Buchauszug: „Fail good. Die Kunst des Scheiterns“
Beat Destiny: Stärker als jeder Rückschlag
Chelsea Werner wurde mit einer zusätzlichen Kopie des Chromosoms 21 geboren. Uns bekannt unter dem Downsyndrom. Ein differenzierter Grad an Lernbehinderung und physiognomische Merkmale wie ein geringeres Geburtsgewicht, nach oben geneigte Augen, ein kleiner Mund und schwach entwickelte Muskeln – um nur ein paar Auswirkungen der Krankheit zu nennen. Niemand dachte, dass sie viel erreichen wird. Die Ärzte sagten ihren Eltern, dass sie viel durchmachen und das Leben für Chelsea sehr hart werden wird. Auch, dass Sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme bei den einfachsten Dingen scheitern werde. Bis sie zwei Jahre alt war, war sie nicht in der Lage zu laufen. Dass sie athletische Fähigkeiten haben könnte, glaubte niemand.
Mit acht Jahren probierte sie die Special Olympics Gymnastics aus. Special Olympics ist die weltweit größte, vom olympischen Komitee offiziell anerkannte, Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Für Chelsea war rhythmische Sportgymnastik Liebe auf den ersten Blick. Allerdings waren ihre Muskeln, aufgrund ihrer Krankheit, nicht sehr stark und es war schwierig für sie, die einfachsten Übungen zu turnen. Aber sie kämpfte – und wie.
Ihr Durchhaltevermögen war beeindruckend. Sie trainierte hart dafür, die einfachsten Bewegungen zu lernen. Wofür andere Turnerinnen nur ein paar Monate brauchten, benötigte Chelsea bis zu einem Jahr. Jedes Mal, wenn sie hinfiel, stand sie wieder auf. Ihre Eltern haben ihr Talent bemerkt und suchten eine Trainerin, die sie in Dawn Pombo fanden. Pombo sah über die Vorurteile und die Einschränkungen von Chelsea hinweg und forderte sie immer weiter heraus. Als sich die harte Arbeit von Chelsea endlich auszuzahlen schien, beendete Northern Carolina Special Olympics das Gymnastik-Programm. Für Chelsea gab es keine Möglichkeit mehr ihren so geliebten Sport auszuüben.
Alle gaben auf, nur Chelsea nicht. Ihre Familie entschied, sie in einem regulären Gymnastik-Team anzumelden. Regulär heißt, in einem Team für Menschen ohne geistige oder körperliche Einschränkungen. Sie klapperten alle umliegenden Turnhallen in der Nähe ab, aber niemand glaubte daran, dass sie jemals gut genug wäre, um an Wettkämpfen teilzunehmen. Dann hatte Trainerin Dawn die entscheidende Idee: Sie würde einfach selbst ein Team trainieren, damit Chelsea dort mitmachen kann, was Dawn auch in die Tat umsetzte. Somit durfte Chelsea an regulären Wettkämpfen teilnehmen.
Die Jury war sehr hart. Sie landete fast immer auf dem letzten Rang. Erst 2010 sollte sich ihre Hingabe und ihr Durchhaltevermögen auszahlen. Sie durfte bei den ersten National Special Championships teilnehmen. Nach Jahren des Trainings und der Rückschläge, war sie bereit, zu zeigen, was in ihr steckt. Sie gewann die National Championships. Nicht nur das, sie verteidigte den Titel die folgenden drei Jahre. Chelsea durfte sogar die USA bei zwei Weltmeisterschaften repräsentieren – und kam mit zwei Goldmedaillen nach Hause.
Aber auch das reichte ihr nicht. Der Modekonzern H&M kontaktierte sie, um eine Kampagne mit ihr zu machen. Nach dieser Erfahrung wollte sie unbedingt modeln. Sie stellte sich bei einigen Modelagenturen vor, aber ihr wurde nur gesagt, dass es keinen Markt für Models mit Downsyndrom gebe. Chelsea war das egal, auch das konnte sie nicht aufhalten. Sie suchte weiter und wurde von „We Speak“ unter Vertrag genommen, einer Modelagentur, die echte und gesunde Models aller Größen und Formen repräsentiert. Mittlerweile lief sie auf der New York Fashion Week, eine der wichtigsten und meistbeachteten Modeveranstaltungen dieser Art weltweit. Neben London, Paris und Mailand zählt sie zu den bedeutendsten Modewochen der Welt. Darüber hinaus zierte sie das Cover des Printmagazins „Teen Vogue“. Ihre Botschaft: Der Welt zeigen, dass alles möglich ist, wenn man nur hart genug dafür kämpft und niemals aufgibt.
Never give up: Sieger geben nicht auf
Alles läuft nach Plan. Keine Schwierigkeiten, keine Probleme, keine Herausforderungen. Unter diesen Bedingungen würde sich so gut wie jeder auf den Weg machen, seine Ziele zu erreichen. Nachvollziehbar, denn es ist alles einfach. Leider sind das Laborbedingungen, die mit der Realität nichts zu tun haben. Diese sieht nämlich ganz anders: Je größer unsere Ziele, je größer die Steine, die uns in den Weg gelegt werden. Kommen die ersten Hürden, geben viele Menschen auf.
Wir können viel über das ganze Thema Erfolg lesen. Wir erhalten sofort umsetzbare Erfolgstipps, mit denen uns versprochen wird, unsere persönlichen Ziele schnellstmöglich zu erreichen. Ein Punkt wird aber leider nur sehr selten angesprochen, nämlich dass es nur eine Straße zum Erfolg gibt. Und diese Straße führt durch das Tal der Tränen. Die meisten Menschen wollen diese Straße weder nehmen noch das Tal durchqueren. Andere kehren irgendwann wieder um und geben auf, ohne zu wissen, wie knapp sie vor dem Ziel standen. Wiederum andere versuchen Abkürzungen zu nehmen oder das Tal der Tränen zu umfahren, aber auch das endet letztlich nur im Scheitern.
Wer nicht bereit ist, das Tal der Tränen zu durchqueren, der hat auch den Erfolg nicht verdient. Denn der Weg zum Erfolg führt eben nun einmal nur durch dieses Tal. Es gibt weder einen Umweg noch eine Abkürzung noch einen Schnellzug, den wir nehmen können. Wir müssen uns im Prinzip nur eine Frage stellen: Wie viel Schmerz sind wir auf Ihrem Weg zum Erfolg bereit einzustecken?
