Buchauszug Teresa Hertwig: „30 Minuten 360° Remote Work“

Buchauszug Teresa Hertwig: „30 Minuten 360° Remote Work“

 

Teresa Hertwig (Foto: Kimberly Jobson)

 

 

Etablierung einer Remote-Work-Kultur

Viele glauben, dass die Einführung von Remote Work in der Krise – was ohnehin fast ausschließlich Homeoffice war – bereits erledigt wurde. Haken dran. Wenn es denn so einfach wäre, dann würden wir wahrscheinlich schon sehr, sehr lange genau so arbeiten. Auf die Schnelle lässt sich das aber nicht beziehungsweise nur kurzfristig realisieren. Und nur, weil es in einer Notsituation funktioniert hat, heißt das noch lange nicht, dass die etablierten Vorgehensweisen bereits ausreichen oder überhaupt zielführend sind.

 

Der Fisch stinkt immer vom Kopf

Die Grundlage ist immer, immer, immer das richtige Mindset der Geschäftsführung. Das Management muss hinter der Einführung von Remote Work stehen. Sonst steht das mobile Arbeiten schon von Anfang an vor dem Aus. Ich erhalte auch Anfragen von Führungskräften und Personalleitungen, ob und wie ich diese dabei unterstützen kann, ihre Geschäftsleitung von Remote Work zu überzeugen. Und ganz ehrlich? Das kann ich weder leisten noch will ich das leisten. Veränderungsbereite Unternehmen hingegen begleite ich mit vollem Einsatz.

 

Dann geht es im zweiten Schritt darum, auch mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn der Chef oder die Chefin weiterhin von Montag bis Freitag zwischen 9 und 18 Uhr im Büro sitzt und zwischen 12 und 13 Uhr Mittagspause macht, werden sich die meisten Mitarbeiter nicht trauen, Flexibilität zu leben.

 

Das richtige Remote-Work-Mindset: Unternehmer sollten sich Zeit nehmen, um ihre Organisationskultur zu reflektieren, und zusammen mit ihren Mitarbeitern und Führungskräften die neue Remote-Work-Kultur entwickeln.

 

An dieser Stelle möchte ich gern aus einer E-Mail an mich zitieren. Der Verfasser schreibt: „Könnten Sie mit uns eine Art overall remote Leitfaden entwickeln, den wir dann ‚auskippen‘?“

 

Wahrscheinlich haben Sie es bereits vermutet. Solche Anfragen lehne ich generell ab. Es gibt keinen One-fits-all-Leitfaden und auskippen kann man ihn schon gar nicht. Und ich prophezeie, dass Remote Work in diesem Unternehmen scheitern wird. Denn eine Remote-Work-Kultur ist viel mehr als ein hübsches PDF mit zehn Punkten zur Remote-Führung und Selbstorganisation. Remote Work ist eine tiefgreifende Veränderung der Arbeitskultur, mit der sowohl eine neue Haltung als auch eine neue Verhaltensweise einhergehen muss. Um das Verständnis dafür zu schärfen und konkrete Handlungsschritte aufzuzeigen, habe ich die drei GetRemote-Phasen entwickelt:

  1. Die Strategiephase
  2. Die Anwendungsphase
  3. Die Vertiefungsphase

 

GetRemote Phase 1 – Die Strategie

In diesem Kapitel möchte ich Ihnen die Strategiephase und meine Herangehensweise aufzeigen, die der Remote-Work-Kultur ein Rahmen setzt.

 

Mit sieben Bausteinen zur Remote-Work-Kultur

Ich habe ja bereits erwähnt, dass zunächst einmal die bestehende Organisationskultur konstruktiv reflektiert werden muss, damit eine neue Remote-Work-Kultur überhaupt nachhaltig und langfristig etabliert werden kann. Dazu muss zunächst der Reifegrad des Unternehmens auf den Prüfstand gestellt werden, um vom jeweiligen Status quo aus die nächsten Schritte definieren zu können. Dafür habe ich das Framework GetRemoteCanvas nach dem Vorbild des Business Model Canvas für einen Strategieworkshop entworfen, das eine ganzheitliche Betrachtung zulässt. Folgende sieben Bausteine werden dabei näher beleuchtet:

  1. Die Vision: To do: Ein gemeinsam getragenes Zielbild entwickeln.
  2. Die Stolpersteine: To do: Probleme und Hindernisse identifizieren.
  3. Die Ressourcen: To do: Relevante Vorarbeiten und benötigte Ressourcen benennen.
  4. Die Zielgruppen: To do: Alle Stakeholder betrachten.
  5. Die Leitplanken: To do: Rahmen für Spielregeln schaffen.
  6. Das Monitoring: To do: Messwerte und Meilensteine definieren.
  7. HR und Kommunikation: To do: Außenkommunikation, Recruiting und Onboarding neu denken.

