Buchauszug Andrea Montua: „Führungsaufgabe Interne Kommunikation. Erfolgreich in Unternehmen kommunizieren – im Alltag und in Veränderungsprozessen“

Andrea Montua (Foto: PR)
Führungskräfte(kommunikation) als Schlüssel erfolgreicher Interner Kommunikation
Seit einem Jahr ist Jürgen M. Geschäftsführer eines international tätigen, wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmens der Touristikbranche. Bereits kurz nach seinem Antritt hatte er einiges an Zeit in die Entwicklung einer neuen, umfassenden Zukunftsstrategie investiert.
Um das Unternehmen wieder wettbewerbsfähig zu machen, hatte er sich drei Ziele gesetzt:
die Veränderungs- und Innovationsgeschwindigkeit erhöhen, die bereichsübergreifende Zusammenarbeit optimieren, die Erstlösungsquote im Kundenservice verbessern.
Auch ein Beratungsunternehmen hatte Jürgen M. engagiert, um gemeinsam die notwendigen Schritte für alle drei Themenfelder auszuarbeiten. Kurz darauf war im Unternehmen mit der Umsetzung begonnen worden. Und auf dem Papier las sich alles sehr durchdacht, umsetzbar und folgerichtig.
Jetzt aber, nach einem Jahr, klafft eine gewaltige Lücke zwischen Theorie und Praxis. Starke Widerstände hatten sich im Unternehmen aufgebaut. Puls-Befragungen brachten eine Schere ans Licht: Auf der einen Seite verschlechterte sich die Stimmung durch die zusätzlichen Veränderungen. Auf der anderen Seite fühlten sich die Mitarbeiter viel zu wenig darüber informiert, welche Ziele dieser Prozess verfolgte und welche Meilensteine es gab.
Ganz offensichtlich war es den vier Führungsebenen bislang nicht gelungen, die Strategie so zu vermitteln, dass alle an einem Strang zogen und sich echte Veränderungen im Denken und Handeln einstellten.
Jürgen M. war fassungslos: Wenn nicht für die erfolgreiche Vermittlung von Strategien – wurden die mehr als 200 Führungskräfte des Unternehmens denn eigentlich bezahlt? So schwer konnte es doch nicht sein, die erarbeiteten Ziele mit Leben zu füllen. Oder müsste er vielleicht sogar ganze Führungsebenen austauschen, um den „Wind der Veränderung“ im Unternehmen wehen zu lassen und zu verdeutlichen, dass es ihm ernst war mit der Umsetzung der neuen Strategie?
In den folgenden Monaten wandte sich M. zunächst der Direktoren-Ebene zu. Er versuchte, dort sowohl die Deutlichkeit als auch den Druck zu erhöhen. Denn diese Kolleginnen und Kollegen saßen seiner Ansicht nach am längsten Hebel. Ihre Aufgabe war es, den Veränderungsprozess in den Alltag zu integrieren.
Aber auch diesem Schritt blieb der Erfolg verwehrt. Denn was in den Wochen danach bei seinem direkten Führungsteam wuchs, war die Angst um den eigenen Arbeitsplatz. Folge: Statt dem dringend benötigten Neuen den Weg zu ebnen, wurden die alten, vermeintlich rettenden Aktivitäten sogar noch ausgebaut: Die Anzahl an Kennzahlen- Reportings wuchs, Kontrollmechanismen verschärften sich und Kommunikationsinstrumente wie Intranet und App quollen über vor Beiträgen und Kommentaren des Führungsteams.
An der Basis, am Kern aber änderte sich weiterhin wenig. Es schien, als würden alle Appelle, die Aktivitäten zu unterstützen, ungehört verhallen – irgendwo zwischen der zweiten Führungsebene und den Sachbearbeitern.
Wie sollte er denn bloß die Situation beeinflussen, um sein Führungsteam und die Mitarbeiter*innen zu echter Veränderung zu bewegen?
Sie können die modernsten internen Medien zur Verfügung haben, das innovativste responsive Intranetdesign entwickeln, über den kreativsten Newsroom verfügen und das üppigste Budget zur Verfügung stellen: Das alles hilft Ihrer Internen Kommunikation keinen Schritt weiter, wenn Ihre Führungskräfte die Strategie nicht in der täglichen Arbeit mit Leben füllen und die Bedürfnisse der (eigenen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht kennen.