Markus Czerner „Fail good. Die Kunst des Scheiterns“: 204 Seiten, 9,95 Euro, Business Village Verlag. https://www.businessvillage.de/FAIL-GOOD/eb-1083.html
Der Loser, der Gescheiterte und der Sieger
Die meisten Menschen geben zu früh auf. Ich sehe es immer wieder, wenn ich einen Marathon laufe, zuletzt beim Frankfurt Marathon. Hier gibt es drei Wettkampftypen. Typ eins ist der Loser. Er ist schlecht vorbereitet, geht aber mit der Einstellung „schaffe ich schon irgendwie“ an den Start, ohne sich im Vorfeld nur einmal Gedanken darüber zu machen, welche Möglichkeiten er schaffen muss, um ins Ziel zu kommen. Er beschäftigt sich auch nicht mit der Frage, was auf den 42,195 Kilometern auf ihn zukommen könnte. Über den Typen möchte ich mit ihnen gar nicht näher reden. Den finden Sie bei Kilometer 15 schon mit Krämpfen am Boden liegend und jammernd, wie unfair alles ist und wie viel Pech er doch hat.
Reden wir lieber über Wettkampftyp zwei und drei, den Gescheiterten und den Sieger. Beide sind top vorbereitet. Beide laufen bis Kilometer 30 ohne Probleme in ihrem Wohlfühlbereich, was jeder gut vorbereitete Marathonläufer macht. In der Vorbereitung laufen Sie maximal 33 Kilometer, weil sonst die Regenerationszeiten zu lang werden. Nach einem Marathon sollte man für jeden Rennkilometer einen Tag Regeneration einkalkulieren – nur, um einmal die körperliche Belastung darzustellen. Bedeutet, Sie sind auf 33 Kilometer trainiert, die letzten neun Kilometer laufen Sie über Ihrem Leistungsvermögen, durch das Tal der Tränen. Genau dann müssen Sie aus Ihrer Komfortzone raus, denn eines ist bei einem Marathon klar: Egal, wie gut Sie vorbereitet sind, irgendwann kommen die Schmerzen. Unerträgliche Schmerzen. Schmerzen, die mit jedem Schritt schlimmer werden. Bis der berühmt-berüchtigte Mann mit dem Hammer kommt – und der Mann mit dem Hammer kommt.
Wir gehen 90 Prozent des Weges, um dann aufzugeben
Sie können nicht mehr. Bei Kilometer 37,5 erscheint es Ihnen unmöglich, ins Ziel zu kommen. Und dann kommen die Fragen: „Was mache ich hier eigentlich?“ „Warum ist es mir so wichtig, ins Ziel zu kommen?“ Alles Fragen, die Sie sich in so einem Wettkampf nicht stellen möchten. Ihr Kopf hat nur noch eine Message für Sie: „Stehenbleiben!“ Typ zwei macht genau das, er bleibt stehen und hört auf zu laufen. Er kann nicht mehr, es ist einfach zu hart, die Schmerzen sind zu stark und der Kopf zu überzeugend. Das sind die Läufer, die fünf Kilometer vor dem Ziel völlig enttäuscht und niedergeschlagen dasitzen und nicht ins Ziel kommen. Das müssen Sie sich einmal vor Augen halten: Da läuft jemand 37 Kilometer, um dann fünf Kilometer vor dem Ziel aufzugeben.
„Wenn Du heute aufgibst, wirst Du nie erfahren, ob Du es morgen geschafft hättest.“
Typ drei hat genau die gleichen Probleme und Gedanken wie Typ zwei. Er kann nicht mehr. Sein Kopf sagt nur noch: „Anhalten! Aufgeben! Es geht nicht mehr!“ Aber er läuft weiter. Er macht einfach weiter. Er hat den absoluten Willen ins Ziel zu kommen. Er ist bereit, über die Schmerzgrenze hinaus zu gehen, sich zu quälen und weiterzulaufen wo andere aufgeben. Vielleicht hält er kurz an, um einen Wadenkrampf zu lösen. Vielleicht geht er auch für einen kleinen Moment, um irgendwie wieder zu Kräften zu kommen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er weiter macht, bis er im Ziel ist.
Das ganze Leben ist ein Marathon
Erfolg findet außerhalb der Komfortzone statt. Vielleicht denken Sie jetzt, „ist ja alles schön und gut, aber warum muss ich hier etwas von einem Marathon lesen?“ Für mich persönlich hat er eine tiefe Bedeutung, denn das ganze Leben ist ein Marathon. Die ersten Schritte fallen Ihnen noch leicht. Sie glauben, nichts kann Sie aufhalten. Aber dann kommen die Schmerzen. Sie merken, wie Ihre Kräfte schwinden. Meter für Meter. Schritt für Schritt. Sie glauben, Sie können nicht mehr, aber Sie laufen einfach weiter, bis zur totalen Erschöpfung – und am Ende steht der Sieg.
„Der Zeitpunkt, an dem alle anderen anfangen aufzugeben, ist der Zeitpunkt, an dem Sie zeigen müssen, was in Ihnen steckt.“
Mir persönlich hat der Marathon eines gezeigt: Wir können immer einen Schritt vor den anderen setzen, egal wie schwer es ist oder zu sein scheint. Am Ende wartet das Ziel, das ist gewiss. Das gilt für alle Bereiche unseres Lebens. Dabei ist es auch egal, in welcher Zeit Sie ins Ziel kommen. Es zählt nur, dass Sie ins Ziel kommen. Für wahren, nachhaltigen Erfolg müssen wir uns anstrengen. Vielmehr noch, meistens müssen wir uns völlig verausgaben, alles aus uns herausholen und weit über unsere Grenzen gehen. So wie diese drei Typen den Marathon laufen, leben sie ihr Leben.
Der Loser wird nie etwas in seinem Leben erreichen, weil er sich nicht vorbereitet und keine Lust hat, sich weiterzuentwickeln. Er will viel machen, ohne den nötigen Weg dorthin gehen zu wollen. Das endet im Frust über das Leben und das ständige Nicht-Erreichen seiner Ziele. Leider fehlt auch die Selbsterkenntnis, daran etwas zu ändern. Große Klappe, nichts dahinter – solche Menschen meine ich damit.
Der Gescheiterte ist derjenige, der in seinem Leben viel anfängt, aber nie etwas zu Ende bringt. Er macht sich auf den Weg, geht ihn aber nicht zu Ende. Sobald die ersten Hürden und Schwierigkeiten kommen, bricht er ihn ab. Er lebt ein Leben innerhalb seiner selbst geschaffenen Komfortzone. Da ist nichts gegen einzuwenden, es ist nur langweilig. Irgendwann muss er sich dann mit der Frage auseinandersetzen, was gewesen wäre, wenn er sich mehr angestrengt und seine Ziele konsequent verfolgt hätte.
Der Sieger ist extrem leidensfähig, Rückschläge werfen ihn nicht aus der Bahn
Der Sieger nutzt sein Leben, um sich zu verwirklichen. Er hat große Ziele und scheut kein Risiko, sich auf den Weg zu machen, diese zu erreichen – die meisten davon wird er auch erreichen. Er ist in der Lage sich zu quälen, er ist extrem leidensfähig, nimmt Herausforderungen an und geht über die Schmerzgrenze hinaus. Niederlagen und Rückschläge werfen ihn nicht aus der Bahn, ganz im Gegenteil, er nutzt sie. Sollte er ein Ziel mal nicht erreichen, was mit Sicherheit so sein wird, wird er dennoch immer sein absolut Bestes gegeben haben. Aufgeben ist für ihn keine Option. Er kämpft immer weiter, bis zum Ende. Ob er seine Ziele erreicht oder nicht, er wird stets alles versucht haben und muss sich nie etwas vorwerfen.