 

Ich erlebe es immer wieder, dass Unternehmen am liebsten sofort bei Baustein 5 einsteigen und die Leitplanken aufsetzen möchten. Aus Erfahrung weiß ich, dass die erfolgreiche Veränderung nur dann möglich wird, wenn alle sieben Bereiche beleuchtet werden. Erwischen Sie sich auch gerade bei dem Gedanken, den Zeit- und Geldaufwand für diesen Reifegrad-Check lieber sparen zu wollen? Dann sollten Sie sich fragen, wie viel Zeit und Geld Sie unterwegs verlieren, wenn Sie ohne fundierte Basis in Richtung Trial-and-Error-Kultur stolpern. Es droht ein Wildwuchs an Verhaltensweisen und eine Flut von Tools und Einzelabsprachen, die nie das große Ganze im Blick haben.

Bei einem Konzernkunden habe ich zum Beispiel schon erlebt, dass die Bereichsleiter jeweils ganz eigene Regelungen in ihren Abteilungen aufgestellt hatten. Erst durch den Strategietag konnte ein Rahmen geschaffen werden, der eine firmenweite Remote-Work-Kultur überhaupt möglich machte. Definiert jeder in seinem Bereich eigene Strukturen und Regeln, können die mit dem nächsten Führungswechsel gleich wieder verändert werden. Das sorgt mehr für Chaos als für Struktur. Für teaminterne Absprachen gilt es später den Teamkodex zu entwickeln – aber erst dann, wenn die firmenweite Grundstruktur steht.

 

Zoom in Baustein 5: Die Leitplanken

Wie bereits erwähnt ist die Definition der Leitplanken das, was Unternehmen immer möglichst schnell angehen wollen. Deshalb möchte ich diesen Baustein hier näher betrachten. Lassen Sie uns mit einem Beispiel aus meiner Praxis einsteigen, weil es das Dilemma so deutlich aufzeigt:

 

Nachdem die Mitarbeiter eines Kunden aus dem Bereich Bildung sich bereits seit Wochen während des Corona-Lockdowns zu 100 Prozent im Homeoffice bewährt hatten, brachte die Geschäftsführung zu unserem Remote-Work-Strategietag den Vorschlag mit, nach dem Lockdown erst einmal zwei Tage Remote Work pro Monat zu erlauben. Das wäre natürlich ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten gewesen. Hätten wir diese Leitplanke etabliert, hätten wir die Leistung der Mitarbeiter während der Corona-Phase stark geschmälert. Das schafft nicht gerade Vertrauen und zeugt auch nicht von Vertrauen in die Mitarbeiter. Ich möchte dem Unternehmen zugutehalten, dass es aus einer langjährigen Präsenzkultur kommt und dennoch bereit ist, aus dieser Komfortzone in Richtung Remote Work zu gehen – oder besser zu schleichen. Wir haben uns dann auf eine sehr vorsichtige Variante – einen Homeoffice-Tag pro Woche – geeinigt. Mit der Aussicht auf eine Erhöhung auf zwei Tage.

 

Das Beispiel zeigt, dass wir bei der Etablierung von Leitplanken mit Fingerspitzengefühl vorgehen müssen. Übervorsicht stößt schnell die Belegschaft vor den Kopf. Zu schnelles Vorpreschen in unsichere Gefilde hingegen führt schnell zu Überforderung und Unsicherheiten. Denn die Skepsis für die Produktivität im Homeoffice ist vor allem von Unternehmerseite aus immer noch hoch.