Gute Führungskräfte vermitteln Veränderungen und motivieren – statt nur zu delegieren und selbst den Fachkompetentesten zu geben
Führungskräfte gelten heute zu Recht als einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren bei der Vermittlung von Veränderungen und der Motivation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Vor zehn Jahren waren in der Mitarbeiterführung noch vorrangig Fachkompetenz und Delegationsvermögen gefragt. Heute aber werden andere Schwerpunkte gesetzt. Neue Arten der Zusammenarbeit, flachere Hierarchien und der Wunsch nach Führungskräften, die eher Coach und Berater als hierarchisch agierende Anweiser sind verändern das Thema Führung von Grund auf. Zu den zentralen Führungsaufgaben zählen deshalb heute:
· Mitarbeiter*innen informieren und motivieren
· Mit ihnen gemeinsam nach Wegen und Lösungsmöglichkeiten bei der Aufgaben-Bewältigung suchen
· Fragen zu neuen Projekten und Entwicklungen beantworten
· Selbstverantwortung und Engagement fördern
· Widerstände erkennen und gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen auflösen
· Unsicherheiten thematisieren und lösen
Führungsstärke ist Kommunikationsstärke
Angesichts dessen liegt auf der Hand, dass Führungsstärke nahezu identisch ist mit Kommunikationsstärke. Keine leichte Aufgabe: In einer Art Sandwich-Position sitzen Führungskräfte zwischen den Stühlen von „Selbstbetroffenheit“ und „Führungsverantwortung“. Das heißt für sie, den eigenen „Werkzeugkoffer“ im Alltag immer wieder in Frage zu stellen und zu erweitern, Verhalten anzupassen und nach Wegen zu suchen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter adäquat einzubinden, aus Komfortzonen zu holen und um ihr Vertrauen zu werben.
Sie fragen sich, woran Sie merken, dass sich eine Investition in das Thema Führungskräftekommunikation für Ihr Unternehmen auszahlen dürfte?
· Ihr Vorstand erhält kaum ehrliches Feedback von seinem Führungsteam – schlimmstenfalls gar keins. Sogar auf ausdrückliche Nachfragen bewegt sich der Großteil der Aussagen eher auf unverbindlichen Allgemein-Plätzen.
· Aus Unsicherheit entstandene Nachfragen erreichen das Top-Management, statt bereits auf den unteren Führungsebenen aufgegriffen und geklärt zu werden.
· Sie spüren, dass Ihr Führungsteam „mehr vom Alten“ macht statt neue Ideen und Methoden einzubringen und die Veränderungen aktiv voranzutreiben.
· Auf der Ebene Abteilungs- und Teamleiter ist keine echte Verbundenheit mit dem Unternehmen (mehr) spürbar. Oder schlimmer noch: Werden diese Führungsebenen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angesprochen, legen die Führungskräfte eine eher kritische Haltung dem Unternehmen und den aktuellen (Veränderungs-) Projekten gegenüber an den Tag.
· Es ist spürbar, dass die Führungskräfte ganz oder teilweise keine angemessene Autorität und Vorbildfunktion besitzen.
· Flurfunk und Gerüchte nehmen zu; die Unsicherheit bei Führungskräften und Belegschaft wächst.
· Trotz eingeleiteter Veränderungsprozesse bleibt alles beim Alten. Dabei ist die Strategie eigentlich klar und müsste „nur“ kommuniziert und mit Leben gefüllt werden.
Erst, wenn Führungskräfte tatsächlich bereit sind, sich der Herausforderung Kommunikation zu stellen und vom Unternehmen in dieser Rolle zugleich unterstützt werden, können sich Teams positiv entwickeln. Und damit das gesamte Unternehmen.
Verschobene Erwartungen an Führungskräfte: Empathie und Authenzität
Aus zahlreichen Studien ist bekannt, dass sich die Erwartungen an Führungskräfte verschoben haben. So wird deren empathisches und authentisches Verhalten heute als elementar für die Zufriedenheit der Belegschaft angesehen. Führungs-Guru Reinhard K. Sprenger geht sogar so weit zu formulieren: „Menschen kommen zu Unternehmen und verlassen Vorgesetzte.“
Deshalb werden mehr denn je Führungskräfte daran gemessen, ob sie einzelne Mitarbeiter*innen individuell behandeln und fördern, ob sie sich für sie interessieren und ihre spezifischen Lern- und Entwicklungsprozesse unterstützen. Kurz: Ob sie die Kollegin und den Kollegen dort abholen, wo sie oder er gerade steht. Und ob sie das geben, was dieser hochgradig individuell veranlagte, mitarbeitende Mensch für seine persönliche Entwicklung braucht.
