kernaussage demnach am Anfang, die stützenden Aussagen und Argumente folgen. Die induktive Gedankenführung hingegen ist schlussfolgernd: Die Kernaussage steht am Ende, die stützenden Aussagen führen zu ihr hin. Also: Sokrates ist sterblich. Sokrates ist ein Mensch. Also sind alle Menschen sind sterblich.

Natürlich sind diese Prinzipien wirksamer Kommunikation in Zeiten der sozialen Medien arg in Vergessenheit geraten. Im Internet wird auf Stammtisch-Niveau gepostet. Manche werten das als Verfall der Sitten. Wir meinen: Umso besser für jene, die wirksam kommunizieren können. Ihr Erfolg gibt ihnen Recht – übrigens auch im Internet. Wir brauchen lediglich die Klick-Raten von versierten Kommunikatoren
wie dem Hirnforscher Gerald Hüther oder dem kanadischen Psychologieprofessor Jordan Peterson anzuschauen: Wer reden kann, wird belohnt.

Laber-Meetings: Zehn Goldene Regeln

Millionen Menschen leiden unter Laber-Meetings. Das muss nicht sein. Immer wieder kommen wir auch in Unternehmen, in denen die Meeting-Misere beendet werden konnte. Wie haben die das geschafft?

Mit zehn Goldenen Regeln:

1. Notwendigkeit: Brauchen wir dazu überhaupt ein Meeting? Oder können wir das Meeting-Thema schneller und einfacher per Telefon oder Mail lösen?

2. Einladung: Sie ergeht nur an jene, die zum Thema einen Beitrag leisten können. Nicht mehr als zehn Teilnehmende werden eingeladen und wenn die entscheidenden Leute absagen, findet das Meeting nicht statt, sondern wird vertagt.

3. Agenda: Vorher erstellt, gut strukturiert, enthält Angaben nicht nur zu den Themen, sondern auch zur vorgesehenen Zeit pro Thema. Die Agenda wird spätestens zwei Tage vor dem Meeting versendet. Das verhindert, was leider in vielen Unternehmen Realität ist: Die Teilnehmer ziehen von Meeting zu Meeting, keiner ist vorbereitet, keiner kennt die Agenda: „Worum geht es heute hier eigentlich? Sie wissen es auch nicht? Dann trinken wir erst mal einen Kaffee!“

4. Zeitlimit: 20 Minuten reichen für Information, Beratung und Beschluss. Das ist zu knapp? Nicht in der Praxis. Dort sind Meetings auch schon früher zu Ende, wenn alles gesagt ist – und keiner meint, dass zwar schon alles gesagt sei, nur noch nicht von ihm
oder ihr.

5. Pünktlichkeit: In der Regel kommen die Teilnehmenden nicht pünktlich, sondern trudeln während der ersten Viertelstunde ein und entschuldigen sich mit gewichtigen Gründen. So kann man das machen, muss es aber nicht. Es gibt Meetings, in denen pünktlich begonnen wird. Wer zu spät kommt, sucht schweigend den Anschluss – und kommt das nächste Mal, oh Wunder, pünktlich. Soll niemand sagen, dass nicht auch Erwachsene erziehungsfähig seien.

6. Moderation: In effizienten Meetings wird Moderation ernst genommen. Es muss zwingend einen Moderator geben, um zum Beispiel die Dauerredner zu disziplinieren. Alle spielen schon am Handy, weil die notorische Labertasche immer noch weiterredet?
Das kann nicht sein.

7. Offene Diskussion ermöglichen: Die Regeln der Kommunikation sind so festgelegt, dokumentiert, vereinbart und eingeübt, dass eine offene Atmosphäre entsteht, in der Hierarchie keine Rolle spielt und sich alle auf die Lösung fokussieren und nicht auf Problem-Jammerei oder Eigenprofilierung.

8. Zwischen- und Endergebnisse werden fixiert und an alle versandt. Was nicht auf dem Flipchart festgehalten wird, gilt als nicht beschlossen.

9. Abbruch: Wenn keine Lösung erkennbar ist, keine gute Idee kommt, macht der Moderator kurzen Prozess und vertagt das Meeting.

10. Abschluss: Viele Meetings sind deshalb so unnütz, weil sie lediglich zur Info dienen – also im Grunde ein vorgelesenes E-Mail darstellen. Richtige Meetings schließen dagegen immer mit einem Ergebnis ab, auch wenn es nur ein kleiner Schritt ist.
Keine dieser Regeln dürfte Ihnen neu oder genial vorkommen. Wir kennen sie im Grunde alle. Warum werden sie nicht durchgängig praktiziert? Weil die persönlichen Eitelkeiten und Eigentümlichkeiten die Regeln brechen. Warum nicht in jenen Unternehmen und Organisationseinheiten, die unter keinen Laber-Meetings leiden? Aus einem einfachen Grund:

11. Schiedsrichter-Rolle: Jemand überwacht die Einhaltung der vereinbarten Regeln. Im Idealfall sind es alle, die sich gegebenenfalls gegenseitig daran erinnern und auf Kurs halten. Das funktioniert zum Beispiel bei sämtlichen Straßen-Sportarten: Alle Mitspieler sagen Regelverstöße an und keine Ansage darf überstimmt werden. Also warum sollte das nicht auch im Vorstand funktionieren?