 

Erfahrungen aus dem Lockdown: Eine Umfrage des Ifo-Instituts für die Stiftung Familienunternehmen aus dem Oktober 2020 zeigt: „Nur“ knapp sechs Prozent der Unternehmer konnten eine Steigerung der Produktivität ihrer Arbeitnehmer im Homeoffice feststellen. 27 Prozent hingegen sagen, die Produktivität wäre gesunken. Allerdings sind über 30 Prozent der Meinung, es gäbe keine Veränderung. Für die restlichen knapp 37 Prozent war es nicht relevant oder sie wussten es nicht.

 

Medial wurde das Thema häufig so dargestellt, als ob 27 Prozent an Unternehmen mit Produktivitätseinbußen eine Menge wären. Das Gegenteil ist der Fall. Wir sollten die 73 Prozent feiern, die entweder eine Verbesserung oder gleichbleibende Ergebnisse bemerkt haben oder für die das Thema nicht relevant war. Und dabei bedenken, dass die Einführung dieses Lockdown-Homeoffices ohne große Vorbereitung stattfinden musste. Wie positiv hätte sich Remote Work wohl ausgewirkt, wenn die Einführung in Ruhe geplant, begleitet und durchdacht hätte stattfinden können? Dazu haben wir jetzt die Chance.

 

Ich ziele in meinen Workshops darauf ab, dass Unternehmen und Senior Management nur fünf bis sieben Leitplanken als unternehmensweiten Rahmen vorgeben. Es gilt zu klären, was aus Sicht der Leitung wichtig ist, um die Produktivität, Motivation und Verbundenheit im Unternehmen zu sichern. Die Leitplanken sollten aber einen möglichst großen Spielraum lassen und keine kleinteilige Verordnung darstellen, sondern lediglich die Grenzen der Freiheit festlegen. Denn nur, wenn wir Mitarbeitern auch Raum zur Mitgestaltung geben, ist eine Akzeptanz überhaupt möglich. In den einzelnen Teams wird dann mit der jeweiligen Führungskraft ein Teamkodex erstellt, der die vorher festgelegten Leitplanken mit Leben füllt.

 

Was kann über Leitplanken u. a. geregelt werden?

Remote-Work-Anteil:

– Wie viele Tage pro Woche?

– Dürfen die Tage angespart werden oder verfallen sie nach jeder Woche?

– Wie viele gemeinsame Präsenztage vor Ort gibt es für jedes Team?

 

Kommunikation:

– Welche zentrale Kommunikationsplattform wird genutzt? (Reminder: E-Mail-Kommunikation reicht nicht aus!)

 

Erreichbarkeit:

– Wie wird die interne und externe Erreichbarkeit gesichert?

– Meetingkultur:

– Sind Hybrid-Meetings erlaubt oder gilt in Meetings eine „Ist-einer-remote-sind-alle-remote-Mentalität“?

 

In einer Betriebsverordnung dürfen die Regelungen und rechtlichen Aspekte noch ausführlicher dargestellt werden. Auch der Datenschutz sollte hier natürlich seinen Platz finden. Aber: An Gesetzen und am Datenschutz scheitert Remote Work nie, außer das ist gewollt.

Teresa Hartwig: „30 Minuten 360° Remote Work“. Gabal Verlag. 96 Seiten, 9.90 Euro https://www.gabal-verlag.de/buch/30-minuten-360-remote-work/9783967390568

 

 

Das Pyramiden-Prinzip

Ich hatte ja bereits erwähnt, wie wichtig es ist, dass alle Menschen im Unternehmen bei der Einführung einer Remote-Work-Kultur und -struktur mitgenommen werden werden. Das gilt bereits für die Strategiephase, also schon früh in der Planung. Da Unternehmen aber ganz schön groß sein können, schlage ich für Unternehmen ab einer Größe von mehr als 15 Führungskräften folgendes Vorgehen vor, bei denen die angesprochenen Öffentlichkeiten von oben nach unten wie bei einer Pyramide immer größer werden:

 

Schritt 1 – Strategieworkshop I zum Thema „7 Bausteine des GetRemote Canvas“ mit der Geschäftsführung, Personalleitung und dem Senior Management (max. 8 Entscheider).

 

Schritt 2 – Strategieworkshop II mit dem oberen Management, in dem die Ergebnisse aus Schritt 1 vorgestellt und zur Diskussion gestellt werden (max. 12 Teilnehmer).