Das Mittel der Wahl ist dabei im Alltag vor allem die persönliche Kommunikation. Denn nur in der direkten Begegnung, im offenen und ehrlichen Dialog kann eine Führungskraft all das Erwartete leisten. Dabei muss ausbalanciert werden, wie man es schafft, individuelle Behandlung und Effizienz gut zu vereinbaren.
Die Herausforderung für Führungskräfte: Bedürfnisse der Mitarbeiter erkennen
Eine der größten Herausforderungen für Führungskräfte: Sie müssen erkennen, was jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin benötigt, damit diese oder dieser sich gut informiert fühlt, Ängste abbaut und dem Gang der Dinge im Unternehmen gern und motiviert folgt.
Menschen zu engagierten und mutigen Mitarbeiter*innen zu entwickeln, die Veränderungsprozesse engagiert vorantreiben – das ist das Idealbild. Angesichts dieser hehren Vision ist die lapidare IK-Nachricht „Unser Artikel zum letzten Team-Event ist online“ heute wahrlich alles andere als eine Erfolgsmeldung. „Unser Team versteht die Notwendigkeit der aktuellen Veränderungen und trägt gern dazu bei, unser Unternehmen wieder in die Erfolgsspur zu bringen“ hingegen umso mehr.
Interne Kommunikation als Erfolgsbasis begreifen – nicht als notweniges Übel
Wie aber schafft man die Grundlage für solche Erfolgsmeldungen? Indem Interne Kommunikation nicht als „notwendiges Übel“, sondern als Erfolgsbasis aller Projekte und Veränderungsschritte im Unternehmen betrachtet wird.
Konkret heißt das: Interne Kommunikation muss strikt zielgruppengerecht vorgehen und es verstehen, „in den Schuhen des Anderen“, der Zielgruppen, zu laufen.
Doch was genau braucht es dafür? Was ist der Schlüssel zum kommunikativen Führungs-Miteinander in Alltags- und Veränderungssituationen? Und wie kann es gelingen, die Führungskräfte in ihrer Schlüsselfunktion angemessen zu unterstützen?
Wichtig ist ohne jeden Zweifel, grundlegende Kommunikationsprinzipien und -modelle zu kennen und über menschliche Grundbedürfnisse Bescheid zu wissen. Mindestens ebenso bedeutsam jedoch sind das Wissen und Verständnis um die unterschiedlichen „Welten“, in denen jeder Kollege, jede Kollegin sich bewegt und das Einbeziehen dieses Wissens in den eigenen Führungsalltag.
Andrea Montua: „Führungsaufgabe Interne Kommunikation: Erfolgreich in Unternehmen kommunizieren – im Alltag und in Veränderungsprozessen“ – Springer Gabler Verlag, 197 Seiten, 37,99 Euro.
Wir alle tragen grundlegende Werte in uns. Sie geben uns Halt und fungieren als Leitplanken in Lebenssituationen, die uns wichtig sind. Ebenso prägen uns Erfahrungen sowie jene Glaubenssätze, die wir über die Jahre angenommen haben. Das alles in Kombination mit unserem aktuellen (mentalen) Zustand lässt uns in jedem Moment unterschiedlich, sprich individuell auf Situationen und Kollegen und Kolleginnen reagieren.
Der Chef-Irrtum: „Gesagt ist nicht gleichzusetzen mit „Verstanden“
Für den Alltag heißt das: „Gesagt“ ist selten gleichzusetzen mit „verstanden“. Jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin hört und versteht unterschiedliche Dinge, wenn wir mit ihnen kommunizieren.
Das kann sogar so weit gehen, dass bestimmte Begriffe von unterschiedlichen Menschen sehr unterschiedlich ausgelegt werden und zu individuellen, teilweise schwer planbaren Reaktionen führen. Gerade bei weichen Formulierungen wie „mehr Kundennähe entwickeln“, „Engagement zeigen“ oder „zeitnah erledigen“ wird unterschiedlich interpretiert.
Verschärfend kommt an vielen Stellen hinzu, dass Internationalisierung und Globalisierung eine kulturelle Sozialisation vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unternehmen mit sich bringen. Wollen wir Kolleg*innen erreichen und im besten Falle motivieren, gilt es, sprachliche Herausforderungen ebenso im Blick zu haben wie kulturelle Unterschiede.