Wer von diesen Typen wollen Sie sein?
Wollen Sie Ihre Ziele im Leben erreichen, brauchen Sie die Wadenbeißer-Mentalität. Machen Sie immer weiter, egal wie schwer es auch sein mag – es lohnt sich. Eines möchte ich Ihnen noch mit auf den Weg geben: Der Moment, in dem Sie kurz davor sind aufzugeben, ist ganz oft der Moment, bevor ein Wunder passiert. Wenn Sie beim Marathon bei Kilometer 40 in die Zuschauermenge reinlaufen, die Menschen am Seitenrand jubeln und ihren Namen schreien, Sie ihre Familie in der Menge stehen sehen, gibt Ihnen das auf einmal so einen Schub, dass Sie ins Ziel getragen werden.
Ausdauer schlägt Talent
Wer durchhält, sich nicht unterkriegen lässt und ausdauernd bleibt, erreicht am Ende seine Ziele mit einer höheren Wahrscheinlichkeit. Nur ist Ausdauer eine Tugend, die mehr und mehr vom Aussterben bedroht ist. Alles muss schnell gehen und Ergebnisse müssen sofort sichtbar sein. Viele Marathon-Läufer rennen mit Ertönen des Startschusses wie von der Tarantel gestochen los. Sie quetschen sich an der Masse vorbei und wollen sich einen Vorsprung erarbeiten. Das schaffen sie auf den ersten Kilometern auch, nur bringt dieser Vorsprung ohne die nötige Ausdauer auf lange Sicht nichts. Die Kräfte schwinden, die Herausforderungen wachsen mit jedem Kilometer und man kann das Tempo nicht mehr halten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man von den ausdauernden Läufern, die langsamer gestartet sind, überholt wird. Da spielt es auch keine Rolle mehr, wie schnell man gestartet ist.
Karriere machen die Ausdauerndsten
Ein Bild, dass sich durchaus in die Berufswelt übertragen lässt. So sind es in der Regel nicht die Talentiertesten, die Karriere machen, sondern die Ausdauerndsten. Talent alleine ist keine Garantie für eine steile Karriere. Auch talentierte Menschen können auf der Strecke bleiben. Wer allerdings Ausdauer mitbringt, ist in der Lage Hindernisse und Rückschläge zu überwinden, bis er das Ziel erreicht hat. Talent ist ein kurzfristiger Nutzen, Ausdauer ein langfristiger.
Auf den ersten Blick wirkt Ausdauer langweilig und nicht wie ein Triumph. Alles, was schnell geht, finden wir toll. Von null auf hundert in Rekordgeschwindigkeit. Das fasziniert viele Menschen. Unternehmen, die in Rekordzeit wachsen. Mitarbeiter, die quasi über Nacht vom Auszubildenden zum Chef aufsteigen. Start-ups, die durch die Decke gehen und in den ersten Jahren mit Millionen Umsätzen auftrumpfen.
Warum erfreuen sich TV-Shows wie „Das Supertalent“ oder „The Voice of Germany“ so großer Beliebtheit? Wir lieben es, wenn jemand von nebenan, jemand wie Sie und ich, von jetzt auf gleich durchstartet und zu einem Superstar wird. Das Problem ist die Nachhaltigkeit. Schauen Sie sich die Gewinner dieser Shows der letzten Jahre einmal an, die meisten hatten in den ersten Monaten großen Erfolg, der sich dann aber nach und nach wieder eingestellt hat. Von den meisten Gewinnern hören Sie gar nichts mehr. Wer sich seinen Weg mit der nötigen Ausdauer erarbeitet, der hat oftmals langfristig etwas davon.
Auf den zweiten Blick bringt Ausdauer entscheidende Vorteile mit. Wer Ausdauer hat, lässt sich nicht unterkriegen und knickt nicht bei den ersten Schwierigkeiten ein. Man kämpft sich durch und macht weiter, wo andere aufhören. Jedes Hindernis wird überwunden. Ausdauernde Menschen haben ein hohes Maß an Geduld. Sie können auf den Erfolg warten. Nicht nur das, sie sind in der Lage einen zeitnahen Nutzen auszuschlagen und zu verzichten, um langfristig etwas noch viel Größeres zu haben (Warkentin, 2019).
Der Marshmallow-Test
Walter Mischel und sein Team boten zwischen 1968 und 1974 vierjährigen Kindern in einem Experiment ein Marshmallow an. Ein zweites Stück lag in Sichtweite. Die Aufgabe bestand darin, so lange zu warten und das Marshmallow nicht zu essen, bis die Leitern des Experiments wieder zurückkommt. Wer das schaffte, bekam als Belohnung auch das zweite Marshmallow. Wer die Süßigkeit sofort gegessen hat, erhielt keine Belohnung. Einigen Kindern gelang dieser sogenannte „Belohnungsaufschub“, andere hingegen haben das Marshmallow sofort gegessen.
Das Experiment von Mischels zeigt, wie bedeutsam die „Impulskontrolle und das Aufschieben-Könnens von Selbstbelohnungen für akademischen, emotionalen und sozialen Erfolg ist“ (Stangl, 2019). Es ist die Fähigkeit, für die Erreichung langfristiger Ziele kurzfristig auf etwas Verlockendes zu verzichten.
Die Kinder sind dreizehn Jahre später ein weiteres Mal eingeladen worden. Dabei gab es erstaunliche Ergebnisse: Die damals Vierjährigen, die auf das zweite Marshmallow hatten warten können, waren als Erwachsene zielstrebiger und erfolgreicher in Schule und Ausbildung. Darüber hinaus waren sie in der Lage, besser mir Rückschlägen und Niederlagen umzugehen. Die Ungeduldigen waren im Gegenzug in der Schule deutlich schlechter, obwohl sie nicht weniger intelligent waren. Auch waren sie emotional instabiler.
Gemessen hat Walter Mischel damals nicht nur die Willenskraft der Kinder. Sondern auch die Geduld. Es war eine Mischung aus Selbstbeherrschung und Ausdauer. Der Marshmallow-Test gehört zu den bekanntesten Experimenten der Psychologie (Stangl, 2019).
Wer also in der Lage ist zu warten und kurzfristige Erfolge auszuschlagen, der wird langfristig wesentlich mehr in seinem Leben erreichen.