 

Schritt 3 – Einbindung des Betriebsrats, falls vorhanden, um die Ergebnisse der ersten beiden Strategieworkshops vorzustellen und zu diskutieren. Je nachdem, wie das Verhältnis zum Betriebsrat aussieht, binde ich diesen auch bereits in den Workshop aus Schritt 2 ein. Allein diese Entscheidung, wann der Betriebsrat eingebunden wird, ist ein wichtiger Faktor.

 

Schritt 4 – Die konkrete Festlegung der Leitplanken in Abstimmung mit der Geschäftsführung.

 

Schritt 5 – Webinar für alle Führungskräfte, in dem die endgültigen Leitplanken vorgestellt und Fragen dazu beantwortet werden.

 

Schritt 6 – Entwicklung des Teamkodex in jedem Team, gerahmt von den Leitplanken (max. 12 bis 15 Teilnehmer inklusive Führungskraft).

 

Schritt 7 – Feedback und Anpassungen, wo nötig.

 

Für kleine, meist inhabergeführte Unternehmen reichen die Schritte 1, 5, 6 und 7 aus, also der Strategieworkshop, direkt im Anschluss das Webinar für Führungskräfte, die Festlegung des Teamkodex und dann die Überprüfung in der Praxis.

 

Mit diesem Vorgehen lässt sich sicherstellen, dass die gesamte Führungsebene bereits in der Strategiephase mitgenommen wird. Das geschieht übrigens nicht nur zum Zweck des Mitnehmens um des Mitnehmens Willen. Auf jeder Ebene werden neue Aspekte eingebracht, die in der Erstellung der Leitplanken bedacht werden sollten. Es ist aber nicht sinnvoll, mit der kompletten Führungsmannschaft auf einmal zu diskutieren. Wir brauchen also das Wissen und den Input von allen, sollten diese Aspekte aber schrittweise hinzunehmen.

 

Kontrolle ade? Remote Leadership

Ein wichtiger Satz vorweg, den ich mit größter Überzeugung und aus eigener Erfahrung sage: Wer Angst hat, seine Mitarbeiter im Homeoffice nicht mehr kontrollieren zu können, der führt grundsätzlich falsch. Reine Anwesenheit war noch nie ein guter Gradmesser weder für die Arbeitsquantität noch für die -qualität. Trotzdem ist es menschlich, beim Übergang von einer Präsenzkultur zu einer Remote-Work-Kultur einen Kontrollverlust zu spüren.

 

Führungskräfte haben über Jahrzehnte gelernt, über Anwesenheit und Kontrolle zu führen. Und zack, auf einmal fehlt ihnen die Wahrnehmung über einen wichtigen menschlichen Sinn – das Sehen. Für Manager bedeutet die Einführung von Remote Work sogar eine doppelte Herausforderung: Sie müssen lernen, sich selbst außerhalb des Büros zu organisieren, und gleichzeitig die Produktivität und den Zusammenhalt im Team weiterhin gewährleisten.

 

Die einen meinen, ohne Kontrolle geht es nicht, die anderen verteufeln jeden, der dieses Wort nur in den Mund nimmt. Ja, Kontrolle ist wichtig – aber bitte die Kontrolle von Ergebnissen und nicht von Menschen! Über dieses Thema könnte ich schon allein ein ganzes Buch füllen. Mein Schnellrezept für ergebnisorientiertes Führen ohne die gute alte Kontrolle:

 

  • Rahmenbedingungen setzen,
  • Ziele definieren,
  • sich unter Beteiligung des Mitarbeiters auf das gewünschte Ergebnis einigen,
  • vertrauen,
  • loslassen,
  • begleiten.

 

Wer hier tiefer einsteigen möchte, dem empfehle ich, sich näher mit dem OKR (Objectives and Key Results) Leadership Framework auseinandersetzen.

 

So gelingt Führen auf räumliche Distanz

Mit der Einführung einer Remote-Work-Kultur in Ihrem Unternehmen müssen Sie Ihren Führungsstil überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Mein 10-Punkte-Plan für erfolgreiches Führen auf räumliche Distanz hilft Ihnen dabei:

 

  1. Seien Sie bei Angst vor Kontrollverlust nachsichtig mit sich selbst.

Ihre anfängliche Angst ist menschlich. Mit einer neuen Struktur für das Remote Führen können Sie dieser Angst entgegenwirken.