Das Gießkannen-Prinzip ist ungeeignet
Daher gilt: Ungeeignet in der Internen Kommunikation ist das Gießkannen-Prinzip. Also eine Information flächendeckend und stereotyp an alle Kolleginnen und Kollegen zu verteilen und zu erwarten, Jede und Jeder würde sie anschließend kennen, verstehen und wie gewünscht agieren.
Machen wir uns bewusst, dass ein solches Vorgehen unsere Individualität missachtet und nicht dafür sorgen kann, dass Mitarbeiter*innen und Führungskräfte sich gut informiert und abgeholt fühlen.
… sondern macht es noch schlimmer
Im Gegenteil: Wird an den Bedürfnissen vorbeikommuniziert, verschließen wir Menschen uns den Botschaften und Appellen – seien diese Nachrichten objektiv auch noch so wertvoll für uns.
Wir sollten deshalb regelmäßig in die „Schuhe der Anderen“ schlüpfen, um ein Gefühl für Ihre Zielgruppen zu entwickeln und sie somit zu erreichen.
Unserer Erfahrung nach gibt es in jedem Unternehmen mindestens vier Paar dieser „Schuhe“, die Sie anprobieren sollten, wenn Sie auf dem Mitarbeiter-Terrain wirklich Tritt fassen wollen. Diese vier heißen „Förderer“, „Unterstützer“, „Skeptiker“ und „Gegner“20.
Jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin ist grundsätzlich in ein oder zwei der Gruppierungen im Alltag unterwegs, kann sich aber situativ in unterschiedliche Gruppen bewegen. Sie werden das von sich kennen: In dem einen neuen Veränderungsprojekt fühlen Sie sich mit Ihren Stärken gut aufgehoben und halten die Entscheidungen, die die Unternehmensführung trifft, für sinn- und wertvoll, unterstützen gern bei der Umsetzung. Und in einem anderen Projekt sind Sie eher kritisch unterwegs und hinterfragen nahezu jede Entscheidung, die getroffen wird.
Für Kommunikateure und Führungskräfte gilt es, die unterschiedlichen Mitarbeitergruppen zu kennen und dieses Wissen bei der Führungsarbeit einzusetzen.
Werfen wir gemeinsam einen Blick auf das Verhalten und die Kommunikationsbedürfnisse der vier Gruppen.
Förderer:
Sie machen grundsätzlich nur wenige Prozent der Mitarbeiter*innen und Führungskräfte eines Unternehmens aus, kommunizieren proaktiv, sind engagiert, offen für Innovationen und schnell für neue Projekte, Formate und Tools zu begeistern. Gern teilen sie gemachte Erfahrungen und kommunizieren in ihrem Umfeld darüber.
Nutzen Sie diese Kollegen als Pilot-User. Testen Sie an ihnen, welches Feedback Sie auf neue Themen und Projekte bekommen werden, und versorgen Sie die Gruppe stets mit aktuellen Informationen rund um die Entwicklungen.
Wichtig für Sie als Führungskraft, Kommunikator*in ist zu wissen: Förderer finden sich oft in Positionen, die mit Kommunikation, Personalarbeit oder zumindest Menschenführung betraut sind. Mit großer Wahrscheinlichkeit zählen Sie also selbst zum Kreis der Förderer und Förderinnen. Wundern Sie sich deshalb bitte nicht, wenn die anderen Kolleg*innen Sie scheinbar nicht verstehen oder kommunikative Maßnahmen, die Sie aus Ihrer Rolle heraus entwickelt haben, die Menschen im Unternehmen nicht oder nur unzureichend erreichen. Sie haben dann einfach noch kein Gespür für die „störenden Steine im Schuh der anderen“. Dann gilt es erst recht, in das Schuhwerk der Kollegen zu steigen und für sie entsprechende Maßnahmen zu planen.
Unterstützer:
Unterstützer machen etwa 30 bis 60 Prozent der Mitarbeiter*innen und Führungskräfte Ihres Unternehmens aus, je nachdem, in welcher Branche Sie aktiv sind und wie die Kultur Ihres Unternehmens ist.
Unterstützer kommunizieren leiser als Förderer. Sie benötigen etwas mehr Zeit, um sich an Neuerungen oder veränderte Situationen zu gewöhnen – lassen sich aber durch eine kontinuierliche, offene und transparente Kommunikation überzeugen. Hilfreiche Materialien, Präsentationen oder auch Q&A-Dokumente greifen den Unterstützern unter die Arme, wenn es darum geht, Themen besser zu verstehen und voranzutreiben.
