Ein Teller Moussaka mit Patentrechtlerin Julia Schönbohm von Linklaters, für die Entscheidungsprozesse Zeitfresser sind

 

„Wollen Sie einen Tomatensaft?“

Super politisch korrekt, aber intolerant, so sieht unsere Gesellschaft aus, monierte Julia Schönbohm, als wir uns vor dem zweiten Lockdown zum Lunch trafen. Und sie hat auch gleich ein Beispiel parat: Morgens auf dem Weg zur Kanzlei Linklaters in Frankfurt, wo sie als Anwältin arbeitet, passierte ihr dieser verbale Schlagabtausch: Sie stand an der Ampel, die Fensterscheibe heruntergekurbelt, als eine Frau vom Beifahrersitz des BMW-Kombis neben ihr unvermittelt losschimpfte „Machen Sie ihr Fenster zu, sie sind weniger als 1,20 Meter Mindestabstand entfernt“. Schönbohm parierte: „Machen Sie sie doch zu.“ Die verblüffende Antwort der aggressiven Beifahrerin kam prompt: „Nein, ich war eher hier.“

 

Julia Schönbohm (Foto: C.Tödtmann)

 

Wäre die Ampel nicht in dem Moment auf Grün umgesprungen, wäre die Patentrechtlerin der Frau im Nachbarauto sicher keine Antwort schuldig geblieben. Denn schlagfertig ist sie. So wie sie dem Headhunter einen mitgab, der sie vor sieben Jahren, abwerben wollte. Damals war sie noch bei DLA Piper und nicht an einem Treffen interessiert, erinnert sich die Juristin grinsend. Denn bei DLA wurde sie schon mit 34 Jahren zur Partnerin befördert – was wohl extrem selten ist.

Doch sie erkannte den Namen des Headhunters wieder und wusste, dass sie mit ihm noch eine Rechnung offen hatte. Als sie noch Studentin war, war er ihr Repetitor. Bei ihm hatte sie einen Studentenjob und der Mann war ihr mal dumm gekommen: Ob sie nicht lieber Stewardess werden wolle, hatte er sie ernsthaft gefragt. Das hat sie ihm nie vergessen – und das allein war der Grund, warum sie ihn traf. Und so fiel denn auch Schönbohms Begrüßungsfrage beim Wiedertreffen – in den veränderten Rollen – aus: „Wollen Sie einen Tomatensaft?“

 

„Kein Patentrechtler freut sich auf seinen Ruhestand“

Ins Gespräch kamen sie dann aber doch, der angebotene Job gefiel ihr. Und dann wechselte sie tatsächlich zu Linklaters. Schönbohms Domäne sind Patente der Unternehmen, „die ungehobenen Schätze“, wie sie sagt. Ihre Kunden kommen vor allem aus der Pharmaindustrie. Ihren Job liebt sie, ganz offensichtlich: Sie schwärmt von den schlauen Leuten in der Industrie, mit denen sie zu tun hat. Und dass sich die Inhalte nie wiederholen. Dass es spannend sei, so nah dran zu sein an den Entwicklungen der Pharmaindustrie. So gehe es nicht nur ihr: Kein Patentrechtler freue sich auf seinen Ruhestand. Auch ihr Mentor, Jürgen Kicker bei Clifford Chance, arbeitete bis zu seinem Tod mit 82 Jahren. Auf ihn traf sie in Frankfurt bei ihrem ersten Anwaltsjob und er war es, der früh an sie und ihr Talent glaubte und sie gleich in große, wichtige Mandate von Firmen wie Ferrero gegen die Fifa hereinholte.

 

Als Anwalt ist man aber nur gut, wenn die Zusammenarbeit mit dem Mandanten klappt, sagt sie. So wie bei dem Mandanten aus Korea: „Julia, Sie sind von 50 Anwälten die einzige Frau und die einzige, die meine Gedanken lesen kann“, sagte ihr Mandant schon mal zu ihr. Aber Koreaner seien eben emotional, sie gelten als die Italiener Asiens.

 

„Dann beauftragen Sie eine andere Kanzlei“

Auch wenn es nicht immer so reibungslos läuft und insbesondere dann nicht, wenn sie mit extrem hierarchisch orientierten Ansprechpartnern bei ihren Mandanten zu tun hat. Bei denen man kein Gehör finde, wenn man nicht ihrer Meinung sei. So erinnert sie sich gut an einen unangenehmen Unternehmensjuristen, der ihr vorschreiben wollte, wann sie welche einstweilige Verfügung zu beantragen habe und welche Strategie sie fahren solle. Schönbohm war es zu riskant, hätte die Strategie nicht geklappt, wäre sie schuld gewesen und hätte obendrein die Haftungsrisiken am Hals gehabt.

 

Schönbohm ging in die Offensive: Damit solle er eine andere Kanzlei beauftragen, konterte sie. Sie habe ihr Know how und wisse, wie´s geht. Schließlich werde sie ja auch wegen ihrer Expertise beauftragt. Das sass. Doch der Mann eckte offenbar nicht nur bei seiner Anwältin, sondern auch bei seinem Arbeitgeber an. Sechs Monate später war den Chefjurist nicht mehr auf seinem Posten.

 

Immerhin hat sie einiges erlebt, so war sie auch bei den Terror-Attentaten des 11. September 2001 in New York mittenmang dabei. Als es geschah, sass sie zehn Minuten vor neun Uhr morgens in der Universitätsbibliothek in der Nähe des Central-Parks. In einem Raum ohne einen Ausblick nach draussen, weiss sie noch genau. Plötzlich brachen die Datennetzwerke zusammen, um 9.30 Uhr kam die Durchsage über den Lautsprecher, dass alle Kurse ausfielen. Vier Kilometer lief sie zu Fuß nach Hause. Noch heute erinnert sie sich daran, wie leise die Stadt plötzlich war. An den Geruch von verbranntem Gummi, der die nächsten acht Tagen anhielt. Keine Touristen waren mehr in den Strassen, die Supermärkte waren leer gekauft. Die gesamte Post wurde auf biologische Giftstoffe gecheckt. Aus Angst vor Bio-Waffen wie Anthrax in den Lüftungssystemen der U-Bahn nahm sie wie alle anderen New Yorker auch in den nächsten Tagen nur den Bus.

 

Viele hadern viel zu lange

Was sie gelernt hat in all den Jahren: Entscheidungsprozesse sind Zeitfresser. „Ich bin ein Schnellentscheider“, sagt Schönbohm selbstbewusst. Viele würden zu lange hadern und das sei am Ende auch karriereschädlich.

Der beste Rat, den die gebürtige Kasselerin in ihrem Leben bekam? Den erhielt sie von einer erfahrenen Branchenkollegin. Der Rat ist auch mir sehr vertraut und gilt eigentlich für alle Frauen. Ich bekam ihn von einer erfahrenen Redakteurin aus der Modejournaille:  Als Frau solle man niemals auf 80 Prozent Arbeitszeit runter gehen, denn dann arbeitet man – besser gesagt frau – sowieso 100 Prozent weiter. Nur eben für weniger Geld. Sie hielt sich dran, auch mit zwei Kindern hat sie ihrer Karriere nie abgeschworen. Ich übrigens auch nicht.

Und wir beide mögen das Bonmot der längst verstorbenen Volksschauspielerin Heidi Kabel: Wirkliche Gleichberechtigung haben die Frauen erst dann erreicht, wenn es wirklich unfähige Frauen in den Führungsetagen gibt.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

Julia Schönbohm bestellte sich im Kytaro in Düsseldorf Moussaka (Foto: C.Tödtmann)

 

 

 

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