 

  1. Klären Sie die Erwartungen mit Ihrem Team.

Nur wenn ein Konsens über die Erwartungen der Zusammenarbeit besteht, kann Remote Work funktionieren.

 

  1. Unterstützen Sie Ihre Mitarbeiter mit Hilfe zur Selbsthilfe.

Manche Mitarbeiter sind zunächst mit der neuen Art der Selbstorganisation überfordert und brauchen Unterstützung – entweder von einem externen Profi oder von Ihnen, wenn Sie das Thema bereits im Griff haben.

 

  1. Nehmen Sie sich Zeit für Führung und setzen Sie Ihren Mitarbeitern Ziele.

Achten Sie darauf, dass Ihre Führungsaufgaben nicht wegen eines Bergs an operativen Aufgaben untergehen. Falls diese Gefahr besteht, delegieren Sie das Operative. Auch bei Remote Work können Sie anhand sinnvoll definierter Tages- und Wochenziele die Leistung Ihrer Mitarbeiter messen und nachhalten. So verschwindet der gefühlte Kontrollverlust meist schnell wieder. Vergessen Sie aber nicht, auch wertschätzendes Feedback zu geben und anzunehmen.

 

  1. Führen Sie Video-Meetings ein.

Sich nicht mehr täglich zu sehen, kann für viele Mitarbeiter ungewohnt sein. Das führt häufig zu einem Gefühl fehlender Nähe, weil die Kommunikation nun ohne Mimik und Gestik stattfindet. Deshalb sind Video-Meetings unerlässlich, das gilt für Einzel- ebenso wie für Team-Meetings.

 

  1. Nutzen Sie die richtigen Remote-Work-Tools.

Wie bereits mehrfach erwähnt, sind E-Mails kein geeignetes Remote-Work-Tools – schon gar nicht, wenn es um kreative Prozesse geht. Dafür gibt es Kollaborationstools, virtuelle Whiteboards oder auch Post-it-Boards, die Abstimmungen und Themensammlungen erleichtern.

 

  1. Etablieren Sie eine Tool-Etikette.

Verhaltensregeln für den Umgang mit Tools gehören in den Teamkodex. Dort festgehalten, weiß jeder Mitarbeiter, wann er welches Tool wie nutzen soll.

 

  1. Stellen Sie bewusst soziale Interaktionen her.

In meinen Workshops beklagen Teilnehmer immer wieder fehlenden sozialen Austausch. Deshalb zählt es auch zu den Aufgaben einer Führungskraft, proaktiv für Kommunikation und Interaktion zu sorgen. Wie das geht, erfahren Sie in Kapitel 3.2.

 

  1. Fördern und fordern Sie Vertrauen.

Gegenseitiges Vertrauen ist gerade in einem Remote-Work-Umfeld essenziell – ein harter Faktor.

 

  1. Lassen Sie keine Zweiklassengesellschaft entstehen.

Weil nicht jeder Mitarbeiter Remote Work umsetzen will, sollten Führungskräfte darauf achten, dass keine zwei Lager entstehen. Das Ziel: Schaffung einer Kultur und Struktur der Zusammenarbeit, bei der es ganz egal ist, wo gearbeitet wird – im Büro, im Homeoffice oder auch sonst irgendwo auf der Welt.

 

Sich Zeit nehmen

Punkt 4 aus dieser Liste – Nehmen Sie sich Zeit für Führung – möchte ich noch einmal ganz bewusst aufgreifen, weil er ein besonderes Augenmerk erfordert. Deshalb halten Sie doch bitte an dieser Stelle einmal inne und fragen Sie sich.

 

– als Geschäftsführer: Gestehe ich meinen Führungskräften ausreichend Zeit zu, um ihrer Führungsaufgabe wirklich gerecht zu werden, oder überlaste ich sie mit einem Berg an operativen Aufgaben? – Ermögliche und fördere ich wirklich Führungskräfte?