Skeptiker:
Kennen Sie Sätze wie: „Das haben wir schon x-mal versucht, und es hat nie funktioniert“? „Warum denn bitte genau jetzt dieser Schritt, das muss doch nun wirklich nicht sein.“ Oder haben Sie das schon mal gehört: „Wer sagt uns, dass das zu uns passt und nicht einfach nur kostbares Budget verbraucht?“ Mit Sätzen dieser Art melden sich Skeptiker zu Wort.
Stecken Sie diese Menschen nicht in die falsche Schublade. Die Skeptiker, die etwa 30 bis 60 Prozent Ihres Unternehmens ausmachen, sind nämlich wertvolle Partnerinnen und Partner, wenn es um die kritischen Seiten eines Projektes geht. Nutzen Sie sie, wenn sie neue Entwicklungen planen. Beziehen Sie sie frühzeitig mit ein. Denn sie lassen sich durchaus überzeugen und als unterstützende Kolleg*innen für Entwicklungen in Veränderungsprozessen gewinnen.
Für diese Wandlung braucht es allerdings Zahlen, Daten, Fakten und fortwährende Kommunikation über Hintergründe und Entwicklungen des Projektes, ergänzt um Best-Practice-Beispiele anderer Unternehmen. Und: Werden Sie nicht müde, den Sinn der Maßnahmen immer und immer wieder zu erklären.
Gegner:
Die Gruppe der Gegner, die wiederum auch nur einige wenige Prozent Ihrer Belegschaft ausmachen, wird Ihnen sehr lautstark und unverblümt begegnen. Kaum ein neues Thema, zu dem sie sich nicht äußern – und das meist sehr kritisch und ohne die positiven Seiten eines Projektes oder einer Neuerung überhaupt in Augenschein zu nehmen.
Hören Sie nicht zu sehr auf das Dauerlamento dieser Quertreiber, und stecken Sie nicht übermäßig Energie in das Unterfangen, sie umstimmen zu wollen. Gegner sind eine Minderheit, die erst von einer Neuerung überzeugt sein wird, wenn die überwältigende Mehrheit der Mitarbeiterschaft die Themen bereits längst für gut und richtig befunden hat.
Was heißen diese Erkenntnisse nun für das Thema Führung in Ihrem Unternehmen?
Schaffen Sie Verständnis bei Ihren Führungskräften die die unterschiedlichen Welten und Gruppierungen, die es in den Reihen Ihrer Mitarbeiter*innen gibt. Und geben Sie dem Führungs-Team mit auf den Weg, dass die Unterstützer und Skeptiker bei gleicher Inhaltsvermittlung mit unterschiedlichen Formaten versehen werden sollten. Das Gießkannen-Prinzip kann und wird nicht funktionieren im Rahmen einer motivierenden Internen Kommunikation.
Das Modell der menschlichen Entwicklungsebenen
Sie möchten möglichst alle Gruppen informieren und zielgruppengerecht in neue Projekte und Veränderungsprozesse einbinden? Dann schaffen Sie das am besten mit einem intelligenten Inhalts- und Formate-Mix.
Oberstes Gebot dabei: Seien Sie sich bei jeder Kommunikation mit Ihrem Führungsteam auch derer Unterschiedlichkeit bewusst.
Doch nicht nur die Notwendigkeit einer möglichst individuellen Ansprache ist eines der Themen, denen wir Beachtung schenken sollten, wenn wir Menschen in Organisationen wirklich erreichen wollen. Auch die verschiedenen Entwicklungsstufen, auf denen wir uns befinden, liefern Erklärungen für kommunikative Schwierigkeiten innerhalb der Organisationsbereiche und Teams. Deshalb lassen Sie uns einen kleinen Ausflug in die „Theorie der menschlichen Existenzebenen“ machen:
In den 1960-er Jahren begann der Psychologie-Professor Claire W. Graves, sich mit dem Thema zu beschäftigen21. Ursprünglich es sein Ziel, die Frage zu beantworten, was einen „psychisch gesunden“ Menschen ausmacht.
Über viele Jahre arbeitete er mit seinen Studenten daran und entwickelte die Hypothese, es gäbe sie nicht, die eine Gesundheit, sondern stattdessen auf verschiedenen menschlichen Entwicklungsstufen unterschiedliche Sichtweisen auf das, was als gesund gelten könnte. Tatsächlich konnte Graves im Laufe seiner Forschungen den Nachweis erbringen, dass sich begegnende oder interagierende Menschen, Organisationen und Gesellschaften unterschiedliche Entwicklungsstufen durchlaufen, auf denen sie unterschiedliche Themen beschäftigen und bewegen.