Weiter machen, wo andere aufgeben
Wenn ich etwas nennen muss, was mich auszeichnet und charakterisierend für mich und mein Leben ist, dann ist es die Tatsache, dass ich ausdauernd bin und nicht aufgebe. Es ist schon immer so gewesen, dass ich da weiter mache, wo andere das Handtuch schmeißen. „Never give up“ ist die Einstellung eines jeden Sportlers. Ich bin von klein auf mit dieser Einstellung groß geworden, denn darum geht es letztlich im Sport, niemals aufzugeben. Darum geht´s aber nicht nur im Sport, sondern im ganzen Leben. Nichts von dem, was ich bisher in meinem Leben erreicht habe, ist mir zugefallen. Ich musste für alles kämpfen. Alles habe ich nur erreicht, weil ich einfach nicht aufgegeben und beharrlich meine Ziele verfolgt habe. Das gilt für alle Bereiche meines Lebens. Andere waren immer schneller als ich und haben kurzfristig auch wesentlich mehr erreicht. Aber eben nur kurzfristig, langfristig habe ich die meisten um Längen überholt.
Dranbleiben, auch wenn der Ausgang in den Sternen steht
Ich gebe so viele Beispiele aus dem Berufsleben, da möchte ich Ihnen gerne auch eines aus dem privaten Bereich mit auf den Weg geben: Ich habe mich vor einiger Zeit in eine wunderbare Frau verliebt. Ich habe versucht, sie zu erobern, aber so recht ließ sie sich nicht darauf ein. Mit der Zeit sagte sie mir, dass sie gerade erst eine längere Beziehung hinter sich hat und etwas Zeit braucht. Allerdings sagte sie nicht, wie lange und ob sie dann auch noch offen für mich ist, stand in den Sternen. Ich entscheid mich, zu warten und dranzubleiben, trotz des mehr als ungewissen Ausgangs.
Die Zeit war für mich nicht einfach und mir ging es damit auch nicht gut. Aber ich war bereit, zu leiden, zumindest für eine gewisse Zeit. Die meisten Männer hätten nach dem ersten oder zweiten Korb aufgegeben und sich auf etwas Neues konzentriert. Das kann ich auch niemandem übel nehmen. Für mich aber war klar: Ich möchte das Herz dieser Frau erobern, denn ich habe noch nie für einen anderen Menschen so etwas empfunden, wie für sie. Ich war bereit, durch das Tal der Tränen zu gehen, was am Ende auf mich wartete, war es mir wert. Sollte ich das nicht schaffen, dann möchte ich trotzdem alles gegeben haben und nichts unversucht gelassen haben. Der Weg durch das Tal dauerte länger, als mir lieb war und nach mehr als sieben Monaten musste auch ich einsehen, dass ich wohl keine Aussichten mehr auf Erfolg habe. Aber ist es vielleicht noch zu früh, aufzugeben? Ich entschloss mich, es noch weiter zu versuchen.
Seit einem Jahr sind wir zusammen und haben eine wunderbare Zeit. Einzig meiner Ausdauer habe ich es zu verdanken, dass ich mein privates Glück gefunden habe. Es war ein Kampf. Ein sehr Harter sogar, größtenteils mit mir selbst. Aber es hat sich gelohnt. Jeder einzelne Tag mit ihr ist eine Entschädigung, für die harten Monate, in denen ich emotional sehr gelitten habe.
Es dauert immer länger, als gedacht
Egal, ob es nun um die Eroberung eines potenziellen Partners, der Weg zum Traumjob oder das Herzensprojekt ist, es dauert in der Regel immer länger, als man denkt. Wir gehen allzu oft davon aus, dass alles nach Plan und der Weg geradeaus verläuft. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Es läuft selten so, wie geplant. Ich hätte niemals gedacht, dass es acht Jahre dauert, um mich im Rednermarkt zu etablieren. Zwischen der Zeit, die wir einplanen und der Zeit, die ein Vorhaben tatsächlich dauert, ist oftmals eine erhebliche Differenz. Leider geben viele Menschen auf, sobald sie ihr Vorhaben nicht in der erwartenden Zeit erreichen.
Es ist völlig in Ordnung, ein Vorhaben mal nicht zu erreichen. Aber es ist nicht in Ordnung, zu früh aufzugeben, nur weil es unangenehm wird.
Wenn´s nicht anders geht: Der Cut
„Never give up“ soll nicht heißen, völlig in sein Verderben zu rennen. Wenn eindeutig ist, dass ihr Vorhaben keine Chance mehr auf Erfolg hat, dann wäre es naiv an ein Wunder zu glauben und dennoch weiter zu machen. Ich war bei der Eroberung meiner Lebenspartnerin selbst kurz davor, aufzugeben – den sogenannten Cut zu machen. Ich hätte aber jederzeit in den Spiegel gucken und sagen können, dass ich alles gegeben habe. Hätte sie mir gesagt, dass ich sie in Ruhe lassen soll, hätte ich auch das getan – hat sie aber nicht.
Was beim neunten Mal nicht klappt, kann beim zehnten Mal klappen
Es muss ja kein Cut für immer sein. Hätte ich es nicht geschafft, Redner zu werden, hätte ich mich erst einmal umorientiert. Aber ich hätte es mit der Zeit immer weiter versucht. Wäre ich es jetzt nicht geworden, dann vielleicht in zehn Jahren. Vielleicht auch erst in zwanzig, aber ich hätte es geschafft – irgendwann.
Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie viele Versuche er für sein Vorhaben unternehmen möchte. Eins steht auf jeden Fall fest: In den seltensten Fällen gelingt uns etwas auf Anhieb. Die Dinge, die uns wirklich wichtig sind und am Herzen liegen, müssen wir uns erkämpfen. Und nur, weil etwas beim ersten, zweiten oder dritten Versuch nicht klappt, heißt das nicht, dass es beim zehnten Versuch nicht klappt.
Es gibt nur einen Gegner, der uns zerstören kann: Wir selbst!
Wir sind oftmals der Meinung, dass wir gegen so viele Gegner kämpfen müssen. Natürlich ist das in gewisser Weise auch richtig. Beim Sport gibt es immer einen oder mehrere Gegner, die man besiegen möchte. Gleiches gilt für das Berufsleben, man kämpft um eine bessere Stelle gegen Hunderte von anderen Bewerbern. Im Job angekommen, ist es der Kampf gegen seine Kollegen, um eine Beförderung. Im Privatleben ist es dann der Kampf um eine Frau oder einen Mann, wo man versucht, sich gegen andere Verehrer durchzusetzen. Für Unternehmen ist es der Kampf gegen die Konkurrenz. Egal, in welchen Bereichen des Lebens, es gibt so gut wie immer einen Gegner. Unser größter Gegner sind aber in den seltensten Fällen andere Menschen, unser größter Gegner sind wir selbst.