 

– als Führungskraft: Widme ich mich meiner Hauptaufgabe, dem Führen und Befähigen meines Teams, genügend Zeit oder finde ich mich oft in Micro-Management oder sogar der eigenen Ausführung der Aufgaben wieder? – Bin ich wirklich eine Führungskraft?

 

– als Mitarbeiter: Erhalte ich von meiner Führungskraft ausreichend Unterstützung und Orientierung? – Habe ich wirklich eine Führungskraft?

 

Diese Fragen treffen – nicht nur im Remote Work – einen wunden Punkt und sollten unabhängig vom Arbeitsort und der Arbeitskultur stets mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden. Remote Work macht jede Diskrepanz deutlich sichtbar. Eine womöglich schon länger bestehende Führungslücke offenbart sich mit der Einführung von Remote Work schmerzhaft und unmissverständlich. Ich möchte Sie aber auf keinen Fall demotivieren, im Gegenteil. Sehen Sie es als Gelegenheit, den Führungsstil Ihres Unternehmens zu hinterfragen, zu optimieren und anzupassen.

 

Remote Leadership funktioniert nie allein

Remote Leadership bedeutet vor allem eins: Führung funktioniert nicht mehr ausschließlich top-down. Mitarbeiter und ihr Wissen müssen in den Change-Prozess eingebunden werden, denn sie wissen mit am besten um ihre Anforderungen im Tagesgeschäft. Als Führungskraft sollten Sie sich auch trauen zu sagen: „Für mich ist das auch neu, lasst uns gemeinsam einen guten Weg für unsere Zusammenarbeit über räumliche Distanz finden.“ Sie müssen als Führungskraft nicht alles wissen und können es vor allem auch gar nicht.

 

An diesem Punkt befand ich mich als agenturleitende Führungskraft selbst schon. Ich wusste, ich will die Veränderung. Aber ich wusste auch, dass die Einführung von Remote Work eine Organisationsentwicklung anstoßen würde, die mehr bedarf als die reine Führungserfahrung. Deshalb habe ich nebenberuflich eine Ausbildung zum Change Manager und Teamentwickler gemacht. Das erlaubte mir, die Transformation hin zur Remote-Work-Kultur wirklich fundiert begleiten zu können. In dieser Zeit habe ich die beiden Formate des GetRemote Canvas und den Teamkodex entwickelt und sie seitdem immer weiter optimiert. Keine Angst, ich möchte Sie jetzt nicht in eine Ausbildung schicken. Dafür halten Sie ja gerade dieses Buch in der Hand. Denn alles Wissen, das Sie benötigen, steckt nicht in einer Zusatzausbildung. Es steckt bereits in Ihrem Unternehmen und Ihren Mitarbeitern. Sie müssen diesen Schatz nur bergen und mit ihm arbeiten können. Dabei sollen ihnen die folgenden Kapitel helfen.

 

Feedback geben: An dieser Stelle möchte ich das Thema wertschätzendes Feedback aufgreifen. Auch dieser Bereich ist keineswegs eine Einbahnstraße. Selbstverständlich sollten Sie als Führungskraft Ihren Mitarbeitern regelmäßig Feedback geben. Aber noch viel wichtiger ist es, dass Sie auch um Feedback von Ihren Mitarbeitern bitten und es auch annehmen. Sie bewegen sich alle auf neuem Terrain und wachsen miteinander. Um die Feedbackkultur anzupassen, können Sie die im Kapitel 3 dieses Buches besprochenen Formate Teamkodex Retrospektive und Remote Leadership Circle verwenden. Aber auch im Tagesgeschäft darf wertschätzendes Feedback mit den einzelnen Mitarbeitern integriert und gepflegt werden.

 

Damit Remote Work gelingt, brauchen wir – neben dem Einsatz der richtigen Tools und stetiger Kommunikation über sinnvolle Wege – viel Vertrauen und klare Regeln sowie ein neues Verständnis von Führung. Denn Remote Leadership benötigt nicht Kontrolle, sondern Zusammenarbeit und stetiges voneinander Lernen. Wir sitzen alle in einem Boot und schippern durch unbekannte Gewässer. Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass wir dort ankommen, wo wir wirklich hinwollen, und nicht auf halber Strecke umkehren oder unterzugehen drohen.

 

 

 

 

 

 

 

 

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