Meeting-Tipps und Kniffe

Neben diesen Goldenen Regeln gibt es einfache und sehr effektive „Abkürzungen“ zu effizienten Meetings:

• Meetings im Stehen: Gründlich erforscht, hohe Wirksamkeit; sobald die Teilnehmenden stehen (müssen), halbiert sich häufig die Meeting-Dauer bei gleichen Ergebnissen. Außerdem erweisen sich solche Meetings als dynamischer und ideenreicher: Körperliche Aktivierung fördert geistige Aktivierung

• Agenda umdrehen: Plötzlich sind alle wach und voll mit dabei

• Geschlossene Tür: Wer zu spät kommt, kommt nicht mehr rein. Das ist hart? Ja. Das traut sich doch keiner? Das denken nur jene, die sich das (noch) nicht trauen

• Revolver im Saloon abgeben: Handys werden vor dem Meeting eingesammelt. Das machen einige Konzerne. Die Teilnehmenden sind dann sehr viel konzentrierter dabei und kommen schneller zu besseren Ergebnissen – weil alle möglichst schnell wieder das Suchtmittel ihrer Wahl zurückhaben wollen

• Mit einer Anekdote starten: Oder mit einer ungewöhnlichen Frage. Hebt zu Beginn die Aufmerksamkeit der Teilnehmer

• Rotierende Organisation: Meetings von wechselnden Organisatoren vorbereiten lassen – die Meeting-Kultur verändert sich dadurch, wird vielfältiger, effizienter, bricht aus alten Strukturen aus

• Zeit verknappen: Die einzelnen Agendapunkte brauchen immer so lange Zeit, wie Zeit vorhanden ist – das sogenannte Parkinson’sche Gesetz

• Spaziergang statt Meeting: Bei kleiner Teilnehmerzahl bringt die körperliche Bewegung auch Bewegung in die kognitiven Vorgänge. Bewegung macht kreativ. Coaching und Therapie arbeiten mit diesem Format, das auf die Idee hinter
den Kreuzgängen in Klöstern zurückgeht: Wer sich körperlich bewegt, bewegt sich auch geistig

• Streichliste: Spontan werden Agendapunkte gestrichen – wenn keiner opponiert, warum sollte man darüber reden?

Zehn E-Mail-Regeln

Der zweite große Effizienzkiller im Berufsalltag sind Mails. Die meisten Büroarbeiter ertrinken täglich in der Mail-Flut – es sei denn, sie halten sich an möglichst viele der folgenden Regeln:

1. Ist ein Anruf nicht schneller? Eine Mail dient vor allem der Information und Dokumentation. Wenn man dagegen etwas zu klären hat, sollte man nicht mailen. Da helfen dann auch keine 15 Seiten Mail, sondern nur ein persönliches Treffen oder ersatzweise ein Anruf. Daraus folgt:

2. Immer erst das geeignete und angemessene Medium wählen: Mail,
Gespräch, Telefonat – oder Schweigen.

3. Zeitblöcke zur Mailbearbeitung einrichten: Nicht sofort bearbeiten,
sobald der Mail-Eingang klingelt. Mit dieser Methode „kommt man zu gar nichts!“ Sondern zwei oder drei Zeitblöcke pro Tag reservieren. Wer auf CC ist, antwortet gar nicht

4. Den Tag selbstbestimmt beginnen. Mails nicht vor 11 Uhr beantworten, weil morgens die produktivste Phase des Tages ist

5. Von News- und Maillisten abmelden. Nur noch relevante Quellen aufsuchen

6. Keine Laber-Mails! Nur noch kurze, prägnante und aktionsorientierte Mails verfassen. Mail-Länge maximal eine Bildschirmseite

7. Kürzel nutzen, die alle kennen – und Textbausteine. Das beschleunigt das Verfassen wesentlich

8. Nur ein Thema pro Mail! Das erhöht die Verständlichkeit für den
Empfänger. Und kein Blindkopie verwenden; das ist keine ehrliche Kommunikation

9. Der Posteingang ist lediglich Umschlagplatz, der ein sinnvolles Ordnersystem bedient. Unwichtige Mails löschen, wichtige ins Ordner-Archiv

10. E-Mail-Filter anlegen und einrichten

 

Am Anfang ist das Wort

Kommunikation ist wie Fußball: Jeder meint, Bundestrainer zu sein. Was nicht ganz stimmt. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen Führungskräften, was ihre Kommunikation angeht. Jener, der meint, der große Kommunikator zu sein, ist es meist nicht, bleibt jedoch dank dieser Illusion auf seinem Niveau stehen – oder baut über die Jahre ab.
Die echten „Großen Kommunikatoren“ unter den Führungskräften dagegen sind ganz anders. Sie fragen uns bei jedem Besuch: „Wie kann ich noch wirksamer kommunizieren? Was gibt es Neues, neue Erkenntnisse, Methoden, rhetorische Kniffe?“ Und damit ist Kommunikation dann doch wieder wie Fußball: Kein Profi-Fußballer bleibt auf seinem Niveau stehen. Alle trainieren täglich, damit sie ständig besser werden. Auch das spiegelt den erwähnten Unterschied wieder: Einige
meinen, was man täglich praktiziere, müsse man ja nicht extra üben.
Die Klassenbesten meinen im Gegenteil: Nur in dem, was wir täglich
trainieren, werden wir besser.

 

 

 

 

 

 

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