Im Laufe seiner insgesamt 22 Forschungsjahre ergab sich für Graves eine Einteilung in acht aufeinander aufbauende Wertesysteme, das jedes in sich eine eigene Welt darstellt. Jedes System weist typische Konflikte und Lösungsmechanismen, Vorlieben und Schattenseiten auf. Zentrale Themen wie „Glück“, „Macht“, „gesellschaftliche Konzepte“, „Lernstrategien“, „Entscheidungsarten“, „ Erfolg“, „ Familie“ und „ Religion“ fallen je nach Zugehörigkeit zu einem System inhaltlich unterschiedlich aus.
Im Grunde räumte Graves durch die Entwicklung seines Modells mit der Illusion auf, es könne irgendwann und irgendwo eine glückserfüllte Utopie geben, in der alle Menschen einander verstehen, in der für alle genug da ist und in der Menschen in Eintracht leben. Vielmehr hat jede Stufe der menschlichen Existenz ihre eigenen Herausforderungen; es gibt niemals einen Stillstand. Graves’ Theorie zeichnet ein Bild des Menschen, der in einer gewissen Grundspannung lebt und versucht, diese zu lösen, indem er sich immer wieder auf verschiedenen Ebenen mit seinem Sein auseinandersetzt.
Beziehen wir das Graves-Modell auf den Unternehmens-Alltag, dann bedeutet das: In jedem Unternehmensbereich und in jedem Team finden wir Menschen, denen unterschiedliche Dinge wichtig sind und die die Erfüllung oder den eigenen Erfolg in verschiedenartigen Dingen, Lebenssituationen und Kontexten suchen.
Die Graves-Levels im Unternehmens-Kontext
Graves Level 1: Grundlegende Sicherheit
Zugehörigkeit, Treue zum eigenen „Stamm“ (Unternehmen), Rituale, Tradition
Graves Level 2: Kampf und Macht
Durchsetzungskraft, Respekt, Ehre
Graves Level 3: Ordnung
Struktur, Kennzahlen, Klarheit
Graves Level 5: Erfolg
Leistung, Status, Wettbewerb, Zielmanagement
Graves Level 6: Team & Gemeinschaft
Wir-Gefühl, Konsens, Miteinander, Communities, Harmonie
Graves Level 7: Entwicklung
Selbstreflexion, systemischer Blick, lebenslanges Lernen, Persönlichkeitsentwicklung
Graves Level 8: Nachhaltigkeit & „einen Unterschied machen“
Ganzheitlicher Blick, Ökosysteme erhalten, Umweltschutz, die Welt aus Rücksicht auf
künftige Generationen achtsam behandeln
Lassen Sie uns dieses Modell gedanklich in den Kommunikations-Alltag einbinden: Wichtig sollte es im ersten Schritt sein, immer im Blick zu behalten, auf welcher Entwicklungsstufe wir uns selbst befinden. Denn nur dann können wir verstehen, welche Themen für uns gerade von Bedeutung sind und warum.
Ein Gespür dafür zu entwickeln, dass anderen Mitarbeiter*innen andere Dinge wichtig sein können als uns, kann uns im Rahmen von Führungs- und Internen Kommunikations-Prozessen von großem Nutzen sein.
Um diese Themen wissend, sollten wir Andersartigkeit versuchen nicht zu be- und abzuwerten, sondern sie kommunikativ aufzugreifen und unser Wissen im Alltag entsprechend einzusetzen.
Allein diese Betrachtung zeigt, wie herausfordernd Interne Kommunikations-Aufgaben in aller Regel sind und welch hohes Maß an Professionalität dabei zum Zuge kommen sollte. Angesichts dieser hohen Hürden wird so mancher sagen: „Interne Kommunikation steuern? Alles gut und schön, aber Kommunikation ist einfach nur begrenzt erlernbar.“
Doch an dieser Stelle möchte ich Sie einladen: Denken Sie in Möglichkeiten – nicht in Stolpersteinen!
Die IK- und HR-Abteilungen können die Führungskräfte ganz hervorragend dabei unterstützen, ihre kommunikative Rolle zu finden und auszufüllen. Grundvoraussetzung dafür ist im ersten Schritt, dass sie und auch die Geschäftsführung die zentrale Bedeutung der Führungskräfte-Kommunikation anerkennen. Und dass sie ihnen wirklich Unterstützung zukommen lassen möchten.