Zu oft stehen wir uns selbst im Weg. Wir machen uns Gedanken über alles und jeden, haben Selbstzweifel, Ängste, geben uns auf und setzen uns unter Druck. Letztlich gibt es nur einen Kampf, den wir gewinnen müssen, und das ist der Kampf gegen uns selbst. „Wenn Sie wissen wollen, wer Sie sind, laufen Sie einen Marathon“ – ich weiß nicht mehr, wer das gesagt hat, aber er hat recht. Auch wenn Ihnen Laufen keinen Spaß macht, laufen Sie einen. Mir macht es auch keinen Spaß. Aber ich bin dankbar für diese Erfahrungen. Sie lernen in ein paar Stunden mehr über sich, als die letzten 20 Jahre. Denn hier ist der Kampf mit sich selbst am offensichtlichsten. Natürlich haben Sie auf der Laufstrecke Gegner, die Sie
besiegen wollen, zumindest vor denen Sie im Ziel ankommen wollen. Bevor Sie diese aber besiegen können, müssen Sie zuerst einmal sich selbst besiegen. Der Kampf geht genau dann los, wenn Sie nicht mehr können. Dann, wenn die Schmerzen kommen, wenn Ihr Kopf sagt, „ich kann nicht mehr.“ Bei meinem ersten Marathon habe ich ab Kilometer 37 meine Gedanken und Emotionen nicht mehr im Griff gehabt. Ich war sicher nicht perfekt vorbereitet – wie auch, es war mein erster Marathon. Ich wusste überhaupt nicht, was auf mich zu kommt und welche Herausforderungen mich auf den 42,195 Kilometern erwarten.
Der Kontrollverlust – wenn nichts mehr geht
Ich werde es nie vergessen: Bei Kilometer 37 standen meine Eltern an der Strecke und haben mich angefeuert. Ich habe mich unglaublich darüber gefreut. Beide hatten ein Jahr zuvor relativ kurz nacheinander einen Schlaganfall. Beide haben es mit viel Glück ohne größere Folgeschäden überstanden. Aber nach solchen Erfahrungen bekommt man eine andere Sicht auf die Dinge. Eine andere Sicht auf das Leben. Es wird einem klar, dass nichts unendlich ist und es jeden Tag vorbei sein kann, mit jedem von uns. Genau solche Gedanken hatte ich im Kopf, als ich meine Eltern jubelnd am Streckenrand stehen gesehen habe. Werden Sie nächstes Jahr wieder dabei sein? Wird es einen nächsten Schlaganfall geben? Wenn ja, werden sie genau so viel Glück haben? Diese Fragen haben mich emotional völlig heruntergezogen. Bin ich ein guter Sohn? Diese Frage hat mir den Rest gegeben. Ich habe während des Laufens angefangen zu weinen und war nicht mehr in der Lage meine Gedanken zu kontrollieren. Die Erschöpfung war einfach zu groß. Ich konnte nicht mehr. Weder physisch noch psychisch. Was hatte ich also für eine Wahl: Ich konnte mich alle dem ergeben und aufgeben. Immerhin bin ich 37 Kilometer weit gekommen. In den Augen vieler Menschen sicher eine tolle Leistung. Aber aufgeben? Das war für mich noch nie eine Option. Ich habe noch nie in meinem Leben aufgegeben, warum also jetzt damit anfangen. Also gab es nur noch eine: mich meinen eigenen Dämonen zu stellen. Der einzige Gegner, den ich jetzt noch vor Augen hatte, war ich selbst. Ich musste mental Außergewöhnliches leisten. Die nächsten 5,195 Kilometer war ich mit meinen unerträglichen Schmerzen, meinen niederschmetternden Gedanken und meinen bitteren Tränen alleine. Aber ich bin ins Ziel gekommen und habe den Kampf gegen mich selbst gewonnen.
Wenn Sie keinen Marathon laufen wollen, ist das völlig in Ordnung, darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, dass wir diesen Kampf gegen uns selbst in allen schwierigen Situationen unseres Lebens kämpfen müssen, ob wir nun wollen oder nicht. Natürlich müssen wir nicht kämpfen, aber dann haben wir schon verloren – gegen uns selbst.
Stellen Sie sich vor, Sie müssen eine wichtige Präsentation vor einem Kunden halten. Geht sie erfolgreich aus, ist das der nächste Karriereschub für Sie, von dem Sie so sehr träumen. Die meisten von uns werden vor dieser Präsentation quälende Gedanken im Kopf haben: „Bin ich gut genug?“ „Was, wenn ich die Präsentation versaue?“ „War´s das dann mit meiner Karriere?“ „Wie wird mein Chef wohl reagieren?“
Sie halten keine Präsentationen? Vielleicht würden Sie gerne mehr Sport machen oder sich gesünder ernähren. Der Wille ist da, aber Sie finden immer wieder neue Ausreden, warum Sie keine Zeit haben mit dem Sport anzufangen oder warum es gerade mit der gesunden Ernährung nicht passt. Der berühmte innere Schweinehund meldet sich bei Ihnen und hindert Sie daran, dass zu tun, was Sie eigentlich tun wollen – herzlich willkommen im Kampf gegen sich selbst.
Im entscheidenden Moment sind wir mit uns allein
Zwischen einer erfolgreichen Präsentation und einem absoluten Desaster steht nur eine Person, Sie selbst. Ob es nun der Marathon, die Präsentation, das Bewerbungsgespräch, ein Vortrag oder ein Date mit der Traumfrau oder dem Traummann ist, im entscheidenden Moment sind wir mit uns alleine. Wir selbst sind unser härtester Gegner. Wer in der Lage ist, sich selbst zu besiegen, wer seinen inneren Schweinehund überwinden kann, der hat viel erreicht und wird viel erreichen. Diese Fähigkeit entscheidet in den wirklich wichtigen Situationen des Lebens über Erfolg oder Misserfolg. Die Frage ist nur: Wie stark sind Sie?
Das Warum: Alles ist möglich
Zu Beginn seiner Karriere hat der österreichische Gewichtheber Matthias Steiner bereits gesagt, dass er der stärkste Mann der Welt werden will. Er hatte eine Vision, ein großes Ziel. Vielleicht war es sogar sein Lebensziel. Bei den Europameisterschaften in Sofia, im Jahr 2005, war er die große österreichische Medaillenhoffnung. Eine Hoffnung, die direkt zu Beginn im Keim erstickte. Matthias Steiner ist bereits in der Anfangsphase des Wettkampfes kläglich gescheitert. Aus diesem Scheitern heraus kam es zu einem Streit zwischen ihm und dem österreichischen Leichtathletikverband, der so eskalierte, dass Steiner eine Entscheidung getroffen hat: nie wieder ein Wettkampf für Österreich. Nun ist es in der Leichtathletik so, dass Athleten nur für das Land bei internationalen Wettkämpfen antreten dürfen, dessen Staatsangehörigkeit sie haben. Für Steiner bedeutete das, dass er somit an keinem internationalen Wettkampf mehr teilnehmen konnte.