Dabei gibt es zahlreiche Methoden und Ansätze, wie beispielsweise:
· Trainings zu Führungs- und Kommunikationsthemen
· Sparrings und Coachings zur Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung
· Das Angebot zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen wie das Reiss- bzw. Luxx- Profil
· Mentoring-Programme
· Gemeinsame Reflexion und Weiterentwicklung der Unternehmenswerte im Kreise des Führungsteams
· Die Einführung von 360-Grad-Feedbacks
Und natürlich ist es von enormer Bedeutung, Führungskräften das passende Instrumentarium der auf sie zugeschnittenen Formate zur Verfügung zu stellen. Talk-Sheets, Frage-Antwort-Dokumente oder Präsentationen als Argumentationshilfen und roten Faden im Rahmen von Veränderungsprozessen an Führungskräfte zu verteilen, ist beispielsweise ein guter erster unterstützender Schritt. Aber auch Sprachregelungen, Info-Routinen, spezielle Führungskräftemedien und -kanäle und die Förderung von Austausch untereinander helfen Ihren Führungskräften dabei, den kommunikativen Erwartungen gerecht zu werden.
Übrigens: Wer das Thema „Führungskräfte befähigen und aktivieren“ aus Unsicherheit oder Budgetgründen aussitzt, riskiert, dass Dienst nach Vorschrift, Flurfunk und Gerüchte um sich greifen22. Er schwächt zudem die emotionale Bindung seiner Mitarbeiter*innen an das Unternehmen. Die Folgen reichen von Fluktuation und hohen Fehlzeiten bis hin zur „inneren Kündigung“. Die daraus entstehenden Kosten durch Produktivitätseinbußen werden laut einer Gallup-Studie aus dem Jahr 2018 auf rund 100 Milliarden Euro jährlich allein in Deutschland geschätzt23.
Forschungen ergeben zudem immer wieder eine positive Wechselbeziehung von authentischer Führung, Arbeitszufriedenheit, Leistungsbereitschaft im Team und freiwilligen Überstunden.
Sicher ist: Ein Unternehmen kann noch so viel Zeit sowie technische oder finanzielle Ressourcen in die Interne Kommunikation investieren – falls es versäumt, seine Führungskräfte kommunikativ fit zu machen, bleiben die Investitionen nahezu wirkungslos. Denn Interne-Kommunikations-Tools sind „nur“ Werkzeuge, und jedes Werkzeug ist nur so gut wie die Hand, die es führt.
Gerade in Veränderungsprozessen oder Krisen zeigt sich, welch enormen Mehrwert eine vertrauensvolle und authentische Führungs- und Teamkultur bringt. Diesen Punkt auf der Rettungs-Agenda erst im Ernstfall anzugehen kostet im besten Fall wertvolle Zeit – und kommt im schlimmsten Fall zu spät.
Unternehmens-Vision als Basis
Grundlage einer erfolgreichen Führungskräfte-Kommunikation ist übrigens eine für alle nachvollzieh- und lebbare Unternehmens-Vision und -Strategie. Nur auf deren Boden kann Ihr Führungsteam nachvollziehbar und nachhaltig die eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen führen und sie mit den passenden Informationen und Impulsen zur richtigen Zeit versorgen. Dass der Vorstand und das Führungsteam dabei mit einer Stimme sprechen und die Ziele gemeinsam entwickeln sollten, versteht sich von selbst.
Spätestens, wenn die Interne Kommunikation am Ende ihres Strategie-Prozesses für das eigene Unternehmen passende Hebel und Maßnahmen für die Führungskräfte-Kommunikation entwickelt hat, steht die Frage nach angemessenen Tools im Raum. Anbei eine kompakte Auswahl an Möglichkeiten, um mit Ihren Führungskräften in den Austausch zu kommen und/ oder ihn zu verstärken:
· Führungskräfte-Foren
· Netzwerktreffen
· Online-Führungs-Community
· Vorstands-Lunches oder -Frühstücke
· Business-Lunch
· Kamingespräche
· Führungskräfte-Pilot-User und -Testimonials
· Management-Events
· Roadshows
· Workshops, Trainings, Coaching, kollegiale Beratung
· Vorstandsbriefe oder -Mails
· FK-Newsletter/ -Magazine
· Townhalls
· Führungskräfte-Calls oder -Videokonferenzen
· Führungskräfte-Apps
· Q&As
· Basis- und Veränderungs-Präsentationen
· Change Stories
Achten Sie bei der Wahl der passenden Formate darauf, auch diese auf die Bedürfnisse der Zielgruppen (Ihre verschiedenen Führungsebenen) abzustimmen. Und beziehen Sie auch die Kolleg*innen am besten selbst bei der Wahl mit ein.
8-Schritte-Plan auf dem Weg zur passenden Führungskräfte-Kommunikation
Sie möchten Ihre Führungskräfte besser auf ihre kommunikative Rolle vorbereiten und dabei unterstützen, Mitarbeiter*innen adäquat einzubinden? Dann finden Sie hier einen 8-Schritte-Plan dafür24:
- Auch für Ihre Kommunikation mit Führungskräften gilt: Strategisches Vorgehen ist das A und O. Erfassen Sie den Status Quo, setzen Sie sich Ziele, und erstellen Sie auf Basis der gefundenen Schwachstellen eine Strategie. Ihre künftige Führungskräftekommunikation sollte den Adressaten den Stellenwert ihrer eigenen Rolle verdeutlichen und sie zu Beteiligten des Erfolges machen.
- Benennen Sie Erwartungen exakt: Erst wenn Ihre Führungskräfte wissen, was von ihnen erwartet wird, können sie ihre Rolle auch optimal ausfüllen. Vermitteln Sie Ihren Führungskräften deshalb klar und deutlich (und zwar aus Zielgruppensicht!), was Sie von ihnen in puncto Kommunikation, Mitarbeiterführung und Veränderungswillen erwarten und wie Sie sie darin unterstützen werden.
- Kommunikationsstärke ist keine Selbstverständlichkeit: Unterstützen Sie deshalb Ihre Führungskräfte mit passenden Maßnahmen. Bieten Sie ihnen Persönlichkeitsprofile, Coachings oder Kommunikationsworkshops an. Machen Sie aber ebenso klar, dass das Streben nach optimaler Kommunikation keinesfalls eine Vereinbarung auf freiwilliger Basis ist: Sie haben eine Erwartungshaltung, und die gilt es, mit Leben zu füllen.
- Erkennen Sie Widerstände – am besten, bevor sie auftreten: Führungskräfte sind zu denen geworden, die sie sind, weil sie agiert (und kommuniziert) haben, wie sie es getan haben. Wenn jetzt Veränderungssituationen anstehen, die auch eine Veränderung in und bei den Führungskräften nach sich ziehen sollen, muss dies thematisiert werden, da ansonsten Widerstände vorprogrammiert sind. Das gilt ebenso für die Begründung des Bedarfs nach Veränderung.
- Begeistern Sie Ihre Führungskräfte: Von Führungskräften wird viel erwartet: Sie sollen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht nur Führung und Wertschätzung zuteilwerden lassen, sondern sie auch nachhaltig für Aufgaben und (Veränderungs-)Projekte begeistern. Beides kann nur funktionieren, wenn sich auch die Führungskräfte selbst informiert fühlen, positives Feedback erhalten und klare, offene Kommunikation erleben.
- Kommunikation und HR sollten Hand in Hand gehen: Führungskräftekommunikation ist eine der zentralen Schnittstellen zwischen HR und IK. Wenn Sie es schaffen, dass an einem Strang gezogen wird, profitieren alle: Geschäftsführung, Führungskräfte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
- Der Alltag: Strategische Pläne sind nur ein erster Schritt auf dem Weg zu Führungskräften, die erfolgreich kommunizieren. Wichtig ist, diese Kolleg*innen im Alltag in unternehmerische Entscheidungen und Veränderungsprozesse einzubinden, für Ängste der Mitarbeitenden zu sensibilisieren, sie inhaltlich informiert zu halten und zum Dialog zu befähigen.
- Formatvielfalt: Entwickeln Sie für Führungskräfte eigene Formate und Tools, die ihren Bedürfnissen gerecht werden. Ihre Führungskräfte wünschen sich Austausch? Dann ist vielleicht eine drei- oder viermal jährlich stattfindende Netzwerk-Veranstaltung ein guter Weg. Sie möchten, dass Führungskräfte in Ihrem neuen Social Intranet mit gutem Beispiel vorangehen? Dann machen Sie sie zu einem Teil des Pilotuser-Teams. Arbeiten Sie dabei vielleicht mit Mentoren aus der Digital-Native-Generation, die das Tool erläutern und dem Führungsteam immer wieder Rede und Antwort stehen.
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