Im Dezember 2005 hat er, wie er selbst gesagt hat, die Liebe seines Lebens aus Zwickau geheiratet und ist mit ihr zusammen nach Deutschland gezogen. In Deutschland lebend, stellte er den logischen Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Während er auf seine Einbürgerung gewartet hat, durfte er an keinem internationalen Wettkampf teilnehmen. Auch
zwei Jahre nach seinem Antrag stand er immer noch nicht auf der großen Bühne. Er war nur bei nationalen, eher unbedeutenden Wettkämpfen. Ohne diese jetzt schlecht reden zu wollen, aber beim Gewichtheben haben die internationalen Wettkämpfe einfach die größere Bedeutung. Steiner ist in dieser Zeit oft gefragt worden, wie er das durchhält, wo sein Sport doch ausschließlich auf internationaler Bühne stattfindet. Er sagte, dass seine Frau seine große Stütze sei. Sie helfe ihm, diese schwere Zeit seiner Karriere durchzustehen. Sie sei der Grund für ihn weiterzumachen.
Sechs Monate nach dieser Aussage ist seine Frau Susan bei einem schweren Autounfall unverschuldet ums Leben gekommen. Matthias Steiner hat sich daraufhin völlig zurückgezogen. Anfang 2008 wurde sein Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft bewilligt und er durfte als Gewichtheber für Deutschland an den Start gehen. Drei Monate nach dem Tod seiner Ehefrau bestritt er seinen ersten internationalen Wettkampf seit über zweieinhalb Jahren und gewann völlig überraschend die Silbermedaille bei den Europameisterschaften. Mit diesem Ergebnis qualifizierte er sich zugleich für die ein paar Monate stattfindenden Olympischen Spiele in Peking.
Dann war es soweit, 19. August 2008, Peking. Entscheidungstag im Gewichtheben in der Gewichtsklasse über 105 Kilogramm. Matthias Steiner startete wieder einmal mit einer sehr schlechten Leistung in den Wettbewerb. Zwar schaffte er den ersten Versuch im Reißen mit 198 Kilogramm, aber bereits den zweiten Versuch mit fünf Kilogramm mehr auf der Hantelstange musste er abbrechen. Es kamen die ersten Probleme. Aus der Vergangenheit war zwar schon bekannt, dass Steiner im Reißen nicht unbedingt der Stärkste ist, aber der Wettkampf lief bisher für ihn alles andere als rund. Nach dem Reißen lag er nur auf dem vierten Platz und die Medaillenränge waren in weiter Ferne.
Dann war es soweit, die Paradedisziplin von Matthias Steiner, das Stoßen, war an der Reihe. Aber auch hier setzte sich der bisher rabenschwarze Tag fort: Im ersten Versuch scheiterte er an 246 Kilogramm. Ein Gewicht, das er sonst im Schlaf stemmt. Im zweiten Versuch behielt er dann aber die Nerven und stemmt die 248 Kilogramm. Mit diesem Ergebnis hatte er die Bronzemedaille sicher. Realistisch betrachtet, waren Platz eins und zwei vergeben. Seine Kontrahenten hatten drei starke und gültige Versuche absolviert und Steiner lag neun Kilogramm hinter dem Führenden. Er war der Letzte, der noch einen offenen Versuch hatte.
Für einen Sieg musste er unmenschliche 258 Kilogramm hochheben, was acht Kilogramm über seiner absoluten Bestleistung lag. Mehr als 250 Kilogramm hat er noch niemals in seinem Leben hochheben können, weder im Training noch im Wettkampf. Dennoch ließ er sich in seinem dritten und letzten Versuch diese 258 Kilogramm auflegen – und er hat sie hochgehoben. Er wurde Olympiasieger und war zugleich der erste deutsche Olympiasieger im Gewichtheben seit sechzehn Jahren.
Das Warum entscheidet, wie es weitergeht
Wie ist das bloß möglich? Ein Jahr bevor Matthias Steiner auf dem Höhepunkt seiner Karriere, seines Lebens stand, hat er alles verloren, was in seinem Leben Bedeutung hatte. Ein Jahr später macht er das Unmögliche möglich und gewinnt die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen, wird der stärkste Mann der Welt. Mit einer Leistung, die auch von seinen Kontrahenten als „unmenschlich“ bezeichnet wurde.
Matthias Steiner hatte ein Warum. Ein Warum, das stärker war als der unerträgliche Schmerz. Ein Warum, das stärker war als seine Zweifel. Ein Warum, das ihn jeden Tag aufs Neue angetrieben hat. Als seine Frau Susan schwer verletzt auf der Intensivstation lag und die Ärzte ihm gesagt haben, dass sie es nicht schaffen wird, hat er bis zum Ende neben ihr gesessen. Er hat ihr am Sterbebett versprochen, bei den Olympischen Spielen in Peking die Goldmedaille zu gewinnen – für sie – weil sie es sich so sehr für ihn gewünscht hat. Und er hat die Goldmedaille gewonnen, schlicht und einfach weil sein Warum stärker war als sein Schicksalsschlag.
Warum erzähle ich Ihnen diese extreme Geschichte? Irgendwann in unserem Leben kommt jeder von uns einmal an den Punkt, an dem das Warum entscheidet, wie es in unserem Leben weitergeht. Ob wir unseren Zielen weiter nachgehen oder ob wir aufgeben. Diejenigen, die ein starkes Warum haben, werden weitermachen. Aber diejenigen, die ein schwaches oder gar kein Warum haben, werden aufgeben. Fragen Sie sich einmal selbst: Was hält Sie im Spiel, wenn Niederlagen kommen? Was ist Ihr Grund morgens aufzustehen? Und mit Grund meine ich nicht, morgens aufzustehen, weil der Chef es von einem erwartet oder um Geld zu verdienen. Irgendwann werden Situationen kommen, wo solch ein Warum nicht mehr stark genug ist.
„Es ist nicht wichtig, was wir wollen. Wichtig ist, wie sehr wir es wollen.“
Die meisten Menschen beschäftigen sich immer nur mit dem „Wie“, um dann relativ schnell zu der recht ernüchternden Erkenntnis zu kommen, „ich habe keine Ahnung, wie ich meine Ziele erreichen soll.“ Und das müssen Sie auch nicht, sie müssen nicht wissen, wie Sie etwas in Ihrem Leben erreichen können. Sie müssen wissen, warum Sie etwas erreichen wollen, denn wenn Sie ein Warum haben, kommt das Wie von ganz alleine.
Das Warum: Der Sinn des Lebens?
Unser Warum ist der Grund für unser Handeln. Die meisten Menschen haben große Ziele, wollen erfolgreich sein, viel Geld verdienen, teure Autos fahren oder wollen teure Luxusurlaube machen. Ein Blick in die breite Masse genügt, um die Ziele der meisten Menschen zu definieren: Keine finanziellen Sorgen, eine gute berufliche Karriere, eine erfüllte Partnerschaft und zwei bis drei Mal im Jahr einen schönen Urlaub machen möchten. Es mag andere geben, die einen teuren Sportwagen, teure Designerklamotten und Luxusimmobilien bevorzugen. Die Frage nach dem Warum erübrigt sich, denn es geht primär um Statussymbole. Was denken wohl andere Menschen, wenn wir mit einem dicken Porsche zur Arbeit fahren? Oder wir drei Wochen auf den Malediven in einem fünf Sterne Luxus-Ressort Urlaub machen? Dass wir erfolgreich sind. Wir werden bewundert, weil es sich viele Menschen eben nicht leisten können. Wir stechen heraus aus der Masse, man schaut zu uns auf.
Gegen solche Ziele und Gründe ist im Prinzip nichts einzuwenden, nur fehlt das echte Warum. Wenn wir uns die Super-Erfolgreichen einmal näher anschauen, sehen wir, dass deren Motive für ihr Handeln nichts mit Geld, Macht oder sonstigen Statussymbolen zu tun haben. „Den Wandel der Welt zu nachhaltiger, sauberer Energie beschleunigen“ lautet zum Beispiel das Motiv von Tesla-Gründer Elon Musk. Er will die Welt verbessern. Es sind die tiefen, persönliche Gründe, die uns antreiben. Gründe, die dafür sorgen, dass wir niemals aufgeben. Ganz egal, welche Hindernisse sich uns auch in den Weg stellen mögen. Mit dem Warum geben wir unserem Handeln einen tiefen Sinn, losgelöst von Geld, Macht Ruhm.
Der Schlüssel zu Willensstärke, Disziplin und Motivation
Wer etwas in seinem Leben erreichen möchte, der braucht Willensstärke, Disziplin und Motivation. Besonders mit der Disziplin ist das so eine Sache. Viele Menschen haben ein großes Ziel vor Augen, machen sich auf den Weg und nach den ersten kleinen Unannehmlichkeiten verlieren Sie die Geduld und lassen Ihre Ziele links liegen. Wie viel mehr könnten wir Menschen in unserem Leben erreichen, wenn wir diszipliniert an unseren Zielen arbeiten würden?
Disziplinlosigkeit führt ins Scheitern, zwangsläufig. Dabei sagt unsere Disziplin auch sehr viel über uns aus, nämlich wie ernst wir es mit unseren Zielen meinen. Ein Bekannter von mir hatte vor drei Jahren einen Schlaganfall. Er hat Gott sei Dank alles ohne größere Schäden überstanden. Die Ursachenforschung hat schnell ergeben, wo der Schlaganfall herkam: Bluthochdruck. Ein hoher Blutdruck ist nur ein Symptom, die Ursachen sind oft vielfältig. In diesem Falle war er zurückzuführen auf eine Jahrzehnte lange, ungesunde Ernährung. Daraus resultierte Übergewicht, was unter anderem zu einem konstant hohen Blutdruck führt. Langer Rede kurzer Sinn: Er musste abnehmen und seine Ernährung umstellen. Hauptsächlich, um einen weiteren Schlaganfall zu vermeiden, der wahrscheinlich nicht so glimpflich ausgehen würde, wie der Erste.
Das erste Jahr nach seinem Schlaganfall hat er 15 Kilogramm abgenommen, seine Ernährung völlig umgestellt und einen gesunden Lebensstil eingeschlagen. Er brachte jeden Tag die Disziplin auf, ungesunde Lebensmittel links liegen zu lassen und darauf zu verzichten – wohl wissend warum, immerhin ging es hier um sein Leben. Die Monate vergingen, die Kontrolluntersuchungen bei den Ärzten waren stets positiv und es wurde ihm eine gute Gesundheit bescheinigt. Mit der Zeit erlaubte er sich in Bezug auf seine Ernährung immer mehr. Hier ein Stück Kuchen, da eine Tafel Schokolade, dort ein Glas Wein. Es dauerte keine sechs Monate und er hatte wieder zehn Kilogramm zugenommen.
Eiserne Disziplin das können die wenigsten
Zurückzuführen auf mangelnde Disziplin. Kurzfristig kann jeder von uns mit einer eisernen Disziplin auftrumpfen, langfristig jedoch nur die wenigsten. Wie ernst meint mein Bekannter es wohl mit seinem Vorhaben gesund zu leben? Disziplin brauchen wir, um Dinge zu erledigen, auf die wir keine Lust haben oder die unsere Gewohnheiten unterbrechen.
Ich habe ihn darauf angesprochen und gefragt, warum er sich wieder Stück für Stück zu alten Verhaltensmustern bewegt. Seine Antwort bestand nur aus Ausreden. Seine Frau kocht zu ungesund. Er ist zu oft unterwegs, wo es nun mal nur ungesundes Essen gibt und überhaupt ist es ja schwer, im Alter sein Gewicht zu halten.
Klassisches Beispiel, der Jahreswechsel. Der beste Zeitpunkt für gute Vorsätze. Sie nehmen sich vor, im neuen Jahr mehr Sport zu machen, dreimal die Woche. Erste Januarwoche: Sie sind top motiviert und gehen dreimal die Woche zum Sport, montags, mittwochs und freitags. Zweite Januarwoche: Motivieren können Sie sich nicht, aber Sie sind diszipliniert und gehen dreimal die Woche zum Sport, montags, mittwochs und freitags. Dritte Januarwoche, Montag: Sie haben schlecht geschlafen, hatten einen stressigen Arbeitstag, haben wenig gegessen, kommen nach Hause und fallen erschöpft aufs Sofa – und dann geht es los: „Eigentlich wollte ich ja zu Sport, aber ich war ja die letzten beiden Wochen jeweils dreimal die Woche.“ „Wenn ich heute nicht gehe, trainiere ich Mittwoch doppelt so hart“ – erfolglose Menschen suchen jeden Tag nach neuen Ausreden, warum sie etwas nicht machen können, erfolgreiche Menschen bringen jeden Tag die nötige Disziplin auf, etwas für ihre Zielerreichung zu tun. Und wo kommt die Disziplin her? Aus unserem Warum. Disziplin ist nur ein Symptom, die Ursache ist unser Warum. Je stärker unser Warum, desto stärker ist automatisch auch unsere Disziplin.
Never give up: Das Warum macht es möglich
Gleiches gilt für die Motivation und die Willensstärke. Besonders für unsere Motivation suchen wir immerzu externe Reize. Die einen brauchen einen Motivationstrainer, andere schauen sich jeden Morgen nach dem Aufstehen Motivationsvideos an, wiederum andere sehen in Bonuszahlungen auf der Arbeit eine Motivation, mehr zu leisten. Da ist auch nichts gegen einzuwenden, nur echte Motivation kann so nicht funktionieren. Sobald der Motivationstrainer, die Videos oder die Aussicht auf den Bonus weg ist, ist es auch die Motivation. Niemand kann uns motivieren, außer wir selbst. Motivation kommt aus dem Inneren. Jeder von uns kann sich nur selbst motivieren. Alles, was wir dafür brauchen, ist ein Warum. Auch hier gilt: je stärker das Warum, desto stärker die Motivation. Aufgeben ist dann auf einmal auch keine Option mehr, egal wie oft wir scheitern und Rückschläge einstecken müssen. Nichts davon wird uns abhalten unseren Zielen weiter nachzugehen. Finden Sie einen Grund für alles das, was Sie machen und Disziplin, Willensstärke und Motivation werden nie wieder ein Problem für Sie in Ihrem Leben sein. Und: So paradox es sich auch anhören mag, aber mit einem starken Warum können Sie sich zum Erfolg scheitern, Stück für Stück, denn Sie machen so lange weiter, bis Sie Ihr Ziel erreicht haben – weil Ihnen das Warum klar ist.
Die Suche nach der Liebe des Lebens
Oft kommen Zuhörer nach Vorträgen zu mir, mit dem Feedback, dass sie das Warum sehr inspiriert, aber auch nachdenklich gemacht hat. Viele Menschen jüngeren Alters sagen mir, dass sie gar kein Warum haben und sie es beängstigend finden. Einmal sogar jemand zu mir und meinte, er wäre ein Versager, nur weil ihm sein Warum nicht klar ist. Wo steht es eigentlich geschrieben, dass wir nach der Schule sofort wissen müssen, was wir beruflich den Rest unseres Lebens machen sollen? Und wenn nicht nach der Schule, dann spätestens nach der Uni oder der Ausbildung.
Es sind nur ganz wenige, die den Sinn dieses Gesellschaftsbildes hinterfragen, was eigentlich jeder machen sollte. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Wenn Sie was gefunden haben, was Sie lieben, dann müssen Sie nie mehr in Ihrem Leben arbeiten. Nur ist dieses „Etwas“ zu finden ein Prozess. Wie soll ein junger Mensch ohne Lebenserfahrung so eine Entscheidung treffen? Meiner Meinung nach ist das unmöglich. Niemand von uns kann wissen, was er mit seinem Leben anfangen will, wenn man zuvor immer nur das gemacht hat, was andere von einem erwarten. Der Druck kommt oftmals aus der eigenen Familie: „Was willst Du mit Deinem Leben anfangen? Entscheide Dich, sonst landest Du noch auf der Straße!“ „Ich muss Medizin studieren und die Arztpraxis meiner Eltern übernehmen. Die erwarten das von mir…“
Ganz ehrlich, wir müssen gar nichts! Ja, es gibt Menschen, die wissen mit 15 Jahren schon, was sie in ihrem Leben machen wollen. Andere wissen es erst mit 30 Jahren. Wiederum andere vielleicht erst mit 40 Jahren. So lange wir nicht aufhören nach unserer Passion zu suchen, ist das völlig in Ordnung. Die Suche nach dem Warum ist nicht leicht. Nehmen Sie sich Zeit herauszufinden, was Ihnen persönlich wichtig ist und was Ihnen im Leben Spaß macht. Probieren Sie Dinge aus und wenn Sie merken, dass es nichts für Sie ist, dann lassen Sie es sein und probieren was Neues. „Probieren geht über Studieren“, das weiß jeder von uns, nur müssen wir es auch entsprechend umsetzen.
Selbst, wenn Sie 1.000 Dinge ausprobieren, die Ihnen keinen Spaß machen, irgendwann wird sich eine Tür öffnen und Sie wissen: „Das ist es! Das will ich machen! Das und nichts anderes!“ Einen Job, den Sie nicht mögen und zu dem Sie sich jeden Morgen hinschleppen müssen, werden Sie immer finden. Nur ist das Leben dafür zu kurz. Wir sind nicht dafür da, unser Leben mit etwas zu verschwenden, dass wir nicht wollen. Gehen Sie Ihren Weg, in Ihrem Tempo und hören Sie nicht auf, nach Ihrer Passion zu suchen. Ich bin der festen Überzeugung, dass in jedem von uns etwas Besonderes steckt. Jeder von uns kann etwas richtig gut. Nur machen die wenigsten etwas daraus. Einige machen sich gar nicht erst auf die Suche nach ihren Talenten.
Arbeit darf Spaß machen: Wofür schlägt Ihr Herz?
Ich habe bis zu meinem 30. Lebensjahr warten müssen, bis ich meinen Weg gefunden habe. Als ich mit der Berufung des Redners in Berührung kam, wusste ich sofort: „Das ist es! Das will ich machen!“ Ich wusste, dass es richtig ist. Ich habe tief in mir drin gespürt, dass es mein Weg ist. Meine Berufung, meine Erfüllung. Mir war auch sehr schnell klar, warum ich das machen möchte, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie ich ein Redner werde und was das alles mit sich bringt. Es war mir auch egal, ich hatte ein Warum, das Wie wird schon kommen, da war ich mir sicher. Ich musste viele andere Dinge ausprobieren, um an diesen Punkt zu kommen. Natürlich waren da auch viele Enttäuschungen dabei, zum Beispiel ein geplatzter Lebenstraum, aber ich habe nie aufgehört nach etwas zu suchen, was ich wirklich in meinem Leben machen möchte. Jetzt habe ich es gefunden. Dafür musste ich aber mit anderen Dingen scheitern.
Ich habe nur ein Leben – und differenziere nicht zwischen Berufs und Privatleben
Als Redner auf der Bühne zu stehen ist für mich keine Arbeit, es ist mein Leben. Ich differenziere mittlerweile gar nicht mehr zwischen Berufs- und Privatleben, ich habe nur ein Leben. Ein Leben, in dem ich das mache, was ich machen will. Ein Leben, in dem ich das machen darf, was mich erfüllt. Ich „arbeite“ im Urlaub, weil es mir Spaß macht. Ich muss mich nicht aufraffen, morgens früh aufzustehen – ich kann es kaum erwarten loszulegen. Ich brauche kein Wochenende, um mich von meiner Woche zu erholen. Ich mag auch keine Feiertage, weil ich dann nicht richtig meinen Zielen nachgehen kann und niemanden erreiche. Für viele Menschen, auch aus meinem Umfeld, ist das unverständlich. Für Menschen, die das Lieben, was sie machen, ist es das Normalste auf der Welt. Wie viele Menschen fahren in den Urlaub, um sich von ihrer Arbeit zu erholen? Wie viele Menschen freuen sich montags schon aufs Wochenende, weil sie da nicht arbeiten müssen? Wie viele Menschen gehen am Wochenende feiern und betäuben sich mit Alkohol, weil sie so unglücklich mit ihrem Job und ihrem Leben sind? Es sind mit Sicherheit sehr viele. Wenn wir das, was wir machen, nicht lieben, warum machen wir es dann?